14 Politik der niedergelassene arzt 6/2012 Ausgebremster Hoffnungsträger? Pro Generika veranstaltet Talk zu Biosimilars Sie sind eine ebenso neue wie erfolgversprechende Arzneimittelklasse: die Biosimilars. Als Folgeprodukte der patentfreien Biopharmazeutika könnten sie laut einer aktuellen Studie des Berliner IGES-Institutes das Gesundheitssystem in den nächsten acht Jahren um bis zu 11,7 Milliarden Euro entlasten. Derzeit werden sie aber offenbar mehr ausgebremst als gefördert. Gleichwertig aber preiswerter Den Auftakt machte Dr. Jörg Windisch, Vorsitzender des Arbeitskreises Biophar mazeutika beim Europäischen Generika verband (EGA). Er hob in einem Impulsre ferat die Bedeutung dieser neuen Arznei mittel hervor. Durch den Einsatz von Biopharmazeutika können derzeit zwar Krankheiten behandelt werden, die noch vor Jahren als nicht therapierbar galten; auf grund ihrer hohen Kosten kämen diese innovativen Präparate aber längst nicht allen Patienten zugute, die sie benötigen. Diskutierten über Biosimilars, Prof. Theodor Dingermann (Frankfurt), Dr. Christoph Straub (BARMER-GEK), Jens Spahn (CDU) und Wolfgang Späth (Pro Generika. (v.l.n.r.) Genau das können Biosimilars ändern. Laut Windisch wirken sie nicht nur absolut vergleichbar, sie seien zudem ungleich preiswerter als die Erstanbieterpräparate. Allerdings sei die Entwicklung auch von Biosimilars aufgrund komplexer Zulas sungsbedingungen und Produktionspro zesse für die herstellenden Unternehmen mit 100 bis 200 Millionen Euro pro Wirk stoff sehr teuer, betonte der Industrie experte. Kein Austausch in der Apotheke Dennoch lohne sich das Engagement der Generikaunternehmen, zeigte sich Prof. Theodor Dingermann, Universi tät Frankfurt, überzeugt. Der Preisvorteil der Biosi milars werde dazu führen, dass viele schwer kranke Menschen auch in Deutsch land künftig besser behandelt werden, erklärte der pharmazeu tische Biologe. Dingermann bedau erte allerdings, dass Biosimilars es schwer hätten, im Markt Fuß zu fassen. Hier sei noch viel Informationsarbeit bei den Ärzten erforderlich. An der Qualität der Produkte bestehe kein Zweifel, sagte Dingermann, der mit dieser These auch von Prof. Wolf-Dieter Ludwig bestätigt wurde. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommis sion der Deutschen Ärzteschaft betonte in einem gezeigten Einspielfilm, dass seine Einrichtung den Ärzten die verstärkte Ver ordnung dieser Produkte empfehle. Dies ist wohl auch der wirkungsvollste Weg, um die vom IGES aufgezeigten Einsparpotenziale zu heben. Rabattverträge, so Prof. Dinger mann, eigneten sich für diese hochkomple xen Produkte, die bei Patienten mit schwe ren Erkrankungen eingesetzt werden, jedenfalls aus wissenschaftlicher Sicht nicht. Der Austausch in der Apotheke käme hier nach übereinstimmender Experten meinung nicht in Frage. „Hier sind die Ärz te bei ihrer Verordnung gefordert.“ Zahlreiche Marktbarrieren Doch die bislang relativ geringe Markt durchdringung liegt nicht nur an der Ärzte schaft. Um „den Weg für Biosimilars freizu © Schlierner / Fotolia iesem Thema widmete der Branchen verband Pro Generika im Mai eine eigene Podiumsdiskussion. Unter dem Motto „Den Weg für Biosimilars freima chen – Einsparpotentiale sichern“ disku tierten Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Krankenkassen und Unternehmen über die derzeitige Situation im Biosimilarmarkt. © Pro Generika D Politik der niedergelassene arzt 6/2012 werde der Information von Ärztinnen und Ärzten weiterhin oberste Priorität einräu men. Hier sei auch die Selbstverwaltung gefordert. machen“ müssen nach Meinung der Podiumsdiskutanten noch zahlreiche Marktbarrieren aus dem Weg geräumt werden. Eines der Hauptprobleme sind dabei wohl die Rabattverträge mit den Erstanbie tern, die auch dann noch gelten, wenn bereits Biosimilars auf dem Markt sind. Obwohl diese deutlich preiswerter als ihre Referenzprodukte sind, gibt es viele Kran kenkassen, die solche Vereinbarungen abschließen. Für Dr. Christoph Straub, den Vorstandsvorsitzenden der BARMERGEK, ist dies der falsche Weg. Seine Kasse verzichte daher auf solche Verträge. Für den Kassen-Chef sind Biosimilar-Verordnungs quoten der erste Schritt in die richtige Rich tung. Gesetzliche Eingriffe in die Vertrags gestaltung, die derzeit diskutiert werden, lehnte er jedoch ab. „Die Kassen können selbst entscheiden, welcher Weg für sie der richtige ist.“ Patentabläufe machen „mutige Schritte“ erforderlich Aufgabe der Politik sei es, jetzt schnell die Rahmenbedingungen zu verbessern. Denn in den nächsten Jahren liefen Patente für biopharmazeutische Arzneimittel mit einem globalen Wert von 60 Mrd. US-Dol lar aus. Späth forderte „mutige Schritte, um Freiraum für die Entwicklung von Biosimi lars in Deutschland zu schaffen.“ Neben verpflichtenden Quoten für alle verfügba ren Biosimilars müssten Rabattverträge mit Erstanbietern zwingend dann enden, wenn Union will Problem angehen Mit dieser Auffassung stieß er allerdings auf erhebliche Zweifel bei Jens Spahn. Würden sich alle Beteiligten im Gesundheitswesen rational verhalten, könne das SGB V „um die Hälfte dünner sein,“ erwiderte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. Nach seiner Mei nung gebe es Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern, die rechts widrig seien. Spahn berichtete von Überle gungen seiner Fraktion, im Rahmen der AMG-Novelle zum Beispiel die so genann ten Portfolioverträge abschaffen zu wol len. Bei den Biosimilars prüfe die Union die Auswirkungen der Rabattverträge der Erstanbieter auf die Marktentwicklung der Biosimilars. Zudem setze man auf die Ver einbarung von Biosimilarquoten durch die Selbstverwaltung, die aber auch gelebt wer den müssten. Auch Spahn betonte die Not wendigkeit, die Ärzte noch intensiver über die Vorteile der neuen Arzneimittelklasse zu informieren. Mit diesen Worten stieß er zwar auf grundsätzliche aber nicht ungeteilte Zustimmung bei Wolfgang Späth. Der Vor standsvorsitzende von Pro Generika, begrüßte das Engagement der AG Gesund heit der CDU/CSU in dieser Frage. Erfreut zeigte er sich auch über die BiosimilarEmpfehlung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. Die Industrie © Yahia LoUKKAL / Fotolia 16 das erste Biosimilar auf den Markt komme. In diesem Zusammenhang sei es auch zu begrüßen, dass die Union auch eine zwei jährige vertragsfreie Zeit in ihr Konzept aufgenommen habe. Hinsichtlich eines möglichen gesetzlichen Vorgehens gegen Portfolioverträge forderte der Pro Generika-Vorstandsvorsitzende eine homogene Gesetzgebung. Wenn die Politik dies wolle, sei es absolut unverzichtbar, in gleicher Weise auch gegen die ebenfalls rechtswidrigen Erstanbieterverträge über den Patentablauf vorzugehen. „Andernfalls wird Erstanbietern die vollständige Markt dominanz nach Patentablauf sogar gesetz lich garantiert. Es ist nicht vorstellbar, dass dies das gewollte Ziel der Gesundheitspoli tik sein kann,“ erklärte Späth abschließend. Elmar Esser Umweltgutachten 2012 „In einer begrenzten Welt kann es kein unbegrenztes Wachstum geben“. Mit dieser Feststellung seines Vorsitzenden Prof. Martin Faulstich überreichte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) Anfang Juni sein Umweltgutachten 2012 an den neuen Bundesumwelt minister Peter Altmaier. Das Gutachten mit dem Titel „Verantwortung in einer begrenzten Welt“ behandelt elf Schwerpunktthemen, die von der n euen Wachstumsdebatte über den Schutz wichtiger Ökosysteme, wie der Moore, Wälder und Meere bis zur Stärkung des integrativen Umweltschutzes reichen. So könnten beispielsweise der Verbrauch von metallischen und mineralischen Rohstoffen durch eine konsequentere Kreislaufführung gesenkt werden. Der SRU regt daher unter anderem eine Pfandpflicht für ausgewählte Elektrogeräte an. Die oftmals sehr energieintensive Rohstoffgewinnung kann durch anspruchsvolle Ziele für den Emissionshandel (EU - 30%-Ziel für 2020!) und den Abbau von Sonderregeln klimaschonender werden. Durch eine Stärkung des Naturschutzes können schwerwiegende Eingriffe in den Naturhaushalt vermindert werden. Selbst beim immer noch wachsenden Güterverkehr können anspruchsvolle Klimaschutzziele durch eine umfassende Elektrifizierung auf der Basis erneuerbarer Energien erreicht werden. Neben der Verlagerung auf die Schiene sollten auch oberleitungsgeführte Lkws (TrolleyTrucks), die bereits in ersten Pilotprojekten technisch getestet wurden, ernsthaft weiterverfolgt werden. Auch im Bereich Ernährung sollte die Politik wirksame Anreize zur Entkopplung setzen. Die Verminderung von Lebensmittelverlusten um 50 Prozent bis 2025 könne die Umweltfolgen der Ernährung vermindern. Darüber hinaus sollte der h ohe Fleischkonsum deutlich reduziert werden. Die Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte und eine Steuer auf ungesättigte Fettsäuren sollten daher geprüft werden. Im Rahmen einer Vorsorgestrategie sollten sich Politik und Wissenschaft aber auch intensiv mit den Bedingungen von gesellschaftlicher und politischer Stabilität bei sehr geringen Wachstumsraten auseinandersetzen, rät der SRU. www.umweltrat.de Quelle: Sachverständigenrat für Umweltfragen
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