036. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 22.06.2016 Rede von MdL Sebastian Scheel während Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Die staatliche Porzellanmanufaktur Meissen – Tradition stärken, Vertrauen wieder herstellen, Experimente beenden!“ Auszug Stenografenprotokoll Sebastian Scheel, DIE LINKE: Aus gegebenem Anlass erlauben Sie mir ein Zitat eines ehemaligen Bundesaußenministers: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!" Jetzt zum Thema unserer Aktuellen Debatte. (Christian Piwarz, CDU: Das ist doch wohl nicht wahr, was Sie eben gesagt haben!) Präsident Dr. Matthias Rößler: Herr Kollege Scheel, bezieht sich das auf den amtierenden Präsidenten? Sebastian Scheel, DIE LINKE: Ich habe nur ein Zitat gebracht. Wir kommen zu der Frage der Meißner Porzellan-Manufaktur. Präsident Dr. Matthias Rößler: Herr Kollege Scheel, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Sebastian Scheel, DIE LINKE: Habe ich falsch zitiert? (Christian Piwarz, CDU: Gleich noch einen Ordnungsruf hinterher! Das ist doch unerhört! - Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE - Zurufe von der CDU) - Vielleicht können Sie wenigstens die Zeit anhalten. (Glocke des Präsidenten) Präsident Dr. Matthias Rößler: Kollege Scheel hat das Wort. Ich bitte Sie fortzufahren. (Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der CDU und der LINKEN) Sebastian Scheel, DIE LINKE: Wenn Sie jetzt so weit wären – (Christian Piwarz, CDU: Wenn Sie so weit sind, hier ordentlich zu reden, können Sie weitermachen!) Meliere hat einmal gesagt: "Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun." (Beifall der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE) Verantwortung für die Staatliche Porzellan-Manufaktur hat im Freistaat Sachsen der Finanzminister. Er ist Gesellschafter für den Freistaat Sachsen. Das heißt, er hat Verantwortung für das Kleinod der sächsischen Beteiligungen, für die Staatliche Porzellan-Manufak- tur, das heißt, für 300 Jahre Geschichte, 300 Jahre Erfindergeist, für 300 Jahre sich immer wieder neu erfinden, neu auf Innovationen eingehen, immer wieder neues Porzellan in bester Qualität, künstlerisch wertvoll und ansprechend herzustellen. Wenn wir von Verantwortung sprechen, müssen wir von 2008 reden. Seitdem ist Herr Kurtzke bis 2014 im Amt gewesen und hat unserer Manufaktur einen Strategiewechsel verabreicht. Porzellan ist bestimmt in einem schwierigen Umfeld. Es gilt auch für unsere Staatliche Porzellan-Manufaktur. Aber dieser Strategiewechsel war kein Mut zu einer neuen Strategie. Das war kindlicher Übermut, sich mit den Großen der Branche weltweit anlegen zu müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wer wirklich glaubt, Meißen, unser Kleinod, könne es mit Hermes aufnehmen, könne es mit LVMH aufnehmen, der muss von irgendetwas in Meißen zu viel getrunken haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Strategie sah vor, in alle möglichen Bereiche des Luxusgeschäftes überzugehen. Sie sah vor - und das wurde auch so umgesetzt -, sich weit vom Kern des Unternehmens, nämlich der Porzellanherstellung, zu entfernen. Das alles geschah mit der Begründung, man könne mit Porzellan kein Geld mehr verdienen. Der Erfolg dieser Strategie blieb aus. Am Ende des Tages musste ein Gesellschafterdarlehen von 7,5 Millionen Euro in Eigenkapital umgewandelt werden. Am Ende des Tages mussten 2013 12,2 Millionen Euro an Gesellschafterdarlehen ausgereicht werden, 2014 9,8 Millionen Euro, und 2015 wurde noch eine ominöse Stiftung gegründet, die nur einen Zweck hat, nämlich mehr Eigenkapital in das Unternehmen zu schaffen. Das ist Eigenkapital, das nötig wurde, weil Kurtzke es kurzerhand verbrannt hat. Das Vertrauen, das für ein solches Unternehmen notwendig ist, das auch durch den Gesellschafter notwendig ist, haben Sie insofern verspielt, Herr Staatsminister, als nicht eine dieser Entscheidungen mit dem Parlament irgendwie kommuniziert, geschweige denn diskutiert oder dort mitgetragen wurde. (Beifall bei den LINKEN) Insofern haben wir kein Vertrauen darin, dass wir mit dem Weggang Kurtzkes dieses Unternehmen endlich auf den Kern zurückführen und eine wirklich vernünftige, auf den sensiblen Markt des Porzellans und im Übrigen auch des Luxusgeschäftes gerichtete Strategie finden, um das Unternehmen wieder dorthin zurückzubringen, wo es hingehört, nämlich in die Herstellung von hochwertigsten Porzellanen und deren künstlerische Aufbereitung. Jetzt bekommen wir eine neue Information. Am 4. Juli dieses Jahres, also in wenigen Tagen, soll der Aufsichtsrat tagen. Jetzt geistern durch die Gazetten Themen, die die Leute und auch uns aufregen. Angeblich soll es um eine neue Strategie gehen, hin zu mehr technisch produziertem Porzellan. Wir als Fraktion können nur davor warnen, diesem altehrwürdigen Unternehmen eine solche Debatte anzutun. Es könnte sein, dass das wiederum eine falsche Strategie ist, die wiederum dem Unternehmen mehr schadet als nutzt. (Zuruf von der CDU: Wer hat die Debatte denn losgetreten?) Deshalb können wir Sie nur auffordern, als Gesellschafter hier aktiv zu werden und nicht wieder fünf Jahre zu warten, bis Sie sich die Plausibilisierung einer solchen Strategie ge- ben lassen, wie es beim letzten Mal passiert ist. Sie müssen jetzt handeln und dem Unternehmen die Möglichkeit geben, wieder aus eigener innerer Kraft zu wachsen, denn es soll auch weiterhin im Freistaat Sachsen ein Kleinod unserer Beteiligungslandschaft bleiben. Deshalb streiten wir weiter für die Porzellan-Manufaktur. Ich danke in dieser Runde für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den LINKEN) 2. Rede Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich weiß ja gar nicht, wie ich mit so viel persönlicher Ansprache umgehen soll. Zunächst möchte ich eines zum Ausdruck bringen: Ich erinnere mich gerade, wenn ich diese Debattenbeiträge so höre, sehr schmerzhaft an Debatten, die wir vor 2007 in diesem Hause geführt haben. Damals ging es allerdings nicht um das Geschäftsmodell, um die Strategie der Meissner Porzellanmanufaktur, sondern um das Geschäftsmodell und die Strategie der Sächsischen Landesbank. (Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Eine Erfolgsgeschichte!) Das, was Sie hier gerade wieder bringen - man würde den Ruf des Unternehmens beschädigen, man würde lieber hinter verschlossenen Türen sprechen und die Dinge nicht beim Namen nennen, vor allem nicht hier im Hause, auch über die Verfehlung der Staatsregierung im Handeln oder Nichthandeln an dieser Manufaktur sprechen -, erinnert mich so frappierend daran, wie wir in der Frage Landesbank miteinander umgegangen sind, sodass ich Sie alle auffordern möchte, noch einmal darüber nachzudenken, was dann passiert ist. Wenn wir Probleme erkennen, dann muss es möglich sein, sie zu benennen und auch zu besprechen. Auch der zuständige Staatsminister sollte akzeptieren, dass gefälligst auch der Sächsische Landtag in dieser Frage mitdiskutieren darf. Das ist doch nicht meine persönliche Veranstaltung! (Peter Wilhelm Patt, CDU: Doch!) Das geht uns doch alle an, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei den LINKEN) "Konservativ" - so nennen Sie sich doch - kommt vom lateinischen „conservare" und bedeutet „bewahrenswert“. Ich wünsche Ihnen wirklich, dass Sie sich auch in Bezug auf die Staatliche Porzellanmanufaktur viel stärker der Beantwortung der Frage verpflichten fühlen, was bewahrenswert ist. Denn wenn wir es so weit kommen lassen, dass handbemaltes Porzellan zu industriell gefertigtem Tischgeschirr wird, dann beschädigen nicht Sie das Image – (Jens Michel, CDU: Freud'scher Versprecher!) - dann beschädige nicht ich das Image, sondern das schaffen Sie, meine Damen und Herren von der CDU und auch von der SPD, ganz allein. Übrigens agieren Sie nicht allein. Sie reden auch nicht allein mit den Leuten. Das ist ein bisschen anmaßend; aber das müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Insofern kann ich Sie, Herr Staatsminister Unland, nur nochmals auffordern: Erstens. Geben Sie den Beschäftigen eine Beschäftigungsgarantie! Zweitens. Kehren Sie zum Kern der handbemalten Porzellane zurück! Drittens. Beenden Sie die Markenstreitigkeiten, die offensichtlich schon wieder losgehen! Beenden Sie diese Markenstreitigkeiten! Denn es hat keinen Sinn, andere Unternehmen in der Stadt Meißen mit Klagen zu überziehen. Am 4. Juli wird der Aufsichtsrat vielleicht Entscheidungen treffen, die nur schwer rückholbar sein werden. Deshalb sitzen wir heute hier und können nicht bis zum August warten. Deshalb müssen wir heute darüber reden. Das ist die letzte Chance, die wir haben. Vielleicht nimmt das der Staatsminister mit und wir hören erfreuliche Nachrichten, statt uns im Plenum oder im Ausschuss wieder mit diesem mittlerweile schon leidigen Thema beschäftigen zu müssen. Wir alle wollen eine stolze, gut aufgestellte Staatliche Porzellanmanufaktur. Daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten. Vielen Dank. (Beifall bei den LINKEN) Kurzintervention Sebastian Scheel, DIE LINKE: Kollege Kirmes war ja früher Mitglied der SED. (Rico Gebhardt, DIE LINKE: Daran sieht man mal, wie gut wir gewesen sind!) Insofern kann es sein, dass es daran liegt. Aber darauf will ich gar nicht zu sprechen kommen. Ich möchte Sie nur darüber informieren – vielleicht haben Sie Ihrer Kollegin nicht zugehört –, dass die Porzellanmanufaktur schon heute spülmaschinenfestes Geschirr herstellt, sogar mit Hand bemaltes: „Unterglasur" nennt man das. (Peter Wilhelm Patt, CDU: Das habe ich bereits gesagt!) Wir fordern doch nur dazu auf, diese Tugend, diesen Pfad der Porzellanmanufaktur nicht zu verlassen. Vielleicht können Sie uns einfach sagen, ob Sie bereit sind, mit uns an dieser Flanke zu kämpfen. Dann hätten wir eine Gemeinsamkeit, die wir vielleicht fortführen könnten, Herr Patt. (Beifall bei den LINKEN)
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