Andrea Emmel, Frankfurt hr2-kultur Zuspruch am Morgen / Donnerstag, 16.06.16 Fußball-(Er)Leben „Ein Leben ohne Fußball kann ich mir nicht vorstellen. Ich hoffe, dass man auch im Himmel Fußball spielen kann.“ Dieser Ausspruch stammt vom brasilianischen Ausnahmespieler Pele. Und - würden einige Zuhörer jetzt ergänzen, hoffentlich kann man auch im Himmel Fußballspiele anschauen. Denn viele Menschen gehen gerne zusammen ins Stadion, schauen gemeinsam mit Freunden zuhause die Spiele an oder treffen sich bei einem großen Public-Viewing-Event. Fußball bedeutet Gemeinschaft, und heute Abend können wir diese Gemeinschaft wieder erleben, wenn Deutschland gegen Polen spielt. Was macht diese Faszination aus? Viele Medienfachleute und Kulturwissenschaftler haben das Phänomen FußballLeidenschaft unter die Lupe genommen. Zum einen sind da die starken Rituale. Viele Fans zeigen die Liebe zu ihrem Verein mit Fanschals, Trikots und Caps. Und dann sind da die Fangesänge und liebevollen Choreografien im Stadion. Es gibt unzählige Untersuchungen und Aufsätze über die Nähe von Fanritualen zu religiösen Kulthandlungen. Die Gemeinschaft macht stark und die Rituale schweißen zusammen. Solche Fanrituale finde ich okay, solange Spieler und Fans aus anderen Vereinen nicht herabgewürdigt oder Menschen anderer Hautfarbe nicht diskriminiert werden. Mich fasziniert aber noch eine anderes Phänomen beim gemeinsamen Fußball schauen: nämlich das Erleben und Leben während eines Fußballspiels im Hier und Jetzt. Selten wird so wenig aufs Handy geschaut wie bei einem spannenden Fußballspiel. Der Augenblick zählt, weil man nichts verpassen will. Dann befinden sich sozusagen alle im gleichen Rhythmus, schauen gebannt in eine Richtung, jederzeit bereit für einen Torjubel aufzuspringen. Gemeinsam Fußball zu schauen, bringt uns in einen Takt. Eine polnische Studentin hat zu mir vor kurzem gesagt: „Interessant - viele Deutsche wissen ziemlich genau, wo und mit wem sie die Endspiele der Deutschen Nationalmannschaften geschaut haben.“ Fußball stiftet also Identität. Menschen unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen und verschiedener Hautfarbe liegen sich in den Armen, wenn ihre Mannschaft gewinnt. Und bei großen internationalen Turnieren kann man beobachten: Die Rivalität findet auf dem Rasen statt, aber nach dem Spiel feiern viele Fans aus unterschiedlichen Nationen zusammen ein großes Fest. Dazu passt, was der Apostel Paulus über die christlichen Gemeinschaften geschrieben hat: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Gal, 3, 28f) Alle Menschen sind Geschöpfe Gottes. Ich hoffe, wir können das bei dieser EM auch wieder erleben: Es kommt nicht auf Unterschiede an, sondern auf die Freude am Sport und auf eine friedliche Gemeinschaft.
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