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UZH - UZH News - Das Entscheiden entschlüsseln
30/06/16 09:07
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UZH News
Transactions
29.06.2016
Das Entscheiden entschlüsseln
Am Forschungslabor für soziale und neuronale Systeme (SNS Lab) der Universität Zürich gehen Forschende
täglich durch die Decke – die Schädeldecke. Mit neuester Technologie entschlüsseln sie, wie unser Hirn bei
ökonomischen Fragen entscheidet. Ihre neuesten Erkenntnisse zeigen sie an der Ausstellung
«Transactions».
Caspar Türler
Christopher Hill (rechts) diskutiert mit dem Künstler und Szenaristen Colin Guillemet,
wie ein dreidimensionales Hirnmodell in der Ausstellung Verwendung finden könnte.
(Bild: Caspar Türler)
Das Wissenschaftler-Trio hat eine ambitionierte Mission: Christian Ruff, Professor und Leiter der Gruppe
Neuroökonomie und Decision Neuroscience, Doktorand Christopher Hill und Zoltan Nagy, Leiter der Gruppe Magnetic
Resonance Imaging (MRI), wollen am Forschungslabor für soziale und neuronale Systeme (SNS Lab) der UZH nichts
weniger als den Code der menschlichen Entscheidungsfindung knacken.
Um den zerebralen Kosmos von geschätzt 100 Billionen Synapsen zu durchleuchten, kombinieren sie gemeinsam
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mit weiteren SNS-Forschenden Methoden wie nichtinvasive Hirnstimulation, Neuropharmakologie und
Computermodellierung mit den neuesten MRI-Technologien. Knapp 500 Jahre nach Descartes‘
erkenntnistheoretischer Grundlage «Ich denke, also bin ich» scheint eine detaillierte Beschreibung der biologischen
Mechanismen, die unserem Erkenntnis- und Entscheidungsverhalten zugrunde liegen, in greifbare Nähe zu rücken.
Homo trans-oeconomicus
«Die Neuroökonomie untersucht, wie Menschen Entscheidungen treffen, zum Beispiel zwischen verschiedenen
Gütern. «Diese Güter müssen nicht Waren sein, sondern können auch immateriell sein», erklärt Christian Ruff. «Wir
wollen herausfinden, warum wir als Konsumenten oder Investoren in privaten oder beruflichen Situationen etwas
Bestimmtes bevorzugen, für etwas Zeit investieren, etwas Aufmerksamkeit schenken – oder das Gegenteil tun.»
Als interdisziplinäre Wissenschaft, die sich vor rund 20 Jahren aus der Verhaltensökonomie entwickelte, hat die
Neuroökonomie dazu beigetragen, die Natur des Menschen über das Modell des homo oeconomicus hinaus zu
verstehen. Neuroökonomen sind sich heute einig, dass der Mensch nicht immer nach einer rein rationalen
Gewinnmaximierung strebt und immer nach seinen besten Interessen entscheidet. «Die Emotionen und andere
irrationale Motive sind genauso Teil unserer Entscheidungen», sagt Christopher Hill.
Drang oder Zwang?
Er erläutert dies am Beispiel von Börsenblasen: «Menschen folgen dabei herdenartig anderen Menschen und zahlen
viel zu hohe Preise, nur weil gerade ein Hype um etwas herrscht. Dabei kommt es zu positiven Rückkopplungen und
die Preise entfernen sich vom tatsächlichen Wert.» Entscheidungen können auch von irrelevanten oder
unterbewussten Motiven beeinflusst sein. «In solchen Situationen kann man kaum noch von bewussten, rationalen
Präferenzen sprechen, sondern muss davon ausgehen, dass Ängste oder Zwänge überhandnehmen», ergänzt Ruff.
Immer genauere Modelle der Innenwelt
Um Entscheidungsprozesse des Hirns sichtbar zu machen, greifen Ruff und Hill auf das medizinische
Bildgebungsverfahren MRI zurück. Unterstützt werden sie dabei vom Physiker Zoltan Nagy der sich auf strukturierte
Neuroanatomie spezialisiert hat. In den letzten 15 Jahren hat die entsprechende Forschung gemäss Ruff gewaltige
Fortschritte gemacht: «Wir wissen ziemlich genau, welche Hirnregionen an den verschiedenen
Entscheidungsszenarios beteiligt sind. Nun wollen wir herausfinden, welche Prozesse im gesamten Hirn-Netzwerk für
Entscheide verantwortlich sind». Damit soll es in absehbarer Zeit gelingen, die neuronalen Mechanismen ausfindig zu
machen, die Präferenzen und Verhaltensmuster steuern.
Primäre und sekundäre Belohnungen
Geld dient als Motivator für viele unserer Entscheidungen. Es spielt ausserdem für die neuroökonomische Forschung
eine grosse Rolle: «Es ist erstaunlich, wie ähnlich Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaften auf Geld
reagieren», erklärt Ruff. «Geld ist universell austausch- und handelbar. Während bei Erdbeermarmelade oder Fondue
als Anreiz jeder ganz anders reagiert.»
Bereits Kinder entwickeln früh ein Verständnis für die Bedeutung von Geld. Während die einen alles für Süssigkeiten
ausgeben, sparen es die anderen für später auf. «In beiden Fällen empfindet das Individuum eine Belohnung»,
erklärt Ruff. «Im ersten Fall eine primäre, im zweiten Fall eine sekundäre. Durch primäre Belohnungen kann der
Körper und/oder der Geist direkt Freude empfinden, während sekundäre Belohnungen dazu dienen, sich in der
Zukunft primäre zu verschaffen.» Geld ist eine sekundäre Belohnung. Damit kann man in marktgetriebenen
Gesellschaften zu fast jeder primären Belohnung Zugang erhalten, zum Beispiel zu Schutz, Nahrung, Sex,
Genussmittel, Drogen, Macht oder gar Schönheit.
Das Hirn beim Denken beobachten
Welche Hirnmechanismen in unterschiedlichen Entscheidungssituationen aktiv sind, zeigt das Forscher-Trio in der
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Ausstellung «Transactions» mit Hilfe der Szenografie von Colin Guillemet und einer Lichtinstallation des
Künstlerkollektivs
Anti-Node . Sie projizieren dazu Hirnmodellierungen auf dreidimensionale Styropor-Köpfe. So
können auch die Zuschauer virtuell «durch die Decke» gehen und einem Hirn beim Arbeiten zusehen – die
Voraussetzung für jede Art von Tätigkeit.
«Transactions» - ein Manifesta 11 Parallel Event der UZH
Die Forschung von Christian Ruff, Christopher Hill und Zoltan Nagy ist eines von 16 Forschungsprojekten, das noch
bis zum 10. Juli im Lichthof des Hauptgebäudes zu sehen ist. Die Ausstellung «Transactions» ist ein Parallel-Event
zur Kunstbiennale Manifesta 11. Die UZH bringt in dieser Ausstellung Kunst und Forschung zum Manifesta-Thema
«What People do for Money» zusammen.
Caspar Türler ist Mitarbeiter der Abteilung Kommunikation und des Graduate Campus.
Links
Christian Ruff
Zoltan Nagy
Christopher Hill
Transactions-Projekte «Wie das Hirn entscheidet»
Transactions
Tags
Forschung
Wirtschaftswissenschaften und Informatik
Mathematik und Naturwissenschaften
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