Gründen ist out – Mittelstand von morgen fehlt

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23.06.2016
Daten | Fakten | Argumente
THEMA
DER
WOCHE
Gründen ist out – Mittelstand von
morgen fehlt
Gründungsinteresse auf
neuem Tiefpunkt
Im Jahr 2015 haben die Industrie-und Handelskammern (IHKs) rund 205.000 Gespräche mit gründungsinteressierten Personen geführt. Das sind zehn Prozent weniger als im Vorjahr und bedeutet einen neuerlichen
Negativrekord. Seit 2004 hat sich das Gründungsinteresse praktisch halbiert. Ein Grund dafür ist die Verringerung der Gründungen aus der Erwerbslosigkeit heraus – spiegelbildlich zum erfreulichen Rückgang der
Arbeitslosenzahlen. Gerade in Deutschland ist dieser Zusammenhang besonders stark.
Kaum neues Potenzial
erschlossen
Die Anzahl derjenigen, die vornehmlich aus unternehmerischem Antrieb an den Start gehen, ist in den
letzten Jahren aber ebenfalls leicht gesunken. Zusätzliches unternehmerisches Potenzial konnte mithin unter
dem Strich nicht gehoben werden – trotz zahlreicher Förderprogramme. Eine Wende können auch die viel
beachteten innovativen Start-ups nicht bewirken – dieses Segment ist noch immer zu klein.
Zudem sind Gründer schlechter vorbereitet: Im Jahr 2015 haben sich nicht einmal zwei Drittel der Gründer im
ausreichendem Maße Gedanken zum Kundennutzen ihrer Geschäftsidee gemacht – weniger als in den beiden
Jahren zuvor (70 respektive 72 Prozent). Über ein Viertel können ihre Produktideen nicht klar beschreiben,
ebenfalls mehr als in den vergangenen beiden Jahren. So drohen zahlreiche Gründungsvorhaben allein an
unzureichender Vorbereitung zu scheitern.
Viele Frauen sind gründungsinteressiert, doch
längst nicht alle gründen
Immerhin 42 Prozent aller Gründungsgespräche haben die IHKs 2015 mit Frauen geführt – die Tendenz
bleibt hier steigend. Doch viele gehen dann letztlich doch nicht den Schritt in die Selbstständigkeit. Die
meisten sehen zudem die Herausforderung, Familie und Erwerbstätigkeit zu vereinbaren, und wollen deshalb
oft nur im Nebenerwerb starten.
Bürokratie abbauen,
Finanzierung erleichtern,
Eltern Freiräume
ermöglichen
Um Anreize für eine Existenzgründung zu schaffen, muss das von der Bundesregierung geplante zweite
Bürokratieentlastungsgesetz spürbare Erleichterungen mit sich bringen. Dazu gehören eine vierteljährliche
– statt monatliche – Umsatzsteuervoranmeldung, die Abschaffung des komplizierten Steuerformulars „EÜR“
(Einnahmenüberschussrechnung) zur Überschussermittlung für kleine Unternehmen sowie die Anhebung der
Grenze für die Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 410 auf 1.000 Euro. Das wäre gerade für
Gründer, die die erste Ausstattung anschaffen, eine erhebliche Erleichterung.
Weiterhin bestehen hohe Hürden im deutschen Steuerrecht für Investoren von Beteiligungskapital. Das
hemmt vor allem die so wichtigen innovativen Start-ups. Deshalb sollten Verluste beim Einstieg eines Investors künftig in den Folgeperioden zumindest steuermindernd berücksichtigt werden können. Das würde
Gründern den Zugang zu Investoren erleichtern.
Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann Eltern helfen, Gründungsprojekte zu verwirklichen. Der
weitere Ausbau von Ganztagsschule wäre deshalb auch für Selbstständige ein wichtiger Schritt.
Für mehr Gründergeist braucht die Gesellschaft eine Willkommenskultur für neue Unternehmen. Denn offenbar haben die zahlreichen politischen Initiativen der letzten Jahre kaum Früchte getragen. Der Mittelstand
von morgen braucht eine glaubwürdige Gründungspolitik. Bei jeder wirtschaftspolitischen Entscheidung sollte die Politik daher die Auswirkungen insbesondere auch auf junge Unternehmen ins Kalkül ziehen.
Ansprechpartner:
Marc Evers, DIHK Berlin, Telefon 030 20308-1508
Der Nachwuchs für den Mittelstand wird knapp. Seit fünf Jahren nimmt das Gründungsinteresse in Deutschland ab. Das zeigt der aktuelle DIHK-Gründerreport. Erforderlich für eine Trendumkehr sind aus DIHK-Sicht
durchgreifender Bürokratieabbau und bessere Bedingungen für den Einsatz von Risikokapital.