Predigt vom 19. Juni - Hoffnungskirche zu Pankow

Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow
PREDIGT im Gottesdienst am 19.06.2016 in der Hoffnungskirche
(Textgrundlage: Röm 14,10-13.17)
von Pfarrer Matthias Motter
Liebe Gemeinde,
als diese Kirche vor etwa 30 Jahren ihre zweite große Umgestaltung erlebte, da bekam die
Hoffnungskirchengemeinde aus einer Kirche in Neuruppin dieses Bild, das seitdem im
Zentrum über dem Altar hängt. Das Bild ist über hundert Jahre älter als die Hoffnungskirche
selbst. Manche meinen: Es passt vom Stil nicht in diese Kirche. Aber es ist ein Bild, das die
entscheidende Botschaft unseres Glaubens uns hier unübersehbar vor Augen führt. Bernhard
Rohde hat 1782 die Rückkehr des so genannten verlorenen Sohnes gemalt. Die Rückkehr
dieses Sohnes, der sich – so erzählt es Jesus in einer Geschichte – seine Freiheit genommen
hat, der Fehler gemacht hat und das auch gemerkt hat, des Sohnes, der denkt, er sei nicht
mehr würdig, von seinem Vater freundlich aufgenommen, geschweige denn geliebt zu sein.
Dieser Sohn kehrt ängstlich ohne Hoffnung zurück – und erlebt das Wunderbare: Der Vater
hat seine Arme weit geöffnet und nimmt sein großes Kind liebevoll hinein.
Ein Bild der Barmherzigkeit Gottes.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. So haben wir es eben in der Lesung aus
dem Lukas-Evangelium gehört.
Unser Bild ist ein Bild von dem, was die Grundlage unseres Glaubens sein darf. Es ist ein Bild
von dem, was wir in der Taufe heute zweimal gefeiert haben und was wir uns immer wieder
sagen lassen dürfen: Gott nimmt uns als seine Kinder liebevoll an – ganz egal, was war oder
kommt, ganz egal wie groß oder klein wir sind, ganz egal, wie groß oder klein unser Glaube,
unsere guten Werke, unser Engagement.
Für Gottes Liebe können wir nichts tun. Müssen wir auch nicht. Gott sei Dank! Aber wir
können entscheiden, wie wir in diesem Glauben, in diesem Vertrauen unser Leben gestalten
wollen.
Und da wird es anstrengend. Weil keiner uns unsere eigenen Entscheidungen abnimmt. Weil
wir Verantwortung haben – ob wir es wollen oder nicht. Weil wir immer wieder beurteilen
müssen, was nach unserer Überzeugung jetzt gut und richtig ist.
Beurteilen müssen wir. Aber nicht verurteilen.
Uns ausrichten, aber uns nicht zum Richter machen.
Das schreibt uns auch Paulus. Paulus, der Prediger und Briefeschreiber im ersten Jahrhundert
des Christentums, der, der unablässig herumgereist ist, um von diesem Wunderbaren zu
erzählen, was er im Glauben an Jesus Christus gefunden hatte. Eben davon, dass wir uns
Gottes Liebe nicht erarbeiten müssen, sondern dass Gottes liebevolle Zuwendung zu uns
allem unserem Tun vorausgeht – aber unser Tun nicht unberührt lassen will.
Darum lasst uns nicht mehr einer den andern richten; schreibt Paulus in seinem Brief an die
Gemeinde in Rom. Lasst uns nicht mehr einer den andern richten; sondern richtet vielmehr
darauf euren Sinn, dass ihr alles vermeidet, was für einen anderen ein Hindernis (für sein
Vertrauen auf Gott) wäre.
Beurteilen müssen wir. Aber nicht verurteilen; nicht den anderen zu Fall bringen.
Uns ausrichten, aber uns nicht zum Richter machen.
Das ist nicht einfach. Dann nicht, wenn es unterschiedliche Meinungen gibt. Da kann und
sollte man diskutieren, über Meinungen und Wege streiten. Das gehört dazu, gehört gerade
auch zu der Stärke einer Gemeinschaft, dass man im Austausch mit anderen seine eigene
Meinung schärfen kann.
Aber passen wir auf, dass wir uns nicht an wenig Wichtigem aufreiben.
Das Reich Gottes, schreibt Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom, das Reich Gottes ist
nicht Essen und Trinken, denn in der Gemeinde in Rom gab es wohl Streit darum, was man
Essen darf und was nicht. (Und vielleicht hätte Paulus in seinem Brief an die
Hoffnungskirchengemeinde in Berlin-Pankow geschrieben: Das Reich Gottes sind nicht
Kirchenbänke und Seitentüren) Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, schreibt Paulus, das
Reich Gottes ist Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist (Röm 14,17).
Darum sollten wir ringen – in unseren täglichen Entscheidungen, in unserer individuellen
Verantwortung genauso wie in den Beratungen in der Gemeinde: Gerechtigkeit, Friede und
Freude im Vertrauen auf Gott: Wie kann diese Welt gerechter werden? Wo kann ich zu einem
friedlichen Miteinander beitragen? Wie strahlt das Wunderbare, die tiefe hoffnungsreiche
Freude unseres Glaubens über uns selbst hinaus zu unsren Kindern, zu den Menschen um
uns herum, zu denen, die in Traurigkeit versunken sind?
Solche Fragen sind uns aufgetragen. Und wir werden unsere eigenen Antworten finden.
Manchmal vielleicht auch streiten über das, was jetzt richtig ist.
Aber wir müssen einander nie verurteilen, müssen uns nicht zum höchsten Richter machen.
Am Ende ist da immer unser Gott, der mit weit geöffneten Armen da steht und wenn wir zu
ihm kommen mit unserem Leben, uns in seine Arme werfen mit unseren mal gelungenen
und mal gescheiterten Versuchen gut zu sein, wenn wir uns in seine Arme werfen mit allen
Brüchen und Umwegen unseres Lebens – dann ist er der Richter. Aber kein Richter, der
verurteilt, sondern einer, der gerade richtet, der das Krumme gerade macht und das
Unvollendete vollendet. Ein Richter, der aufrichtet. Er hat das letzte Wort.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.