Bollywoods selbstbewusste Frauen 7 Göttinnen

Kino
NUMMER 137
Verstörende
Nachbarin
Film-Geflüster
Hilary Swank mit Daniel
Craig in Soderbergh-Film
Kino radikal: „Schau
mich nicht so an“
Die zweifache Oscar-Preisträgerin
Hilary Swank, 41 („Million Dollar
Baby“, „Boys Don’t Cry“) soll
„Bond“-Darsteller Daniel Craig in
dem Gauner-Streifen „Logan
Lucky“ zur Seite stehen. Wie das
Branchenportal Deadline.com berichtet, stößt Swank zu der Starbesetzung für das neue Projekt von
Regisseur Steven Soderbergh.
Darin ist Craig zusammen mit
Channing Tatum, Katherine Heigl
und Adam Driver an Bord. Der
Film spielt im Rennfahrermilieu,
Soderbergh will auf dem Charlotte
Motor Speedway im US-Staat
North Carolina filmen.
VON FRED DURAN
Suzanne von Borsody will
bei Harry Potter mitspielen
Schauspielerin Suzanne von Borsody, 58 („Jahrestage“) möchte gern
in einem „Harry Potter“-Film mitspielen. „Das wäre toll. Hauptsache ich wäre dabei, in Hogwarts
natürlich, egal als was“, sagte die
gebürtige Münchnerin der BildZeitung. „Da würde ich sogar ganz
umsonst drehen.“ Sie habe alle sieben Bücher der Reihe um den
Zauberlehrling
verschlungen
und warte nun
sehnsüchtig auf
einen neuen Teil
der Autorin
Joanne K. Rowling. „Harry
Suzanne von Borsody Potter vereint
alle kindlichen
Sehnsüchte. Abenteuer, Zauberei
und Ängste, dass man gegen das
Böse gewinnen kann“, sagte von
Borsody. (dpa)
Unsere Wertungen
* sehr schwach
** mäßig
*** ordentlich
**** sehenswert
***** ausgezeichnet
Sonst noch angelaufen
● Das Talent des Genesis Potini
Seine Leidenschaft fürs Schachspiel musste der alternde Maori
Genesis Potini einer psychischen
Erkrankung opfern. Doch er besiegt
seine Depression und unter der
Obhut seines Bruders Ariki, der einer
kriminellen Biker-Gang angehört,
unterrichtet er unterprivilegierte
Kinder – und beweist, welche Kraft
von dem Denksport ausgehen kann.
James Napier Robertson erzählt
die wahre Geschichte des Schachgenies Potini. (Filmstart in Augsburg)
DONNERSTAG, 16. JUNI 2016
Bevor die indische Karrierefrau Freida (Sarah-Jane Dias) heiratet, erkundet sie nochmals in Ungebundenheit die Schönheit Goas.
Foto: Jungle Book Ent./NFP
Bollywoods selbstbewusste Frauen
7 Göttinnen Sie sind gebildet, machen Karriere, schmieden große Pläne. Doch dann holt sie
Indiens brutale Wirklichkeit wieder ein. Ein Kinoregisseur verliert trotzdem nicht die Hoffnung
VON MARTIN SCHWICKERT
Irgendwo in Bollywood: Joanna
steht im bauchfreien Kostüm vor
der Kamera, wird von Finstermännern bedrängt und soll sich solange,
bis der Held sie rettet, noch ein wenig lasziv rekeln. Aber der Schauspielerin reißt der Geduldsfaden
und mit ein paar Kung-Fu-Schlägen
nimmt sie die Befreiung ihrer Figur
selbst in die Hand. „7 Göttinnen“
heißt im Original sehr viel treffender „Angry Indian Goddesses“.
Denn eines haben die sieben Freundinnen im dritten Spielfilm des indischen Regisseurs Pan Nalin („Samsara“) neben ihrer Schönheit gemeinsam: die Wut auf den alltäglichen Sexismus in ihrem Land.
Gaffereien im Fitnessstudio, zotige Anmache auf der Straße, Pöbeleien während eines Bühnenauftritts,
männliche Inkompetenz am Arbeitsplatz – noch bevor die Titel
eingeblendet werden, zeigt eine rasante Montage, dass sich diese Frauen energisch zu wehren wissen.
Aber dann reißt der Film aus dem
sexistischen Alltag aus und schickt
die Frauen ins paradiesische Goa,
wohin die Fotografin Freida (SarahJane Dias) ihre Freundinnen eingeladen hat. Schon bald stellt sich heraus, dass sie heiraten wird, aber
wer der Bräutigam ist, will Freida
noch nicht verraten. Deshalb wird
erst einmal gefeiert, über alte College-Zeiten palavert, als die jungen
Frauen noch das Gefühl hatten, dass
ihnen die ganze Welt offenstehe und
nichts sie aufhalten könne.
Aber die Euphorie der frühen
Jahre hat sich an der Härte der Verhältnisse abgeschliffen. Pamela
(Pavleen Gujral) war die Beste in ihrem Jahrgang, aber dann hat sie dem
Druck der Familie nachgegeben und
einen reichen Mann geheiratet. Die
Sängerin Madhureeta (Anushka
Manchanda) hat ein Album herausgebracht, das sich nicht verkaufen
will. Als beinharte Geschäftsfrau
weiß sich Suranjana (Sandhya Mridul) in Vorstandssitzungen durchzusetzen, aber die Verbissenheit
nimmt sie auch mit in ihr Privatleben. Die Haushälterin Laxmi
(Rajshri Deshpande) will den Mord
an ihrem Bruder rächen und verzweifelt an der korrupten Justiz.
Nalin verwebt die zunehmend
widersprüchlicher konturierten Figuren zu einem breiten, vielfältigen
Spektrum moderner indischer Frauen, die gegen die althergebrachten
patriarchalen Strukturen ihres Landes ankämpfen. Alle zwanzig Minuten wird in Indien eine Frau vergewaltigt. Gewalt gegen Frauen ist fest
im Alltag verankert, wird mit überkommenen Traditionen gerechtfertigt und von der Justiz oft nur halbherzig verfolgt. Neben den Träumen, Hoffnungen und der Freund-
Inbegriff der modernen jungen Inderin
● Sarah-Jane Dias (*3. Dezember
1982 in Muscat/Oman) ist mit ihren
1,78 m Körpergröße eine markante
Frau. 2007 gewann sie die Wahl zur
Femina Miss India. Als Model wurde sie
schon 2002 in Mumbai entdeckt, als
sie kurz vor Weihnachten zufällig in ein
Fotoshooting lief „und ich wurde
hineingezogen“, erzählt sie auf ihrer
Homepage. Sie selbst stellt sich als
Inbegriff der modernen, unabhängigen
jungen indischen Frau vor. Ihre
Eltern hätten sie stets ermutigt, ihre
Träume zu leben. Sie habe auch
keine Gelegenheit ausgelassen, sich zur
Geltung zu bringen.
● Ihre Filmkarriere begann 2010 mit
einer Hauptrolle in einer tamilischen
romantischen Komödie. Seither drehte
sie an der Seite von Bollywood Stars
wie Pawan Kalyan und Ritssh Deshmukh. Nach „7 Göttinnen“ ist schon
ihr nächster Film „Zubaan“ abgedreht.
● In dem Musikvideo „Never Let You
Go“ trat sie 2006 mit der australischen Rockband „Inxs’s“ auf. (loi)
schaft der Frauen erzählt „7 Göttinnen“ auch von dieser Gewalt, erst
nur aus dem Augenwinkel heraus,
aber dann in seiner dramatischen
Zuspitzung sehr direkt und mit großer emotionaler Wucht.
Was zunächst wie eine indische
Variation von „Brautalarm“ daherkommt, entwickelt sich von einem
kuscheligen Frauenfreundschaftsfilm schließlich zu einer bewegenden Anklage gegen sexuelle Gewalt.
Dabei arbeitet Nalin gezielt mit
Versatzstücken des Bollywood-Kinos angefangen von der Hochzeit,
deren Vorbereitung sich gewohnt
turbulent, aber auf unkonventionelle Weise verkompliziert, bis zu Gesangseinlagen von durchaus sentimentaler Wirkung und Darstellerinnen von hinreißender Schönheit.
Das mag aus westlicher Sicht vielleicht irritieren, hat dem Film aber
in Indien Türen zu einem breiten
Publikum geöffnet. Unter der
scheinbar gefälligen Oberfläche und
der etwas holprigen Dramaturgie
liegt in „7 Göttinnen“ ein genaues
Wissen um die gesellschaftliche
Verankerung sexueller Gewalt genauso wie die Hoffnung, dass eine
neue, selbstbewusste Frauengeneration sich ihre Rechte und Freiheiten
in der modernen indischen Gesellschaft erkämpfen wird.
****
O Filmstart in Augsburg
Sofia findet die Nachbarin cool. Die
Frau raucht und bietet ihr sogar eine
Zigarette an, obwohl Sofia noch in
den Kindergarten geht und doch lieber bei ihrem Lolli bleibt. Sie versteckt sich in der fremden Wohnung. Lässt die Mutter zunehmend
verzweifelt suchen. Nicht lange,
aber lange genug, um die eigene
Macht zu spüren. Das quälende
Versteckspiel ist der Anfang einer
Freundschaft zwischen den beiden
unterschiedlichen Frauen: Iva (Catrina Stemmer), die als alleinerziehende Mutter immer an Rande der
Überlastung steht, und Hedi (Uisenma Borchu), die in ihrem Leben
einfach tut, was ihr gefällt.
Genau wie ihre Tochter ist Iva
fasziniert von der Nachbarin mongolischer Herkunft, deren scheinbar
unerschütterliches Selbstbewusstsein eine magnetische Aura entfaltet. Aus der Freundschaft entsteht
bald eine leidenschaftliche Beziehung zwischen den beiden Frauen,
die sich stets in neuen Machtspielen
verfängt. Hedi holt immer wieder zu
gezielten Verletzungen aus, schafft
Distanz, sobald zu viel Nähe aufkommt, spielt Tochter und Mutter
gegeneinander aus und lässt sich
schließlich sogar auf eine Affäre mit
Ivas Vater (Josef Bierbichler) ein.
Im dokumentarischen Stil mit viel
Raum für Improvisation erzählt
„Schau mich nicht so an“ von den
zerstörerischen Wirkungsmechanismen emotionaler Abhängigkeitsverhältnisse. Regisseurin, Drehbuchautorin, Produzentin und Hauptdarstellerin Uisenma Borchu entwirft in ihrem Spielfilmdebüt
(Bayerischer Filmpreis 2016) eine
bösartige Hauptfigur von radikaler
Individualität. Gezielt verunsichert
sie ihr Publikum mit Auslassungen
und erzählerischen Sprüngen. ***
O Noch nicht angelaufen in der Region
Ivas Vater (Josef Bierbichler) verfällt
Hedi (Uisenma Borchu). Foto: Zorrofilm
Muskelberg und Schlaumeier
Der Dämon im Haus
Central Intelligence Dwayne Johnson und Kevin Hart machen guten Job
Conjuring 2 In der Londoner Vorstadt tobt sich ein Poltergeist aus
Das ungleiche Pärchen, auf Englisch
„odd couple“, ist seit den Urvätern
Stan Laurel und Oliver Hardy immer noch unschlagbar. Jetzt schickt
Regisseur Rawson Marshall Thurber („Wir sind die Millers“) in der
quirligen Spionage-Komödie „Central Intelligence“ den riesigen ExWrestler Dwayne „The Rock“
Johnson zusammen mit dem
schmächtigen, vorlauten Comedian
Kevin Hart in den Ring. Und die
nicht nur aufgrund ihrer Körpergröße sehr ungleichen Helden spielen sich die Bälle gekonnt zu.
Die meisten, nicht immer politisch korrekten Gags zünden, der
hanebüchene Plot um den gestohlenen Code der amerikanischen Raketenabwehr bleibt da nur Nebensache. Die Story beginnt 1996 an der
High School. Da ist Calvin der gefeierte Jahrgangsbeste, während Bob
als moppeliges Dickerchen zum Gespött der Mitschüler wird. Zwanzig
Jahre später hat sich der belächelte
Außenseiter Bob (Dwayne Johnson)
in einen muskulösen CIA-Agenten
verwandelt, während Calvin (Kevin
Hart) als biederer Buchhalter ein
wenig auf der Stelle tritt – sehr zum
Leidwesen seiner Jugendliebe und
Ehefrau Maggie (Danielle Nicolet).
Jetzt benötigt der herzensgute, aber
etwas tumbe Muskelberg Bob das
Computerwissen von Calvin und
zieht das schmächtige Weichei in
eine haarsträubende Spionage-Geschichte hinein mit knallharter Geheimdienst-Chefin (Amy Ryan) und
finsterem Bösewicht (Aaron Paul).
Die verbalen Scharmützel zwischen
Bob und Calvin sind gespickt mit
Seitenhieben. Bis zum erwartbaren
Happy-End macht das explosive,
blendend aufgelegte Duo einen guten Job, und ganz raffiniert lässt uns
das Drehbuch im Unklaren, ob der
hünenhafte Bob wirklich ein Guter
ist oder doch von der dunklen Seite
der Macht kommt.
***
Johannes von der Gathen, dpa
O Filmstart in vielen Kinos der Region
Der sanfte Riese Bob (Dwayne Johnson) wiegt seinen Schützling Calvin (Kevin Hart)
wie ein Baby.
Foto: Warner Bros. Entertainment
Horrorfilme sind immer wieder für
Überraschungen gut an der Kinokasse. „Conjuring – Die Heimsuchung“ spielte beim Start im Juli
2014 in den USA über 40 Millionen
Dollar ein, dabei hatte der Film nur
20 Millionen gekostet. Die Dämonologen Ed und Lorraine Warren
mussten sich um ein verfluchtes
Farmhaus in Rhode Island kümmern. In „Conjuring 2“, wieder von
James Wan („Saw“, „Insidious“,
„Annabelle“) werden die beiden
Experten für paranormale Phänomene – wieder verkörpert von Vera
Farmiga und Patrick Wilson – nach
London gerufen.
Man schreibt das Jahr 1977. Eine
alleinerziehende Mutter und ihre
vier Kinder werden von Dämonen
heimgesucht. Peggy Hodgson hat es
ohnehin nicht leicht, der Mann ist
weg, eines der Kinder stottert, und
von den Wänden des ärmlichen
Hauses bröckelt der Putz – und nun
macht der Poltergeist jede Nacht das
Leben zur Hölle. Er hat es besonders auf die jugendliche Janet abgesehen, bemächtigt sich ihrer Zunge:
„Das ist mein Haus!“
Auch dieser Film greift auf bekannte, im Horror-Genre etablierte
Bilder, Klänge und Stil-Elemente
zurück: Die Schaukel im Garten der
Familie, die sich plötzlich von allein
in Bewegung setzt. Das Spielzeugauto, das ebenso ein Eigenleben entwickelt wie die Fernbedienung des
TV-Geräts. Auch Streicher-Crescendi sorgen als musikalische Flankierung für Gänsehaut. Die Inszenierung aber verzichtet über fast die
komplette Länge des Films genauso
auf billige Schockeffekte wie auch
auf digitale Spielereien. Stattdessen
führt James Wan vor Augen, mit
was für einfachen Mitteln man auch
im 21. Jahrhundert noch für Gruseln
sorgen kann. Mit 133 Minuten ist
„Conjuring 2“ recht lang geraten –
und erstaunlich vielschichtig. ***
Matthias von Viereck, dpa
O Filmstart in vielen Kinos der Region
Ein Poltergeist setzt der jugendlichen Janet Hodgson (Madison Wolfe) in ihrem Londoner Elternhaus jede Nacht zu.
Foto: Warner Bros. Entertainment