Erfahrungsbericht PJ- Tertial Buenos Aires, Argentinien 2007, Chirurgie Schon damals als ich 2005/2006 in Valencia/ Spanien Erasmus machte, hörte ich von der Möglichkeit über ein Austauschprogramm der Uni ein PJ-Tertial in Buenos Aires zu absolvieren. Die Begeisterung für die spanische Sprache und das Bedürfnis noch weitere Erfahrungen im Ausland zu machen trieben mich, mich für das Austauschprogramm mit Buenos Aires zu bewerben. In einem zweiten Gedankenschritt überlegte ich mir, was mich dort in so einer anderen Kultur erwarten möge und wie die Medizin dort wohl aussehen könne. Während dieser Überlegungen, versuchte ich meine Ziele für dieses PJ-Tertial zu diefinieren: Zunächst wollte ich generell Unterschiede zwischen der argentinischen und der deutschen Gesundheitsversorgung kennenlernen. Darüber hinaus hoffte ich dort viel mithelfen zu können, sei es auf Station oder im OP. Außerdem hoffte ich durch tatkräftiges Mithelfen und engagierte argentinische Ärzte mein fachliches Wissen in der Chirurgie zu erweitern. Nicht zuletzt waren mir ebenso extracurriculäre Erfahrungen wie das Kennenlernen der Leute, deren Mentalität, Stadt und Land sehr wichtig. Als ich in der ersten Woche in der allgemein-chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Ramos Mejía anfing, wurde ich mit neuen Eindrücken geradezu überhäuft. Das Krankenhaus war im Barrio Once lokalisiert, einem eher ärmlichen Bezirk, der in starkem Kontrast zu modernen Stadtteilen wie Recoleta oder Palermo zu sehen war. Dementsprechend kam das Patientenklientel des Krankenhauses eher aus sozial schwächeren Verhältnissen mit geringerem Bildungsniveau. Zudem war das Ramos Mejía ein staatliches Krankenhaus im Vergleich zu anderen privaten Häusern wie dem Hospital Alemán. Patienten der chirurgischen Station lagen in 2 großen Schlafsälen, einem für Männer und einem für Frauen, die je eine Kapazität von ungefähr 20 Betten hatten. Von den Krankheitsbildern dominierten Gallensteine und akute Gallenblasenentzündungen mit schätzungsweise 50% der hospitalisierten Patienten. Einige Patienten klagten über scheinbar unendliche Hospitalisationszeiten aufgrund überfüllter OP-Pläne und mangelnder Kapazitäten. Man merkte oft, dass es den Ärzten nicht an Know- How fehlte, wohl aber an Mitteln, um dieses Know- How perfekt umzusetzen. Eine Sache, die mich faszinierte, war, dass die Ärzte aufgrund dieser Begebenheit Meister der Improvisation waren und sich somit trotz mangelnder finanzieller Mittel immer zu helfen wussten und Patienten auch ohne die konventionellen Methoden, die wir in Deutschland kennenlernen und praktizieren, gut behandelt wurden. Ich denke z.B. an einige Situationen zurück als wir morgens um kurz nach sechs auf Station waren, um den Ärzten bei der Patientenversorgung zu helfen. Offene Wunden wurden mit Zucker übergossen, was ich bis dato noch nie gesehen hatte. Auf die Frage der Wirksamkeit und des Wirkmechanismus wurde uns geantwortet, dass es sehr wohl sehr gute Wirksamkeit zeige und wie ein natürliches Antibiotikum wirke. So applizierte ich dort zum ersten mal Zucker auf eine offene Wunde. Aber auch in anderen Bereichen wurde improvisiert: An Stelle des Stauschlauches wurden Gummihandschuhe benutzt und Rissquetschwunden wurden oft nur mit einer Kanüle durch die ein Faden gezogen wurde genäht. Sets, die eine Nadel, Nadelhalter, Pinzette und so weiter beinhalteten seien zu teuer. Hin und wieder huschte einem beim Gang über den Flur eine Katze über den Weg. Nach einer Zeit trauten wir uns zu fragen, ob man es nicht als unhygienisch ansah. Die Antwort lag förmlich auf der Hand: Katzen waren dazu da, Mäuse und Ratten zu fangen und somit „Hygiene zu wahren“. Patienten habe ich als sehr herzlich und freundlich erlebt. Sie waren stets sehr interessiert, wenn sie erfuhren, dass wir Studenten aus Deutschland waren, die extra gekommen waren, um Medizin in Argentinien zu praktizieren. Nach einem ersten Augenblick der Ungläubigkeit und des Staunens fingen sie an, uns enthusiastisch über ihre Vorfahren aus Europa zu erzählen. Mein Ziel, dort im Krankenhaus behilflich zu sein, hat sich leider nicht erfüllt. Leider erfüllte mich all zu oft das Gefühl überflüssig zu sein und mehr eine Bürde als eine Hilfe darzustellen. Grund dafür suche ich im System und der Organisation dieses Krankenhauses. Verantwortlich für die komplette Patientenversorgung, sind die Residentes, die unseren Assistenzärzten entsprechen. Die Patientenversorgung findet morgens ab 6 Uhr vor der Morgenvisite statt, so dass man wenn man überhaupt etwas machen will, möglichst um 6 Uhr dort sein sollte. Nach der Morgenvisite geht es dann für die Residentes in den OP. Da es verhältnismäßig viel zu viele Residentes gibt und zu wenige OPs, kommt noch nicht mal jeder Residente zum regelmäßigen operieren. Dass dann mal ein Student an den Tisch darf, ist dementsprechend um so unwahrscheinlicher. Unsere Haupttätigkeit beschränkte sich insofern auf das Beobachten, was der Motivation und dem Lernerfolg etwas entgegenwirkte. Zwar muss man sagen, dass sich der Chef der Lehre immer mehr dafür einsetzte, dass Studenten wirklich tätig waren und etwas lernten. Das System war aber bei weitem noch nicht ausgereift und es muss meiner Ansicht nach mehr Kommunikation zwischen dem Chef der Lehre und den deutschen Studenten stattfinden. Oft hatte ich das Gefühl, dass seine Bemühungen einfach nicht transparent waren und wir gar nicht wussten, was er schon wieder alles beschlossen hatte und wenn dann erfuhren wir es immer nur über dritte. Mein Ziel fachlich von der Ärzten etwas beigebracht zu bekommen, musste ich nach einer Zeit redefinieren. Es stand nicht so sehr der Erwerb fachlichen Wissens im Vordergrund, viel wichtiger war es zu lernen mit gewissen unbekannten Situation umzugehen und sich in einem fremden System zurechtzufinden. Das fachliche Wissen mussten wir uns selber aneignen, für die sonstigen wertvollen Erfahrungen, sei es auf Guardias, auf Station oder im OP, bin ich sehr dankbar. Neben dem Krankenhausalltag sollten hier auch noch kurz Freizeiterfahrungen erwähnt werden. Gewohnt habe ich mit 2 Freunden in dem Stadtteil Recoleta in einem schönen Apartment direkt neben dem Krankenhaus Rivadavia. Neben den typischen turistischen Attraktionen, die Buenos Aires zu bieten hat, sind wir in die urbane Stadtkultur eingetaucht und haben einige nette Leute kennengelernt, sowohl Argentinier als auch andere Ausländer. Wie auch schon in Valencia war es wieder unheimlich interessant Menschen mit so unterschiedlichen kulturellen Hintergründen kennenzulernen und mit ihnen Meinungen und Ideen auszutauschen. Diese Erfahrungen konnten wir auf Reisen an Wochenenden oder am Ende unseres Tertials noch um so mehr vertiefen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich meine Zeit in Buenos Aires als sehr wertvoll bewerte und um jede positive und auch negative Erfahrung dankbar bin. Die Zeit hat einmal mehr dazu beigetragen meinen Horizont und mein Erfahrungsspektrum zu erweitern.
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