374 W I S S EN S CHAFT · S PECIA L : ZELLBIOLO GIE Künstliche Kompartimentierung Synthetische subzelluläre Kompartimente in eukaryotischen Zellen MARA REIFENRATH, JOANNA TRIPP, MISLAV OREB, ECKHARD BOLES INSTITUT FÜR MOLEKULARE BIOWISSENSCHAFTEN, UNIVERSITÄT FRANKFURT A. M. Genetic engineering of metabolic pathways for biotechnological purposes is often hampered by factors like slow diffusion rates, competing pathways or secretion of intermediates. To bypass these limitations, compartimentalization of enzymatic reactions is a promising approach. For this, enzymes can either be arranged in complexes or they can be isolated in coated subcellular compartments. We are developing new concepts to assemble various enzymes in protein supercomplexes and to relocate metabolic pathways into synthetic organelles. DOI: 10.1007/s12268-016-0701-4 © Springer-Verlag 2016 ó Mikroorganismen produzieren von Natur aus zahlreiche Substanzen, von denen viele für biotechnologische Anwendungen interessant sind. Durch die Methoden von Genetic Engineering und Synthetischer Biologie können Mikroorganismen optimiert werden, um an industrielle Produktionserfordernisse angepasst zu sein oder sogar völlig neuartige Substanzen zu produzieren. In industriellen Prozessen gut etabliert ist die Hefe Saccharomyces cerevisiae z. B. bei der Produktion von Ethanol als Biokraftstoff bis hin zum AntiMalaria-Wirkstoff Artemisinin [1]. Biotechnologische Produktionsprozesse können nur wirtschaftlich sein, wenn die Pro- ˚ Abb. 1: Vorteile der Kompartimentierung von Stoffwechselwegen. Schematisch dargestellt ist eine Wirtszelle, in der in einer Kaskade von enzymatischen Reaktionen (schwarze durchgezogene Linien) aus einem Substrat ein biotechnologisch interessantes Produkt gebildet wird. Die einzelnen Intermediate (schwarze Punkte) können dabei eine inhibierende oder toxische Wirkung entfalten, von konkurrierenden Stoffwechselwegen umgesetzt werden oder durch Sekretion verloren gehen. Solche Probleme können durch Lokalisierung der betreffenden Reaktionen in abgeschlossenen Kompartimenten (Organellen oder Proteinkomplexe) umgangen werden. Voraussetzung dafür ist die Durchlässigkeit der Kompartimente für Substrate und Produkte, nicht aber für einzelne Intermediate (blaue Kreuze). BIOspektrum | 04.16 | 22. Jahrgang duktionsraten und Ausbeuten sehr hoch sind. In diesen Punkten besteht vielfach noch erheblicher Verbesserungsbedarf. Die Effizienz der Stoffwechselwege ist oft eingeschränkt durch Faktoren wie Diffusionsbegrenzung, konkurrierende metabolische Wege, Sekretion von Zwischenprodukten oder toxische bzw. inhibitorische Intermediate (Abb. 1). In natürlichen Systemen werden solche Limitationen durch das Zusammenbringen der beteiligten Enzyme in räumliche Nähe und/oder deren Abgrenzung vom umgebenden Milieu behoben. Eine in allen Organismengruppen weitverbreitete Strategie ist die Bildung von Enzymkomplexen (z. B. Fettsäuresynthase), in denen die aktiven Zentren so angeordnet sind, dass die Intermediate der nacheinander ablaufenden Reaktionen den Komplex nicht verlassen können. Als eine weitere Möglichkeit zur räumlichen Abgrenzung besitzen manche Bakterienarten Proteinkompartimente, in denen spezialisierte Hüllproteine die Enzyme umschließen und zusätzlich den Transport von Substraten und Produkten kontrollieren. Ein Paradigma dafür sind die cyanobakteriellen Carboxysomen, in denen durch die räumliche Nähe der Carboanhydrase und Rubisco eine Effizienzsteigerung der CO2-Fixierung möglich ist. Kompartimentierung durch künstliche Enzymkomplexe Die Synthetische Biologie lässt sich zunehmend von der Natur inspirieren, um auch Enzyme, die normalerweise nicht miteinander interagieren, zusammenzubringen (Abb. 2). So haben J. E. Dueber und Kollegen synthetische Gerüst(scaffold)-Proteine entwickelt, die aus fusionierten Protein-Protein-Interaktionsdomänen bestehen [2]; die Anbindung von Enzymen an diese Module wird durch dazugehörige Peptidliganden vermittelt, die an die Enzyme fusioniert sind. Die Effizienzsteigerung beruht auf einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens eines Enzym-Substrat-Paares. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Bildung von größeren Aggregaten oder Superkomplexen, in denen einzelne scaffolds z. B. durch oligomere Enzyme quervernetzt werden. Wir haben nun in S. cerevisiae eine scaffold-vermittelte Kopplung der Enzyme BIOspektrum | 04.16 | 22. Jahrgang eines heterologen Xyloseabbauweges an Xylosetransporter erreicht, die die Bildung von unerwünschten Nebenprodukten minimiert und damit die Effizienz der Xyloseverstoffwechselung steigert. In einem anderen Ansatz haben wir Superkomplexe der Pyruvatkinase mit verschiedenen nachgeschalteten Enzymen entwickelt, um den Stoffwechselfluss von Pyruvat zu gewünschten Produkten zu lenken. Dabei interagieren die verschiedenen Enzyme über heterospezifische coiled-coil-Zipper, und die Quervernetzung zu Superkomplexen wird durch die inhärente Homooligomerisierung der einzelnen Enzyme bewirkt. Kompartimentierung in zellulären Organellen In eukaryotischen Zellen haben sich von Lipidmembranen umschlossene Kompartimente als Reaktionsräume entwickelt. Die Nutzung dieser Organellen für biotechnologische Anwendungen wird durch die Tatsache erleichtert, dass Mechanismen und Signale für den Einbau von Enzymen und Transportern in die Organellen gut untersucht sind. So gelang es der Arbeitsgruppe von C. Voigt, Hefevakuolen für die Produktion von Methylhaliden zu nutzen [3]. Dafür wurde eine pflanzliche, S-Adenosylmethionin(SAM)-abhängige Methylhalidtransferase mit einer vakuolären Zielsteuerungssequenz der Hefe versehen. Die Anreicherung des Kofaktors SAM sowie der Halidionen in der Vakuole führte zu einer gesteigerten Bildung des gewünschten Produktes. Die Anwendung von Vakuolen als intrazelluläre Produktionsstätten ist aber durch das saure Milieu und das Vorhandensein proteolytischer Enzyme limitiert. Mitochondrien wurden bereits für die Produktion von Terpenoiden und Hydrocortison nutzbar gemacht [4, 5]. Um eine gesteigerte Produktion des Biotreibstoffes Isobutanol mit Hefen zu ermöglichen, wurde der Biosyntheseweg, der sich aus dem mitochondriellen Valin-Biosyntheseweg und dem zytoplasmatischen Ehrlich-Weg zusammensetzt, komplett in die Mitochondrien verlegt [6]. Für die gesteigerten Ausbeuten in diesem rein mitochondriellen Weg spielt wahrscheinlich neben einer lokalen Erhöhung der Enzymkonzentration und der Reaktionsintermediate auch der wegfallende 376 W I S S EN S CHAFT · S PECIA L : ZELLBIOLO GIE ¯ Abb. 2: Intrazelluläre Reaktionsräume mit biotechnologischem Anwendungspotenzial. Einige membranumschlossene Kompartimente liegen bereits in der Zelle vor und können zu Produktionsstätten für biotechnologisch interessante Produkte umgebaut werden. Synthetische Organellen (metabolic vesicles) können z. B. mittels Zera-Fusionsproteinen aus dem endoplasmatischen Retikulum (ER) gebildet werden. Die Zusammenlagerung einzelner Enzyme eines Stoffwechselweges (Proteinkomplexe und scaffolds) stellt einen weiteren Ansatz dar, durch eine größere räumliche Nähe eine Steigerung von Produktausbeuten zu erreichen. Eine Nutzung von bakteriellen Proteinkompartimenten in eukaryotischen Zellen zu diesem Zweck ist ebenfalls vorstellbar. Transportschritt eine Rolle. Weitere Organellen, die sich prinzipiell für die Inkorporation von Stoffwechselwegen eignen, sind Peroxisomen und das endoplasmatische Retikulum (ER) (Abb. 2). Hier werden aber mögliche Anwendungen durch die große Durchlässigkeit der peroxisomalen Membran für kleine Metaboliten bzw. durch das oxidative Milieu des ERs verkompliziert. Synthetische Organellen Die Verwendung bereits vorhandener Organellen mit ihrer natürlichen Ausstattung an Stoffwechselwegen und Transportern kann jedoch zu möglichen Nebenreaktionen und unkontrolliertem Stoffaustausch mit dem Zytoplasma führen. Mithilfe von N-terminalen Domänen pflanzlicher Speicherproteine ist es uns nun gelungen, in S. cerevisiae synthetische Organellen zu erzeugen, welche nur die für eine gewünschte Reaktion bzw. einen Stoffwechselweg benötigten Enzyme enthalten (Deutsche Patentanmeldung Nr. 10 2015 107 846.5 „Synthetische Organellen in Hefe“). Dabei machen wir uns ein Prinzip zunutze, das von Pflanzen genutzt wird, um Proteine in Samen zu speichern [7]. Als Fusionsdomäne verwenden wir die N-terminale Domäne des in Mais vorkommenden Speicherpeptids GammaZein, genannt Zera. Die Zeradomäne enthält ein ER-Signalpeptid sowie eine repetitive Region, die von Cystein-reichen Regionen flankiert wird. Innerhalb des oxidati- ven Milieus des ERs bilden sich intermolekulare Disulfidbrücken zwischen den Cysteinen und dadurch größere Akkumulationen der Speicherproteine. Diese Proteinkomplexe verlassen anschließend das ER in Form von runden, Lipidmembran-umhüllten Vesikeln – die protein bodies. I. Llop-Tous et al. [8] zeigten, dass es möglich ist, durch Expression von Zera-Xylanase-Fusionen einfach aufzureinigende protein bodies zu erzeugen, die aktive Xylanase enthalten. Durch eine Fusion von Zera mit GFP konnten wir nun zeigen, dass die Zeradomäne auch in S. cerevisiae zu einer Bildung von mit GFP gefüllten Organellen führt (Abb. 3). Durch Fusionen mit der Zeradomäne konnten auch mehrere Enzyme gleichzeitig in einer in vivo aktiven Form in die synthetischen Organellen dirigiert werden. Die Zeradomäne ist also ein vielversprechender Fusionspartner, um Enzyme in synthetische Organellen zu integrieren, die wir nun als abgeschirmte Reaktionsräume (metabolic vesicles) für Stoffwechselwege von biotechnologischem Interesse nutzen. Gegenwärtig arbeiten wir insbesondere an Strategien, um Transportsysteme in die Organellenmembranen zu dirigieren, welche die benötigten Substrate und Kofaktoren in die Organellen hinein- und die Produkte hinausbefördern können. Danksagung Die Autoren danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (FKZ: 031A542 BIOspektrum | 04.16 | 22. Jahrgang ¯ Abb. 3: Mit grün fluoreszierendem Protein (GFP) gefüllte synthethische Organellen in Hefen. Abgebildet ist eine konfokalmikroskopische Aufnahme von Zera-GFP-exprimierenden Saccharomyces cerevisiae-Zellen. Durch die Fusion mit der Zeradomäne werden GFP-gefüllte Vesikel erzeugt. „Synthetische-Organellen-Projekt“) und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (FKZ: 22031811 „Ecoferm-Projekt“) für die finanzielle Unterstützung ihrer Arbeiten zur künstlichen Kompartimentierung. ó [7] Galili G (2004) ER-derived compartments are formed by highly regulated processes and have special functions in plants. Plant Physiol 136:3411–3413 [8] Llop-Tous I, Ortiz M, Torrent M et al. (2011) The expression of a xylanase targeted to ER-protein bodies provides a simple strategy to produce active insoluble enzyme polymers in tobacco plants. PLoS One 6:e19474 Literatur [1] Krivoruchko A, Nielsen J (2015) Production of natural products through metabolic engineering of Saccharomyces cerevisiae. Curr Opin Biotechnol 35:7–15 [2] Dueber JE, Wu GC, Malmirchegini GR et al. (2009) Synthetic protein scaffolds provide modular control over metabolic flux. Nat Biotechnol 27:753–759 [3] Bayer TS, Widmaier DM, Temme K et al. (2009) Synthesis of methyl halides from biomass using engineered microbes. J Am Chem Soc 131:6508–6515 [4] Farhi M, Marhevka E, Masci T et al. (2011) Harnessing yeast subcellular compartments for the production of plant terpenoids. Metab Eng 13:474–481 [5] Szczebara FM, Chandelier C, Villeret C et al. (2003) Total biosynthesis of hydrocortisone from a simple carbon source in yeast. Nat Biotechnol 21:143–149 [6] Avalos JL, Fink GR, Stephanopoulos G (2013) Compartmentalization of metabolic pathways in yeast mitochondria improves production of branched chain alcohols. Nat Biotechnol 31:335–341 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Eckhard Boles Institut für Molekulare Biowissenschaften Goethe-Universität Frankfurt Max-von-Laue-Straße 9 D-60438 Frankfurt a. M. Tel.: 069-798-29513 Fax: 069-798-29527 [email protected] www.bio.uni-frankfurt.de/boles AUTOREN Mara Reifenrath, Joanna Tripp, Mislav Oreb und Eckhard Boles (v. l. n. r.) arbeiten am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Frankfurt a. M. an neuartigen Konzepten zur Kompartimentierung biotechnologisch interessanter Stoffwechselwege in Hefen. BIOspektrum | 04.16 | 22. Jahrgang
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