S. Vogelsänger-Symposium PROGRAMM AKTUELL

SIEGFRIED VOGELSÄNGER-SYMPOSIUM
2016
Kontinuitäten und Wendepunkte
der Wolfenbütteler
Hof- und Kirchenmusik
24. JUNI 2016
HERZOG AUGUST BIBLIOTHEK WOLFENBÜTTEL
BIBELSAAL, 9:00 – 17:00 UHR
SIEGFRIED VOGELSÄNGER-SYMPOSIUM 2016
Kontinuitäten und Wendepunkte der
Wolfenbütteler Hof- und Kirchenmusik
PROGRAMM
09:00 Begrüßung: K.-J. Kemmelmeyer
PANEL 1: Netzwerke
CHAIR: S. WIRTH
09:15 G. Aumüller: Orgelbauhistorische Traditionen der „Compenius-Praetorius-Schule“
09:35 W. Elsner: Michael Praetorius in Regensburg – Beginn einer Karriere als Komponist?
09:55 A. Spohr: Musikkultureller Austausch zwischen dem Wolfenbütteler und dem Kasseler
Hof um 1600: Das „Ostermaier-Chorbuch“ (Cod. Guelf. A.α Aug. 2°)
10:15 Diskussion
10:30 Pause
PANEL 2: Schriften
CHAIR: K.-J. KEMMELMEYER
11:00 S. Limbeck: Eine unbekannte Quelle zur Polyphonie des 16. Jahrhunderts: Das
Chorbuch Cod. Guelf. A.β Aug. 2° der Herzog August Bibliothek
11:20 J. Habelt: Wolfenbütteler Musikdrucke im 17. Jahrhundert
11:40 A. Waczkat: Ein fruchtbringendes Vorhaben: Die von Sophie Elisabeth von
Braunschweig-Lüneburg verfassten Melodien zu Joachim von Glasenapps Vinetum
Evangelicum
12:00 Diskussion
12:15 Mittagspause
PANEL 3: Räume
CHAIR: A. SPOHR
13:40 G. Johnston: The Concept and Creation of a Heavenly Space in the Music of Michael
Praetorius
14:00 S. Wirth: Zur Intertextualität der Musikdarstellungen in G. E. von Löhneysens Della
cavalleria 2 (1610)
14:20 D. Schröder: Bacchuskinder und lachende Löwen: Zur bildhauerischen Gestaltung der
David Beck-Orgel (1596) aus Schloss Gröningen
14:40 Diskussion
14:55 Pause
PANEL 4: Wirkungen
CHAIR: G. AUMÜLLER
15:15 R. Schmitt: Die Tanzsammlung Terpsichore von Michael Praetorius im Spiegel der
Forschung
15:35 M. Boudreaux: The Lasting Legacy of Michael Praetorius’ Passionately Practical
Pedagogy
15:55 K.-J. Kemmelmeyer: Michael Praetorius — aus kulturpolitischer Sicht betrachtet
16:15 Diskussion und Schlusswort
17:00 Ende des Symposiums
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PANELS & ABSTRACTS
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NETZWERKE
CHAIR: SIGRID WIRTH, WOLFENBÜTTEL
Gerhard Aumüller, Marburg 9:15 Uhr
Orgelbauhistorische Traditionen der „Compenius-Praetorius-Schule“
Michael Praetorius hat die Herausgabe der von Esaias Compenius verfassten OrgelVerdingnis in seiner Organographia im Syntagma musicum II angekündigt und damit den
Stellenwert dieser Grundsätze als Qualitätsstandard für den Orgelbau betont. Dies und die
enge Zusammenarbeit von Praetorius mit der Compenius-Werkstatt zwischen 1603 und
1617, u.a. bei der Konzeption der Orgel für Schloss Hessen, rechtfertigen es, von einer
„Compenius-Praetorius-Schule“ zu sprechen, deren Ausstrahlung und Weiterentwicklung
hier dargestellt werden sollen. Enge Verbindungen von M. Praetorius bestanden auch zu
Heinrich Compenius dem Älteren und dem Jüngeren, dem Erbauer der Magdeburger
Domorgel, der u.a. das Orgelwerk in Kloster Riddagshausen baute, dessen Jubal-Darstellung
auf dem Prospekt als Porträt von Michael Praetorius gedeutet wurde. Ein enger Kontakt
bestand auch zu Jacob Compenius, dessen Orgelbau im Kloster Derneburg bei Holle durch
ein Gutachten von Michael Praetorius gefördert wurde. Neben der von Praetorius und
Compenius gemeinsam geplanten Orgel in Schloss Hessen (jetzt Frederiksborg), zeigt die
1613 von Esaias begonnene und von seinem Sohn Adolf vollendete Orgel der Stadtkirche
Bückeburg sowie dessen Orgel in der Bückeburger Schlosskirche ebenfalls dispositionelle
Merkmale der „Compenius-Praetorius-Schule“. Nach dem Tod der Brüder Esaias und Jacob
Compenius 1617 wurde die Wolfenbütteler Werkstatt bekanntlich von Gottfried Fritzsche
fortgeführt, der ab 1629 wesentliche Anregungen der „Compenius-Praetorius-Schule“ in den
Hamburger Raum vermittelte und damit maßgeblich für den (mittleren) Hamburger Orgelstil
wurde. Ein weiterer Traditionsstrang besteht durch den Wolfenbütteler, ab 1629
Hannoveraner Organisten Melchior Schildt und Adolf Compenius, der zeitgleich Organist an
der Ägidienkirche in Hannover war und Orgeln in Rinteln, Bückeburg und Bremen erbaute,
also Esaias‘ Tradition als Orgelbauer und Organist in Hannover und Bremen fortsetzte. Eine
Ausstrahlung der „Compenius-Praetorius-Schule“ nach Thüringen erfolgte durch Esaias‘
Neffen Ludwig Compenius in Erfurt. Als Sohn Ludwigs galt bislang der Weimarer Hofkantor
Christoph Compenius, der aber wahrscheinlich ein um 1600 geborener Sohn von Esaias
Compenius war. Neben den richtungsweisenden Dispositionen von M. Praetorius im zweiten
Teil des Syntagma musicum sind demnach die Werke der Familie Compenius und wohl auch
Gottfried Fritzsches wesentlich für die Tradierung der Wolfenbütteler „CompeniusPraetorius-Schule“ im mittel- und norddeutschen Raum.
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Winfried Elsner, Wolfenbüttel 9:35 Uhr
Michael Praetorius in Regensburg – Beginn einer Karriere als Komponist?
Auf dem Reichstag 1603 in Regensburg sind nachweislich Kompositionen von Michael
Praetorius erklungen, unter Anwesenheit oder gar Leitung des Komponisten. Wie konnte es
sein, dass ein etwa 30-jähriger Kammerorganist aus einem entfernten nördlichen Herzogtum
an einer so bedeutenden reichspolitischen Versammlung teilnahm und zudem als Komponist
in Erscheinung trat? Praetorius war zu diesem Zeitpunkt weder Hofkapellmeister noch waren
Kompositionen von ihm gedruckt. Anhand von Quellen soll diesen und weiteren Fragen
nachgegangen werden. Es wird erwähnt, welche Werke vermutlich in Regensburg aufgeführt
worden sind. Die Tatsache, dass in Regensburg und Nürnberg zwei Jahre später die ersten
Werksammlungen von Praetorius im Druck erschienen, scheint mit dem Aufenthalt des
jungen Komponisten in Regensburg eng zusammen zu hängen. Zum Vortrag gehören
Abbildungen und Musikbeispiele.
Arne Spohr, Bowling Green University, USA 9:55 Uhr
Musikkultureller Austausch zwischen dem Wolfenbütteler und Kasseler Hof um
1600: Das „Ostermaier-Chorbuch“ (Cod. Guelf. A.α Aug. 2°)
Die von der Forschung bislang kaum beachtete Wolfenbütteler Handschrift Cod. Guelf. A.α
Aug. 2°, ein vom Kasseler Vizekapellmeister Andreas Ostermaier (um 1560-1621)
ingrossiertes, auf 1605 datiertes und Herzog Heinrich Julius gewidmetes Chorbuch, wirft eine
Vielzahl von Fragen auf. So wird die Autorschaft der zehn Stücke dieser Handschrift (acht
Magnificat-Kompositionen und zwei Motetten) im Katalogeintrag Otto von Heinemanns
noch Ostermaier zugewiesen, im Eintrag des online verfügbaren RISM-Handschriftenkatalogs
jedoch als „nicht gesichert“ bezeichnet.
Ich zeige in meinem Vortrag, dass sich auf der Grundlage von Konkordanzvergleichen mit
Handschriften und Drucken im Bestand der Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek
und Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel die Komponisten von sechs Werken dieser
Handschrift identifizieren lassen und dass diese Werke wahrscheinlich aus dem Repertoire
der Kasseler Hofkapelle stammen. Das starke Gewicht, das in Ostermaiers Handschrift auf
Magnificat-Kompositionen liegt, entspricht der Bedeutung dieser Gattung in der dortigen
kompositorischen und liturgischen Praxis: Sowohl Landgraf Moritz von Hessen-Kassel selbst
wie auch sein Kapellmeister Georg Otto komponierten eine große Anzahl polyphoner
Magnificats; zudem wurden viele Magnificat-Drucke für die Hofkapelle angeschafft bzw. als
Handschriften, großenteils im Chorbuch-Format, angefertigt. Ostermaiers Handschrift lässt
sich vor diesem Hintergrund als bewusst angelegter, für Heinrich Julius bestimmter
repräsentativer Querschnitt durch das liturgische Repertoire der Kasseler Hofkapelle
verstehen. Ich befrage diese Quelle als Dokument des intensiven musikkulturellen
Austauschs zwischen der Wolfenbütteler und der Kasseler Hofkapelle in den Jahren um
1600.
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SCHRIFTEN
CHAIR: K.-J. KEMMELMEYER, HANNOVER
Sven Limbeck, HAB, Wolfenbüttel 11:00 Uhr
Eine unbekannte Quelle zur Polyphonie des 16. Jahrhunderts: Das Chorbuch Cod.
Guelf. A.β Aug. 2° der Herzog August Bibliothek
Die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel verfügt über eine bedeutende Sammlung
frühneuzeitlicher Musikalien in gedruckter und handschriftlicher Überlieferung. Zu den
bedeutsamen antiquarischen Erwerbungen, die Herzog August d. J. von BraunschweigLüneburg wohl weniger aus musikalischen denn aus bibliophilen Interessen tätigte, zählt ein
kaum beachtetes großformatiges Chorbuch des 16. Jahrhunderts. Es befindet sich heute
nicht in der Musiksammlung, sondern im Fonds der Augusteischen Handschriften unter der
Signatur A.β Aug. 2°. Der zweifellos im südostdeutschen Raum entstandene, sorgfältig
geschriebene und aufwendig dekorierte Kodex enthält ein bislang unerschlossenes
Motettenrepertoire, das u. a. von Jacquet de Mantua und Nicolas Gombert stammt.
Neben seiner musikhistorischen Bedeutung für die Polyphonie des 16. Jahrhunderts stellt
der Band durch seine malerische Ausstattung ein künstlerisch herausragendes Werk der
süddeutschen Renaissance dar. Außer ornamentierten und historisierten Initialen,
Rankendekor finden sich einige wenige figürliche Darstellungen. Wohl deswegen verbindet
eine Mystifikation die Handschrift mit dem Namen Albrecht Dürers: Einem Eintrag auf dem
Vorsatz zufolge stellt der Band ein Geschenk des Malers an Martin Luther dar. Geschichte,
Ausstattung und Repertoire des Chorbuchs sollen erstmals gesamthaft gewürdigt werden.
Jürgen Habelt, TU Braunschweig 11:20 Uhr
Wolfenbütteler Musikdrucke im 17. Jahrhundert
Notation ist ein logisches System von Zeichen zur graphischen Darstellung von musikalischen
Vorstellungen. Die Entwicklung der Notenschrift ist von daher eng mit der historischen
Entwicklung der Komposition verbunden. Der Notendruck wiederum ermöglicht als
technisches Artefakt die Reproduzierbarkeit und damit die Verbreitung der zunächst
handschriftlich fixierten musikalischen Gedanken. Die Geschichte des Musikdrucks beginnt
fast gleichzeitig mit dem Buchdruck im 15. Jahrhundert. Zunächst dominierten
Hochdruckverfahren die Produktion. Nach dem Blockdruck entwickelten sich bald
Druckverfahren mit beweglichen Typen. Hierbei ist in den mehrfachen und den einfachen
Typendruck zu unterscheiden. Bei ersterem sind zwei bis drei Druckvorgänge bis zum
Endprodukt erforderlich (Petruccis Verfahren ab 1501). Bei letzterem werden die
Notensysteme aus vielen unterschiedlichen Einzeltypen aufgebaut und in einem Arbeitsgang
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gedruckt (Attaingnants Verfahren seit 1527), wobei sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
(Breitkopfs Verfahren ab 1755) drei Techniken herausgebildet haben.
Die Entwicklung des Notendrucks verlief im 17. Jahrhundert in Deutschland nicht
kontinuierlich und muss sehr differenziert betrachtet werden. Die Herstellung der technisch
anspruchsvolleren Musikdrucke war zumeist den größeren Offizinen angegliedert. Bis auf
wenige überregionale Zentren mit einem relativ gleichbleibenden Ausstoß an Musikalien
(Nürnberg, Hamburg, Leipzig) war die Herstellung von Musikdrucken an kleineren
Produktionsstätten in Abhängigkeit von ganz unterschiedlichen Faktoren oft großen
Schwankungen unterworfen und muss als Einzelfall betrachtet werden.
Der „Musenhof“ in Wolfenbüttel leistete sich im 17. Jahrhundert über viele Jahre eine
repräsentative Hofkapelle mit hochqualifizierten Kapellmeistern und Komponisten. Gab es
vor Ort Druckereien, die eine adäquate und kontinuierliche drucktechnische Umsetzung
ihrer musikalischen Werke gewährleisten konnten? Existieren auch vom Hof unabhängige
Musikdrucke? Um diese Fragen zu beantworten, werden zunächst die im 17. Jahrhundert in
Wolfenbüttel tätigen Druckereien festgestellt und untersucht, welche davon sich mit dem
Musikdruck auseinandergesetzt haben. Schließlich werden die in Wolfenbüttel erschienenen
musikalischen Veröffentlichungen aufgezeigt, um anhand einer quantitativen und
qualitativen Betrachtung Aussagen zur Stellung Wolfenbüttels in der deutschen
„Musikdruckszene“ im 17. Jahrhundert treffen zu können.
Andreas Waczkat, Georg August Universität Göttingen 11:40 Uhr
Ein fruchtbringendes Vorhaben: Die von Sophie Elisabeth von BraunschweigLüneburg verfassten Melodien zu Joachim von Glasenapps Vinetum Evangelicum
Im Jahr 1651 erscheint in zweiter Auflage in Wolfenbüttel Joachim von Glasenapps
Andachtsbuch Vinetum Evangelicum, Evangelischer Weinberg […] zum fruchtbringendem
Waxtuhm der Gottseligkeit im Druck. Diese Ausgabe, vier Jahre nach der Erstauflage
erschienen, enthält von Sophie Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg verfasste „schöne
anmuthige Symphonien“ zu von Glasenapps Lieddichtungen. Gemeint sind damit
generalbassbegleitete Liedmelodien, wobei das Vorwort die Vermutung nahelegt, dass
Sophie Elisabeth die Melodien, ihr Ehemann Herzog August aber den Generalbass verfasst
hat.
In jedem Fall aber erweist sich das Vinetum Evangelicum als ein programmatisches
Vorhaben der Fruchtbringenden Gesellschaft, der von Glasenapp und Herzog August ebenso
angehörten wie Sophie Elisabeth, die zwar den Statuten der Fruchtbringenden Gesellschaft
entsprechend kein selbstständiges Mitglied gewesen ist, jedoch als „die Befreiende“ unter
dem Gemeinschaftsnamen ihres Mannes ebenfalls die fruchtbringenden Vorhaben
unterstützt hat.
Dass es sich um ein programmatisches Vorhaben handelt, ist schon an dem Umstand
ablesbar, dass dieser zweiten Auflage des Vinetum Evangelicum ein vollständiges
Mitgliederverzeichnis der Fruchtbringenden Gesellschaft vorangestellt ist. Weitere mögliche
Kontexte sind das im unmittelbaren Umfeld dieser zweiten Auflage liegende Nürnberger
Friedensmahl im Jahr 1650 wie auch der nach dem Tod des Fürsten Ludwig I. von AnhaltKöthen am 7. Januar 1650 vakante Vorsitz der Fruchtbringenden Gesellschaft. — In meinem
Beitrag sollen Sophie Elisabeths musikalische Beiträge vorgestellt sowie diese möglichen
Kontexte diskutiert werden.
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RÄUME
CHAIR: ARNE SPOHR, BOWLING GREEN UNIVERSITY, USA
Gregory Johnston, University of Toronto, Canada 13:40 Uhr
The Concept and Creation of a Heavenly Space in the Music of Michael Praetorius
The thought of spending an eternity in the presence of God had been in the mind of Michael
Praetorius his entire career. Already in the Musae Sioniae Teil I of 1605, he writes with joyful
optimism of singing “Sanctus, Sanctus Dominus DEVS Sabbaoth, vnd Gloria in excelsis DEO”
with his fellow Christians. But at the same time, in the same passage, he aspires ultimately to
join together with angels and archangels in the everlasting choir to sing God’s praises
unceasingly and for all eternity. We can glimpse some of his vision by looking at the
frontispiece of the Musae Sioniae, a template he reused in other of his publications over the
years. In this familiar woodcut, Yahweh is surrounded by the four celestial creatures
described in Isaiah (6:3) and Revelation (4:8), and beyond them the host of angels and
elders, all of them singing Sanctus. The banner high in the clouds across the top of the page
reads “PLENI SUNT COELI” on the left side, and “GLORIA TUA” on the right. One’s eye must
divert to the bottom of the page, however, for the missing “ET TERRA", occupying a
temporal, earthly position beneath a group of performing musicians. Amongst the musicians
one recognizes a face, almost certainly that of Praetorius. In 1621, the author of the preface
to Praetorius’s posthumously published setting of Psalm 116 informs the reader that the
composer, his work on earth complete, had indeed been in “die himlische Capell transferirt”.
Praetorius spent his life tirelessly experimenting with sound and space, musical
representation and depiction, combining tradition and innovation. And he committed many
of his thoughts to paper, evidenced by the detailed commentary to his printed works. It is
the intention of the present study to investigate his writings and composition to reveal some
of the extent to which Praetorius conceived a sonic border between this world and the next.
Sigrid Wirth, Wolfenbüttel 14:00 Uhr
Zur Intertextualität der Musikdarstellungen in G. E. von Löhneysens Della cavalleria
2 (1610)
Dieser Beitrag befasst sich mit einem bisher nahezu unbeachteten musikalischen Raum am
Wolfenbütteler Hof: Der Musikgestaltung von Festaufzügen und ihrer Darstellung in Georg
Engelhardt von Löhneysens Werk Della cavalleria 2 (1610).
Von Löhneysen (1552-1622) diente über mehrere Jahrzehnte hinweg dem Wolfenbütteler
Hof unter den Herzögen Julius, Heinrich Julius und Friedrich Ulrich. Nach Tätigkeit am
Dresdner Hof seit den 1570er-Jahren war er ab 1583 als Stall- und Rittmeister für die
Organisation prächtiger Ritterturniere und Inventionen an Wolfenbütteler Residenzen
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zuständig. Hiermit besetzte von Löhneysen, wie sein langjähriger Kollege am Hof, Michael
Praetorius, eine zentrale Schaltstelle der Planung und Ausführung höfischer Repräsentation.
Gleich Praetorius war von Löhneysen systematischer Sammler und kreativer Vermittler von
Fachwissen auf seinem Gebiet und wurde als Kulturagent über die Grenzen des Herzogtums
hinaus, u.a. an den Höfen in Dresden, Kopenhagen und Prag, geschätzt. Von Löhneysens
Della cavalleria 2 enthält kommentierte Kupferstiche von 33 Musterinventionen. Die große
Bedeutung von Musik auch für von Löhneysen wird in seiner Darstellung zahlreicher
Musikensembles innerhalb passender Kontexte mit detailliert abgebildeten Instrumenten
evident. Durch vergleichende Quellenanalyse dieser Darstellungen in Della cavalleria 2
verdeutlicht mein Beitrag dessen Intertextualität mit Überlieferungen der Dresdner Hoffeste
durch Daniel Bretschneider, mit Bild- und Textquellen der Höfe in Dänemark und HessenKassel sowie mit Dokumenten des Wolfenbütteler Hofes, z.B. Praetorius‘ Syntagma
musicum. Insgesamt 16 der Inventionen sind Quellen und Anlässe zuzuordnen. 11 davon
weisen bildlich-thematische Parallelen zu Dresdner Darstellungen auf. Von Löhneysen
weicht jedoch von den Vorbildern sowohl in den Musikensemblestrukturen als auch in den
Beschreibungen ab durch Reduktion visueller Aspekte und Betonung akustisch-musikalischer
und theatraler Elemente.
Auch in dieser Form musikalischer Repräsentation war der Wolfenbütteler Hof in den
musikbezogenen Diskurs der Höfe einbezogen, der seinerseits durch Della cavalleria 2
mitbeeinflusst wurde. Mein Anliegen ist es, die Bedeutung dieses Werkes in der Auffassung
als weiteren, am Wolfenbütteler Herzogshof entstandenen musikalischen Text, als Zeugnis
und Mittel kulturellen Handelns zu zeigen.
Dorothea Schröder, Hamburg 14:20 Uhr
Bacchuskinder und lachende Löwen: Zur bildhauerischen Gestaltung der David BeckOrgel (1596) aus Schloss Gröningen
Mit seiner überbordenden Dekoration stellt der Prospekt der ehemaligen, für Herzog
Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel erbauten Gröninger Schlossorgel (jetzt in St.
Martini, Halberstadt; Rückpositivgehäuse in Harsleben) ein Meisterwerk des Manierismus im
Norden dar: Italienische und niederländische Kunsttraditionen sind hier mit dem
norddeutschen Orgelbau eine einzigartige Verbindung eingegangen. Auffällig ist dabei der
hohe Anteil an weltlichen, teils paganen Motiven (z.B. Satyrn), die so an keiner anderen
Orgel des späten 16. oder frühen 17. Jahrhunderts zu finden sind. In der willkürlich
erscheinenden Zusammenstellung der Einzelelemente lediglich die zeittypische Freude am
Grotesken zu sehen, greift m.E. zu kurz. Es ist vielmehr zu vermuten, dass Herzog Heinrich
Julius, der sich in einer Inschrift plakativ als „inventor“ des Gesamtkunstwerks Schlosskirche
zu erkennen gab und als einer der gelehrtesten Fürsten seiner Zeit galt, den beteiligten
Künstlern ein Konzept für die Gestaltung der Orgelfassade vorgegeben hatte. Das Referat
soll ein erster Schritt auf dem Weg zu einem umfassenderen Verständnis der Gröninger
Orgel-Bildwelt sein.
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WIRKUNGEN
CHAIR: GERHARD AUMÜLLER, MARBURG
Rainer Schmitt, TU Braunschweig 15:15 Uhr
Die Tanzsammlung Terpsichore von Michael Praetorius im Spiegel der Forschung
Zu der von Michael Praetorius im Jahr 1612 herausgegebenen Sammlung von 312 Tänzen
liegen bisher nur wenige wissenschaftliche Arbeiten vor, was der besonderen Bedeutung des
Werkes nicht gerecht wird. Interessante Hinweise zu Entstehung, Inhalt und Absicht der
Terpsichore liefert die ausführliche Einleitung zum Erstdruck des Werkes. Darüber hinaus ist
die Quellenlage jedoch lückenhaft und die Forschung auf Rückschlüsse durch Betrachtung
des gesellschaftlichen und musikkulturellen Umfelds angewiesen. So können die
Wolfenbütteler Hofkultur um 1600, die Bedeutung des höfischen Tanzes, die Aufgaben des
Tanzmeisters, die Zusammensetzung der Hofkapelle und nicht zuletzt der Kontakt mit
anderen Fürstenhäusern wichtige Hinweise zu einer angemessenen Bewertung der
Tanzsammlung liefern. Zweifellos hat Terpsichore die Musik am welfischen Hof in
Wolfenbüttel beeinflusst, denn ab der Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelt sich hier eine
rege kompositorische und choreografische Tätigkeit mit dem Schwerpunkt auf französischorientierten Tänzen und Balletten. Dies belegen die Anstellung französischer Tanzmeister
und entsprechende musikalische Aktivitäten der Hofgesellschaft.
Hinsichtlich der Tanzsammlung Terpsichore bleiben für die musikwissenschaftliche
Forschung noch mehrere Fragen ungelöst. So wissen wir bisher zu wenig über die damalige
Aufführungspraxis der vier- bis sechsstimmigen Tänze, insbesondere der instrumentalen
Besetzung. Hinsichtlich der musikalischen Struktur der Tanzsätze muss auch nach Rhythmus
und Tempo gefragt werden, denn bisher standen primär die Melodien im Fokus der
Betrachtung. Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage nach der grundsätzlichen Bedeutung der
Terpsichore für die Musikgeschichte. Handelt es sich bei den Tänzen dieser Sammlung noch
um Umgangs- oder schon um Darbietungsmusik? Fest steht jedenfalls, dass Michael
Praetorius mit seinen kompositorischen Ergänzungen und dem anschließenden Druck der
Tanzsammlung die Entwicklung der rein instrumentalen Musik zu einer eigenständigen Kunst
wesentlich befördert hat.
Margaret Boudreaux, McDaniel College, Maryland, USA 15:35 Uhr
The Lasting Legacy of Michael Praetorius’s Passionately Practical Pedagogy
The remarkably practical and inclusive performance instructions Michael Praetorius provides
in many of his works have long inspired commentary. He repeatedly invites “the goodhearted cantor and musician” to adapt scores to each situation, regardless of available
resources, talent and training. Ironically, the minute detail he provides concerning ways to
simplify motets as each situation might require is precisely what complicates editing and
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performance planning. Nevertheless, musicians in very diverse situations accepted his
invitation then, and continue to do so today. One of his more complex collections,
Polyhymnia caduceatrix et panegyrica (1619), which has seen a recent international surge of
interest in concert halls as well as shared editing projects on the internet, enjoyed wide
dissemination in the century after its publication not only through print, but (as Praetorius
encouraged in his writings) with hand-written modifications. Including 40 motets set in the
newest styles at that time, it provides performance instructions closely coordinated with
descriptions found in the contemporaneously published Syntagma musicum III.
This presentation will explore the passionately held spiritual meaning Michael Praetorius
assigned to his compositions and theoretical writings, which resulted in the remarkably
inclusive practicality of his instructions. He believed music played a significant role in the
spiritual health of not only individuals, but of entire communities. As a composer and
educator he further understood music would only be accepted, understood, and performed
with the needed depth of spirituality if it were so taught. Although the resulting writings are
complex, that passionately practical pedagogy, most robustly expressed in his performance
instructions, captured the imagination of not only his contemporary musicians and the
immediately following generations, but continues to inspire new projects across the world
today.
Karl-Jürgen Kemmelmeyer, Hannover 15:55 Uhr
Michael Praetorius – aus kulturpolitischer Sicht betrachtet
Die singuläre Gestalt des Michael Praetorius als wohl bedeutendster deutscher Musiker zu
Beginn des 17. Jahrhunderts ist aufs Engste mit Wolfenbüttel bzw. Niedersachsen
verbunden. Gleichwohl ist diese Tatsache im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent. Was
sind die Ursachen?
Die Jugendmusikbewegung hatte nach dem Ersten Weltkrieg viel zur Wiederentdeckung
der alten Musik beigetragen. Da sie mit ihrer Antihaltung zur Spätromantik „neues“
Spielmaterial suchte, fokussierte man sich dabei auf Werke, die für „Musikanten“ leichter
ausführbar und in praktischen Ausgaben verfügbar waren. Kompositionen von Schütz
schienen dafür geeignet, von Praetorius eher nur Kantionalsätze und einzelne Tanzstücke
aus Terpsichore. Die Komplexität der Werke von Michael Praetorius, die für die Ausführung
durch die besten Hofmusikensembles seiner Zeit konzipiert waren, stand dem Interesse und
Leistungsvermögen der weltlichen und geistlichen Laienmusik entgegen. Hinzu kam noch,
dass man Praetorius vorrangig als Komponist geistlicher Werke rezipierte und seine
Universalität und historisch-politische Funktion nicht wahrnahm. Auch über historische
Aufführungspraxis wusste man damals noch nicht viel. Im Gegensatz zu Belgien und den
Niederlanden, in denen sich bereits ab den 1960er Jahren von Musikwissenschaft und
Instrumentenbau unterstützte Spezialensembles für die Entdeckung und Aufführungspraxis
alter Musik bildeten, erwachte in Deutschland das Interesse der Berufsmusiker und der
Musikforschung am „originalen Klang“ erst viel später. Gegenüber Schütz und Bach, für
deren Rezeption sich mit öffentlichen Mitteln geförderte Gesellschaften gründeten und
Forschung und international agierende Verlage arbeiteten, geriet Praetorius – wohl auch aus
Gründen noch zu geringer wissenschaftlicher Forschung und fehlender praktischer Ausgaben
– fast in Vergessenheit. Die in den 1920er Jahren intensiv einsetzende Praetorius-Forschung,
u.a. die von Blume, Mendelssohn und Gurlitt 1928-1960 vorgelegte Gesamtausgabe,
verebbte ab der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die ehrenamtlich getragene Arbeit der
Michael-Praetorius-Gesellschaft Creuzburg und des Michael-Praetorius-Collegiums
Wolfenbüttel blieben bisher mangels öffentlicher Unterstützung nur von regionaler
Bedeutung. Vogelsängers Praetorius-Buch (2008), der Praetorius-Musikpreis des Landes
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Niedersachsen (2005-2012), mehrere kürzlich erschienene, von Alte-Musik-Spezialisten
eingespielte CDs mit Werken von Praetorius und besonders die internationale PraetoriusTagung 2008 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel machen deutlich, dass die
wissenschaftliche und künstlerische Auseinandersetzung mit diesem großen Komponisten
und Theoretiker zu den großen Desideraten der Musikforschung zählt und längst überfällig
ist.
Der Vortrag geht den Fragen nach, durch welche kulturpolitischen und medialen Impulse
Praetorius heute – seiner Bedeutung angemessen – neu entdeckt und gewürdigt werden
könnte und wie man die große Aussagekraft und Farbigkeit seiner Musik einem größeren
und neuen Publikum erschließen könnte. Dabei werden regionale, nationale und
internationale Perspektiven einbezogen.
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Die Teilnahme am Symposium ist kostenlos
Organisationskomitee
Gerhard Aumüller, Marburg ([email protected])
K.-J. Kemmelmeyer, Hannover ([email protected])
Arne Spohr, Bowling Green, USA ([email protected])
Sigrid Wirth, Wolfenbüttel ([email protected])
Gäste werden gebeten, sich anzumelden über
Gerhard Aumüller, Marburg ([email protected]) oder
Sigrid Wirth, Wolfenbüttel ([email protected])
Veranstaltungsort
Herzog August Bibliothek
Lessingplatz 1, 38304 Wolfenbüttel
Tel.: 05331/8080
ORGELKONZERT
Im Anschluss an das Symposium findet in der
Wolfenbütteler Hauptkirche BMV um 19:00 Uhr
ein Orgelkonzert statt.
Begrüßung und Einleitung
Gerhard Aumüller
An der Orgel
Almut Bretschneider (Wolfenbüttel)
M. Praetorius
„Christ unser Herr zum Jordan kam“
Wolfgang Karius (Aachen)
J. A. Guilain
Suite du second ton aus Pièces d’orgue pour le Magnificat (1706):
Prélude – Tierce en taille – Duo – Basse de trompette – Trio de flûtes –
Dialogue
H. Scheidemann
Praeambulum in d, Choralbearbeitung „In dich hab ich gehoffet, Herr“
K.-J. Kemmelmeyer (Hannover)
P. Du Mage
Premier Livre d'Orgue (1708):
Plein jeu – Fugue – Tierce en taille – Basse de trompette – Récit – Duo Grand jeu
Joachim Vogelsänger (Lüneburg)
J. S. Bach
Passacaglia und Fuge c-moll
Eintritt frei, Spenden erbeten
Bildnachweis: Fotos (6) und Gestaltung S. Wirth
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