Lesen Sie hier den vollständigen Brief.

An die Herren:
Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin
Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales
Dieter Glietsch, Staatssekretär für Flüchtlingsmanagement
Sebastian Muschter, kommissarischer Leiter des LAGeSo
22. Juni 2016
Offener Brief / Stellungnahme zum „Freizug“ der Turnhallen
In den letzten Monaten hat das Nachbarschaftshaus mit vielen engagierten Mitarbeitenden und
Freiwilligen für und mit geflüchteten Menschen in den Kreuzberger Notunterkünften
zusammengearbeitet. Auf diese Weise ist ein tragfähiges und wirkungsvolles Netzwerk
entstanden, das mit dem Runden Tisch eindrücklich nach außen dokumentiert, mit welcher
Kompetenz, Nachhaltigkeit und großen Einsatzbereitschaft sich Menschen aus der
Zivilgesellschaft für Geflüchtete engagieren.
Für viele neue Nachbar_innen, die über Monate in Notunterkünften untergebracht waren, hat
eine „Beheimatung“ im Stadtteil begonnen. Schulpflichtige Kinder haben einen Schulplatz
erhalten, für die Jüngeren ist es gelungen, Kitaplätze zu finden, geflüchtete Frauen und Männer
besuchen Deutschkurse in den umliegenden Stadtteilzentren. Konkrete Begegnungen
zwischen neuen und alten Nachbar_innen wurden angebahnt und haben sich verstetigt.
Vielfach unterstützen geflüchtete Menschen mit ihren Kompetenzen als Sprach- und
Kulturmittler_innen andere bei deren Anstrengungen hier anzukommen und sich
zurechtzufinden, und sind dadurch unverzichtbar in der integrativen Arbeit geworden.
Die jüngst bekannt gewordenen Planungen zum „Freizug“ der Turnhallen, die eine Verbringung
der Menschen in andere, weit entfernte Stadtteile beabsichtigt, ignoriert soeben erst
entwickelte Sozialraumbezüge. Es bestürzt uns, dass Menschen mit traumatisierenden
Erfahrungen der Entwurzelung nun erneut aus persönlichen Beziehungen in einer engagierten
Nachbarschaft herausgerissen werden (sollen). Mit dem technischen Begriff des „Freizuges“
der Turnhallen wird die menschliche Komponente des erneuten Heimatverlustes ausgeblendet.
Mit der Belegung von Sporthallen hat Berlin Obdachlosigkeit abgewendet und Verantwortung für
Menschen übernommen. In Wahrnehmung dieser Verantwortung erwarten wir eine konsequente
und an der Lebenslage der Geflüchteten orientierte Integrationspolitik wie sie vom Senat im
Masterplan Integration zugesagt worden ist.
Daher fordern wir:
1. Keine zwangsweise Verbringung von Geflüchteten aus Kreuzberger Notunterkünften
in andere Bezirke.
2. Gleichzeitig mit der Schließung der Kreuzberger Notunterkünfte müssen Wohnmöglichkeiten für besonders Schutzbedürftige in der Gerhart-Hauptmann-Schule
bereitgestellt werden.
3. Systematische Erfassung und Vermittlung von freien Kapazitäten in Gemeinschaftsunterkünften im Bezirk.
4. Eine strukturierte und ernsthafte Zusammenarbeit mit Akteuren der Zivilgesellschaft
5. Die Entwicklung eines Konzeptes zur Teilhabe, Begleitung und Stärkung von
geflüchteten Menschen
Ehrenamtliche, Unterstützerkreise, Initiativen, Vereine und Verbände sowie politisch
Verantwortliche, die unsere Position teilen, rufen wir dazu auf, sich dieser Erklärung
anzuschließen und diese in ihren Netzwerken zu verbreiten.
Matthias Winter, Geschäftsführer
Mitzeichnende:
Monika Herrmann, Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg
Holger Langkau, Geschäftsführung Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Berlin Spree-Wuhle e. V.
Evelyn Gülzow, Geschäftsführung Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e.V.
Katharina Reineke, freiwillige Helferin
Fabio Reinhardt, MdA, Sprecher für Integration und Flüchtlingspolitik der Piratenfraktion
Kreuzberg hilft
Thorsten Buhl, Geschäftsführung Friedrichshain hilft e.V.i.G
Holger Förster, Geschäftsführung Verband für interkulturelle Arbeit (VIA), Berlin/Brandenburg
Christine Nimtsch, Inhaberin Tanzschule ‚taktlos‘
Ulrich Hardt, Theater Expedition Metropolis e.V., Künstlerischer Leiter
Emine Yilmaz , Leitung des Nachbarschaftstreff Werner Düttmann Siedlung (VIA)
Barbara Krützner, Nachbarschaftstreff Werner Düttmann Siedlung (VIA)
Farag Abdel Kawy, Elternbeauftragter Werner Düttmann Siedlung
Wohnheim Zeughofstraße, Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e.V.
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