WILD Ein spielerisches Projekt zu menschlicher und tierischer Migration WILD entwirft utopische Perspektiven der grenzüberschreitenden Wanderung. Bürokratie- und Mobilitätsprozesse, denen Menschen unterliegen, und Freiheiten sowie Lebenraumeinschränkungen von Tieren in Grenzregionen werden zu hybriden Szenarien verdichtet. Diese sind in Form von Objektgruppen und Guckkästen in und um fünf bis sechs Hochsitze im Salzburgerland ausgestellt. Im Rahmen von geführen WILD*Wanderungen und in einer eigenen Wanderkarte wird das Thema interdisziplinär inhaltlich und geographisch vermittelt. kaquadrat – Karla Spiluttini und Korinna Lindinger 2016 WILD vorgestellt Wanderndem Wild sind wenige nationalstaatliche Grenzen gesetzt. Tiere orientieren sich an landschaftlichen Merkmalen und migrieren entlang ihrer Bedürfnissen folgend, zwischen Sommerund Winterplätzen oder zwischen Bayern und Salzburg. In der Arbeit WILD entwickeln wir utopische Szenarien, in denen die Unterschiede zwischen Mensch und Tier verschwimmen und es möglich, wird sich dem nationsfreien Status von Wildtieren anzunähern. Als Beispiel dafür könnte man sich eine Gruppe Menschen vorstellen, die sich durch Mutationen in hybride Wesen zwischen Homo Sapiens und Rotwild verwandelt haben. Als solche könnte es ihnen möglich sein, Bestimmungen zu ignorieren, die für Menschen gedacht sind, und sich so wie freies Wild bewegen. Wandernde im Sinne von migrierende Menschen sind an Zivilisationsstrukturen und -prozeduren wie Bahntrassen oder Grenzkontrollen gebunden. Ob sie das Recht haben eine Grenze zu überschreiten oder nicht, liegt an den Bestimmungen des dahinter liegenden Landes. Besucher*innen und Spazierende können die Ergebnisse unserer spekulativen Auseinandersetzung – wie etwa hybrides WILD, das in einem bewegten Diorama vor der Kulisse der realen Landschaft strawanzt – auf ausgewählten Salzburger Hochständen sichten und beobachten. “Die Lebensraumnutzung der Wildtiere steht im Widerspruch zur anthropogenen Nutzung der Landschaft durch den Menschen.” (Köhler 2007) 3 Thematischer Hintergrund Migrationsprozesse von Wild und Mensch stellen per se keine Natur-Kultur-Dichotomie dar. Auch Wildtiere hatten vor der baulichen und administrativen Etablierung von Nationalstaaten weitaus freiere Bewegungsmöglichkeiten – man denke an bauliche Maßnahmen, aber auch an unterschiedliche Naturschutz- und Ökologiekonzepte. In Deutschland liegen zum Beispiel auf unterschiedlichen Ebenen Wildkorridorpläne vor, während bisherige Recherchen dies für den Raum Salzburg im speziellen nicht zeigten. Wildtiere orientieren sich bei Nahrungssuche, Paarungsverhalten, Winter- und Sommerwanderungen an landschaftlichen Gegebenheiten. Man unterscheidet Wanderungen, als vorübergehenden bzw. sich wiederholenden Wechsel des Habitats, z.B. ziehende Vögel oder auch Teilzieher, wo nur ein Teil der Population wandert, und Migration als dauerhaften Wechsel, wie man es z.B. bei Schwarzwild beobachten kann. Manche Spezies ziehen ständig weiter (Dauerwanderer), andere bleiben dabei eher in einer Region (Binnenwanderer). Durch anthropogene Bebauungen wie Siedlungen, Autobahnen oder Flußregulierungen wurden diese Bewegungen stark eingeschränkt und Wildtiere teilweise auf isolierte Lebensinseln reduziert. ExpertInnen kritisieren, dass dies zu einer Reduzierung des Genpools (Inzest) führen kann. Ein Beispiel für die aktive Auseinandersetzung mit Wildtierwanderungen ist der Alpen-Karpaten-Korridor. Im Rahmen eines länderübergreifenden EU-Projektes wird daran gearbeitet, traditionelle Migrationswege für etwa Rotwild, Luchse und Bären wieder herzustellen. Durch wildökologische Maßnahmen wie Grünbrücken über Autobahnen, Herstellung von Deckungsmöglichkeiten oder Aufforstung bestimmter Landschaftstypen zwischen 2012 und 2022 sollen die Wildkorridore zwischen Alpen und Karpaten wieder frei passierbar gemacht werden. Die Rahmenbedingungen menschlicher Wanderung sind angesichts der aktuellen Wanderungsbewegungen in ihrer gesellschaftlichen Konstruiertheit augenfällig. EU-BürgerInnen ziehen (vorübergehend) dorthin wo die Arbeit, das Studium oder die Liebe hinführt, BewohnerInnen von Grenzen leben je nach bilateraler Staatenbeziehung in offenem oder unsichtbarem Austausch, Drittstaatenangehörige müssen ihre Wanderungsmotive in etablierten Rechtsverfahren prüfen lassen. Der Aufwand von Logistik und Administration für menschliche Wanderungen ist derzeit in seiner drastischen Absurdität deutlich sichtbar. Auf den ersten Blick steht er im diametralen Gegensatz zu Dezentralität und Autonomie von Wildtierbewegungen. Während Personenmobilität ein von Politik, Wissenschaft, Öffentlichkeit und Stammtischen viel diskutiertes Thema ist, ist über das lokale Migrationsverhalten von Wildtieren weniges bekannt und erforscht. Wenngleich historisch gewachsen und durch eine Vielzahl alltäglicher Praktiken und institutioneller Mechanismen gefestigt, ist es aber so, dass Gesellschaftsstrukturen veränderbar sind. Wanderung ist abhängig von politischen, auch ideologischen Entscheidungen und Perspektiven. Ausgehend vom Wanderungsverhalten von Tieren entwickelt WILD hybride Gedankenspiele und utopische Perspektiven auf tierische und menschliche Migration. 5
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