2 / Juni 2016 Inhalt Editorial Seite 2 Nachteilsausgleich «Wir streben eine möglichst einheitliche Praxis an» Nachteilsausgleich: Handicaps ausgleichen Seite 3 Lehre trotz Beeinträchtigung Mit starkem Willen zum Berufsabschluss Seite 5 Lernende ausbilden «Als Berufsbildnerin sollte man immer à jour sein» Seite 7 Gefährliche Arbeiten Das bringt die neue Jugendarbeitsschutzverordnung Seite 8 In Kürze • In eigener Sache: Ihre Meinung interessiert uns • Zeitschrift «Panorama»: Dossier «Digitale Identität» • berufsberatung.ch: Die neue Portal ist online • Zwangsheirat: Infos für Berufsbildende Berufliche Integration wird heute gerne mit dem Thema Migration gleichgesetzt. Dabei geht leicht vergessen, dass sie auch andere Zielgruppen betrifft. Zum Beispiel junge Menschen mit einer Beeinträchtigung. Auch sie wollen trotz Handicap eine Ausbildung machen und in der Berufswelt Fuss fassen. Auf sie möchten wir den Blick in der vorliegenden Ausgabe lenken. Als ehemaliger Leiter einer sozialen Ausbildungsinstitution hatte ich oft mit jungen Menschen zu tun, die in speziellen Fachbereichen hervorragende Arbeit leisteten. Sie aufgrund fehlender Kompetenzen in anderen Bereichen nicht in den ersten Arbeitsmarkt integrieren zu wollen, ist sowohl für Betroffene als auch für die Gesellschaft wenig zielführend. Jeder Mensch braucht Bestätigung und eine sinnvolle Arbeit, abgestimmt auf seine Möglichkeiten. Ein gutes Instrument ist in diesem Zusammenhang der Nachteilsausgleich. Dank individuellen Massnahmen im Berufsschulunterricht und dank Prüfungserleichterung im Qualifikationsverfahren können Lernende mit einer Beeinträchtigung zeigen, was in ihnen steckt. Dabei geht es in keiner Weise darum, die Qualität der Ausbildung zu senken. Auch Lernende mit Nachteilsausgleich müssen die gleichen Lernziele erfüllen wie ihre Kolleginnen und Kollegen. Sie müssen an ihrem Handicap arbeiten, sich geeignete Handlungsstrategien aneignen und laufend dokumentieren, wie sie unterwegs sind. Wer also davon ausgeht, dass Nachteilsausgleich «billige» Lehrabschlüsse ermöglicht, liegt völlig falsch. Ich wehre mich vehement gegen alle «Prüfungsoptimierungen», welche als Nachteilsausgleich getarnt daher kommen. Der Nachweis einer Beeinträchtigung durch eine zertifizierte Fachstelle ist daher ein absolutes Muss. Nur so können wir sicherstellen, dass ein Nachteilsausgleich zu Recht gewährt wird. Ich möchte Lernende ermutigen, eine allfällige Beeinträchtigung gleich zu Beginn der Lehrzeit zur Sprache zu bringen. Lehrbetrieb, Berufsfachschule und Anbietende der überbetrieblichen Kurse müssen wissen, woran sie sind. Dann können sie massgeschneiderte Unterstützungsmassnahmen in die Wege leiten. Wenn Sie diese Worte lesen, danke ich Ihnen, dass Sie mir etwas mehr Zeit geben, denn als Legastheniker bin ich beim Lesen dieses Editorials wohl erst in der Mitte angelangt. Ob als Schnellleser oder etwas gemächlicher – ich wünsche Ihnen eine anregende und spannende Lektüre. Christoph Düby, Leiter Abteilung Betriebliche Bildung/Legastheniker Nachteilsausgleich «Wir streben eine möglichst einheitliche Praxis an» Berufslernende mit Beeinträchtigungen können für das Qualifikationsverfahren Prüfungserleichterung beantragen. Neu ist auch für den Unterricht an der Berufsfachschule Nachteilsausgleich möglich. Mario Aeberhard, Abteilung Berufsfachschule des Mittelschul- und Berufsbildungsamts (MBA), beleuchtet die Umsetzung näher. deshalb, weil sie noch kaum mit Fällen konfrontiert wurden. Es muss sich alles erst etwas einpendeln. Zurzeit informieren wir die Schulleitungen über die Neuerungen. Später bilden wir eine Erfahrungsgruppe, in der sich die kantonalen Schulstandorte regelmässig fachlich austauschen können. Wir streben eine möglichst einheitliche Praxis an. PETER BRAND Herr Aeberhard, Nachteilsausgleich für das Qualifikationsverfahren kennt man bereits seit ein paar Jahren. Nun soll er auch für den Unterricht an der Berufsfachschule geltend gemacht werden können. Was ist die Idee? Aeberhard: Ausschlaggebend dafür sind die gesetzlichen Vorgaben – angefangen von der Behindertenrechtskonvention bis zum Berufsbildungsgesetz. Die Umsetzung ist also ein Muss. Die Volksschule kennt den Nachteilsausgleich bereits. Daher stossen mehr und mehr Lernende an die Berufsfachschulen, die damit bereits vertraut sind. Es ist daher folgerichtig, diese Praxis in der Berufsbildung fortzusetzen. Ausserdem fliessen in einigen Berufen die Unterrichtsleistungen in die Erfahrungsnote für das Qualifikationsverfahren ein. Wer eine Beeinträchtigung hat und keinen Nachteilsausgleich erhält, wäre benachteiligt. Die Berufsfachschulen leiten je nach gesundheitlicher Einschränkung der Lernenden geeignete Massnahmen für den Unterricht ein. Welche beispielsweise? Aeberhard: Es steht eine breite Palette zur Verfügung. Kann sich eine Person zum Beispiel in einem Grossraum schlecht konzentrieren, kann sie die Tests in einem separaten Raum schreiben. Ist ein Lernender sehbehindert, darf er die Lupenbrille oder vergrösserte Unterlagen benutzen. Bereitet aufgrund einer Dyslexie die Rechtschreibung Mühe, ist in einigen Fällen der Einsatz eines Laptops mit Rechtschreibprogramm denkbar – je nach Bildungsverordnung. Eine häufige Massnah- Begleitet die Umsetzung des Nachteilsausgleichs an den Berufsfachschulen: Mario Aeberhard vom MBA. me ist zudem das Zugestehen von mehr Zeit oder mehr Erholungspausen. Die Lehrpersonen müssen den Lernenden mit Nachteilsausgleich gerecht werden, aber auch allen anderen in der Klasse. Das ist eine schwierige Aufgabe … Aeberhard: Absolut. Umso mehr, als der Nachteilsausgleich eines Lernenden nicht zum Nachteil für den Rest der Klasse werden darf. Die Lehrperson muss alle Ansprüche im Auge behalten. Auch die anderen Lernenden brauchen Unterstützung. Dem gerecht zu werden, kann ein Spagat sein. Wichtig ist in meinen Augen, dass die Klasse von einem gewährten Nachteilsausgleich weiss. So verstehen alle, warum jemand zum Beispiel die Prüfung in einem separaten Raum ablegen oder den Laptop benutzen darf. Der Nachteilsausgleich im Unterricht gilt seit diesem Schuljahr. Wie weit sind die einzelnen Berufsfachschulen bei der Umsetzung? Und: Wie unterstützen Sie sie dabei? Aeberhard: Einige Schulen sind bereits sehr gut aufgestellt, andere haben noch nicht viel unternommen – nicht zuletzt Wann und wo müssen die Lernenden ihren Nachteilsausgleich geltend machen? Aeberhard: Idealerweise gleich zu Beginn der Lehrzeit. Am besten sprechen sie mit der Klassenlehrperson. Sie kann dann entsprechende Massnahmen in die Wege leiten. Die betroffenen Lernenden müssen an ihren Handicaps arbeiten, sich Handlungsstrategien aneignen und laufend in einem Journal dokumentieren, wie sie mit den Unterstützungsmassnahmen arbeiten. So lässt sich eine Entwicklung ablesen, die später wichtige Hinweise im Hinblick auf das Qualifikationsverfahren gibt. Ein Wort zu den Lehrbetrieben: Was können sie berücksichtigen? Aeberhard: Wichtig sind der Austausch und die Zusammenarbeit mit Schule, überbetrieblichen Kursen aber auch diagnosestellenden Fachstellen (beispielsweise der Erziehungsberatung) und Fachleuten (Psychologen/-innen und Arzt/Ärztin). Dies kann Ideen vermitteln, wie der Betrieb noch besser mit der Beeinträchtigung des Lernenden umgehen kann. Buchtipp: www.berufsbildung.ch/dyn/20116.aspx Mehr zum Thema: www.erz.be.ch/na 2 / Juni 2016 Seite 2 Lehre trotz Beeinträchtigung Mit starkem Willen zum Berufsabschluss Stark reduzierte Sehkraft, häufige Kopfschmerzen: Rahel Wey leidet seit eineinhalb Jahren an einer Augenkrankheit. Trotzdem meistert die angehende Kauffrau und Berufsmaturandin ihren Alltag in Betrieb und Berufsfachschule – dank grossem Einsatz, technischen Hilfsmitteln, Nachteilsausgleich und vorbildlicher Unterstützung durch ihren Lehrbetrieb, die Schweizerische Post. PETER BRAND Begonnen hatte alles im zweiten Lehrjahr. Rahel Weys Augen waren plötzlich entzündet, der Kopf schmerzte heftig. Sie glaubte zuerst an eine normale Augenentzündung und realisierte die Tragweite nicht von Anfang an. In Tat und Wahrheit war die Entzündung Teil einer Krankheit, bei der sich die Pupillen mehr und mehr verkleben. Als sie zum Arzt ging, wurde sie sofort in den Notfall eingeliefert. Dort mussten ihre Augen mit Spezialtropfen richtiggehend «aufgesprengt» werden, weil sie bereits stark verklebt waren. Trotzdem raubte ihr die Krankheit mit einem Schlag fast die gesamte Sehkraft. Zurzeit liegt ihr Sehvermögen noch bei rund 20 Prozent. Zudem hat sie oft starke Kopfschmerzen. Riesige Umstellung Wodurch die Krankheit genau ausgelöst wurde, ist unklar. In der Regel werden diese Symptome durch eine Leukämie oder einen Zeckenbiss ausgelöst. Beides konnte jedoch ausgeschlossen werden. Auch eineinhalb Jahre danach ist Rahel Wey immer noch regelmässig in ärztlicher Behandlung. «Man versucht alles, um meine Sehfähigkeit wieder herzustellen», sagt sie. «Bisher konnten jedoch keine Fortschritte erzielt werden. Immerhin ist die Situation einigermassen stabil.» Das alles war für die junge, sportliche Frau ein grosser Schock – und eine riesige Umstellung: Zu Beginn der Krankheit konnte sie überhaupt nichts mehr sehen, war nicht mehr in der Lage, sich alleine fortzubewegen, geschweige denn zur Arbeit oder zur Schule gehen. Als dies wieder einigermassen möglich war, brachte ihre Mutter sie zum Bahnhof, die Kolleginnen holten sie vom Zug ab. «Ich war völlig abhängig Meistert trotz geringer Sehfähigkeit ihre anspruchsvolle Ausbildung: Rahel Wey, angehende Kauffrau und Berufsmaturandin. von anderen Menschen», sagt sie. «Das machte mir zusätzlich zu schaffen.» Herausfordernder Alltag Inzwischen kann sich Rahel Wey wieder selbstständig orientieren und alleine unterwegs sein. Sie hat sich bewundernswert an die neue Situation gewöhnt und geht wieder ihrem Lernalltag nach, der ihr einiges abverlangt. Die räumliche Orientierung an beiden Lernorten, die Arbeit am PC, der Unterricht, die Hausaufgaben – dies alles ist mit wenig Sehkraft eine grosse Herausforderung. Anspruchsvoller ist auch der Kontakt zum Gegenüber: «Rede ich mit jemandem, kann ich den Blick nicht allzu lange fokussiert halten, weil dies schmerzt», erklärt Rahel Wey. «Das vermittelt schnell den Eindruck, ich sei nicht am Gespräch interessiert.» Und auch die Sitzungen haben ihre Tücken: Will sie sich Notizen machen, braucht sie die Lupenbrille. Dann kann sie allerdings die anderen Sitzungsteilnehmenden nicht erkennen. Trägt sie hingegen keine Brillen, kann sie nichts notieren. Vorbildliche Unterstützung Technische Hilfsmittel erleichtern den Alltag der Lernenden. So verfügt sie beispielsweise als eine von nur wenigen Post-Mitarbeitenden über einen fixen Ar- beitsplatz. Zudem profitiert sie von einer Speziallampe und einer starken Lupe, ihr PC verfügt über spezielle Vergrösserungseinstellungen. «Im Betrieb geht es recht gut», freut sich die Lernende. «Im Unterricht hingegen ist alles etwas schwieriger.» Die Wandtafel ist zu weit weg, als dass sie das Geschriebene erkennen könnte. Kolleginnen und Kollegen lesen ihr deshalb die Inhalte vor. Zwei Lupenbrillen, Unterlagen in A3-Format und mehr Zeit in den Tests machen möglich, dass sie ihre Schulleistung dennoch bringen kann. Die Lehrpersonen zeigen viel Verständnis. Im Betrieb wird Rahel Wey vorbildlich unterstützt. «Meine Berufsbildnerin und meine regionale Berufsbildungsverantwortliche setzen sich enorm für mich ein und sorgen dafür, dass mein Arbeitsplatz optimal eingerichtet ist und dass alle Fragen rund um den Unterricht geklärt sind.» Erfolgreich abschliessen Zurzeit schliesst Rahel Wey ihre berufliche Grundbildung als Kauffrau EFZ ab. Aufgrund ihrer Krankheit wird ihr für das Qualifikationsverfahren Nachteilsausgleich gewährt: Sie absolviert die Prüfungen in einer kleinen Gruppe und hat mehr Zeit für das Lösen der Aufgaben. Und wie im Unterricht stehen ihr auch hier vergrös- serte Unterlagen und die Lupenbrille zur Verfügung. Trotz Krankheit ist die junge Frau beruflich gut unterwegs. «Es bedeutet mir sehr viel, dass ich meine Ausbildung erfolgreich abschliessen kann», betont sie. «Zwischenzeitlich drohte das Ziel zu entschwinden. Ich wollte keinesfalls zurückfallen und versuchte von Anfang an, den Anschluss nicht zu verlieren. Umso schöner ist es, dass ich jetzt mit allen anderen abschliessen kann.» gehe ich für zehn Monate nach Irland in ein Praktikum.» Eine entsprechende Stelle in einem Hotel in Dublin hat sie bereits gefunden. Auch punkto Hobbys will sie mutig dranbleiben. «Mit dem VolleyballSpielen habe ich zwar aufgehört», sagt sie. «Aber das Kick-Boxen lasse ich mir nicht nehmen.» Gerne würde die 18-Jährige auch Autofahren lernen. «Aber das darf ich mit meinem schlechten Sehvermögen nicht», sagt sie. «Das ist ein Wermutstropfen, den ich akzeptieren muss.» Mutig dranbleiben Von ihrer Krankheit will sich Rahel Wey keinesfalls runterkriegen lassen. «Ich will unbedingt arbeiten und meine Leistung bringen», hält sie fest. «Nach der Lehre 2 / Juni 2016 Seite 4 Lernende ausbilden «Als Berufsbildnerin sollte man immer à jour sein» Annemarie Messerli ist Pflegefachfrau und stellvertretende Leiterin Team, Bettina Aebersold Fachfrau Hauswirtschaft und Führungsverantwortliche. Beide arbeiten im Langzeitpflegezentrum Solina* Spiez und engagieren sich als Berufsbildnerinnen. Was motiviert sie, was fordert sie heraus, wie halten sie ihr Wissen à jour? ROLF MARTI Sie engagieren sich als Berufsbilderinnen. Weshalb? Aebersold: Weil es Spass macht, Lernende ins Berufsleben zu begleiten. Es ist nicht lange her, da stand ich am selben Punkt wie diese jungen Menschen … Messerli: Ich engagiere mich schon länger für die Berufsbildung, und dafür gibt es gute Gründe: Ich leiste einen Beitrag zur Nachwuchssicherung in der Langzeitpflege, ich profitiere vom Wissen, das die Lernenden aus der Berufsfachschule in den Betrieb tragen, und mir gefällt die Arbeit mit jungen Menschen. Wie erleben Sie den Alltag mit den Lernenden? Messerli: Spannend. Die Lernenden sind kritisch – gegenüber den Berufsbildenden als auch gegenüber den Prozessen im Betrieb. «Warum machen Sie das so?» ist eine typische Frage. Damit muss man umgehen können. Uns hilft diese kritische Haltung, besser zu werden. Aebersold: Wir erhalten von den Lernenden auch Lob und viele Verbesserungsvorschläge. Ich schätze diesen offenen Umgang. Gibt es auch schwierige Momente im Umgang mit Lernenden? Messerli: Es gibt Situationen, die mich belasten. Wenn beispielsweise jemand trotz intensiver Bemühungen von seiner und von unserer Seite nicht die erhofften Lernfortschritte macht. Die Herausforderung besteht darin, für alle Lernenden einen Weg zu finden, der sie zum erfolgreichen Abschluss ihrer Lehre führt. Wie viel Zeit investieren Sie für die Ausbildung der Lernenden? Aebersold: Arbeiten und ausbilden – das geht Hand in Hand, da gibt es keine schar- «Arbeiten und ausbilden – das geht Hand in Hand, da gibt es keine scharfe Trennlinie»: Die Berufsbildenden Annemarie Messerli und Bettina Aebersold (v.l.). fe Trennlinie. Wir arbeiten mit den Lernenden zusammen und streuen dabei Sequenzen ein, in denen wir bewusst Wissen oder Kompetenzen vermitteln. Manchmal dauert eine solche Sequenz eine Viertelstunde, manchmal länger. Messerli: Darin zeigt sich die Idee der Berufsbildung: Die Ausbildung erfolgt in der Praxis. Daneben gibt es Zeitfenster, die klar zur Bildungsfunktion gehören, beispielswiese für individuelle Coachings, für Standortgespräche, für Bildungsbe- Berufsbildner/-in im Lehrbetrieb Berufsbildner/-innen in Lehrbetrieben (ehem. Lehrmeister/-innen) vermitteln den praktischen Teil der beruflichen Grundbildung. Sie verfügen über ein eidg. Fähigkeitszeugnis EFZ im entsprechenden Beruf (oder eine gleichwertige Qualifikation) sowie zwei Jahre Berufserfahrung im Lehrgebiet. Darüber hinaus werden angemessene berufspädagogische Qualifikationen vorausgesetzt. Diese können wie folgt erworben werden: • Kurs für Berufsbildner/-innen in Lehrbetrieben (KBB) Umfang: ca. 40 Kursstunden. Abschluss: kantonal/eidgenössisch anerkannter Ausweis • Bildung für Berufsbildner/-innen (BBB) Umfang: ca. 100 Lernstunden. Abschluss: eidgenössisch anerkanntes Diplom Die beiden Bildungsangebote vermitteln methodisch-didaktische und führungsspezifische Grundlagen für die Ausbildung von Lernenden. Sie sind nicht berufsbezogen. Darauf aufbauend gibt es «Refresh»-Kurse, welche es ermöglichen, das Wissen à jour zu halten. Anbietende Institutionen im Kanton Bern: www.erz.be.ch › Berufsbildung › Berufliche Grundbildung › Lehrbetriebe › Kurse Berufsbildner/-innen Berufsbildung als Beruf richte usw. Wie viel Zeit für die Ausbildung aufgewendet werden muss, hängt auch von den jeweiligen Voraussetzungen der Lernenden ab. Wie haben Sie sich auf die Funktion als Berufsbildnerin vorbereitet? Messerli: Mit Instruktionskursen – wie die Kurse früher hiessen – und im Rahmen meines Nachdiplomstudiengangs zur Pflegeberatung, in den ein Modul zur Ausbildung von Lernenden integriert ist. Darüber hinaus besuche ich regelmässig Veranstaltungen am Berner Bildungszentrum Pflege. Als Berufsbildnerin sollte man immer à jour sein – fachlich wie pädagogisch. Aebersold: Ich habe 2014 den fünftägigen Kurs zur Berufsbildnerin in Lehrbetrieben absolviert. Jetzt will ich praktische Erfahrung sammeln. Um mich fachlich weiterzubilden, starte ich im Sommer an der höheren Fachschule die Ausbildung zur Betriebsleiterin Facility Management. Davon werden auch die Lernenden profitieren. Verschiedene Weiterbildungen ermöglichen es, die Berufsbildung zum Beruf oder zum Nebenberuf zu machen. Nachfolgend eine Auswahl an Laufbahnmöglichkeiten: • Berufsbildner/-in in überbetrieblichen Kursen bzw. Haupt- oder nebenberufliche Berufsbildner/-in Wer in einer Lernwerkstätte oder in einem überbetrieblichen Kurs unterrichten will, benötigt eine entsprechende Qualifikation. Diese kann in einer Ausbildung von 300 Lernstunden (Nebenberuf ) bzw. 600 Lernstunden (Hauptberuf ) absolviert werden. Beide Ausbildungen schliessen mit einem eidgenössisch anerkannten Zertifikat ab. • Praxisausbildner/-in Praxisausbilder/-innen sind innerbetriebliche Fachpersonen, die Lernende (berufliche Grundbildung) und Studierende (höhere Berufsbildung) begleiten und unterstützen. Sie gestalten Ausbildungs- und Lernsituationen im Praxisfeld. Die Ausbildung umfasst 500 Lernstunden, beinhaltet den Kurs «Bildung für Berufsbildner/-innen» (siehe oben) und schliesst mit einem SVEB-Zertifikat ab. • Berufsbildungsfachfrau/-mann FA Berufsbildungsfachleute arbeiten für Berufsbildungsämter, Organisationen der Arbeitswelt, Berufsfachschulen oder Lehrbetriebe. Die Ausbildung wird berufsbegleitend absolviert (2 bis 3 Jahre) und schliesst mit einem eidg. Fachausweis ab. • Master of Science in Berufsbildung Das dreijährige Teilzeitstudium am Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung vermittelt umfassendes Wissen über das schweizerische Berufsbildungssystem und den internationalen Kontext. Die Absolventen/-innen übernehmen Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung, in Organisationen der Arbeitswelt, Berufsfachschulen, Hochschulen, Unternehmen, im ConsultingBereich oder in der Forschung. Wie wichtig ist der Erfahrungsaustausch zwischen den Berufsbildenden? Messerli: Sehr wichtig – auch über den eigenen Betrieb hinaus. Im Austausch mit Berufsbildenden anderer Lehrbetriebe stosse ich immer wieder auf interessante Ausbildungsmodelle und -instrumente. Wir können viel voneinander lernen. bildende sind Vorbilder, und Begeisterung steckt an. Berufsbildende sollten in ihrem Beruf daher mehr als einen Job sehen. Welche persönlichen Voraussetzungen sollten Berufsbildende mitbringen? Messerli: Interesse für Mitmenschen, kommunikatives Talent und eine positive Einstellung gegenüber dem Beruf. Berufs- Und warum sind Sie gerne Berufsbildnerin? Aebersold: Weil es meinen Arbeitsalltag bereichert. Messerli: Weil es jung hält. *) Solina gehört zu den führenden Institutionen der Langzeitpflege im Berner Oberland und ist an den Standorten Steffisburg und Spiez tätig. Solina bildet rund 90 Lernende aus (berufliche Grundbildung, Tertiärstufe). www.solina.ch 2 / Juni 2016 Seite 6 Gefährliche Arbeiten Das bringt die neue Jugendarbeitsschutzverordnung Neu dürfen Lernende bereits im Alter von 15 Jahren gefährliche Arbeiten ausführen – sofern begleitende Massnahmen getroffen werden. Der Berufsbildungsbrief erklärt, was das für die Organisationen der Arbeitswelt und für die Lehrbetriebe bedeutet. ROLF MARTI Nicht alle Arbeiten sind frei von Risiken. Um sie zu minimieren, braucht es verbindliche Sicherheitsstandards, eine sinnvolle Arbeitsorganisation und ein ausgeprägtes Gefahrenbewusstsein. Gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeitende erkennen die Risiken in ihrem Arbeitsumfeld und können ihnen vorbeugen. Anders die Lernenden: Sie verfügen – insbesondere zu Beginn der Ausbildung – noch nicht über das notwendige Wissen und die erforderliche Sensibilität. Deshalb werden sie vom Gesetz speziell geschützt. Im Grundsatz gilt: Unter 18 Jahren dürfen keine gefährlichen Arbeiten ausgeführt werden. In der beruflichen Grundbildung ist es jedoch kaum sinnvoll, die Lernenden von allen gefährlichen Arbeiten des zu erlernenden Berufs fernzuhalten. Vielmehr müssen sie auf den Umgang mit Risiken vorbereitet werden. Deshalb sieht die Jugendarbeitsschutzverordnung vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch jüngere Lernende gefährliche Arbeiten ausführen dürfen. Das entsprechende Schutzalter lag bisher bei 16 Jahren, seit Sommer 2014 liegt es bei 15 Jahren (Änderung ArGV 5). Der Grund: Heutzutage treten viele Jugendliche ihre Lehre bereits in diesem Alter an. In der Waldwirtschaft sind die zusätzlichen Massnahmen bezüglich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der 15-jährigen Lernenden bereits genehmigt. Bild: codoc bis Ende 2017 zur Genehmigung vorgelegt werden. Von den rund 180 betroffenen Berufen haben 15 bereits eine Bewilligung erhalten, bei 29 läuft das Verfahren. Nach der Genehmigung durch das SBFI haben die OdAs die Pflicht, die Lehrbetriebe über die neuen Massnahmen zu informieren – denn letztlich müssen diese in der Praxis umgesetzt werden. In der Regel geschieht das über die Websites der OdAs und durch Informationsveranstaltungen. Kantone überprüfen Umsetzung Die kantonalen Berufsbildungsämter haben den gesetzlichen Auftrag, die Umsetzung in den Lehrbetrieben zu überprüfen. Diese werden aufgefordert, eine zweiseitige Selbstdeklaration auszufüllen, stichprobenweise erfolgt eine Abklärung vor Ort. Die Selbstdeklaration bzw. der positi- ve Befund ist Voraussetzung für die Bestätigung der Bildungsbewilligung. Im Kanton Bern sind 10’000 Lehrbetriebe betroffen, bis Ende 2019 muss die Überprüfung erfolgt sein. Die Betriebe werden vom Mittelschul- und Berufsbildungsamt angeschrieben. Für die meisten Lehrbetriebe wird das tiefere Schutzalter nur geringe Anpassungen mit sich bringen. Dies gilt insbesondere für jene Betriebe, die längst verantwortungsbewusst mit Gefahren am Arbeitsplatz umgehen. Die Neuerung dürfte für die Verantwortlichen aber ein willkommener Anlass sein, ihre Mitarbeitenden einmal mehr für das Thema Sicherheit zu sensibilisieren. Hilfreich dürfte auch sein, dass die begleitenden Massnahmen in den revidierten BiVos festgeschrieben sind. Das schafft Klarheit und Übersicht. OdAs definieren Massnahmen Der Gesetzgeber hat die Senkung der Altersgrenze jedoch an Auflagen geknüpft. Die Organisationen der Arbeitswelt (OdAs) sind verpflichtet, in der Bildungsverordnung (BiVo) zusätzliche Massnahmen bezüglich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der 15-jährigen Lernenden zu definieren. Diese Massnahmen müssen dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) Infobox • Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation: www.sbfi.admin.ch › Berufliche Grundbildung › Jugendarbeitsschutz • Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Bern: www.erz.be.ch/gefa • Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz www.sbbk.ch › Empfehlungen & Richtlinien › Empfehlungen der Kommissionen › gefährliche Arbeiten 2 / Juni 2016 Seite 7 In Kürze In eigener Sache berufsberatung.ch Zwangsheirat Ihre Meinung interessiert uns Die neue Portal ist online Infos für Berufsbildende Wie gefällt Ihnen der Berufsbildungsbrief? Was hat Sie interessiert, worüber hätten Sie gerne mehr erfahren, was hat Sie geärgert? Ihre Rückmeldungen und Anregungen helfen uns, den Berufsbildungsbrief noch besser auf Ihre Bedürfnisse auszurichten. Schreiben Sie uns! Ihre Inputs erreichen uns online (Rückmeldeformular). Besten Dank. Das Redaktionsteam Das offizielle Schweizer Informationsportal zu Beruf, Ausbildung und Arbeitswelt präsentiert sich in einem komplett neuen Design und mit zahlreichen neuen Funktionen. Auf berufsberatung.ch sind alle Informationen rund um Beruf, Ausbildung und Arbeitswelt an einem Ort vereint. Das Portal umfasst rund 35’000 offene Lehrstellen, 30’000 Aus- und Weiterbildungsangebote, 3800 Hochschulstudiengänge und 2700 Berufe. Fachleute der kantonalen Berufsberatungsstellen halten die Informationen aktuell, vollständig und qualitativ hochstehend. Diverse Startseiten führen die verschiedenen Zielgruppen direkt zu den Inhalten, die für sie relevant sind. Zahlreiche Suchvarianten ermöglichen es, Bildungsangebote und Berufsfunktionen gemäss den eigenen Interessen einzugrenzen. Diese Recherchen können gespeichert und auf einer personalisierten Seite jederzeit wieder abgerufen werden. Das interaktive Bildungsschema bietet einen grafischen Überblick über die Schweizer Bildungslandschaft – mit Steckbriefen aller Bildungsstufen und den wichtigsten Bildungswegen. Zwangsheiraten und Zwangsehen sind in der Schweiz verboten. Trotzdem kommt es vor, dass junge Erwachsene aus patriarchalen Familiensystemen zur Heirat gezwungen werden. Meist zögern die Betroffenen lange, bis sie sich an Dritte wenden und um Hilfe bitten. Umso wichtiger ist es, dass die Bezugspersonen in ihrem Umfeld – beispielsweise im Lehrbetrieb – über das Thema Bescheid wissen und ihre Gesprächsbereitschaft signalisieren. Wie die Betroffenen unterstützt werden können, zeigen Stadt und Kanton Bern auf ihren Websites. Diese enthalten Hintergrundinformationen für Betroffene und für Menschen in deren Umfeld, Links zu den entsprechenden Fachstellen sowie ein Infopaket, das sich insbesondere an Personen aus dem Berufsbildungsbereich richtet. Link: www.erz.be.ch › Berufsbildung › Berufliche Grundbildung › Berufsbildungsbrief › Ihre Rückmeldung an das Redaktionsteam Zeitschrift «Panorama» Dossier «Digitale Identität» Gamen, posten, chatten: Für «Digital Natives» gehört dies in allen Lebenslagen dazu. Sind junge Menschen überhaupt noch in der Lage, einen Schritt ohne ihr Smartphone zu gehen? Eine zehnte Klasse des Berufsbildungszentrums Pfäffikon hat die Probe aufs Exempel gemacht. Die Vorgabe: während einer Woche auf sämtliche Internetdienste verzichten. Den Ausgang dieses Selbstversuchs beschreibt der Artikel «Ungern im Flugmodus» in der Fachzeitschrift Panorama. Er ist Teil eines Dossiers unter dem Titel «Digitale Identität». Links: www.bern.ch/zwangsheirat www.integration-be.ch Link: www.berufsberatung.ch Link: «Ungern im Flugmodus» – www.panorama.ch/dyn/1122.aspx 2 / Juni 2016 Seite 8
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