Heft231_2016_3-5_NR231_2016_3-5.qxd 07.06.2016 09:10 Seite 3 Editorial Mögen Sie Pferde? Oder sind Sie gar ein echter Rosserer? Dann wissen Sie jetzt schon, was Sie am Sonntag, den 17. Juli 2016 machen werden. Richtig! Sie kommen nach Zwiesel zum Brauereiwagen-Geschicklichkeitsfahren und erleben auch heuer wieder eine kurzweilige, zugleich spannende und darüber hinaus hoch professionelle Veranstaltung mit jeder Menge Stars und Sternchen. Wer die Stars sind? Natürlich die prachtvollen Kaltblüter, die stolzen Brauereirösser im Viererzug, die den schwierigen Parcours auf dem Zwieseler Stadtplatz sicher auch heuer wieder mit Bravour meistern. Gelenkt werden sie von erfahrenen Fuhrleuten aus den Brauereien des Bayerischen Waldes, die mit großer Geschicklichkeit und noch größerer Erfahrung ihre herrlich kraftvollen Gespanne zu Höchstleistungen führen. Der Gedanke, der dieser Zwieseler Traditionsveranstaltung zu Grunde liegt, ist die Erinnerung an den Arbeitsalltag der Bierfahrer, die in früheren Zeiten vom Aufladen der schweren Holzfässer bis hin zur punktgenauen Auslieferung des süffigen bayerischen Gerstensaftes hart arbeiten mussten. Allzu oft galt es, enge Hofeinfahrten zu meistern, gefährliche Furten zu durchqueren und schwierige Laderampen zu überwinden, ohne dass dabei die Ladung oder gar die Rösser zu Schaden kommen durften. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird in der Stadt Zwiesel mit dem Brauereiwagen-Geschicklichkeitsfahren Brauchtum im besten Sinn gepflegt. Dabei kann die Leistung der 150 ehrenamtlichen Helfer, der Beitrag Weniger zum Gemeinwohl einer intakten Bürgergesellschaft, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Schöner Bayerischer Wald hofft deshalb, dass Meta Gaschler, die engagierte ehrenamtliche Organisatorin dieser Großveranstaltung, die Tradition ihrer Familie noch lange weiterführt: Großvater, Otto Bauer, war selbst Brauer und später dann Bierfahrer bei der Zwieseler Janka Brauerei, ihr Vater, Alois Weber, ein eingefleischter Rosserer, hat das Brauereiwagen-Geschicklichkeitsfahren 1988 zusammen mit Dr. Dieter Pfeffer und Egon Probst aus der Taufe gehoben und über viele Jahre hinweg zum Erfolg geführt. Und auch der Sohn, Klaus Gaschler, wiederum gelernter Mälzer und Brauer, packt selbstverständlich kräftig mit an beim überregionalen Wettbewerb der Brauereirösser. Zur Volksfestzeit, im Jahr des Bieres, in dem wir in Bayern natürlich die Fahne unseres 500 Jahre alten Rein- heitsgebots hochhalten, empfiehlt Schöner Bayerischer Wald zudem den Besuch der Bayerischen Landesausstellung 2016 in Aldersbach. Zum Thema Bier in Bayern illustriert sie die Bayerische Wirtshauskultur und ihren Siegeszug rund um den Globus – noch bis zum 30. Oktober. Lassen Sie sich eine frische Maß einschenken. Vor der bayerisch-barocken Klosterkulisse schmeckt sie sicher besonders gut! Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 3 Heft231_2016_3-5_NR231_2016_3-5.qxd 07.06.2016 09:10 Seite 4 INHALT KULTUR · FREIZEIT · UNTERHALTUNG Land und Leute 6 Sven Bauer: Localbahnmuseum Bayerisch Eisenstein 10 Karl-Heinz Paulus: Donaufischer und Naturmensch 12 Sigrid Schiller-Bauer: Goldgräberstimmung in Regen 16 Ulrike Eberl-Walter: In und um Wörth an der Donau 19 Ulrike Eberl-Walter: Der Chinesische Turm in Donaustauf Kunst und Handwerk 20 Karl-Heinz Paulus: Meister der perfekten Form 22 Evi Pelzer: Im Künstlergarten Nußer Kultur und Brauchtum 4 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 26 Roland Pongratz: Ausstellung zur Harmonikageschichte 28 Jens Schörnich: Römermuseum zum Erleben Heft231_2016_3-5_NR231_2016_3-5.qxd 07.06.2016 09:11 Seite 5 Im Juli blüht am Großen Arbersee die Gelbe Teichrose. (Foto: R. Schreder) www.schöner-bayerischer-wald.de Natur und Landschaft Sven Bauer: Ein Wandertagebuch aus dem Jahr 1944 30 Roland Schreder: Sommerabend am Großen Arbersee 34 Thomas Michler: Im Wildniscamp am Falkenstein 36 Dr. Peter Dillinger: Wandern rund um die Waldlaterne Saldenburg 40 Leben und Leben Lassen Ines Kohl: Tradition beim Pichelsteinerfest Helga Rohmann: Unser Leibspeis: Ricotta-Basilikum-Nockerl 44 In eigener Sache 46 47 Roland Schreder: Faszination Berglauf 48 Milos̆ Juha: Mit den Wölfen heulen in Srní 52 Aktuelles Bücherecke 54 Schöner Bayerischer Wald aktuell: Kulinarisches Schaufenster 56 Leserbriefe 60 Leser werben Leser: Genießen im Panoramahotel Grobauer 61 Vorschau 82 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 5 Heft231_2016_6-19_NR231_2016_6-19.qxd 14.06.2016 12:35 Seite 6 Land und Leute Einladend gestaltet ist schon der Eingangsbereich des Localbahnmuseums. Einst diente das Gebäude als Lokschuppen. (Fotos: S. Bauer) Eisenbahn-Nostalgie vom Feinsten In Bayerisch Eisenstein sind die Eisernen Rösser daheim Von Sven Bauer Die Eisenbahn war eine der durchschlagendsten Erfindungen des 19. Jahrhunderts. Sie verband Städte und Länder, ermöglichte den Transport von Gütern und Menschen und wurde so zum Motor der Industrialisierung. Damit auch abgelegene Regionen in den Genuss der Vorteile des zukunftsweisenden Verkehrsmittels und der „großen weiten Welt“ ein Stück näher kamen, wurden Nebenbahnen gebaut. Das Localbahnmuseum in Bayerisch Eisenstein erzählt die Geschichte dieser Nebenbahnen und führt seine Besucher in eine nostalgische Welt, an der nicht nur Eisenbahnfans und Technikliebhaber ihre Freude haben. 6 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 Die Bahnhofstraße in Bayerisch Eisenstein ist geprägt von der Eisenbahn. Bereits 1877 ging die Bahnlinie von Plattling nach Bayerisch Eisenstein in Betrieb. Eine durchgehende Verbindung bis nach Pilsen war nun möglich. Das wohl bekannteste Gebäude der Straße ist der sogenannte Grenzbahnhof, der je zur Hälfte auf deutscher und tschechischer Seite steht. Stündlich kommen hier die Züge aus Plattling an oder fahren nach dorthin ab. Die Weiterfahrt nach Tschechien ist ebenfalls ohne Probleme möglich. Heutzutage ist die schmucke Allee, die einen herrlichen Blick auf den Arber gewährt, nicht mehr nur als wichtige Bahnstation von Bedeu- tung. Mittlerweile hat sie sich als „Erlebnisallee im Arberland“ einen Namen gemacht. Allerhand gibt es hier zu entdecken. Neben den Naturparkwelten im Grenzbahnhof, den Kuns(t)räumen grenzenlos im ehemaligen Postamt und den Waldmanufakturen ist das Localbahnmuseum eine zentrale Einrichtung. Der Lokschuppen Das Museum findet sich gleich am Beginn der Bahnhofstraße, dort wo es perfekt hinpasst: im Lokschuppen des 1877 und 1878 errichteten Bahnhofsareals. Die Gegebenheiten sind bestens. Schon von außen spürt man den Charme des al- Heft231_2016_6-19_NR231_2016_6-19.qxd 14.06.2016 12:37 Seite 7 Land und Leute ten Bahngebäudes. Dass hier alles so gut in Schuss ist, ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass kein öffentlicher Träger, sondern ein Verein hinter dem Museum steht. Es ist der Bayerische Localbahn Verein e.V. mit Sitz in Tegernsee. 1975 schloss sich die Gruppe von Eisenbahnliebhabern zusammen. Zu- nächst galt das Interesse vor allem dem Betrieb historischer Züge. Das machte man auf den Gleisen der TegernseeBahn und auf zwei Strecken der Regentalbahn. Die Sammlung von originalen Lokomotiven, Eisenbahnwagen und verschiedenem Zubehör ist ein weiteres Vereins- Gerade die Nebenstrecken in den Gebirgslandschaften waren im Winter oft schneebedeckt. Da musste dann der Schneepflug auf Schienen ausrücken. Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 7 Heft231_2016_6-19_NR231_2016_6-19.qxd 14.06.2016 12:39 Seite 8 Land und Leute Die D VII wurde speziell für den Betrieb auf den Bahnnebenstrecken konstruiert. Im Localbahnmuseum steht das einzige noch erhaltene Exemplar. ziel. Handlich ist das alles natürlich nicht und nicht so leicht zu verstauen wie eine Modelleisenbahn. Zunächst liebäugelte der Verein mit der Übernahme des Lokschuppenareals der ehemaligen Isartalbahn in München-Thalkirchen. Pläne, hier ein Museum einzurichten, wurden jedoch aufgegeben, als der Lokomotivschuppen in Bayerisch Eisenstein übernommen werden konnte. Die erste Dampflok Unterstützt von öffentlicher Hand, aber vor allem mit großer Eigeninitiative von Seiten des Vereins, entstand hier in den Jahren von 1981 bis 1994 das Localbahnmuseum. Mittlerweile hat sich das Museum auch in Fachkreisen einen Namen gemacht. Wegen der Einmaligkeit seiner Sammlung ist es höchst anerkannt. Zudem hat es sich fest in der Museumslandschaft der Region etabliert und ist eine Attraktion für Touristen und Einheimische gleichermaßen. 8 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 Allein schon das Ausmaß des historischen Gemäuers ist eindrucksvoll, wenn man die große Halle des Lokschuppens betritt. Und dann steht man hautnah vor den „Eisernen Rössern“, die einst schwer schnaufend ihre angehängte Last auf Schienen durch die Landschaft zogen. Gleich die erste Dampflok ist eines der bedeutendsten Ausstellungsstücke. Es ist die Lok mit der schlichten Bezeichnung D VII, die mit ihrer grünen Farbe wie ein Vorfahr der heutigen Waldbahn daher kommt. Die D VII stammt aus der Münchner Lokfabrik Maffei. Diese Lokgattung wurde eigens für den Betrieb auf den Lokalbahnen geschaffen, denn die Antriebsfahrzeuge auf den Nebenstrecken mussten mit anderen Gegebenheiten zurechtkommen als die Lokomotiven auf den Hauptstrecken. Die D VII ist die letzte ihrer Art, von ursprünglich einmal 75. Der Rundgang führt weiter zu vielen anderen Raritäten der Eisenbahngeschich- te. Dampflokomotiven und Dieselloks sind gleichermaßen vertreten, alles bestens gepflegt und sorgsam restauriert. Sogar eine E-Lok aus dem Jahr 1907, die einst mit sechs Stundenkilometern unterwegs war, ist dabei. Man fühlt sich zurückversetzt in eine Zeit, in der die Geschwindigkeit auf den Bahnstrecken keine so große Rolle spielte. Auch wenn die Züge damals noch relativ gemächlich unterwegs waren, so war es doch im Vergleich zur Reise per Pedes oder mit der Kutsche immer noch eine rasende Geschwindigkeit. Windschnittig mussten die Lokomotiven damals nicht sein, konnten Ecken und Kanten und damit Charakter zeigen. Die Bauweise erlaubt einen Blick auf die komplizierte Mechanik des Radantriebs und in die offenen Führerkabinen. Wer nicht schon allein durch den Anblick der Lokomotiven und Waggons beeindruckt ist, kann sich auf den Infotafeln ausführlich über die inneren Werte der Heft231_2016_6-19_NR231_2016_6-19.qxd 14.06.2016 12:42 Seite 9 Land und Leute Fahrzeuge, deren Geschichte und Einsatzgebiet informieren – übrigens auch in tschechischer Sprache. Daneben gibt es eine ganze Reihe kurioser Gefährte zu bestaunen, zumindest für den Eisenbahnlaien. Da finden sich zum Beispiel Draisinen, ein Schienenfahrrad oder ein „Kleinwagen“ für fünf Personen. Wer sich mit der Tourismusgeschichte der Nachkriegszeit beschäftigt, wird immer wieder auf die „Schienenbusse“ stoßen. Das war ein Bus mit Verbrennungsmotor, der auf Schienen fuhr und vor allem auf den Nebenstrecken zum Einsatz kam. Im Localbahnmuseum ist ein solcher Schienenbus zu sehen. Oft führten die Nebenbahnen in Bergregionen wie den Bayerischen Wald und damit in schneereiche Gegenden. Deshalb brauchte es spezielle Schneepflüge für die Schienen. Gleich zwei solche Exemplare sind in Eisenstein ausgestellt. interessantes Außengelände erkunden. Dort lässt sich zum Beispiel nachvollziehen, wie eine Eisenbahndrehscheibe funktioniert, denn eine solche findet sich direkt vor der Fahrzeughalle. Und wenn man zur rechten Zeit vor Ort ist, kann man auch noch die Waldbahn der Gegenwart nur wenige Meter weiter vorbeifahren sehen. Im Sommer veranstaltet der Localbahnverein immer wieder Fahrten mit historischen Zügen oder stellt auf dem Freige- lände eine Kleinbahn auf. Termine standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Öffnungszeiten: 30. Juni - 29. Juli 2016: Do, Fr, So, Mo 10-17 Uhr 31. Juli - 5. September: täglich 10 - 17 Uhr, ab September 10 - 16 Uhr www.localbahnverein.de Das „Schmuckstück“ Sofort ins Auge sticht das älteste Ausstellungsstück des Museums, das auf der zugehörigen Infotafel ironischerweise als „Schmuckstück“ bezeichnet wird. Es ist ein Personenwagen aus dem Jahr 1870. Als Wagen der 3. Klasse wurde das spartanisch ausgestattete Stück auf dem Schienennetz der Königlich Bayerischen Staatsbahn eingesetzt, nach 1918 nur mehr in der 4. Klasse. Nach der Ausmusterung diente der Eisensteiner Wagen als Behelfsunterkunft und zuletzt als Hühnerstall. Man sieht ihm an, dass er im Lauf der Zeit einiges erlebt hat. Einen gewissen Charme kann man ihm trotzdem nicht absprechen. Das Museum widmet sich aber nicht nur den Schienenfahrzeugen, sondern zeigt auch allerhand Dinge rund um die Eisenbahn. Dazu zählen Exponate zur Signalund Stellwerkstechnik, Hinweistafeln für Lokführer und Straßenbenutzer, Ausrüstung von Lokführern und Schaffnern, Weicheneinstelllampen und vieles mehr. Zudem kann der Besucher ein Der Schienenbus brachte ab den 1950er Jahren auf den Nebenbahnstrecken viele Touristen in die Urlaubsregionen. Es wirkt kurios, das Schienenfahrrad, hatte aber einen ganz bestimmten Zweck. Es diente zur Streckeninspektion. Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 9 Heft231_2016_44-53_NR231_2016_44-53.qxd 15.06.2016 08:10 Seite 48 Leben und Leben lassen Über alle Berge Auf steilen Wegen die Faszination des Laufens erleben Von Roland Schreder Auf dem schmalen Felsenriff des Hennenkobel. 48 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 Heft231_2016_44-53_NR231_2016_44-53.qxd 15.06.2016 08:10 Seite 49 Leben und Leben lassen Der felsige Bergpfad durch die Bodenmaiser Mulde erfordert höchste Konzentration! „Du hast ein wenig zugelegt, stimmt`s?“ Es ist der Arzt meines Vertrauens, der diese Frage stellt, eher beifällig, während eines längst überfälligen Gesundheits-Checks. Ich bemerke jedoch das verschmitzte Lächeln, das der Fragesteller geschickt zu verstecken versucht. Noch bevor ich mir eine passende Ausrede zurechtzulegen kann, werde ich von ärztlicher Seite mit einem Augenzwinkern darüber aufgeklärt, dass jenseits der Fünfzig, ein Kilo mehr oder weniger nicht so entscheidend wäre, solange man sich mit dem eigenen Gewicht identifizieren kann und wohlfühlt. Schau sich einer diesen Schelm an! Nicht ohne Hintergedanken geäußert, trifft mein Hausarzt mit dieser Aussage nämlich den berühmten Nagel auf den Kopf, denn ehrlich gesagt fühle ich mich seit geraumer Zeit eben nicht mehr wohl in der eigenen Haut. Die Anzeige der Körperwaage daheim im Badezimmer ist unbestechlich und offenbart schonungslos, dass ich beträchtlich zugenommen habe. Trotz allem sind die festgestellten Ausdauer- werte noch immer erstaunlich gut. „Du solltest verstärkt auf eine ausgewogene Ernährung achten und wieder mehr Sport treiben“, wird mir aus medizinischer Sicht angeraten. In der Erkenntnis, dass die Ampel im Begriff steht, auf Rot zu schalten und es höchste Zeit ist, sowohl an meinen Essgewohnheiten als auch an meinem Bewegungsverhalten erhebliche Kurskorrekturen vorzunehmen, verlasse ich einigermaßen konsterniert das ärztliche Sprechzimmer. Aller Anfang ist schwer Es muss ja nicht gleich der Idealwert nach dem Body-Mass-Index sein, versuche ich mir einzureden. Trotzdem bin ich fest dazu entschlossen, auf absehbare Zeit mein Körpergewicht deutlich zu reduzieren. Wie sich bald herausstellt, ist das jedoch leichter gesagt als getan, denn ich bin nun einmal kein Kostverächter und liebe es, gut zu essen. Um meinem Vorhaben Taten folgen zu lassen, bleibt mir letztendlich nichts anderes übrig, als (Fotos: R. Schreder) mich in Verzicht zu üben und meine Ernährung nach und nach umzustellen. Schweren Herzens verabschiede ich mich von kalorienreichen Naschereien jeglicher Art und mache einen großen Bogen um sämtliche Süßigkeiten. Und siehe da, erste bescheidene Erfolge stellen sich bereits nach relativ kurzer Zeit ein. Gelaufen bin ich schon immer gerne und im Joggen sehe ich die ideale Ergänzung zur angestrebten Gewichtsreduzierung. Außerdem kann es ja keinesfalls schaden, nach der Arbeit im Büro den Tag mit einer leichten Laufrunde ausklingen zu lassen, um ein wenig abzuschalten und den Kopf frei zu bekommen. Meine erste Trainingseinheit endet ernüchternd. So mühsam hätte ich mir meinen sportlichen Wiedereinstieg nicht vorgestellt. Selbst bei gemäßigtem Tempo gerate ich schnell außer Atem und nach nicht einmal einer halben Stunde geht mir, salopp gesagt, der Sprit aus. Meine Beine werden schwer wie Blei und unangenehmes Seitenstechen zwingt mich mehrmals zu nicht eingeplanten Verschnaufpausen. Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 49 Heft231_2016_44-53_NR231_2016_44-53.qxd 15.06.2016 08:11 Seite 50 Leben und Leben lassen Zu Hause angekommen, bin ich erst einmal restlos bedient! Anderntags verhindert ein fürchterlicher Muskelkater jegliche sportliche Betätigung. Spaß an der Bewegung So schnell gebe ich mich jedoch nicht geschlagen. Auch wenn der Auftakt alles andere als ermutigend war, lasse ich mich nicht von meinem Vorhaben abbringen. Im Gegenteil, ich fasse den Entschluss, von nun an mindestens drei Mal wöchentlich zum Joggen zu gehen und meine Laufstrecke möglichst kontinuierlich auszubauen. Die nächsten Wochen werden zu einer harten Bewährungsprobe. Ich halte mich wacker und schnüre selbst bei miserablem Regenwetter tapfer die Laufschuhe. Ein ums andere Mal gilt es den inneren Schweinehund zu überwinden, doch meine Anstrengungen scheinen sich zunehmend bezahlt zu machen. Die Behauptung, die überflüssigen Pfunde würden nunmehr nur so dahinpurzeln, wäre freilich maßlos übertrieben, trotzdem bemerke ich sehr wohl die eintretenden Veränderungen. Die elektronische Körperwaage ist nun keine ungeliebte Gegenspielerin mehr, sondern eine Verbündete, die mich permanent zur Fortsetzung des eingeschlagenen Weges animiert. Meine Ausdauer hat sich spürbar verbessert. Auch bei beschleunigtem Tempo komme ich nun gut über die Runden. Bereits während der Arbeit am Schreibtisch freue ich mich auf die am Feierabend anstehende Laufeinheit. Zum Glück beginnt die Natur unmittelbar vor meiner Haustür, so dass ich ohne jeglichen Aufwand meinem Freizeitsport nachgehen kann. Aber nicht nur in den Beinen, nein, auch in meinem Kopf machen sich zunehmend positive Veränderungen bemerkbar. Das regelmäßige Laufen hat meine Gemütslage deutlich verbessert. Ich fühle mich wieder hellwach und um vieles ausgeglichener als noch wenige Wochen zuvor. Ein unverhofftes Waterloo Schon beginne ich ein wenig übermütig zu werden und schuld daran ist ein Bericht in der Lokalzeitung, der sich in aller Ausführlichkeit mit der Trendsportart Trailrunning auseinandersetzt. Die gut 50 Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 aufgemachte Reportage weckt Begehrlichkeiten, denn welcher Hobbyläufer träumt nicht davon, abseits asphaltierter Strecken oder grob aufgeschotterter Forststraßen auf wilden Pfaden und steinigen Bergwegen inmitten weitgehend unberührt gebliebener Natur unterwegs zu sein. Und schließlich schwärmt der Bericht vom Glück des Augenblicks, nach einem fordernden Lauf über Stock und Stein ganz oben, auf einem der namhaften Gipfel der Bayerwaldberge, anzukommen. Noch bevor ich die Zeitungslektüre aus der Hand lege, steht für mich unverrückbar fest: Das möchte auch ich möglichst bald erleben! Doch darf ich mir eine derartige Herausforderung überhaupt zumuten? Eine Überanstrengung könnte schlimm enden, schließlich bin ich ja keine Zwanzig mehr. Um auf Nummer sicher zu gehen, suche ich erneut meinen Hausarzt auf. Er empfiehlt mir ein BelastungsEKG auf dem Ergometer. Das Ergebnis erstaunt ihn und kann sich für einen Hobby-Läufer, der die Lebensmitte längst hinter sich gelassen hat, durchaus sehen lassen. Meine Lebensampel steht jetzt auf Grün. Ein spannendes Laufabenteuer kann beginnen! Der 974 Meter hohe Hennenkobel ist nicht nur der stets gern besuchte Hausberg über der zur Stadt Zwiesel eingemeindeten Dorfschaft Rabenstein, sondern gleichzeitig eine markante Aussichtsloge im Zwieseler Winkel. Viele Wege führen zum kreuzgeschmückten Gipfel. Bei unterschiedlicher Steigung haben sämtliche Zustiege eines gemeinsam: Sie sind nicht allzu lang und somit gerade richtig für meinen ersten Berglauf. Mit wohldosiertem Tempo wage ich die Herausforderung. Im Hochgefühl, den Anstieg nahezu problemlos bewältigt zu haben, trage ich mich keine halbe Stunde später im Gipfelbuch ein. So kann es weitergehen! Entsprechend ermutigt bin ich ein paar Tage später auf schmalem Bergsteig hinauf ins wildromantische Höllbachgspreng unterwegs. Der steile Anstieg tut weh und verlangt mir alles ab, doch die bewundernden Blicke entgegenkommender Wanderer motivieren mich zusätzlich. Jetzt heißt es nur nicht aufgeben. Dort, wo sich das felsdurchsetze Gelände mächtig aufsteilt, ist das Ziel er- reicht und ich stehe am Fuß des gischtenden Wasserfalls. Nun fühle ich mich stark genug, um auf gleicher Strecke meinem Bergspezl Sven Paroli bieten zu können. Hätte ich es nur erst gar nicht versucht! Bereits auf den ersten Metern, die wir anfangs noch auf breiter Forststraße unterwegs sind, wird ein enormer Leistungsunterschied offenkundig. Mein um einiges jüngerer Bergkamerad und Wanderfreund ist in einer weitaus besseren körperlichen Verfassung als ich es vermutet hätte. Bereits auf dem anspruchsvollen Abschnitt zur Höllbachschwelle erlebe ich ein Desaster. Mit dem leichtfüßigen Laufschritt meines Kameraden mitzuhalten, ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Schon bald muss ich ihn davonziehen lassen und als ich mit rasendem Puls endlich an der denkmalgeschützten Triftschwelle ankomme, muss ich mir eingestehen, dass uns läuferisch Welten trennen. Faszination Berglauf Mein persönliches Waterloo zeigt heilsame Wirkung, denn nun weiß ich, wo ich im Vergleich zu anderen stehe und letztendlich meine Grenzen erreicht sind. Meine Begeisterung für den Laufsport kann dieses Erlebnis zum Glück nicht schmälern, auch wenn ich fortan wieder alleine unterwegs bin. Wer sein Ziel erreichen will, muss mit seinen Kräften haushalten. Diese Lektion habe ich gelernt. Dabei das richtige Tempo zu wählen, um als Bergläufer auch tatsächlich oben anzukommen, bedarf noch einiger Erfahrung. Trotz der erlittenen Schmach wird der steinige Bergpfad am rauschenden Höllbach entlang in der Folgezeit zu einer meiner Lieblingsstrecken. Von Woche zu Woche schaffe ich es ein Stück weiter hinauf und dann ist unverhofft der Tag da, an dem ich selbst das Steilstück im Höllbachgspreng bewältige. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich es als Hobbyläufer sogar bis zum Gipfel des Großen Falkensteins schaffen kann. Früher, wenn es darum ging, sich auf anspruchsvolle Bergtouren vorzubereiten, war ich regelmäßig im Falkensteingebiet unterwegs. Ich weiß also sehr genau, was mich an diesem Berg erwartet. Den 1.312 Meter hohen Waldrücken des Falkenstein zu errei- Heft231_2016_44-53_NR231_2016_44-53.qxd 15.06.2016 08:11 Seite 51 Leben und Leben lassen Die Höllbachschwelle unterm Großen Falkenstein chen, kann man für einen Freizeit-Läufer durchaus als Ritterschlag werten. Die Bezeichnung „Hausberg“ nehme ich wörtlich und mache mich dieses Mal direkt von daheim aus auf den Weg. Damit habe ich eine Strecke von ziemlich genau 12,5 Kilometern vor mir. Bis zum Gipfelkreuz werden sich gut und gerne 800 Höhenmeter summieren. Ob ich diesen Kraftakt wirklich wagen darf? Es ist ein herrlicher Sommertag, der förmlich zum Laufen einlädt. In Anbetracht der gewaltigen Anforderungen, übe ich mich vorerst in Zurückhaltung. Jetzt macht es sich bezahlt, dass ich meine Ausdauer über einen längeren Zeitraum hinweg gesteigert habe. Mein Lauftempo dem Streckenverlauf anzupassen, bereitet mir keinerlei Probleme und ich bin nicht wenig Stolz, als ich nach eineinhalb Stunden den höchsten Punkt erreiche. Von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl erfasst, genieße ich die weite Sicht über das Waldgebirge. Doch für Wanderer wie Bergläufer gilt: Der Gipfel ist nur die Hälfte des Weges. Das Berg- ab auf schmalen, felsdurchsetzten Steigen hinunter zum Weiler Kreuzstraßl erfordert höchste Konzentration, denn ein einziger Ausrutscher könnte schwerwiegende Verletzungen nach sich ziehen. Ziemlich genau drei Stunden nach meinem Aufbruch bin ich wieder zu Hause. Die Anstrengungen dieses Laufes bleiben nicht ohne Wirkung, jedoch habe ich zu keiner Zeit das Gefühl, mich über Gebühr verausgabt zu haben. Die nächsten Tage lasse ich es ein wenig ruhiger angehen. Ein verantwortungsbewusster Läufer hat schließlich auf eine ausreichende Regeneration zu achten. Schon bald aber werden neue Pläne geschmiedet. Zwei Wochen nach meinem Berglauf zum Großen Falkenstein geht es vom Großen Arbersee aus auf dem Goldsteig hinauf zum König des Bayerischen Waldes und auch diese Tour wird zu einem großartigen Lauferlebnis. Von einem Bekannten gefragt, wie es denn mit der Teilnahme an einem namhaften Stadtmarathon wäre, winke ich dankend ab. Nein, über die Distanz von 42 Kilometern auf durchgehend asphaltierter Strecke unterwegs zu sein, das ist nichts für mich! Meine Leidenschaft gilt dem Laufsport daheim, in der wunderbaren Natur des Waldgebirges. Als von jeglichem Leistungsdruck befreiter Hobbyläufer zu Hause über alle Berge zu laufen, ist für mich ein besonderes Stück Lebensqualität. Ja, Laufen macht uns Menschen glücklich und darin liegt wohl die Quintessenz des Lebens. Schöner Bayerischer Wald Nr.: 04 · 2016 51
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