Unia Zentralsekretariat Weltpoststrasse 20 Abteilung Vertrags- und Interessengruppenpolitik CH-3000 Bern 15 T +41 31 350 21 11 F +41 31 350 22 11 http://www.unia.ch Unia Lohnschere-Studie 2016 Die Konsequenzen der Nationalbank-Politik und der Frankenstärke tragen die Arbeitnehmer/innen in Form von Stellenabbau und Gratisarbeit. Gleichzeitig profitieren einige CEOs von teilweise enormen Lohnerhöhungen. Die CEOs von 41 grossen Schweizer Unternehmen zahlten sich 2015 Löhne von insgesamt über 180 Millionen Franken aus – 6 Millionen mehr als im Vorjahr. Die durchschnittliche Lohnspanne zwischen dem höchsten und dem tiefsten Lohn betrug 1:150. Aufgrund der Aufgabe des Euro-Mindestkurses bzw. der Frankenstärke kam es vermehrt zur Einführung von Krisenmassnahmen in Form von unbezahlten Arbeitszeitverlängerungen oder Stellenabbau. Trotzdem erhöhten betroffene Unternehmen die Gehälter ihrer CEO teils massiv. 1 2/11 1. Stellenabbau und Mehrarbeit unten, fette Lohnerhöhungen oben 1.1 Krisenpolitik auf dem Buckel der Arbeitnehmenden Am 15.1.2015 hat die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs aufgehoben. In exportorientierten Branchen wie der MEM-Industrie verteuerten sich die Exporte in den Euro-Raum um 20 Prozent. Während in den Jahren vor der Aufhebung des Mindestkurses viele Unternehmen rekordhohe Umsatz- und Gewinnentwicklungen verzeichneten, griffen ab Januar 2015 zahlreiche Firmen mit Verweis auf die Frankenstärke zu Krisenmassnahmen. Sie bauten Stellen ab, verschoben sie teilweise ins Ausland und kürzten die Löhne der Mitarbeitenden: direkt in Form von Lohnsenkungen, indirekt mit Arbeitszeitverlängerungen/Gratisarbeit oder der Aussetzung von Gehaltserhöhungen. Die Krisenmassnahmen wurden oft unangemessen umgesetzt. Unternehmensführungen kommunizierten oft sehr kurzfristig und ungenügend und gewährten den Sozialpartnern kein Mitspracherecht. Personalkommissionen wurden mit der Drohung von Stellenabbau unter Druck gesetzt, Arbeitszeitverlängerungen zuzustimmen. In einigen Fällen kam es trotz längeren Arbeitszeiten zu Entlassungen. Solche Krisenmassnahmen wurden in vielen Branchen – vorab in der exportorientierten Industrie, aber auch im Detailhandel und im Tourismus – und mehreren Regionen der Schweiz durchgeführt. Die Gewerkschaft Unia verfügt über konkrete Informationen, wonach bisher über 16'000 Personen in über 300 Unternehmen von solchen Massnahmen betroffen sind. Einige Studie sprechen gar von bis zu 50‘000 Arbeitsplätzen, die wegen der Frankenstärke verloren gingen bzw. nicht geschaffen wurden. Von den 41 Grossunternehmen, welche die Unia in ihrer Lohnschere-Studie untersucht, haben 22 im Jahr 2015 Krisenmassnahmen ergriffen. Mindestens 13 Unternehmen haben dabei explizit auf die Frankenstärke verwiesen. Von den 41 untersuchten Unternehmen haben 2015 27 geringere Gewinne als 2014 ausgewiesen. Aber nur ein Fünftel hatte mit Verlusten zu kämpfen. Bei mehreren Unternehmen liegt die Vermutung nahe, dass sie die Krisenmassnahmen hauptsächlich zur Gewinn- und Dividendenoptimierung und zur Sicherstellung der Lohnsumme für die oberen Kader missbrauchten. Da die Aufhebung des Euro-Mindestkurses weitreichende Folgen hatte, fokussiert ein erster Teil (Kapitel 1.1) dieser Untersuchung auf die Industrie-Unternehmen, die ihre Krisenmassnahmen explizit mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses begründeten. Kapitel 1.2. wird auf den Finanzplatz Schweiz fokussieren, denn Stellenabbau gab es auch im Bankensektor – allerdings nicht aufgrund der Frankenstärke. Tabelle 1 gibt zunächst eine Übersicht über jene 13 der 41 untersuchten Unternehmen, die mit Verweis auf Frankenstärke Krisenmassnahmen ergriffen haben. Sie stammen mehrheitlich aus der MEM-Branche. Mit Lonza, Forbo und Nestlé sind zudem die Chemie- sowie die Baustoff-und die Nahrungsmittelindustrie vertreten. Die Tabelle zeigt, dass die CEOs dieser Unternehmen von den Krisenmassnahmen kaum betroffen waren, sondern in einigen Fällen ihre Gehälter gar fürstlich erhöhen konnten. 3/11 Tabelle 1: Industrie-Unternehmen, die 2015 wegen Frankenstärke Krisenmassnahmen ergriffen Unternehmen CEO Betroffene Massnahmen VerändeEBIT 2015 rung EBIT in Mio. zu 2014 VerändeLohn rung Lohn CEO 2015 CEO zu 2014 Lonza Richard Ridinger 90 Stellenabbau 428.0 +1.2% 3'941'000 +57.8% Georg Fischer Yves Serra 1'300 Arbeitszeitverlängerung 296.0 (4h) +8.0% 2'781'000 +21.7% ABB Ulrich 350 Spiesshofer Gehaltserhöhung ausgesetzt 3'053.6 -27.0% 9'098'741 +20.1% Ruag Urs Breitmeier 1'000 Arbeitszeitverlängerung, Stellenabbau 137.0 +21.2% 1'118'000 Rieter Norbert Klapper 209 Stellenabbau 73.1 -13.6% 1'240'658 +9.7% Dätwyler Paul J. Hälg 55 Stellenabbau 126.1 -4.7% 1'999'399 +4.3% Sulzer Gregoire PouxGuillaume 110 Stellenabbau, Schliessung Standort 120.9 +275.2% 3'425'000 +4.0% Mikron Bruno Cathomen 870 Arbeitszeitverlängerung um 2-5h, Lohnsenkung 2.5 für Grenzgänger -45.7% 650'000 Autoneum Martin Hirzel 300 Arbeitszeitverlängerung 126.5 -6.4% 1'459'574 +0.7% Nestlé Paul Bulcke 50 Stellenabbau, 13'382.0 Verlagerung Produktion -4.5% 9'067'949 -2.7% Von Roll Achim Klotz 55 Stellenabbau -23.0 +29.1% 1'140'000 -11.1% Huber + Suhner Urs Kaufmann Stellenabbau, 52.3 Arbeitszeitverlängerung -24.2% 1'254'000 -18.8% Forbo Stephan Bauer Arbeitszeitverlängerung 142.8 (4h) -4.4% 1'119'009 1.2 1'370 +12.7% +3.5% -28.2% CEOs auf der sicheren Seite Lonza wies 2015 im Vergleich zum Vorjahr ein besseres operatives Ergebnis (Ebit) aus. Trotzdem baute sie unter dem Vorwand der Frankenstärke am Standort Visp 90 Stellen ab, während CEO Richard Ridinger fast 60 Prozent mehr Lohn als im Vorjahr einkassierte, nämlich 3‘941‘000 Franken. Der Lonza-Geschäftsbericht begründet dies mit der Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Unternehmen. Im ersten Quartal 2016 hat Lonza das „stärkste erste Quartal ihrer Geschichte“ (TagesAnzeiger, 26.04.16) bezüglich Umsatz und Ergebnis erzielt. Der Abbau von 90 Stellen in Visp kann in diesem Kontext nur als schamlos bezeichnet werden. 4/11 Auch der Industriekonzern Georg Fischer verlängerte von Februar bis Ende Dezember 2015 die Arbeitszeit um 4 auf 44 Stunden pro Woche (Aargauer Zeitung, 01.03.2016). Nicht zuletzt dank dieser Gratis-Mehrarbeit konnte das Unternehmen sein operationelle Ergebnis trotz Frankenstärke um 8 Prozent steigern. Die Mitarbeitenden, die gratis länger arbeiten mussten, erhielten als Dank eine einmalige Prämie von 1000 Franken. CEO Yves Serra aber kassierte 500‘000 Franken mehr als im Vorjahr, was einer saftigen Lohnerhöhung von 21.7 Prozent entspricht! Auch Ruag gewährte ihrem CEO Urs Breitmeier im letzten Jahr eine fürstliche Lohnerhöhung von 12.7 Prozent auf 1‘118‘000 Franken. Seine rund 1‘000 Mitarbeitenden aber mussten während 12 Monaten 3 Stunden pro Woche mehr arbeiten. Sie erhielten dafür pro Monat 100 Franken mehr Lohn, was einem Stundenlohn von 7.70 Franken für jede geleistete Stunde Mehrarbeit entspricht. Ruag steigerte ihr Ebit 2015 um 21.2 Prozent steigern und erzielte einen Rekordgewinn. Trotzdem sprach sie an ihrem Standort Emmen 20 Kündigungen aus (Handelszeitung, 7.3.2016). In einem besseren Licht stehen jene Unternehmen da, die auch die Manager-Löhne den schwierigen Umständen anpassten. Bei Huber+Suhner beispielsweise, verzichteten die obersten Kader inkl. Konzernleitung und Verwaltungsrat auf 5 bis 10 Prozent ihres Salärs (Neue Zürcher Zeitung, 25.2.2015). Anton Affentranger, CEO von Implenia, verzichtete 2014 und 2015 auf sämtliche variablen Lohnteile (insgesamt 900‘000 Franken, Basler Zeitung, 24.2.2016). 1.3 Banken unter Druck Die Banken- und Versicherungsbranche war von Stellenabbau und Entlassungen betroffen. Nur die Bank Julius Bär hat den von ihr angekündigten Stellenabbau ausdrücklich mit der Frankenstärke in Verbindung gebracht (Tages-Anzeiger, 2.2.2015). Einen Stellenabbau kündigte auch die UBS an – allerdings aus Gründen der Produktivitätssteigerung. Sie plant, ihren Personalbestand in der Schweiz um rund 100 Stellen zu reduzieren (20 Minuten, 20.4.16). Dies, obwohl sie 2015 ihren Gewinn vor Steuern im Vergleich zu 2014 um 123 Prozent steigerte und CEO Ermotti knappe 30 Prozent mehr verdiente als im Vorjahr. Mit seiner Lohnerhöhung könnten 60 Stellen am anderen Ende der Lohnskala erhalten bleiben! Das Salär des CS-CEO, so scheint es auf den ersten Blick, nahm ab; die Gesamtvergütung für die Geschäftsleitung allerdings stieg letztes Jahr leicht auf 64.2 Millionen Franken. Tabelle 2: CEO-Löhne bei Banken- und Versicherungskonzernen, die Stellen abbauen Höchstverdiener der Unternehmen Konzernleitung 2015 Betroffene Massnahmen UBS Sergio Ermotti 320 Stellenabbau, 5'489.0 Neubewerbung Julius Bär Boris Collardi 200 Stellenabbau Zurich Martin Senn 750 2'000 Crédit Suisse Rob Shafir Gewinn Verändevor Steurung zu ern 2015 2014 in Mio. Höchstlohn in Konzernleitung 2015 Veränderung zu 2014 +123.0% 14'311'261 +28.2% 138.8 -70.5% 6'162'000 +7.6% Stellenabbau 3'345.0 -43.4% 6'100'000 -15.3% Stellenabbau -2'422.0 -166.8% 7'880'000 -18.8% 5/11 2. Lohnschere Die in den jährlichen Unia-Studien ausgewiesene Lohnschere zeigt das Verhältnis zwischen dem höchsten und dem tiefsten Lohn in einem Unternehmen. Um die durchschnittliche Lohnschere aller 41 Unternehmen zu berechnen, wurden diese nach ihrer Grösse (Anzahl Stellen) gewichtet. Im Jahr 2015 betrug das Verhältnis im Schnitt 1:150. Die Zunahme gegenüber 2014 (1:128) ist auf eine verbesserte Quellenlage und eine überarbeitete Methodik bei der Erhebung der Tiefstlöhne zurückzuführen (siehe S. 12). Sie führten bei vielen Unternehmen zu einer deutlichen Korrektur der Tieflohnwerte nach unten, was aber nicht heisst, dass die Tieflöhne real in diesem Ausmass zurückgegangen sind. Aussagen zur Entwicklung der Lohnschere sind deshalb nicht möglich. Eine Vergleichsgrösse bilden aber die gewichteten Höchstlöhne. Sie sind von durchschnittlich 7.05 Millionen Franken 2014 um ein knappes Prozent auf 7.12 Millionen Franken 2015 gestiegen. In Tabelle 3 sind alle 41 untersuchten Unternehmen mit ihren Höchst- und Tiefstlöhnen und der sich daraus ergebenden Lohnschere aufgeführt. Sie sind nach Branchen geordnet. Die grössten Einkommensunterschiede bestehen wenig überraschend in jenen Unternehmen mit den höchsten CEO-Löhnen. Die Tiefstlöhne aller untersuchten Unternehmen bewegen sich mit wenigen Ausnahmen zwischen 40‘000 und 60‘000 Franken pro Jahr. Die grossen Unterschiede bei den Toplöhnen fallen deshalb besonders ins Gewicht. Das grösste Missverhältnis weist die Chemie- und Pharmabranche mit einer Lohnschere von 1:219 auf. Spitzenreiter sind die beiden Marktführer Novartis und Roche mit einer Lohnschere von 1:244 bzw. 1:273. Auch in der Nahrungsmittelindustrie (1:193) und bei den Banken und Versicherungen mit (1:176) sind die Einkommensunterschiede gewaltig. Sergio Ermotti, CEO der UBS, verdiente 2015 über 14 Millionen Franken, während der Mindestlohn für Bankangestellte bei 52‘000 Franken liegt. Die UBS verfügte damit über eine RekordLohnbandbreite von 1:275. Grosse Unterschiede zwischen einzelnen Unternehmen zeigen sich in der Bau- und Baustoffbranche und vor allem in der Maschinen-, Metall- und Uhrenindustrie. Beim MaschinenbauUnternehmen Mikron etwa beträgt das Verhältnis 1:15, beim Technologiekonzern ABB 1:212. Mit einem Verhältnis von durchschnittlich 1:16 ist im Detailhandel die Lohnschere am kleinsten. Coop weist mit 1:13 zwar das tiefste Verhältnis aller untersuchten 41 Unternehmen auf, macht aber keine offiziellen Angaben zum höchsten Lohn. Wir haben deshalb die durchschnittliche Vergütung der Geschäftsleitungsmitglieder als Höchstlohn-Wert eingesetzt. Die tatsächliche Lohnschere bei Coop dürfte etwas grösser sein. Auffallend ist schliesslich, dass alle Unternehmen eine grössere Lohnschere als 1:12 aufweisen. 14 Unternehmen überschritten gar die Marke von 1:100. 6/11 Tabelle 3: Die Höchst- und Tieflöhne der Unternehmen in CHF nach Branchen gewichtet Unternehmen Höchstverdiener im 2015 Chemie Roche Severin Schwan Novartis Joseph Jimenez Syngenta Mike Mack Clariant Hariolf Kottmann Lonza Richard Ridinger Givaudan Gilles Andrier Maschinen-, Metall- und Uhrenindustrie ABB Ulrich Spiesshofer Swatch Nick Hayek Schindler Silvio Napoli OC Oerlikon Brice Koch Sulzer Greg Poux-Guillaume Georg Fischer Yves Serra Dätwyler Paul J. Hälg Geberit Christian Buhl Autoneum Martin Hirzel Huber+Suhner Urs Kaufmann Ascom Fritz Mumenthaler Rieter Norbert Klapper Von Roll Achim Klotz RUAG Urs Breitmeier Mikron Bruno Cathomen Nahrungsmittelindustrie Nestlé Paul Bulcke Lindt & Ernst Tanner Sprüngli Bau/Baustoffe LafargeHolcim Bernard Fontana Sika Jan Jenisch Implenia Anton Affentranger Forbo Stephan Bauer Energie Alpiq Jasmin Staiblin Axpo Andrew Walo Detailhandel Migros Herbert Bolliger Charles Vögele Markus Voegeli Coop Joos Sutter Banken und Versicherungen UBS Sergio Ermotti Crédit Suisse Rob Shafir Swiss Re Michel Liès Zurich Martin Senn Julius Bär Boris Collardi Swiss Life Patrick Frost Weitere Adecco Patrick De Maeseneire Kühne & Nagel Detlef Trefzger Valora Michael Mueller Lohnschere insgesamt Höchstlohn 2015 Tieflohn 2015 Lohnschere 11'949'870 11'596'560 6'048'742 5'669'161 3'941'000 4'749'719 43'776 47'502 51'454 70'000 52'427 66'898 9'098'741 6'878'700 4'108'000 4'040'000 3'425'000 2'781'000 1'999'399 1'785'657 1'459'574 1'254'000 1'182'511 1'240'658 1'140'000 1'118'000 650'000 42'900 39'000 42'900 46'800 46'800 42'900 46'800 46'800 46'800 46'800 46'800 50'050 46'800 46'800 42'900 9'067'949 46'800 1:219 1:273 1:244 1:118 1:81 1:75 1:71 1:140 1:212 1:176 1:96 1:86 1:73 1:65 1:43 1:38 1:31 1:27 1:25 1:25 1:24 1:24 1:15 1:193 1:194 7'421'000 43'836 1:169 7'976'715 3'510'000 2'295'000 1'119'009 59'917 42'408 57'369 42'408 1'537'300 1'132'000 46'397 46'397 924'000 915'000 633'333 50'700 50'700 50'050 14'311'261 7'880'000 7'016'000 6'100'000 6'162'000 3'578'248 52'000 52'000 50'700 50'700 52'000 50'700 7'079'715 3'568'000 1'802'900 50'700 46'800 46'800 1:117 1:133 1:83 1:40 1:26 1:30 1:33 1:24 1:16 1:18 1:18 1:13 1:176 1:275 1:152 1:138 1:120 1:119 1:71 1:94 1:140 1:76 1:39 1:150 7/11 Abbildung 1: Lohnschere nach Branchen 8/11 3. Die Spitzenreiter und die Verlierer In Tabelle 4 sind die zehn bestverdienenden Manager aufgeführt. Top-Verdiener des Jahres 2015 ist UBS-CEO Sergio Ermotti. Seine 14.3 Millionen entsprechen einem Plus von gut 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die CEOs der beiden Aushängeschilder der Basler Chemieund Pharmaindustrie: Roche-Kapitän Severin Schwan kam 2015 auf 11.9 Millionen Franken. Der Spitzenreiter von 2014, Joseph Jimenez, musste auf gut 8 Prozent seiner Vergütung aus dem Vorjahr verzichten. Die 11.6 Millionen Franken werden den Novartis-Chef darüber hinwegtrösten. Holcim-CEO Bernard Fontana musste nach der Fusion mit Lafarge im Juli 2015 seinen Posten an Eric Olsen abtreten. Mit fast 8 Millionen Franken verdiente er aber im ersten Halbjahr 2015 über 50 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2014. Auch ABB-Konzernchef Ulrich Spiesshofer konnte seinen Lohn gegenüber dem Vorjahr kräftig aufbessern. Seine 9.1 Millionen Franken bedeuten ein Plus von 20 Prozent. Lohnerhöhungen von über 50 Prozent konnten auch Valora-Chef Michael Mueller und Lonza-CEO Richard Ridinger verbuchen. Letzterer konnte seinen Lohn trotz Stellenabbau um satte 1.4 Millionen auf gut 3.9 Millionen Franken steigern. Ein deutlicher Rückgang der Höchstlöhne zeigt sich auf den ersten Blick bei Adecco und der CS. Mit 7.1 Millionen Franken verdiente Patrick De Maeseneire 2015 gut 10 Prozent weniger als im Jahr davor, allerdings verliess er Adecco bereits Ende August. Bei der Credit Suisse bezog Rob Shafir, Chef des Vermögensverwaltungsgeschäfts, den offiziellen Höchstlohn von 7.9 Millionen Franken. Der Lohn von CS-CEO Tidjane Thiam, seit Juli 2015 im Amt, betrug offiziell 4.6 Millionen Franken. Aufgrund des schwachen Geschäftsergebnisses verzichtete Thiam auf 40 Prozent seiner Bonusansprüche und kam noch auf 2.9 Millionen Franken. Nicht einberechnet sind aber die 14.3 Millionen Franken, mit denen die CS ihren CEO für verlorene BoniAnsprüche bei seinem früheren Arbeitgeber entschädigte. Der Lohn von Brady Dougan, Konzernchef bis Ende Juli 2015 und 2014 auf Platz 4 der bestbezahlten CEOs, wird im Vergütungsbericht der CS gar nicht erst ausgewiesen. Um mehr als einen Drittel zurück gingen die Entschädigungen der CEOs von Geberit und Swiss Life. Gar nur noch die Hälfte des Vorjahreslohns verdiente Markus Vögeli, CEO des kriselnden Modeunternehmens Charles Vögele. Durchschnittlich stiegen die Höchstlöhne aller untersuchen Unternehmen allerdings um 0.9 Prozent. Mit Alpiq-Chefin Jasmin Staiblin befindet sich unter den 41 CEOs genau eine einzige Frau. 9/11 Tabelle 4: Top Ten der Managervergütungen 2015 Position 2014 CEO Unternehmen Jahressalär CEO 2015 Veränderung zu Salär 2014 1. 3. ↑ Sergio Ermotti UBS 14'311'261 +28.2% 2. 2. = Severin Schwan Roche 11'949'870 -0.3% 3. 1. ↓ Joseph Jimenez Novartis 11'596'560 -8.3% 4. 8. ↑ Ulrich Spiesshofer ABB 9'098'741 +20.1% 5. 5. = Paul Bulcke Nestlé 9'067'949 -2.7% 6. 15. ↑ Bernard Fontana LafargeHolcim 7'976'715 +52.2% 7. 4. ↓ Rob Shafir Credit Suisse 7'880'000 -18.8% 8. 12. ↑ Ernst Tanner Lindt & Sprüngli 7'421'000 +6.3% 9. 7. ↓ Patrick De Maeseneire Adecco 7'079'715 -10.9% 10. 13. ↑ Michel Liès Swiss Re 7'016'000 +10.9% 4. Fazit Während die Löhne für Berufsleute stagnieren, nehmen die Managersaläre weiter zu – unabhängig vom Geschäftsverlauf. Auch im schwierigen Jahr 2015, als viele Arbeitnehmende Gratisarbeit, Lohnkürzungen und Arbeitsplatzabbau hinnehmen mussten, blieb die Lohnschere weit geöffnet und gewährten sich einzelne CEOs unverschämte Lohnerhöhungen. Die soziale Ungleichheit nimmt weiter zu, obwohl selbst die OECD vor deren schädlichen Wirkung auf das Wirtschaftswachstum warnt. Im Nachgang zur Diskussion über die Service-public-Initiative muss jetzt die Begrenzung der überhöhten CEO-Löhne bei SBB, Swisscom, Nationalbank und anderen staatsnahen Unternehmen auf die politische Agenda gesetzt werden, wie dies der parlamentarische Vorstoss von UniaGeschäftsleitungsmitglied und Nationalrat Corrado Pardini verlangt. Bei den Managern der grossen Privatunternehmen ist die Einführung eines Höchstlohnes politisch schwieriger realisierbar. Dass es auch anders geht, zeigt Israel: Ende März 2016 beschloss das israelische Parlament einstimmig eine Lohnbandbreite von 1:35 für den Bankensektor. Der höchste Lohn in einem Unternehmen der Finanzbranche darf in Israel künftig höchstens 35 mal höher sein als der tiefste Lohn (Handelszeitung, 29.3.2016). In der Schweiz hingegen sind in den letzten Jahren die Managerlöhne im Bankensektor zum Teil auf das 70-fache des israelischen Durchschnittslohns gestiegen (Neue Zürcher Zeitung, 2.4.2016). Wer dafür ist, dass Leistung honoriert werden soll, kann dieses kleine Netzwerk von Spitzenmanagern, das sich gegenseitig Saläre, Boni und Tantiemen zuschanzt, nicht immer weiter schalten und walten lassen. 16.6.2016 Beat Baumann, Xavier Maurhofer, Sandra Roncoroni 10/11 Quellen 20 Minuten, 20.04.2016: UBS-Mitarbeiter müssen sich intern neu bewerben, http://www.20min.ch/finance/news/story/UBS-Mitarbeiter-muessen-sich-intern-neu-bewerben29890732, zuletzt aufgerufen 31.05.2016. Aargauer Zeitung, 01.03.2016: Wegen Mehrarbeit: Georg Fischer spaltet die Gewerkschaften, http://www.aargauerzeitung.ch/wirtschaft/wegen-mehrarbeit-industriekonzern-georg-fischer-spaltetdie-gewerkschaften-130101914, zuletzt aufgerufen 31.05.2016. Basler Zeitung, 24.02.2016: Implenia-Chef verzichtet auf knapp 1 Million Franken, http://bazonline.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/CEO-verzichtet-auf-900-000Franken/story/17237521, zuletzt aufgerufen 31.05.2016. Finanz und Wirtschaft, 20.08.2013: Weshalb die Rettung der UBS kein „gutes Geschäft“ war, http://www.fuw.ch/article/weshalb-die-rettung-der-ubs-kein-gutes-geschaft-war, zuletzt aufgerufen 26.05.2016. Handelszeitung, 07.03.2016: Ruag-Angestellte kehren zur 40-Stunden-Woche zurück, http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/ruag-angestellte-kehren-zur-40-stunden-wochezurueck-1011516, zuletzt aufgerufen 31.05.2016. Handelszeitung, 29.03.2016:Israel deckelt den Lohn der Bankmanager, http://www.handelszeitung.ch/politik/israel-deckelt-den-lohn-der-bankmanager-1033320, zuletzt aufgerufen 26.05.2016. Lonza (2015): Medienmitteilung vom 22.07.2015, http://www.rro.ch/cms/content/342/documents/3356_News.pdf, zuletzt aufgerufen 31.05.2016. Neue Zürcher Zeitung, 25.02.2015: Huber+Suhner: Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 3 Stunden und Gehaltskürzungen, http://www.nzz.ch/wirtschaft/newsticker/hubersuhner-erhoehung-derwochenarbeitszeit-auf-43-stunden-und-gehaltskuerzungen-1.18490170, zuletzt aufgerufen 31.05.2016. Neue Zürcher Zeitung, 02.04.2016: Lohndeckelung für Spitzenmanager. Israels Banker an der Kandare, http://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/lohndeckelung-fuer-spitzenmanager-israelsbanker-an-der-kandare-ld.11143, zuletzt aufgerufen 26.05.2016. Tages-Anzeiger, 02.02.2015: Julius Bär streicht Schweizer Stellen – Aktie im Plus, http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Julius-Baer-streicht-SchweizerStellen--Aktie-im-Plus/story/31404301, zuletzt aufgerufen 31.05.2016. Tages-Anzeiger, 26.04.2016: Stärkstes erstes Quartal in Lonza-Geschichte, http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/standard/Staerkstes-erstes-Quartal-inLonzaGeschichte/story/26608390, zuletzt aufgerufen 14.06.2016. 11/11 Anhang 1 Die Methodik der Lohnschere Seit 2005 publiziert die Gewerkschaft Unia Daten zur Lohnschere. Es werden 41 Unternehmen untersucht, davon 39 börsenkotierte. Dies entspricht über einem Sechstel aller 220 börsenkotierten Unternehmen der Schweiz. 15 dieser 41 Unternehmen gehören zur Gruppe der 20 grössten Titel, die den Swiss Market Index (SMI) bilden. Die Ergebnisse sollten daher für die Lohnentwicklung in den grössten Schweizer Unternehmen repräsentativ sein. Seit 2012 wird der höchste Lohn eines Konzernleitungsmitglieds (in der Regel des CEOs) mit dem tiefsten im selben Unternehmen bezahlten Lohn verglichen. Bis 2011 wurde der durchschnittliche Lohn der Konzernleitungsmitglieder als Vergleichsgrösse verwendet. Neben der Grösse und Bedeutung wurde bei der Auswahl darauf geachtet, dass es sich um Unternehmen in Branchen handelt, in denen die Unia aktiv ist. Nach Wirtschaftsbranchen verteilen sich die untersuchten Unternehmen wie folgt(N=41): Pharma/Chemie Maschinen-, Metall- und Uhrenindustrie Nahrungsmittelindustrie Bau/Baustoffe Energie Detailhandel Banken und Versicherungen Weitere 6 15 2 4 2 3 6 3 Quellen Die Daten zu Umsatz, EBIT, Gewinn, Beschäftigten und Höchstlohn stammen aus den Geschäftsberichten der Unternehmen. Börsenkotierte Unternehmen müssen ihre Geschäftsberichte öffentlich zugänglich machen. In den meisten Geschäftsberichten wird zwar die Anzahl der Beschäftigten weltweit ausgewiesen, nicht aber jene für die Schweiz. Im Durchschnitt beschäftigen die Unternehmen im Jahr 2015 38'440 Personen, wobei die Streuung sehr gross war. Die Anzahl der Beschäftigten lag zwischen 1'181 (Mikron) und 335'000 (Nestlé). Aus diesem Grund ist die durchschnittliche Lohnschere nach der Anzahl der Beschäftigten gewichtet. Die Daten zu den Tieflöhnen stammen aus Gesamtarbeitsverträgen (GAV), wo solche bestehen, und aus der Publikation „Das Lohnbuch 2015. Mindestlöhne sowie orts- und berufsübliche Löhne in der Schweiz“, herausgegeben vom Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich. In einigen Fällen wurde zudem auf Informationen von Unia-Vertrauensleuten zurückgegriffen. Angepasste Methodik und verbesserte Quellenlage bei den Tieflöhnen Die Methodik zur Erfassung der Tieflöhne sowie die Quellen wurden für das Jahr 2015 grundlegend überarbeitet und systematisiert. Die Differenz zwischen der Lohnschere von 2014 mit 1:128 und von 2015 mit 1:150 ist zu einem grossen Teil den gesunkenen Tieflöhnen geschuldet. Es ist jedoch nicht davon aus zu gehen, dass die effektiven Tieflöhne in diesem Mass zurückgegangen sind. Vielmehr ist der Rückgang Ausdruck davon, dass die Tieflöhne besser erfasst werden können. Aufgrund der angepassten Methodik kann die aktuelle Lohnschere nicht direkt mit jener aus dem Vorjahr verglichen werden. Die verbesserte Quellenlage ist in der MEM-Industrie besonders ausgeprägt, wo der GAV seit Mitte 2013 auch Mindestlöhne festschreibt. Aber auch bei den Banken, in der Uhrenindustrie und bei Valora bestehen neue GAV oder solche, die bisher nicht beachtet wurden. Darüber hinaus werden die Resultate der jährlichen Lohnverhandlungen nicht mehr berücksichtigt, da von diesen nur bestehende MitarbeiterInnen profitieren. Auf die Tief- bzw. Mindestlöhne bei Neueinstellungen haben die Lohnverhandlungen keinen Einfluss.
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