EZB Klage Lucian1 - Fleser Pharma GmbH

Fleser Pharma GmbH
Berlin, den 13. Juni 2016
Wiclefstr. 16-17
D-10551 Berlin
Europäischer Gerichtshof (EuGH)
Kanzlei des Gerichtshofs
Rue du Fort Niedergrünewald
L-2925 Luxemburg
Klageschrift
Die Firma Fleser Pharma GmbH (nachfolgend „Fleser Pharma“), Wiclefstr. 16-17, D-10551 Berlin, vertreten durch Lucian Fleser (Geschäftsführer) erhebt Klage gegen die Europäische Zentralbank (EZB),
Sonnemannstraße 20, 60314 Frankfurt am Main, vertreten durch den Präsidenten Mario Draghi wegen des beschlossenen "Corporate Sector Purchase Programme" (CSPP), Kaufprogramm von Unternehmensanleihen
(nachfolgend „das EZB-Programm“ bzw. „der Beschluss“) und beantragt:
Das beschlossene EZB-Programm soll für nichtig erklärt und sofort gestoppt werden.
Das beschlossene EZB-Programm soll mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt werden, zumindest solange, bis die EZB ein objektives, nicht diskriminierendes Kriterium für den Kauf von Unternehmensanleihen
festgelegt hat.
Verfahrenssprache:
Der Kläger wählt deutsch als Verfahrenssprache.
Zulässigkeit der Klage:
Die Klage ist als eine gegen den Beschluss "Corporate Sector Purchase Programme" der Europäischen Zentralbank gerichtete Nichtigkeitsklage zulässig. Die Statthaftigkeit der Klage ergibt sich daraus, dass der Kläger
durch diesen Beschluss direkt betroffen ist. Die Firma Fleser Pharma finanziert sich unter anderem durch Unternehmensanleihen am Kapitalmarkt. Dessen Anleihen wurden durch das EZB-Programm ausgeschlossen.
Durch diese Maßnahme entsteht Fleser Pharma eine direkte und unmittelbare Benachteiligung.
Das EZB-Programm ist gegen die Idee eines freien Marktes, damit verstößt die EZB gegen den in den EU-Verträgen festgeschriebenen Grundsatz eines freien und unverfälschten Wettbewerbs. In seiner jetzigen Form
wird der Mitbewerb von Fleser Pharma durch Ankauf von deren Anleihen subventioniert. Fleser Pharma wird durch diesen Beschluss diskriminiert und es entsteht infolge dieser Maßnahme ein finanzieller Schaden.
Gleichbehandlung von Unternehmen ist eine Rechtspflicht, die durch das EZB-Programm verletzt wird. In den EU-Verträgen ist der Grundsatz niedergeschrieben, dass es in der EU einen „freien und unverfälschten
Wettbewerb“ geben muss. Der ist nicht gegeben, wenn die EZB als EU-Institution großen Konzernen, wie im hier beanstandeten Fall, einen Geldvorteil gewährt. Insofern ist der Kläger als Angegriffener zu betrachten und
daher klagebefugt.
Sachverhalt - Darstellung des Klagegrunds:
Am 10. März 2016 hat die EZB vor dem Hintergrund einer weiterhin niedrigen Inflationsrate erneut ein umfangreiches Paket an geldpolitischen Expansivmaßnahmen geschnürt. Neben der Reduzierung der Leitzinsen um
10 BP (Einlagesatz) bzw. 5 BP (Hauptrefinanzierungs- und Spitzenfinanzierungssatz) wurde auch das Volumen der monatlichen Anleihekäufe überraschend stark von 60 Mrd. EUR auf 80 Mrd. EUR aufgestockt. Um das
Kaufvolumen zu erreichen, werden künftig auch Investmentgrade-Anleihen von Unternehmen aus dem Nicht-Bankensektor erworben. Weitere Details wurden zunächst nicht angekündigt.
Am 21. April 2016 hat die EZB die Details zum Kaufprogramm von Unternehmensanleihen bekanntgegeben: Das Kaufprogramm für Firmenanleihen läuft unter dem Namen "Corporate Sector Purchase
Programme" (CSPP). Ab Juni 2016 beginnt die EZB „Non-Financial“ zu kaufen, also Anleihen von Nichtbanken, die ein „investment-Grade“ Rating aufweisen. Die Anleihen müssen von einer der vier Ratingagenturen
mindestens mit der Note BBB bewertet sein. Weiter muss der Emittent der Anleihe aus dem Euroraum kommen und die Anleihen müssen auf Euro lauten. Auch Anleihen von Unternehmen, deren Mutterkonzern
außerhalb des Euroraums sitzt, können gekauft werden, wenn sich dieser Sitz in einem der G10 Länder befindet. Anleihen von Banken und Unternehmen mit Banklizenz werden nicht gekauft. Die gekauften Anleihen
können Restlaufzeiten zwischen 6 Monaten und 30 Jahren haben. Bis zu 70 % des Gesamtvolumens einer Anleiheemission kann die EZB kaufen. Gekauft wird sowohl im freien Handel, im so genannten Sekundärmarkt,
als auch direkt bei der Emission von neuen Papieren, dem so genannten Primärmarkt.
Der Kauf von Unternehmensanleihen soll zum gesamten EZB-Ankaufsziel von 80 Milliarden Euro pro Monat beitragen. Insgesamt kommen Bonds im Wert von circa 800 Milliarden Euro für das Kaufprogramm infrage.
In der Regel und zu 87 % sind das Anleihen von großen Konzernen, wie die des DAX-30. Zum angestrebten Kaufvolumen, einem Schlüssel der geplanten Käufe hinsichtlich Ländern oder Branchen äußerte sich die EZB
nicht.
Fleser Pharma ist ein inhabergeführtes KMU aus der Pharmabranche. Fleser Pharma konkurriert direkt mit Unternehmen wie der Bayer AG, Renkitt Benkiser und anderen potentiellen Kandidaten des EZB-Programms.
Fleser Pharma finanziert sich unter anderem auch durch Unternehmensanleihen am Finanzmarkt. Von der Entscheidung der EZB, Unternehmensanleihen zu kaufen, ist Fleser Pharma unmittelbar betroffen. Die
Klagebefugnis ergibt sich aus der Wettbewerbsverzerrung, die aus dem Beschluss des EU-Organs (hier EZB) resultiert:
Durch den Beschluss wird Fleser Pharma als solche und deren Wettbewerbsposition erheblich geschwächt und der Mitbewerb hingegen begünstigt. Die direkte monetäre Subventionierung der durch den Beschluss
begünstigten Unternehmen zeigt sich insbesondere in folgenden Effekten:
Die begünstigten Unternehmen sparen erhebliche Finanzierungskosten durch niedrigere Zinsen. Als direkte Folge dieser Maßnahme ist die Anleiherendite der Bayer AG bereits gefallen, bei Fleser Pharma hingegen nicht.
Die Emission einer Anleihe führt zu Emissionskosten, die bis zu 25 % des gesamten Emissionsvolumens ausmachen können. Durch den Beschluss kommen die begünstigten Unternehmen weiterhin in den Genuss, dass
für bis zu 70 % ihres Emissionsvolumens (die maximale Größe eines Kaufs durch die EZB) praktisch keine Emissions-(Vertriebs-)kosten anfallen.
Dass die EZB Unternehmensanleihen von Bayer oder anderen Pharmaunternehmen kauft, nicht aber Unternehmensanleihen von Fleser Pharma, verschafft Fleser Pharma so in der Finanzierung Nachteile und den
Konkurrenten zugleich einen Wettbewerbsvorteil. Dies ist eine direkte und unmittelbare monetäre Benachteiligung durch den Beschluss.
Konkret bedeutet das für Fleser Pharma: Um die erforderliche Finanzierung weiterhin durch Anleihen decken zu können, muss mehr in Marketing und Vertrieb investiert werden. Direkte Mitbewerber, wie z.B. Bayer oder
Reckitt Benchiser, haben diesen Aufwand dank des EZB-Programms nicht bzw. nicht mehr in diesem Umfang, denn sie verkaufen ihre Anleihen direkt an die EZB. Entsprechend geringer werden deren Kosten.
Da das Geld für die Anleihekäufe letztlich Steuergelder (bzw. durch den Steuerzahler verbürgt) sind, bedeutet dies, dass die Steuerzahler das wirtschaftliche Wohl von letztlichen Privateigentümern subventionieren, wie
z.B. konkret der Familie Piech und Porsche beim Kauf von VW-Anleihen, der Familie Quandt beim Kauf vom BMW-Anleihen, der Familie Reimann beim Kauf von Reckitt Benchiser Anleihen und so weiter. Umgekehrt
bedeutet das für Fleser Pharma und deren Eigentümer als Steuerzahler zum einen die Subventionierung eines Konkurrenten beim Kauf durch die EZB wie vorstehend beschrieben und zusätzlich im Falle eines
Zahlungsausfalls zum anderen indirekt eine Mithaftung für dieses finanzielle Engagement.
Weitere Klagegründe / Verletzungen der allgemeinen Grundsätze:
Der Kauf von Unternehmensanleihen verstößt gegen das Verbot der monetären Privatfinanzierung. Die Verträge über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und der EZB verbieten diese Praxis ausdrücklich.
Durch diesen Beschluss verzerrt die EZB den EU-Wettbewerb und benachteiligt kleine und mittlere Unternehmen zugunsten der großen und finanzstarken Unternehmen. Gleichbehandlung ist Rechtspflicht, gerade für eine
EU Institution. Der Beschluss ist eine verdeckte Unternehmensfinanzierung - eine Subventionierung von Großunternehmen mit Steuergeldern. Die EZB sollte eine Geldpolitik betreiben, die allen Unternehmen der
Eurozone gleichermaßen nutzt und nicht Einzelunternehmen bevorzugen.
Die EZB Kredite waren ursprünglich nur als kurzfristige Hilfe für illiquide Banken oder Staaten mit vorübergehenden Schwierigkeiten, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren, wie z.B. Griechenland, Portugal, Irland
gedacht. Unternehmen mit Bonitäten A und B hingegen, deren Anleihen die EZB kauft, sind weder illiquid, noch haben sie finanzielle Probleme. Sie müssen nicht gerettet werden. Ein Kauf von Anleihen dieser Unterneh
men beeinträchtigt das Gleichgewicht am Markt, stellt einen unerlaubten Eingriff der Politik in das Privatunternehmertum dar und diskriminiert KMU sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene.
Weil kleine EU-Mitgliedsstaaten, vor allem jedoch die ost- und südeuropäischen EU-Staaten nicht Sitz solcher soliden Unternehmen mit einer Bonität von A und B sind, stellt der Beschluss implizit auch eine
Diskriminierung dieser EU-Mitgliedsstaaten dar. Das Programm überschreitet die währungspolitischen Befugnisse der EZB und verstößt gegen das Verbot der Finanzierung von Privatunternehmen.
Die EZB ist nicht berechtigt, in die private freie Marktwirtschaft einzugreifen; die EZB kann nicht gleichzeitig Durchsetzer und Kontrolleur des Marktes sein. Für diese Maßnahme fehlt der EZB die politische und
demokratische Legitimation. Die EZB darf keine eigene Wirtschaftspolitik betreiben.
Die Transparenz in diesem Verfahren ist nicht sichergestellt. Im Gegensatz zum Ankauf von Staatsanleihen gibt es keinerlei bekannt gegebene Kriterien für den Kauf von Unternehmensanleihen:
•
keine Branchen und -quoten,
•
keine Länder und -quoten.
Zwar ist bekannt, welche Notenbanken die Papiere kaufen sollen: Zum Kreis der sechs Käufer gehört unter anderem die Deutsche Bundesbank. Allerdings existiert noch kein fester Algorithmus, nachdem die Käufe
abgewickelt werden.
Der Beschluss bewirkt, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen de facto abgeschafft werden. Hinzu kommt eine Ungleichbehandlung von europäischen und nichteuropäischen Firmen, von kleinen und
großen sowie reichen und armen EU Staaten bzw. deren Unternehmen. Die auf dem EU-Markt im Wettbewerb miteinander stehenden Unternehmen werden differenziert behandelt.
Begünstigte EU-Unternehmen erhalten gegenüber Nicht-EU-Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, genauso wie große und kapitalstarke (West-)EU-Unternehmen im Norden gegenüber kleineren und kapitalschwachen
EU-Unternehmen im Süden. Die EU als Investitionsplatz nimmt infolge Schaden. Gleiche Wettbewerbsbedingungen sind somit nicht sichergestellt und es drohen enorme Verzerrungen. Erste Anzeichen dafür lassen sich
bereits seit der Ankündigung des Beschlusses im März 2016 beobachten:
Die Anleihe-Emissionen der europäischen Unternehmen haben zuletzt Rekordwerte erreicht. In den ersten drei Monaten nach Draghis Ankündigung haben jene Unternehmen, die für das EZB-Programm infrage kommen,
Anleihen im Rekordwert von 83 Milliarden Euro emittiert. Und zwar nicht nur in Europa, sondern auch jenseits des Atlantiks. Dank der großzügigen Regelung der EZB, auch Anleihen von ausländischen Konzernen mit
Töchtern in der Euro-Zone zu kaufen, nutzen gerade amerikanische Firmen die Gunst der Stunde. US-Konzernriesen wie McDonald's haben bereits neue milliardenschwere Anleihen aufgelegt, und auch der Versiche
rungskonzern IAG plant, das zu tun. Dies wirft die Frage auf, warum mithilfe von EU-Geldern ausländische Konzerne unterstützt werden sollen bei gleichzeitiger Haftung der EU-Stuerzahler im Falle deren Insolvenz.
Diskriminierung:
Durch diese Maßnahme werden in der EU auf Staats-und Branchenebene Wettbewerbsnachteile durch „Investment-Subventionen“ geschaffen.
Da die EZB für den Kauf von Unternehmensanleihen keine prinzipiellen Kaufschlüssel angekündigt hat (weder Volumen, Kapitalschlüssel der Notenbanken, noch Länder oder Branchenquoten) ist zu vermuten, dass der
ganze Kauf auf „Gutdünken“ der EZB verlaufen wird. Sollte die EZB, wie angekündigt, nur auf das Rating achten, dann werden die ohnehin kapitalstarken, kerngesunden Unternehmen subventioniert, wobei erhebliche
Wettbewerbsnachteile für andere Unternehmen entstehen.
Da die meisten Unternehmen mit guter Bonität in Ländern wie Deutschland, Österreich, Niederlande, Finnland und Schweden angesiedelt sind, entsteht gegenüber Unternehmen, die in der Süd-EU ansässig sind (Italien,
Spanien, Griechenland) oder in kleinen EU-Staaten eine besonders starke Benachteiligung. Mehr als 50 % der EU-Staaten bzw. deren Unternehmen sind von dieser Subvention ausgeschlossen. Aber sie haften mit: Anders
als bei Staatsanleihen, bei denen die Euro-Mitglieder lediglich für 20 % der Käufe gemeinschaftlich haften würden, müssten sie bei den Unternehmensanleihen voll ins Risiko gehen und für alle Käufe haften.
Weiterhin besteht eine Wettbewerbsbeeinträchtigung auf Branchenebene: Da keine Branchenschlüssel angegeben sind, außer der Bestätigung, dass keine Unternehmensbonds von Banken gekauft werden, ist zu vermuten,
dass durch den Kauf von Unternehmensanleihen verschiedene Branchen und bestimmte EU-Mitgliedsstaaten benachteiligt werden. Unternehmen aus Branchen mit kleinen Ausfallraten und entsprechend gutem Rating, wie
Pharma, Chemie, Gesundheit, Grundstoffe, Konsumgüter und Einzelhandel werden durch diese Maßnahme subventioniert.
Unternehmen aus Branchen mit schlechter Bonität, die Schwierigkeiten haben, ein gutes Rating zu erzielen, allein aus dem Grund, dass sie zu einer speziellen Branche gehören, wie z.B. Verkehr/Logistik, Baugewerbe,
Großhandel und Dienstleistungen, werden hier schlechter gestellt, wobei der Grundsatz der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs zwischen Unternehmen aus verschiedenen Branchen verletzt wird. Zudem bedienen
sich nicht alle Branchen in gleichem Maße des Kapitalmarktes. In Frankreich etwa dominieren vor allem die Versorger. In Deutschland sind besonders Automobilunternehmen präsent. Für die EZB dürfte es somit schwer
werden, als Käufer neutral zu bleiben.
Da Unternehmen aus Branchen mit gutem Rating zu 75 % in den nördlichen EU-Mitgliedsstaaten angesiedelt sind, also in Deutschland, Österreich, Finnland, Schweden und den Niederlanden, würden die Subventionie
rungseffekte der EZB in erster Linie auf diese Staaten verteilt werden bzw. der Wettbewerb auf Unternehmensebene die Süd-EU-Mitgliedsstaaten und kleinere EU-Mitgliedsstaaten stark benachteiligen. Praktisch gesehen
sind vom positiven Effekt des Beschlusses 10 EU-Länder, respektive Unternehmen aus diesen Länder ausgeschlossen, da es dort keine solchen Unternehmen gibt, die die Kriterien für das EZB-Programm erfüllen. Dies
betrifft Estland, Griechenland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Portugal, Slowakei, Slowenien und Zypern.
Das EZB-Programm ist damit nicht nur eine verdeckte Subventionierung, sondern auch eine Wettbewerbsbenachteiligung von Unternehmen und Staaten. Fairer Wettbewerb wird somit sowohl auf Unternehmens-,
Branchen- als auch auf nationaler Ebene stark eingeschränkt – einige werden begünstigt, andere hingegen benachteiligt.
Viele Unternehmen aus kleineren EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere aus Süd- und Osteuropa, haben bis heute nicht den Zugang zum Kapitalmarkt geschafft. Entweder haben sie aufgrund ihrer Größe und/oder der
niedrigen Kaufkraft ihres Landes kein „Investment-Grade“ geschafft oder haben aufgrund der hierfür erforderlichen hohen Kosten, mangelnden Know-hows, schwacher Finanzkraft oder späten Beitritts ihres Landes in
die EU keine börsennotierten Anleihen. Die EZB wird aber nur Unternehmensanleihen kaufen, die börsennotiert sind. Der Beschluss schließt automatisch sämtliche nicht börsennotierten Unternehmen aus, ganz gleich in
welchem EU-Mitgliedsstaat sie ihren Sitz haben. Das hat einen diskriminierenden Charakter und widerspricht dem freien Markt und dem fairen Wettbewerb in der EU. Sie macht es z.B. möglich, dass ein sehr starkes
Unternehmen, wie die Deutsche Telekom AG nach Ankündigung des Beschlusses ihre Anleiheemission von 2,5 auf 4,5 Mrd. aufgestockt hat. Dadurch kann die Deutsche Telekom ihre direkte Konkurrenz, die keinen
Zugang zum EU-Kapitalmarkt hat, problemlos mit EU-Geldern übernehmen und den Wettbewerb weiter einschränken. Beispiele wären Lettelecom aus Lettland oder Telekom Slovenije, die keine Zugang zur EUKapitalmarkt haben.
Bei den Staatsanleihen, die die EZB bisher in ihre Bücher nimmt, werden die Titel gemäß dem Kapitalschlüssel der 19 Euro-Notenbanken gekauft. Bei den Unternehmensanleihen scheint diese Regel nicht möglich. Denn
die Papiere sind innerhalb Europas extrem ungleich verteilt. Vor allem französische Konzerne verschulden sich über den Kapitalmarkt, und so ist ein Drittel aller für die EZB-Käufe verfügbaren Anleihen französischen
Ursprungs. Im EZB-Firmenanleiheuniversum macht Deutschland gerade einmal zwölf Prozent aus.
Der hohe Anteil der Niederlande am Bond-Markt ist mit 27 % im Vergleich zum Kapitalschlüssel von 6 % extrem hoch. Gegenüber Italien, das nur ca. 4 - 5 % Anteil am EU-Bond-Markt hat, hier verschulden sich nur
wenige Firmen am Kapitalmarkt, ist das eine ungerechte Behandlung, die große Nachteile für die italienische Wirtschaft mit sich bringt.
Offen ist bisher, wie die EZB das Programm umsetzen will, ohne einzelne Länder über die Maßen zu bevorzugen bzw. andere zu benachteiligen. Es ist nicht Aufgabe der EZB, Mikromanagement zu betreiben. Die EZB
betreibt mit dieser Maßnahme sogar Industriepolitik.
Auch die Fragen, welche Anleihen gekauft werden und welche der sechs Käufer-Notenbanken sie jeweils in ihre Bücher nehmen wird, sind noch nicht beantwortet. Konflikte drohen etwa, falls beispielsweise die
Bundesbank beim Kauf von Automobil-Anleihen die Papiere einzelner Konzerne bevorzugen sollte. Die Währungshüter stünden dann schnell in Verdacht, unfaire finanzielle Subventionen zu vergeben und damit eine Art
europäische Industriepolitik zu betreiben. So werden Konzerne mit Zentralbank-Geld finanziert, Unternehmensschuldengarantien gehören nicht zum geldpolitischen Instrumentarium einer unabhängigen Zentralbank.
Mehrere Gruppen von Unternehmen bleiben weitgehend außen vor: Der deutsche oder italienische Mittelstand, der das Gros der Jobs in diesen Volkswirtschaften ausmacht, finanziert sich eher über Banken als über den
Kapitalmarkt und profitiert damit nicht von dieser Maßnahme.
Die EZB will Anleihen zu 50 % auf dem Primärmarkt (neue emittierte Anleihen) und zu 50 % auf dem Sekundärmarkt (Anleihen, die bereits am Kapitalmarkt gelistet und handelbar sind) kaufen. Der Primärmarkt ist
derzeit schwer einschätzbar, im Sekundärmarkt haben wir aber einen relativ klaren Blick:
Insgesamt haben in der EU derzeit Anleihen mit Investment Grade Rating ein Volumen von 435 Milliarden EUR. Der größte Anteil von 147 Milliarden entfällt auf französische Unternehmen, es folgen deutsche mit 105
Milliarden. Insgesamt haben die Anleihen von Unternehmen aus diesen beiden Staaten ein Gesamtmarktvolumen von ca. 60 %. Deutschland verfügt jedoch nur über ca. 18 % der Anteile am EZB-Kapital, Frankreich nur
ca.14,2 %. Auf beide Staaten entfallen somit zusammen ca. 32,2 % des EZB-Kapitals. Die EZB wird jedoch etwa 60 % ihres für den Unternehmensanleihekauf bestimmten Kapitals in Anleihen dieser beiden
Mitgliedsstaaten investieren. Andere Unternehmen aus Staaten wie z.B. Slowenien, Malta, Griechenland, Litauen, Slowakei, Lettland und Portugal bekommen von dieser Maßnahme nichts, entweder weil sie kaum
Großunternehmen und Unternehmen mit Investment Grade haben oder Unternehmen, die am Kapitalmarkt gelistet sind bzw. sich durch Anleihen finanzieren, obwohl diese Staaten zusammen mehr als 6 % des Kapitals
der EZB halten. Das ist diskriminierend, sowohl gegenüber diesen EU-Staaten, als auch gegenüber den Unternehmen aus diesen Staaten.
Beim Kauf der Unternehmensanleihen auf dem Sekundärmarkt entsteht zudem folgendes Risiko: Händler schauen bereits jetzt, wo sie am Markt für Unternehmensanleihen günstig einsteigen können, um sich für einen
teureren Weiterverkauf an die EZB zu positionieren. Ein Beispiel, wie schnell sich der Markt derzeit auf den Beschluss der EZB einstellt: Die Risikoprämien im iTraxx Europe für Non Financials (also
Unternehmensanleihen ohne die Finanzbranche) gingen nach der EZB-Entscheidung um 20 Punkte zurück auf 68. Marktteilnehmer wollen quasi die Papiere jetzt schon einkaufen und halten, mit dem Kalkül, sie demnächst
teurer an die EZB weiterverkaufen zu können – denn die will und muss ja kaufen. Ein überteuerter Kauf durch die EZB wird damit letztlich durch die europäischen Steuerzahler über die EZB-Bilanz finanziert.
Mit diesem Beschluss beschädigt die EZB sowohl die Banken, als auch den freien Kapitalmarkt durch einen direkten Eingriff in ihr traditionelles Geschäft: Unternehmensfinanzierung und Anleihehandel. Durch den EZBKauf wird der Kurs der Anleihen künstlich in die Höhe getrieben, was nicht für einen freien Markt spricht und nicht die tatsächliche wirtschaftliche Lage der betreffenden Unternehmen reflektiert. Die Investoren werden
getäuscht, Spekulanten unterstützt. Mehr Transparenz wäre da hilfreich. Wenn die EZB bis zu 70 % einer Emission für sich beansprucht, ist kein liquider Markt mehr möglich. In den neun Monaten, die das
Kaufprogramm vermutlich laufen wird, könnte die EZB demnach Schuldtitel von bis zu 90 Milliarden Euro aufkaufen. Bislang ist der Markt noch relativ klein, die Deutsche Bank taxiert ihn auf gut 700 Milliarden Euro.
Die EZB würde dann also rund 13 % des gesamten Marktes in ihren Büchern halten.
Die Strategien und Motive der einzelnen Notenbanken in Bezug auf ihre Unternehmensanleihekäufe werden kaum nachvollziehbar sein. Ohne Souveranität und Risikoteilung kann die Währungsunion, respektive die EZB
als ihre Verwaltungsinstitution, nicht funktionieren. Durch diese Maßnahme wird zwar das Risiko, das aus einem Anleiheausfall resultiert, auf alle EU-Staaten aufgeteilt, die Kapitalanteile an der EZB halten, souverän sind
die EZB-Mitgliedsstaaten aber nicht, weil nicht alle von der Hilfsmaßnahme der EZB gleichermaßen profitieren. Die EZB diktiert hier die Konditionen nach ihrem eigenen Gutdünken.
Ein weiterer Aspekt, der zumindest der Vollständigkeit halber mit erwähnt werden muss, wäre ein Szenario, wo eines oder mehrere EU-Mitgliedsstaaten diese wieder verlassen und/oder zu eigenen Währungen
zurückkehren: Hier könnten infolge möglicher Zinserhöhungen und/oder Bonitätsverschlechterung der Unternehmen im Zuge eines solchen Szenarios massivste Kursverluste drohen. Es gibt bislang weder Aussagen
darüber, wie derartige Verluste bei der EZB bilanziert werden könnten oder sollten, noch darüber, ob und in welchem Umfang die verbliebenen EZB-Mitgliedsstaaten hier ggf. nachschusspflichtig wären.
Fleser Pharma möchte daher die Grenze des Mandats der EZB in Bezug auf den Kauf von Unternehmensanleihen durch den EUGH klären lassen. Außerdem beantragt Fleser Pharma, dass das Gericht die Nichtigkeit des
EZB-Beschlusses aus den vorstehend erläuterten Gründen feststellt und die Unternehmensanleihekäufe durch die EZB verbietet bzw. das EZB-Programm solange stoppt, bis die EZB die Kriterien für die Anleihekäufe
entsprechend der gesetzlichen Vorgaben neu definiert. Die Richtlinien, nach denen die Anleihekäufe getätigt werden, müssen angepasst werden. Hierzu ist eine Schlüsselung der Käufe nach EU-Ländern entsprechend des
EZB-Kapitalanteils pro EU-Land und eine Schlüsselung der Käufe nach Branchen entsprechend des wirtschaftlichen Gewichts der Branche in der EU-Bruttowertschöpfung vorzunehmen.
Durch die Festlegung von neuen, klaren Kriterien bezüglich der Unternehmensanleihekäufe kann die dem EZB-Programm gegenwärtig innewohnende Diskriminierung beseitigt werden. Eine Kaufschlüsselung nach
Ländern (z.B. entsprechend deren EZB-Kapitalanteilen) und nach Unternehmen (entsprechend der Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit) ist dringend geboten, damit von dieser Maßnahme alle EU-Länder bzw.
Unternehmen aus allen EU-Ländern und aus allen Branchen profitieren. Diese Ungerechtigkeit muss die EZB durch die Festlegung neuer Kriterien beseitigen.
Berlin, den 13. Juni 2016
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Fleser Pharma GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Lucian Fleser