- Evangelische Kirchengemeinden Heftrich und Bermbach

Liebe Schwestern und Brüder,
so geht es nicht weiter! So geht es nicht!
Der Ton in der öffentlichen Debatte ist rauher, schärfer geworden. Die
Atmosphäre aufgeheizter. Die Auseinandersetzungen heftiger und
schriller.
 aggressive und verächtliche Pöbeleien gegenüber Politikern
 Vorwürfe von Lüge und Betrug gegenüber der Presse
 seriöse Institutionen werden in die Ecke von Tricksern und
Täuschern gestellt
 es fallen schlimme Worte über Zuwanderer und Geflüchtete
 Menschen säen bewusst Misstrauen und Zwietracht
Die rote Linie wird immer schneller und leichter überschritten.
Schimpfworte. Beleidigungen. Unterstellungen, Mutmaßungen,
vernichtende Urteile.
Am leichtesten geschieht es da, wo man sein Gegenüber nicht sieht, wo
man ÜBER andere urteilt, ohne ihnen ins Gesicht zu sehen – in den
sozialen Netzwerken wie Facebook. Und international sind totalitäre
Ideologien auf dem Vormarsch: der Islamismus, aber auch rechte
Gesinnungen.
Und wir alle wissen: Wer Hass sät, wird Gewalt ernten. Und Menschen
werden zu Opfern. Nur zwei Beispiele:
In Orlando. Das Massaker im Nachtclub. Grund: Der Hass gegen Schwule.
Islamistisch aufgeladen.
In England: Der Anschlag auf Jo Cox. Sie ein Opfer von Nationalismus.
Ich habe mich gefragt: Ist das wirklich ein Problem dieser
Gottesdienstgemeinde? Muss ich das heute hier so klar ansprechen. Oder
spreche ich hier nicht sowieso zu Menschen, denen das alles klar ist.
Vielleicht… vielleicht auch nicht… Wir werden sehen.
Der Apostel Paulus hat für die Christen damals in Rom und heute bei uns
einen Rat. Wir hören auf seine Worte. Er schreibt im Brief an die
Gemeinden in Rom:
„Woher nimmst du dir da noch das Recht, deinen Bruder oder
deine Schwester zu verurteilen? Und du – woher nimmst du dir das
Recht, deinen Bruder oder deine Schwester zu verachten? Wir alle
werden einmal vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
Denn es heißt in der Schrift: »So wahr ich lebe, sagt der Herr: Vor
mir wird jedes Knie sich beugen, und jeder Mund wird Gott die
Ehre geben.«
So wird also jeder von uns über sein eigenes Leben vor Gott
Rechenschaft ablegen müssen. Hören wir darum auf, einander zu
verurteilen! Statt den Bruder oder die Schwester zu richten, prüft
euer eigenes Verhalten, und achtet darauf, alles zu vermeiden,
was ihnen ein Hindernis in den Weg legen und sie zu Fall bringen
könnte.“
Jemanden aburteilen, verächtlich machen. Das beginnt schon ganz klein:
•
mit Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz
•
mit bösen Gerüchte in der Nachbarschaft.
Da wären wir uns vermutlich schnell einig. Das macht man nicht.
Die, die sich ertappt fühlen, würden vielleicht die eine oder andere
Ausrede oder Erklärung präsentieren, warum sie in diesem oder jenem
Fall so gehandelt haben. Warum das nicht so gemeint war oder in diesem
Fall nicht so schlimm. Oder dass der Andere doch Schuld daran hatte.
Es hilft nichts. Ich finde: Andere Menschen verächtlich machen – das geht
überhaupt nicht. Gar nicht. Das macht man nicht.
Für Christen muss es richtiger heißen: als Christ macht man so etwas
nicht.
Warum?
Niemand kann ermessen, welche Folgen sein Tun hat. Man schadet einem
Menschen, verletzt ihn, tut ihm Schaden an. Und es ist unerheblich, ob er
oder sie das unmittelbar bemerkt oder nicht.
Als Christen sehen wir in jedem Menschen – auch in Erdogan oder Frauke
Petry oder Donald Trump – ein Geschöpf Gottes. Es geht nicht an, sie oder
ihn oder wen auch immer verächtlich zu machen. Auch wo sich in uns ein
Gefühl regt, die hätten es verdient.
Paulus zieht in seiner Argumentation zugunsten der Opfer, der
Schwachen, der Be- und Verurteilten die höchstmögliche Karte: Wer ein
vernichtendes Urteil fällt, wer so auf Andere herabsieht, begeht
Gotteslästerung und übertritt das erste Gebot.
Missverständnis:
Damit wir uns nicht missverstehen.
Es geht nicht ums Beurteilen von dem, was passiert, was gut läuft oder
schlecht.
Natürlich müssen wir beurteilen, wie Menschen handeln, egal ob privat
oder in der Öffentlichkeit.
Natürlich müssen wir Kritik üben und dürfen die Dinge nicht schönreden,
wo sie nicht richtig sind. Auch das gehört zu unseren christlichen
Pflichten. Im Gegenteil genau dazu sind wir aufgerufen. Uns einzubringen.
Es geht auch nicht um das Verurteilen, wie Gerichte es tun. Wo jemand
gegen das Gesetz verstoßen hat, da muss er auch verurteilt werden. Da
hat Paulus eine klare Meinung – weltliche Obrigkeit muss für Ordnung
sorgen. Luther hat daraus eine theologische Lehre entwickelt, die höchst
bedeutsam war und ist. Weil Unordnung zuerst immer die Schwächsten
trifft. Der Schutz der staatlichen Ordnung mit dem Recht zu Urteilen und
Verurteilen ist ein Schutz für die Schwächsten.
Das also ist nicht gemeint.
Gemeint ist das unmenschliche Aburteilen, Verdammen von Anderen, nur
um sich selbst besser zu fühlen.
Woher kommt das eigentlich?
Ich glaube, dass bei einigen Menschen Frust und Ärger tief sitzen. Oft gibt
es sehr handfeste Gründe dafür. Da, wo Menschen erleben, dass sie
ungerecht oder ungleich behandelt werden. Oft ist es aber auch nur eine
diffuse Angst vor Statusverlust. Oder es sind
Minderwertigkeitsphantasien.
Leute sagen: Ich musste mir mal Luft machen. Danach geht es einem
gleich besser.
Am Besten mit Anderen: Die zustimmen. Was für ein schönes
Gemeinschaftsgefühl. Aber was für ein Trügerisches.
Wie kannst Du hoffen, dass die Menschen, die zusammen mit dir über
andere lästern, nicht über dich genauso reden, sobald du nicht dabei
bist…? Mir sind Leute, die schlecht über Andere reden, suspekt.
Ich finde: Rede über andere Leute stets nur das, was du auch sagen
würdest, wenn sie dabei wären.
Leute sagen: Wenn man sich mal Luft macht, geht es einem gleich besser.
Ich glaube das nicht.
Im Gegenteil: das Gefühl frisst sich tiefer in unsere Seele hinein
Wer das tut, der übt sich ein. Und irgendwann gehört es zu Deinem
Repertoire, so über Andere zu reden. Lieblos, verständnislos, hart,
unbarmherzig. Und im schlimmsten Falle wird daraus dann irgendwann
Hass, der im Herzen lebt.
Nein, wer unmenschlich über Andere spricht, tut sich selbst, seiner Seele,
einen großen Schaden an.
Und es ist auch selbstgerecht. Sagt Paulus. Und Jesus.
Wir sehen den Splitter im Auge des Bruders oder der Schwester. Und
übersehen, dass wir einen Balken im eigenen Auge haben.
Die härtesten Kritiker glauben, es besser zu wissen. Und sind oft gerade
die, die ihrerseits gar nichts beitragen zum Gemeinwesen. Kritik, die nicht
konstruktiv ist, zerstört. Sie baut nicht auf.
Paulus erinnert die Christen in Rom daran, dass sie irgendwann vor Gott
als Richter treten werden. Der wird dann ihr böses Reden, ihre
Selbstgerechtigkeit beurteilen.
Ich glaube fest daran, dass es so ist. Irgendwann - nach diesem Leben –
steht jeder von uns vor Gottes Richterstuhl und muss Rede und Antwort
stehen. Rechenschaft über sein Leben geben.
Da werden dann unsere Fehler, unsere Schuld, unsere Sünde offen gelegt.
Das wird für die meisten von uns ein Moment großer Peinlichkeit.
Vielleicht sogar ein schmerzhafter Moment, wenn wir einsehen, dass es
nicht nur die Anderen waren, die alles falsch gemacht haben, die zu blöd
waren, usw. Sondern dass das auch mich trifft.
So geht es nicht. Wie aber geht es denn?
Die Antwort Gottes ist Barmherzigkeit.
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Sagt Jesus.
Schau auf Dich selbst mit Deinen Fehlern und Schwächen und hab dann
auch Verständnis für die Fehler und Schwächen der Anderen.
Das bedeutet einen neuen anderen Umgang mit den eigenen Fehlern und
denen der Anderen. Das gibt eine neue Atmosphäre um konstruktiv
zusammen zu überlegen, wie es besser gehen kann.
Wieviel einfacher ist es, sich gemeinsam konstruktiv für das Gute in
unserer Welt zu engagieren, wenn wir das Böse erst gar nicht in unsere
Herzen und unser menschliches Miteinander hineinlassen.
„Prüft euer eigenes Verhalten, und achtet darauf, alles zu vermeiden, was
ein Hindernis in den Weg legt.“ So sagt Paulus.
Lasst uns also Hindernisse abbauen und uns für ein besseres
Zusammenleben einsetzen. Das ist auch gut für unsere Glaubwürdigkeit.
Prüfen wir also unser Verhalten – schauen wir zurück und seien wir
aufmerksam in den nächsten Tagen.
Und versuchen wir barmherzig mit unseren Mitmenschen, unseren
Nächsten, zu sein – wie Gott mit uns barmherzig ist.
Amen