Pro Generika veranstaltet Talk zu Biosimilars - NAV-Virchow-Bund

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Politik
der niedergelassene arzt 6/2012
Ausgebremster Hoffnungsträger?
Pro Generika veranstaltet Talk zu Biosimilars
Sie sind eine ebenso neue wie erfolgversprechende Arzneimittelklasse: die
Biosimilars. Als Folgeprodukte der
patentfreien Biopharmazeutika könnten sie laut einer aktuellen Studie des
Berliner IGES-Institutes das Gesundheitssystem in den nächsten acht Jahren um bis zu 11,7 Milliarden Euro entlasten. Derzeit werden sie aber offenbar
mehr ausgebremst als gefördert.
Gleichwertig aber preiswerter
Den Auftakt machte Dr. Jörg Windisch,
Vorsitzender des Arbeitskreises Biophar­
mazeutika beim Europäischen Generika­
verband (EGA). Er hob in einem Impulsre­
ferat die Bedeutung dieser neuen Arznei­
mittel hervor. Durch den Einsatz von
Biopharmazeutika können derzeit zwar
Krankheiten behandelt werden, die noch
vor Jahren als nicht therapierbar galten; auf­
grund ihrer hohen Kosten kämen diese
innovativen Präparate aber längst nicht
allen Patienten zugute, die sie benötigen.
Diskutierten über Biosimilars, Prof. Theodor Dingermann (Frankfurt), Dr. Christoph Straub
(BARMER-GEK), Jens Spahn (CDU) und Wolfgang Späth (Pro Generika. (v.l.n.r.)
Genau das können Biosimilars ändern.
Laut Windisch wirken sie nicht nur absolut
vergleichbar, sie seien zudem ungleich
preiswerter als die Erstanbieterpräparate.
Allerdings sei die Entwicklung auch von
Biosimilars aufgrund komplexer Zulas­
sungsbedingungen und Produktionspro­
zesse für die herstellenden Unternehmen
mit 100 bis 200 Millionen Euro pro Wirk­
stoff sehr teuer, betonte der Industrie­
experte.
Kein Austausch in der Apotheke
Dennoch lohne sich das Engagement der
Generikaunternehmen, zeigte sich Prof.
Theodor Dingermann, Universi­
tät Frankfurt, überzeugt.
Der Preisvorteil der Biosi­
milars werde dazu führen,
dass viele schwer kranke
Menschen auch in Deutsch­
land künftig besser behandelt
werden, erklärte der pharmazeu­
tische Biologe. Dingermann bedau­
erte allerdings, dass Biosimilars es
schwer hätten, im Markt Fuß zu fassen.
Hier sei noch viel Informationsarbeit bei
den Ärzten erforderlich. An der Qualität
der Produkte bestehe kein Zweifel, sagte
Dingermann, der mit dieser These auch von
Prof. Wolf-Dieter Ludwig bestätigt wurde.
Der Vorsitzende der Arzneimittelkommis­
sion der Deutschen Ärzteschaft betonte in
einem gezeigten Einspielfilm, dass seine
Einrichtung den Ärzten die verstärkte Ver­
ordnung dieser Produkte empfehle. Dies ist
wohl auch der wirkungsvollste Weg, um die
vom IGES aufgezeigten Einsparpotenziale
zu heben. Rabattverträge, so Prof. Dinger­
mann, eigneten sich für diese hochkomple­
xen Produkte, die bei Patienten mit schwe­
ren Erkrankungen eingesetzt werden,
jedenfalls aus wissenschaftlicher Sicht
nicht. Der Austausch in der Apotheke käme
hier nach übereinstimmender Experten­
meinung nicht in Frage. „Hier sind die Ärz­
te bei ihrer Verordnung gefordert.“
Zahlreiche Marktbarrieren
Doch die bislang relativ geringe Markt­
durchdringung liegt nicht nur an der Ärzte­
schaft. Um „den Weg für Biosimilars freizu­
© Schlierner / Fotolia
iesem Thema widmete der Branchen­
verband Pro Generika im Mai eine
eigene Podiumsdiskussion. Unter dem
Motto „Den Weg für Biosimilars freima­
chen – Einsparpotentiale sichern“ disku­
tierten Vertreter aus Wissenschaft, Politik,
Krankenkassen und Unternehmen über die
derzeitige Situation im Biosimilarmarkt.
© Pro Generika
D
Politik
der niedergelassene arzt 6/2012
werde der Information von Ärztinnen und
Ärzten weiterhin oberste Priorität einräu­
men. Hier sei auch die Selbstverwaltung
gefordert.
machen“ müssen nach Meinung der
Podiumsdiskutanten noch zahlreiche
Marktbarrieren aus dem Weg geräumt
werden. Eines der Hauptprobleme sind dabei
wohl die Rabattverträge mit den Erstanbie­
tern, die auch dann noch gelten, wenn
bereits Biosimilars auf dem Markt sind.
Obwohl diese deutlich preiswerter als ihre
Referenzprodukte sind, gibt es viele Kran­
kenkassen, die solche Vereinbarungen
abschließen. Für Dr. Christoph Straub, den
Vorstandsvorsitzenden der BARMERGEK, ist dies der falsche Weg. Seine Kasse
verzichte daher auf solche Verträge. Für den
Kassen-Chef sind Biosimilar-Verordnungs­
quoten der erste Schritt in die richtige Rich­
tung. Gesetzliche Eingriffe in die Vertrags­
gestaltung, die derzeit diskutiert werden,
lehnte er jedoch ab. „Die Kassen können
selbst entscheiden, welcher Weg für sie der
richtige ist.“
Patentabläufe machen „mutige
Schritte“ erforderlich
Aufgabe der Politik sei es, jetzt schnell die
Rahmenbedingungen zu verbessern. Denn
in den nächsten Jahren liefen Patente für
biopharmazeutische Arzneimittel mit
einem globalen Wert von 60 Mrd. US-Dol­
lar aus. Späth forderte „mutige Schritte, um
Freiraum für die Entwicklung von Biosimi­
lars in Deutschland zu schaffen.“ Neben
verpflichtenden Quoten für alle verfügba­
ren Biosimilars müssten Rabattverträge mit
Erstanbietern zwingend dann enden, wenn
Union will Problem angehen
Mit dieser Auffassung stieß er allerdings auf
erhebliche Zweifel bei Jens Spahn. Würden
sich alle Beteiligten im Gesundheitswesen
rational verhalten, könne das SGB V „um
die Hälfte dünner sein,“ erwiderte der
gesundheitspolitische Sprecher der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion. Nach seiner Mei­
nung gebe es Rabattverträge zwischen
Krankenkassen und Herstellern, die rechts­
widrig seien. Spahn berichtete von Überle­
gungen seiner Fraktion, im Rahmen der
AMG-Novelle zum Beispiel die so genann­
ten Portfolioverträge abschaffen zu wol­
len.
Bei den Biosimilars prüfe die Union
die Auswirkungen der Rabattverträge der
Erstanbieter auf die Marktentwicklung der
Biosimilars. Zudem setze man auf die Ver­
einbarung von Biosimilarquoten durch die
Selbstverwaltung, die aber auch gelebt wer­
den müssten. Auch Spahn betonte die Not­
wendigkeit, die Ärzte noch intensiver über
die Vorteile der neuen Arzneimittelklasse
zu informieren.
Mit diesen Worten stieß er zwar auf
grundsätzliche aber nicht ungeteilte
Zustimmung bei Wolfgang Späth. Der Vor­
standsvorsitzende von Pro Generika,
begrüßte das Engagement der AG Gesund­
heit der CDU/CSU in dieser Frage. Erfreut
zeigte er sich auch über die BiosimilarEmpfehlung der Arzneimittelkommission
der Deutschen Ärzteschaft. Die Industrie
© Yahia LoUKKAL / Fotolia
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das erste Biosimilar auf den Markt komme.
In diesem Zusammenhang sei es auch zu
begrüßen, dass die Union auch eine zwei­
jährige vertragsfreie Zeit in ihr Konzept
aufgenommen habe.
Hinsichtlich eines
möglichen gesetzlichen Vorgehens gegen
Portfolioverträge forderte der Pro
Generika-Vorstandsvorsitzende eine
homogene Gesetzgebung. Wenn die Politik
dies wolle, sei es absolut unverzichtbar, in
gleicher Weise auch gegen die ebenfalls
rechtswidrigen Erstanbieterverträge über
den Patent­ablauf vorzugehen. „Andernfalls
wird Erstanbietern die vollständige Markt­
dominanz nach Patentablauf sogar gesetz­
lich garantiert. Es ist nicht vorstellbar, dass
dies das gewollte Ziel der Gesundheitspoli­
tik sein kann,“ erklärte Späth abschließend.
Elmar Esser
Umweltgutachten 2012
„In einer begrenzten Welt kann es kein
­unbegrenztes Wachstum geben“.
Mit dieser Feststellung seines Vorsitzenden Prof. Martin Faulstich überreichte der
Sachverständigenrat für Umweltfragen
(SRU) Anfang Juni sein Umweltgutachten
2012 an den neuen Bundesumwelt­
minister ­Peter Altmaier. Das Gutachten
mit dem Titel „Verantwortung in einer
begrenzten Welt“ behandelt elf Schwerpunktthemen, die von der n
­ euen Wachstumsdebatte über den Schutz wichtiger
Ökosysteme, wie der Moore, Wälder und
Meere bis zur Stärkung des integrativen
Umweltschutzes reichen.
So könnten beispielsweise der Verbrauch
von metallischen und mineralischen Rohstoffen durch eine konsequentere Kreislaufführung gesenkt werden. Der SRU regt
daher unter anderem eine Pfandpflicht für
ausgewählte Elektrogeräte an. Die oftmals
sehr energieintensive Rohstoffgewinnung
kann durch anspruchsvolle Ziele für den
Emissionshandel (EU - 30%-Ziel für 2020!)
und den Abbau von Sonderregeln klimaschonender werden. Durch eine Stärkung
des Naturschutzes können schwerwiegende Eingriffe in den Naturhaushalt vermindert werden.
Selbst beim immer noch wachsenden
Güterverkehr können anspruchsvolle
Klimaschutzziele durch eine umfassende
Elektrifizierung auf der Basis erneuerbarer Energien erreicht werden. Neben
der Verlagerung auf die Schiene sollten
auch oberleitungsgeführte Lkws (TrolleyTrucks), die bereits in ersten Pilotprojekten
technisch getestet wurden, ernsthaft weiterverfolgt werden.
Auch im Bereich Ernährung sollte die
Politik wirksame Anreize zur Entkopplung
setzen. Die Verminderung von Lebensmittelverlusten um 50 Prozent bis 2025 könne
die Umweltfolgen der Ernährung vermindern. Darüber hinaus sollte der h
­ ohe
Fleischkonsum deutlich reduziert werden.
Die Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte
und eine Steuer auf ungesättigte Fettsäuren sollten daher geprüft werden.
Im Rahmen einer Vorsorgestrategie sollten
sich Politik und Wissenschaft aber auch
intensiv mit den Bedingungen von gesellschaftlicher und politischer Stabilität bei
sehr geringen Wachstumsraten auseinandersetzen, rät der SRU.
www.umweltrat.de
Quelle: Sachverständigenrat für Umweltfragen