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Künstliche Kompartimentierung
Synthetische subzelluläre Kompartimente in eukaryotischen Zellen
MARA REIFENRATH, JOANNA TRIPP, MISLAV OREB, ECKHARD BOLES
INSTITUT FÜR MOLEKULARE BIOWISSENSCHAFTEN, UNIVERSITÄT FRANKFURT A. M.
Genetic engineering of metabolic pathways for biotechnological purposes
is often hampered by factors like slow diffusion rates, competing pathways or secretion of intermediates. To bypass these limitations, compartimentalization of enzymatic reactions is a promising approach. For this,
enzymes can either be arranged in complexes or they can be isolated in
coated subcellular compartments. We are developing new concepts to
assemble various enzymes in protein supercomplexes and to relocate
metabolic pathways into synthetic organelles.
DOI: 10.1007/s12268-016-0701-4
© Springer-Verlag 2016
ó Mikroorganismen produzieren von Natur
aus zahlreiche Substanzen, von denen viele
für biotechnologische Anwendungen interessant sind. Durch die Methoden von Genetic
Engineering und Synthetischer Biologie können Mikroorganismen optimiert werden, um
an industrielle Produktionserfordernisse
angepasst zu sein oder sogar völlig neuartige
Substanzen zu produzieren. In industriellen
Prozessen gut etabliert ist die Hefe Saccharomyces cerevisiae z. B. bei der Produktion
von Ethanol als Biokraftstoff bis hin zum AntiMalaria-Wirkstoff Artemisinin [1].
Biotechnologische Produktionsprozesse
können nur wirtschaftlich sein, wenn die Pro-
˚ Abb. 1: Vorteile der Kompartimentierung von Stoffwechselwegen. Schematisch dargestellt ist eine Wirtszelle, in der in einer Kaskade von enzymatischen Reaktionen (schwarze durchgezogene Linien) aus einem Substrat ein biotechnologisch interessantes Produkt gebildet wird. Die einzelnen Intermediate (schwarze Punkte) können dabei eine inhibierende oder toxische Wirkung entfalten, von konkurrierenden Stoffwechselwegen umgesetzt werden oder durch Sekretion verloren gehen. Solche Probleme können durch Lokalisierung der betreffenden Reaktionen in abgeschlossenen Kompartimenten (Organellen oder Proteinkomplexe) umgangen werden. Voraussetzung dafür ist die Durchlässigkeit der Kompartimente für Substrate und Produkte, nicht aber für einzelne Intermediate (blaue Kreuze).
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duktionsraten und Ausbeuten sehr hoch
sind. In diesen Punkten besteht vielfach
noch erheblicher Verbesserungsbedarf.
Die Effizienz der Stoffwechselwege ist oft
eingeschränkt durch Faktoren wie Diffusionsbegrenzung, konkurrierende
metabolische Wege, Sekretion von
Zwischenprodukten oder toxische bzw.
inhibitorische Intermediate (Abb. 1). In
natürlichen Systemen werden solche
Limitationen durch das Zusammenbringen der beteiligten Enzyme in räumliche
Nähe und/oder deren Abgrenzung vom
umgebenden Milieu behoben. Eine in
allen Organismengruppen weitverbreitete Strategie ist die Bildung von Enzymkomplexen (z. B. Fettsäuresynthase), in
denen die aktiven Zentren so angeordnet sind, dass die Intermediate der nacheinander ablaufenden Reaktionen den
Komplex nicht verlassen können. Als
eine weitere Möglichkeit zur räumlichen
Abgrenzung besitzen manche Bakterienarten Proteinkompartimente, in
denen spezialisierte Hüllproteine die
Enzyme umschließen und zusätzlich den
Transport von Substraten und Produkten kontrollieren. Ein Paradigma dafür
sind die cyanobakteriellen Carboxysomen, in denen durch die räumliche Nähe
der Carboanhydrase und Rubisco eine
Effizienzsteigerung der CO2-Fixierung
möglich ist.
Kompartimentierung durch
künstliche Enzymkomplexe
Die Synthetische Biologie lässt sich
zunehmend von der Natur inspirieren,
um auch Enzyme, die normalerweise
nicht
miteinander
interagieren,
zusammenzubringen (Abb. 2). So haben
J. E. Dueber und Kollegen synthetische
Gerüst(scaffold)-Proteine entwickelt, die
aus fusionierten Protein-Protein-Interaktionsdomänen bestehen [2]; die Anbindung von Enzymen an diese Module wird
durch dazugehörige Peptidliganden vermittelt, die an die Enzyme fusioniert
sind. Die Effizienzsteigerung beruht auf
einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des
Zusammentreffens eines Enzym-Substrat-Paares. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Bildung von größeren
Aggregaten oder Superkomplexen, in
denen einzelne scaffolds z. B. durch oligomere Enzyme quervernetzt werden.
Wir haben nun in S. cerevisiae eine scaffold-vermittelte Kopplung der Enzyme
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eines heterologen Xyloseabbauweges an
Xylosetransporter erreicht, die die Bildung von unerwünschten Nebenprodukten minimiert und damit die Effizienz
der Xyloseverstoffwechselung steigert.
In einem anderen Ansatz haben wir
Superkomplexe der Pyruvatkinase mit
verschiedenen nachgeschalteten Enzymen entwickelt, um den Stoffwechselfluss von Pyruvat zu gewünschten Produkten zu lenken. Dabei interagieren die
verschiedenen Enzyme über heterospezifische coiled-coil-Zipper, und die Quervernetzung zu Superkomplexen wird
durch die inhärente Homooligomerisierung der einzelnen Enzyme bewirkt.
Kompartimentierung in zellulären
Organellen
In eukaryotischen Zellen haben sich von
Lipidmembranen umschlossene Kompartimente als Reaktionsräume entwickelt. Die Nutzung dieser Organellen für
biotechnologische Anwendungen wird
durch die Tatsache erleichtert, dass
Mechanismen und Signale für den Einbau von Enzymen und Transportern in
die Organellen gut untersucht sind. So
gelang es der Arbeitsgruppe von C. Voigt,
Hefevakuolen für die Produktion von
Methylhaliden zu nutzen [3]. Dafür wurde eine pflanzliche, S-Adenosylmethionin(SAM)-abhängige Methylhalidtransferase mit einer vakuolären Zielsteuerungssequenz der Hefe versehen. Die
Anreicherung des Kofaktors SAM sowie
der Halidionen in der Vakuole führte zu
einer gesteigerten Bildung des gewünschten Produktes. Die Anwendung von
Vakuolen als intrazelluläre Produktionsstätten ist aber durch das saure
Milieu und das Vorhandensein proteolytischer Enzyme limitiert.
Mitochondrien wurden bereits für die
Produktion von Terpenoiden und Hydrocortison nutzbar gemacht [4, 5]. Um eine
gesteigerte Produktion des Biotreibstoffes Isobutanol mit Hefen zu ermöglichen,
wurde der Biosyntheseweg, der sich aus
dem mitochondriellen Valin-Biosyntheseweg und dem zytoplasmatischen Ehrlich-Weg zusammensetzt, komplett in die
Mitochondrien verlegt [6]. Für die gesteigerten Ausbeuten in diesem rein mitochondriellen Weg spielt wahrscheinlich
neben einer lokalen Erhöhung der
Enzymkonzentration und der Reaktionsintermediate auch der wegfallende
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¯ Abb. 2: Intrazelluläre Reaktionsräume mit biotechnologischem Anwendungspotenzial.
Einige membranumschlossene
Kompartimente liegen bereits
in der Zelle vor und können zu
Produktionsstätten für biotechnologisch interessante Produkte umgebaut werden. Synthetische Organellen (metabolic
vesicles) können z. B. mittels
Zera-Fusionsproteinen aus
dem endoplasmatischen Retikulum (ER) gebildet werden.
Die Zusammenlagerung einzelner Enzyme eines Stoffwechselweges (Proteinkomplexe
und scaffolds) stellt einen weiteren Ansatz dar, durch eine
größere räumliche Nähe eine
Steigerung von Produktausbeuten zu erreichen. Eine Nutzung
von bakteriellen Proteinkompartimenten in eukaryotischen
Zellen zu diesem Zweck ist
ebenfalls vorstellbar.
Transportschritt eine Rolle. Weitere Organellen, die sich prinzipiell für die Inkorporation von Stoffwechselwegen eignen, sind
Peroxisomen und das endoplasmatische
Retikulum (ER) (Abb. 2). Hier werden aber
mögliche Anwendungen durch die große
Durchlässigkeit der peroxisomalen Membran für kleine Metaboliten bzw. durch das
oxidative Milieu des ERs verkompliziert.
Synthetische Organellen
Die Verwendung bereits vorhandener Organellen mit ihrer natürlichen Ausstattung an
Stoffwechselwegen und Transportern kann
jedoch zu möglichen Nebenreaktionen und
unkontrolliertem Stoffaustausch mit dem
Zytoplasma führen. Mithilfe von N-terminalen Domänen pflanzlicher Speicherproteine ist es uns nun gelungen, in S. cerevisiae
synthetische Organellen zu erzeugen, welche nur die für eine gewünschte Reaktion
bzw. einen Stoffwechselweg benötigten
Enzyme enthalten (Deutsche Patentanmeldung Nr. 10 2015 107 846.5 „Synthetische
Organellen in Hefe“). Dabei machen wir uns
ein Prinzip zunutze, das von Pflanzen
genutzt wird, um Proteine in Samen zu speichern [7]. Als Fusionsdomäne verwenden
wir die N-terminale Domäne des in Mais
vorkommenden Speicherpeptids GammaZein, genannt Zera. Die Zeradomäne enthält ein ER-Signalpeptid sowie eine repetitive Region, die von Cystein-reichen Regionen flankiert wird. Innerhalb des oxidati-
ven Milieus des ERs bilden sich intermolekulare Disulfidbrücken zwischen den Cysteinen und dadurch größere Akkumulationen
der Speicherproteine. Diese Proteinkomplexe verlassen anschließend das ER in Form
von runden, Lipidmembran-umhüllten Vesikeln – die protein bodies. I. Llop-Tous et al.
[8] zeigten, dass es möglich ist, durch Expression von Zera-Xylanase-Fusionen einfach aufzureinigende protein bodies zu erzeugen, die
aktive Xylanase enthalten.
Durch eine Fusion von Zera mit GFP konnten wir nun zeigen, dass die Zeradomäne auch
in S. cerevisiae zu einer Bildung von mit GFP
gefüllten Organellen führt (Abb. 3). Durch
Fusionen mit der Zeradomäne konnten auch
mehrere Enzyme gleichzeitig in einer in vivo
aktiven Form in die synthetischen Organellen dirigiert werden. Die Zeradomäne ist also
ein vielversprechender Fusionspartner, um
Enzyme in synthetische Organellen zu integrieren, die wir nun als abgeschirmte Reaktionsräume (metabolic vesicles) für Stoffwechselwege von biotechnologischem Interesse nutzen. Gegenwärtig arbeiten wir insbesondere an Strategien, um Transportsysteme in die Organellenmembranen zu dirigieren, welche die benötigten Substrate und
Kofaktoren in die Organellen hinein- und die
Produkte hinausbefördern können.
Danksagung
Die Autoren danken dem Bundesministerium
für Bildung und Forschung (FKZ: 031A542
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¯ Abb. 3: Mit grün
fluoreszierendem
Protein (GFP) gefüllte synthethische
Organellen in Hefen.
Abgebildet ist eine
konfokalmikroskopische Aufnahme von
Zera-GFP-exprimierenden Saccharomyces cerevisiae-Zellen. Durch die
Fusion mit der Zeradomäne werden
GFP-gefüllte Vesikel
erzeugt.
„Synthetische-Organellen-Projekt“) und
dem Bundesministerium für Ernährung
und Landwirtschaft (FKZ: 22031811 „Ecoferm-Projekt“) für die finanzielle Unterstützung ihrer Arbeiten zur künstlichen
Kompartimentierung.
ó
[7] Galili G (2004) ER-derived compartments are
formed by highly regulated processes and have special
functions in plants. Plant Physiol 136:3411–3413
[8] Llop-Tous I, Ortiz M, Torrent M et al. (2011) The
expression of a xylanase targeted to ER-protein bodies
provides a simple strategy to produce active insoluble
enzyme polymers in tobacco plants. PLoS One 6:e19474
Literatur
[1] Krivoruchko A, Nielsen J (2015) Production of natural products through metabolic engineering of
Saccharomyces cerevisiae. Curr Opin Biotechnol 35:7–15
[2] Dueber JE, Wu GC, Malmirchegini GR et al. (2009)
Synthetic protein scaffolds provide modular control
over metabolic flux. Nat Biotechnol 27:753–759
[3] Bayer TS, Widmaier DM, Temme K et al. (2009)
Synthesis of methyl halides from biomass using engineered microbes. J Am Chem Soc 131:6508–6515
[4] Farhi M, Marhevka E, Masci T et al. (2011)
Harnessing yeast subcellular compartments for the production of plant terpenoids. Metab Eng 13:474–481
[5] Szczebara FM, Chandelier C, Villeret C et al. (2003)
Total biosynthesis of hydrocortisone from a simple carbon source in yeast. Nat Biotechnol 21:143–149
[6] Avalos JL, Fink GR, Stephanopoulos G (2013)
Compartmentalization of metabolic pathways in yeast
mitochondria improves production of branched chain
alcohols. Nat Biotechnol 31:335–341
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Eckhard Boles
Institut für Molekulare Biowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Max-von-Laue-Straße 9
D-60438 Frankfurt a. M.
Tel.: 069-798-29513
Fax: 069-798-29527
[email protected]
www.bio.uni-frankfurt.de/boles
AUTOREN
Mara Reifenrath, Joanna Tripp, Mislav
Oreb und Eckhard Boles (v. l. n. r.) arbeiten am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Frankfurt a. M.
an neuartigen Konzepten zur Kompartimentierung biotechnologisch interessanter Stoffwechselwege in Hefen.
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