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"So werden Elektroautos endlich wirtschaftlich"
25.06.2016 | 18:24 | Von Matthias Auer (Die Presse)
Drei Brüder aus Oberösterreich verhelfen der Elektromobilität quasi im Vorbeigehen zum
Durchbruch. Ihre Batteriesysteme sind leistungsstärker, leichter und langlebiger als alles, was
bisher auf dem Markt war.
Zehn Milliarden Euro. Diese stattliche Summe will der deutsche Volkswagen­Konzern angeblich in den
Bau einer eigenen Batteriefabrik für Elektromobilität stecken. Dieselskandal hin oder her – die Zukunft
gehöre den Stromautos, ist man in der Wolfsburger Zentrale überzeugt. Und nicht nur dort: Rund um
den Globus arbeiten die großen Fahrzeughersteller seit Jahren an einer eigenen E­Flotte. Das große
Problem: Viel weiter als hundert Kilometer kommen die meisten ihrer Elektroautos noch immer nicht,
bevor sie wieder an die Steckdose müssen.
Das könnte sich bald ändern. Dank dreier Brüder aus dem Mühlviertel, die etwas mehr Zeit und Geld in
ihr Hobby steckten als die meisten Menschen. Die Rede ist von Johann, Markus und Philipp Kreisel und
ihrem angeblichen Wunderakku für Elektroautos. Seit Wochen und Monaten pilgern Branchenkenner und
Fachjournalisten ins nördliche Mühlviertel, um sich anzusehen, ob dort wirklich gerade die
Elektromobilität revolutioniert wird. „Der bessere Tesla kommt aus Österreich“, schreiben manche
Automagazine dann verzückt. Und tatsächlich, glaubt man den Kreisels, ist keine Batterie auf dem Markt
so leicht, leistungsstark und langlebig wie ihre. Mit einem Schlag wären Elektroautos auch für größere
Distanzen einsetzbar und die E­Mobilität ihrem Durchbruch einen gewaltigen Schritt näher. Aber hält das
Unternehmen Kreisel Electric, was es verspricht? Oder ist auch diese Revolution schon in einem Jahr
wieder Geschichte?
Vom Porsche bis zum Lastwagen. „Die Presse am Sonntag“ hat den „Tesla­Killern“ einen Besuch
abgestattet. Wer die Jungunternehmer in Freistadt besucht, findet zunächst wenig, was nach ernster
Konkurrenz für den Elektropionier Tesla aussieht. Die 800 Quadratmeter große Garage wirkt eher wie
ein Hobbyraum für ambitionierte Autobastler. Zusammen mit 30 „alten Freunden“ bauen die Brüder hier
vom Sportwagen bis zum Kleinlaster so ziemlich alles zum Elektroauto um, was vier Räder hat. Oben auf
der Hebebühne baumelt ein mattgrauer Stimbo, ein Aluminiumwagen aus der Schweiz, und wartet auf
seine Kreiselbatterien. Unten schiebt Philipp Kreisel, Maschinenbauer und mit 26 der jüngste Kreisel­
Bruder, unter dem Beifall der Belegschaft das „schnellste Elektro­Gokart der Welt“ durch die Halle. In
3,1 Sekunden katapultierte Formel­1­Testpilot Robin Frijns den Boliden vor knapp zwei Jahren auf
hundert Kilometer pro Stunde.
Geld verdienen die Oberösterreicher mit solchen Spielereien keines. Unterschätzen sollte man sie aber
dennoch nicht. Denn das größte Interesse am E­Gokart zeigen an diesem Tag zwei chinesische
Geschäftsmänner, die extra angereist sind, um bei einer Elektro­Rallye in Tschechien mitzufahren und
die Jungunternehmer aus Österreich besser kennenzulernen. „Ein Lieferant und Kunde, der gern mehr
mit uns machen möchte“, erklärt Markus Kreisel. „Und der reichste Chinese, den ich kenne.“ Der
Nachsatz bleibt nicht ungehört. „What? Me?“, fragt der asiatische Partner und lacht. „Ten billions? This is
nothing!“
Vor vier Jahren hätten Sätze wie diese in Freistadt noch etwas fehl am Platz gewirkt. Die Kreisel­Brüder
waren damals noch Landwirte, Maschinenbauer oder Verkäufer im familieneigenen Elektrohandel. An E­
Mobilität zeigte lediglich Vater Kreisel Interesse. Als örtlicher Elektrohändler wollte er den Trend nicht
verpassen und legte sich einen elektrischen Renault Fluence zu. Nach der ersten eigenen Ausfahrt waren
auch die Söhne überzeugt – und die jungen Kreisels bestellten das damals Beste auf dem Markt, einen
Tesla. Bis nach Freistadt hat er es aber nie geschafft. „Als wir gemerkt haben, dass das ganze Geld nach
Amerika geht, haben wir ihn wieder storniert“, erzählt Markus Kreisel.
Voll in 28 Minuten. Also legten die drei Brüder selbst Hand an und bauten in nur einer Woche einen
Audi A4 in ein Elektroauto um. Beim Erstlingswerk war die Reichweite noch bescheiden. Doch schon für
Nummer zwei entwickelten die Tüftler ein Batteriemodul, das alles Bekannte übertraf.
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Aber warum schaffen drei Hobbybastler, woran die Entwicklungsabteilungen der großen Autokonzerne
seit Jahren scheitern? Die Großen seien gescheitert, weil sie auf Nummer sicher gehen mussten, ist
Markus Kreisel überzeugt. Sie konzentrierten sich ausschließlich auf flache Zellen, die einfach zu
verbauen sind. Kreisel Electric experimentierte stattdessen mit runden Zellen, die auch Tesla­Gründer
Elon Musk verwendet. Sie speichern deutlich mehr Energie als Flachzellen, sind dafür aber deutlich
schwieriger zu verbauen.
Genau darin liegt die große Stärke der patentierten Kreisel­Technologie. Statt die Zellen zu
verschweißen, verwenden die Mühlviertler Laser. Das verringert die Widerstände zwischen den Zellen,
und mehr Energie kann genutzt werden. Und zur besseren Temperierung schwimmen die Zellen in einer
speziellen Kühlflüssigkeit. Viel mehr verraten die Gründer nicht, ist es doch genau das, was „uns bei den
Batteriesystemen besser macht als Tesla“, sagt Markus Kreisel. „Mit der Verbindungstechnik holen wir
bis zu 15 Prozent mehr Energie aus den Batterien als Tesla.“ Herausragend sei auch die kurze Ladezeit
von 28 Minuten (Vollladung) und die lange Lebensdauer von 400.000 Kilometern.
Schritt nach vorn. Nicht nur die Gründer selbst sind überzeugt von ihrem Produkt. „Ich halte die
Burschen für hoch innovativ und zielstrebig. Woran sie glauben, setzen sie um“, bestätigt Manfred
Schrödl, Leiter des Instituts für Energiesysteme und elektrische Antriebe an der Wiener Technischen
Universität im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Die Kühlungs­ und Verbindungstechnik sei „ein
klarer Schritt nach vorn für die Elektromobilität“. Werde das Kreisel­System auch auf größere
Rundzellen angepasst, hält er eine Steigerung der Energiedichte von 50 Prozent für möglich. „Dann
sollte die E­Mobilität endlich wirtschaftlich werden“, sagt Schrödl.
Allein wird dieses Kunststück Kreisel Electric wohl nicht gelingen. Doch an potenten
Kooperationspartnern mangelt es dem Unternehmen nicht. Die engsten Kontakte werden den
Oberösterreichern zum deutschen VW­Konzern nachgesagt. Immerhin zählt Škoda­Aufsichtsrat und VW­
Aktionär Daniell Porsche zu den Kunden der ersten Stunde. Gut möglich also, dass VW seine eigenen
Zellen in Zukunft mit der Technologie von Kreisel Electric verbinden wird.
Angesprochen auf das kolportierte Naheverhältnis mit VW werden die Unternehmer wortkarg. Fast alle
Großen würden Prototypen bestellen oder in der einen oder anderen Art und Weise zusammenarbeiten
wollen, sagen sie. Aber kaum ein Konzern wolle das in der Zeitung lesen. An der Euphorie der Kreisels
ändert das aber nichts: Zusammen mit der Industrie werde man schon bald Elektroautos mit 300
Kilometern Reichweite um weniger als 25.000 Euro anbieten können.
Vom Start weg Gewinne. Eines ist trotz all der Heimlichtuerei klar: Für die Garage ist Kreisel Electric
eine Nummer zu groß. 2017 soll die Mitarbeiterzahl vervierfacht werden. Im Nachbarort wird gerade an
einem Werk für Kleinserien gebaut. Die zwölf Millionen Euro dafür hätte Kreisel Electric auch ohne
Bankkredit bezahlen können. Das Unternehmen war vom Start weg in den schwarzen Zahlen. „Und das,
obwohl wir die ersten Batteriesysteme viel zu billig nach Asien verkauft haben“, sagt Markus Kreisel.
Dieser rasche Erfolg verstörte sogar die staatlichen Förderstellen. Es sei unglaublich mühsam gewesen,
die versprochenen Subventionen für Jungunternehmer auch zu bekommen, erzählt der Betriebswirt.
„Die konnten unsere Zahlen einfach nicht glauben.“
Das Unternehmen liefert neben Batterien auch komplette Fertigungslinien aus, mit denen Lizenznehmer
selbst Kreisel­Akkus bauen können. Vor allem im boomenden asiatischen Markt habe man damit Erfolg.
2017 sollen dort mehr Kreisel­Autos auf der Straße sein, als Tesla bisher verkauft hat, erzählen die
Gründer.
Der Zweikampf mit dem kalifornischen Konzern sei „eine Erfindung der Medien“. Dennoch können sich
die Brüder manchen Seitenhieb einfach nicht verkneifen: Mitte Juni stellten sie in Berlin etwa eine
Hausbatterie vor. Tesla verspricht so ein Produkt seit über einem Jahr – und brachte es erst kürzlich mit
großer Verspätung auf den Markt. „Wir nennen unseren Hausakku Mavero“, sagt Markus Kreisel. „Das ist
Italienisch für ,aber wahr‘. Wir gaukeln nämlich niemandem etwas vor.“
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