Der späte Sieg der linken Lehrer

HAYES DAVIDSON
Penthouse-Entwurf von Hadid
Architektur
Drei Etagen Luxus
Knapp zwei Monate nach
dem plötzlichen Tod der Stararchitektin Zaha Hadid
können Fans und Immobilienhaie nun ein exklusives Erinnerungsstück erwerben: In
Downtown Manhattan steht
für 50 Millionen Dollar ein
Penthouse zum Verkauf. Die
640 Quadratmeter große
Wohnlandschaft bildet mit ihren drei Stockwerken die
Krone des einzigen Wohngebäudes, das Hadid für New
York entworfen hat, und soll
ab 2017 bezugsfertig sein.
Enthalten sind ein privater
Fahrstuhl, fünf Schlafzimmer, mehrere Bade- und
Ankleidezimmer, eine
Bibliothek, ein Kaminzimmer mit Balkon und eine
etwa 200 Quadratmeter große
Dachterrasse mit Pavillon
und Außenküche. Da der
Markt für Luxuswohnungen
im hypergentrifizierten
Manhattan zuletzt nachzugeben schien, gelten 50 Millionen Dollar als ambitionierter
Preis – Beobachter haben
nach Hadids Tod allerdings
schnell ein stark gestiegenes
Kaufinteresse an ihren
unvollendeten Bauprojekten
registriert. Auf dem Gelände
des New Yorker Gebäudes
direkt an der begrünten Hochbahntrasse High Line stand
einst ein Obdachlosenheim,
und zuletzt befand sich
dort ein Schrottplatz. das
Kommentar
Der späte Sieg der linken Lehrer
Zwei Grüne retten das Bürgertum.
Was ist seit den Achtzigern nicht alles an Spott ausgegossen
worden über den linken Lehrer. Er war die Schwundgestalt
der Achtundsechziger-Revolte, das Symbol für die kleine Realität, in die sich die großen Hoffnungen der Studentenbewegung verwandelt hatten. Kein schöner Anblick, tragisch und
dabei nicht mal ein Held.
Und nun? Mit dem designierten österreichischen Präsidenten
Alexander Van der Bellen, 72, hat innerhalb kürzester Zeit
ein zweiter grüner Großvater das bürgerliche Lager geeint und
den Rechtspopulismus abgewehrt. Der andere ist Winfried
Kretschmann, 68, Ministerpräsident von Baden-Württemberg
und Chef einer grün-schwarzen Koalition. Kretschmann war
früher Gymnasiallehrer, Van der Bellen war Professor.
Kretschmann ist ein klassischer Achtundsechziger. Er war im
Asta der Universität Hohenheim, und Mitte der Siebziger trat
er für eine Weile dem Kommunistischen Bund Westdeutsch126
DER SPIEGEL 22 / 2016
lands bei. Ganz so links war Van der Bellen nie, aber in Österreich gab es auch keine Studentenbewegung, die der deutschen entsprochen hätte. Trotzdem: Die österreichischen Kommunisten habe er als junger Mann auch einmal gewählt, und
„Antikapitalist“ sei er ebenfalls gewesen, sagt er.
Eigentlich ein Happy End für den linken Lehrer. Als Landesvater
kommt er zu sich selbst. Dass die Achtundsechziger in die Schulen und an die Universitäten gingen, war ja nicht nur der Bildungsreform geschuldet, die gute Jobs mit sich brachte. Sie wollten
das Land verändern. Damals ging es gegen den Mehrheitsmuff
der Nachkriegsgesellschaft, dabei hatten sie die Geschichte auf
ihrer Seite. Nun drängen andere Kräfte von den Rändern in
die Mitte. Wie es dieses Mal endet, weiß niemand.
Kretschmann und Van der Bellen sind das letzte Aufgebot, das
ihre Generation zur Weltverbesserung losschickt. Danach
Tobias Rapp
kommen andere. So oder so.