Buenos Aires 2015 PJ 01

Erfahrungsbericht PJ Tertial Chirurgie, Instituto de Investigaciónes Medicas Alfredo Lanari,
Universidad de Buenos Aires, 07.09.2015 – 30.11.2015
1. Organisation im Vorfeld
Die Bewerbung erfolgte beim ZIBMed, nach Annahme durch die UBA hatte ich eigentlich
direkten Kontakt mit dem Büro für internationale Beziehungen in Buenos Aires. Die
Kommunikation per Mail verlief weitestgehend unkompliziert und prompt. Einige Unterlagen
müssen im Vorfeld eingereicht werden (Anträge, Impfbescheinigung,
Betriebsarztuntersuchung, etc.), außerdem wird ein Sprachnachweis Spanisch (min. B2
Niveau) verlangt. Im Sprachlabor der Uni Köln kann man unkompliziert und umsonst einen
DAAD Sprachnachweis bekommen.
2. Wohnungssuche
Die meisten argentinischen Studierenden leben noch bei ihren Eltern, weshalb es wesentlich
weniger WG-Angebote in Buenos Aires gibt als bei uns. Die meisten WGs sind ziemlich groß
(oft komplette Häuser) und es leben viele ausländische Studierende dort.
Am besten sucht man vor Ort, wir haben die ersten paar Tage in einem AirBnB gewohnt und
von dort aus über craigslist (Link siehe unten) Angebote herausgesucht und diese
anschließend besucht. Es gibt eigentlich immer viele und sehr aktuelle Angebote, sodass man
auf diese Art recht unkompliziert schnell eine Wohnung finden kann. Die Studenten-Viertel
zum Wohnen sind vor allem Palermo und San Telmo, wobei San Telmo nachts nicht so sicher
sein soll. Ich habe in Palermo Soho in der Nähe des Plaza Armenia gewohnt und fand diese
Gegend sehr schön!
Viele Zimmer werden ziemlich überteuert und in Euro oder Dollar vermietet, billiger wird es,
wenn man seine Miete in Pesos bezahlen kann.
3. Kosten
Als “Freemover” fallen Studiengebühren in Höhe von 2000$ pro Monat, welche an die UBA
zu zahlen sind, an. Sollte man einen Platz des ZIBMed bekommen, fällt diese Gebühr weg. Ein
Flug nach Buenos Aires kostet 750-1150 Euro. Die Mietpreise in den sichereren und
angesagten Vierteln für ein Einzelzimmer in einer WG sind mit den derzeitigen Mietpreisen in
Köln zu vergleichen.
4. Fachkenntnisse und Betreuung vor Ort
Der betreuende Oberarzt vor Ort ist Dr. Bou, der plastische Chirurg der Klinik. Er hat einige
Ansprüche an die PJler und möchte, dass diese wie Assistenzärzte mitarbeiten. Außerdem
legt er großen Wert darauf, dass man seine Sprechstunden immer mitmacht und auch bei
allen OPs der plastischen Chirurgie (immer mittwochs vormittags) im OP anwesend ist. Ab
und zu hält er eine kurze Unterrichtseinheit (meist über Techniken von Lappenplastiken).
Außerdem ist es obligat, eine ca. 15-minütige Präsentation darüber zu halten, wie ein
Medizinstudium im Heimatland abläuft. Bei Interesse nimmt er einen auch gerne mal zu OPs
in Privatkliniken am Nachmittag mit.
5. Krankenhaus
Das „Hospital Lanari“, wie es auch genannt wird, ist ein öffentliches, an die UBA
angebundenes Krankenhaus und liegt etwas außerhalb von Villa Crespo. Die Gegend ist
tagsüber sicher, nachts sollte man hier aber nicht alleine herumlaufen. Die Subte-Linie B hält
an der Haltestelle „De las Incas – Parque Chas“ circa 5min Fußweg entfernt von der Klinik.
Wohnt man in Palermo und Umgebung, muss man allerdings vorher noch einen Bus nehmen
oder kommt eventuell auch insgesamt leichter per Bus an.
Das Krankenhaus verfügt über eine sehr kleine allgemein- und viszeralchirurgische Abteilung,
meistens liegen zwischen fünf und zehn chirurgische Patienten stationär im Krankenhaus. Die
Betreuung dieser Patienten erfolgt sowohl durch die Internisten als auch durch die
Chirurgen. Fünf chirurgische Assistenzärzte sind ganztätig im Krankenhaus anwesend. Es gibt
eine strenge Aufgabenverteilung zwischen ihnen, der R1 („residente uno“, bedeutet, der
Assistenzarzt im ersten Ausbildungsjahr) muss jeden Morgen als erster gegen 5.30h kommen
und alle Patienten beurteilen, alle Wunden versorgen, Drainagefüllungen ablesen und
Vitalparameter aufschreiben. Um 7.30h kommen dann die Assistenzärzte der höheren
Ausbildungsjahre (für jedes Ausbildungsjahr gibt es einen Assistenzarzt, R5 ist allerdings
schon Facharzt und arbeitet ein weiteres Jahr als „jefe de residentes“) und bei Kaffee und
Facturas (süße Teilchen, das typische argentinische Frühstück) wird die Übergabe des R1
gehalten. Danach findet in der Regel eine erste Visite, nur mit den Assistenzärzten, statt.
Wöchentlich finden nur wenige Operationen im Hospital Lanari statt, es gibt zwei kleine OPSäle im Krankenhaus. Generell sind nur drei Tage pro Woche für allgemeinchirurgische
Eingriffe reserviert, an einem Tag operiert die plastische Chirurgie. An den anderen Tagen
operieren Fachrichtungen wir Gynäkologie, MKG, Urologie, Gefäßchirurgie, Unfallchirurgie
etc. Da die anderen chirurgischen Fächer (wie z.B. Unfall- oder Gefäßchirurgie) allerdings
nicht über eine ständige Vertretung vor Ort verfügen, werden ihre stationärenatienten von
den Assistenzärzten der Allgemeinchirurgie mitbetreut, an den OPs nehmen sie aber nur in
Ausnahmefällen teil.
An vier Tagen pro Woche findet außerdem „Colsultorio“ statt, dies ist die ambulante
Sprechstunde. Hier kommen Patienten zur OP-Vorbereitung (Voruntersuchungen, Aufklärung
etc.) und Nachsorge (Fäden ziehen, Wundkontrolle).
Es arbeiten circa sechs „medicos de planta“ (entspricht ungefähr dem Status eines
Oberarztes) im Hospital Lanari, sie kommen meist abwechselnd. Montags findet der „Ateno“
statt, eine Konferenz aller am Krankenhaus arbeitender Ärzte. Es werden die in der
vorangehenden Woche stattgehabten Operationen diskutiert, außerdem erfolgt eine
Fallvorstellung klinisch komplexer Patienten und eine anschließende interdisziplinäre
Diskussion des weiteren Vorgehens.
Die Oberärzte arbeiten alle in mindestens einem weiteren, privaten Krankenhaus, meist
heißen diese Sanatorios. Deshalb endet der normale Krankenhausbetrieb am frühen
Nachmittag, dann bleiben nur noch die Assistenzärzte in der Klinik und versorgen die
stationären Patienten sowie eventuelle Notfälle und erledigen die Papierarbeiten.
Eine Notaufnahme wie in den meisten deutschen Krankenhäusern gibt es im Lanari leider
nicht, es wird nicht von Krankenwagen angefahren, weshalb man leider keine Dienste in der
Notaufnahme verbringen kann und auch keine kleineren Wunden versorgen kann.
Die Patienten des Lanari sind meistens PAMI-Patienten (PAMI ist die Krankenversicherung
berenteter Argentinier), weshalb der Großteil der Patienten über sechzig Jahre alt ist.
Dementsprechend sind auch die häufigsten chirurgischen Krankheitsbilder Cholezystitis und
klorektale Tumore.
6. Persönliche Eindrücke
Da nur wenige OPs im Lanari stattfinden und fünf Assistenzärzte alles darum geben bei den
OPs zu assistieren, konnte ich leider in den acht Wochen nur ein einziges Mal mit am Tisch
stehen. Normalerweise stand ich in 2. Reihe hinter den Operateuren und habe zugeschaut,
das kann bei mehrstündigen Colektomien oder der vierten Gallenblasen-OP der Woche
schon mal ziemlich langwierig und langweilig sein. Nur bei Dr. Bou in der plastischen
Chirurgie (meistens Entfernung von Basaliomen) stand ich immer am Tisch und konnte auch
assistieren. Sonst kommt es immer ganz auf den operierenden Oberarzt an, ob er ab und zu
mal etwas erklärt oder Fragen beantwortet, in der Regel findet das allerdings eher selten
statt. Auch auf Visiten und im Krankenhausalltag ist man eher passiver Gast als aktives
Teammitglied, es gibt keine Aufgaben die einem speziell zugeteilt werden, man hilft mal bei
der Wundversorgung oder im Consultorio kann man ab und zu mal einen Patienten
selbstständig betreuen, die Regel ist das aber leider nicht. Nach einigen Wochen fand ich
deswegen den täglichen Gang ins Krankenhaus wirklich frustrierend, weil es mir immer mehr
wie ein sinnloses Absitzen meiner Zeit vorkam und auch trotz Besprechung dieses
Missstandes keinerlei Änderungen möglich waren, da selbst die Assistenzärzte nichts anderes
zu tun hatten was sie an mich hätten weitergeben können. Meine Highlights waren die
Stunden mit Paula, der Anästhesistin im OP, welche mich des Öfteren mit einleiten und
intubieren ließ.
Die Leute sind allerdings wirklich total nett, es herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre im
Krankenhaus und nach wenigen Tagen kennt man eigentlich vom Sicherheitspersonal bis zum
Kliniksdirektor jeden. Alle sind sehr interessiert und freundlich. Auch die Stimmung innerhalb
des chirurgischen Teams ist sehr nett, die anderen Residentes sind super und mit ihnen hat
es auch wirklich Spaß gemacht, die haben mir jeden Tag neue Wörter des „Lunfardo“
beigebracht, wir haben lange Diskussionen über das deutsche und argentinische
Ausbildungs- und Gesundheitssystems geführt und sie haben mir die Grundzüge der
argentinischen Politik erklärt. Das OP-Team (Instrumentadoras) ist super, mit ihnen konnte
ich immer super quatschen und einmal gab es eine große Essensparty im OP (die haben
tatsächlich IM OP gegrillt) und es herrschte eine ausgelassene nette Stimmung. Auch sonst
war ich ein paar Mal mit meinem R1 (an den man sich fast die gesamte Zeit dranhängt) einen
Kaffee trinken, aber es gab keine gemeinschaftlichen Freizeitaktionen mit allen Residentes,
was ich sehr schade fand. Meistens arbeiten die Residentes den ganzen Tag und mindestens
alle drei Tage müssen sie auch Nachtdienst machen, hierfür übernachten sie im
Dienstzimmer, arbeiten am nächsten Tag dann aber wieder ganz normal.
Die argentinischen Studenten im internado haben bereits ihren Abschluss in der Tasche und
machen das internado während sie sich auf das große und angeblich sehr schwere „examen
de residencía“ vorbereiten. Deshalb sind sie nicht besonders motiviert in die Klinik zu
kommen und tun dies auch eigentlich nur dann, wenn Dr. Bou anwesend ist, um sich am
Ende seine Unterschrift zu sichern. Insgesamt habe ich sie also nur circa 2-5h/Woche
gesehen. Blockpraktikanten kamen erst ganz am Ende meiner Zeit im Lanari, leider hatte ich
deshalb nicht viel Kontakt zu ihnen, sie waren aber sehr nett und es lohnt sich sicherlich
Kontakte mit ihnen zu knüpfen um auch das argentinische Studentenleben besser
kennenzulernen.
7. Stadt und Freizeitmöglichkeiten
Die Stadt Buenos Aires ist riesig, mit fast 15 Millionen Einwohner wohnt die Hälfte der
argentinischen Bevölkerung in der Stadt. Deshalb gibt es in der Stadt alles- egal was du willst,
du findest es in Buenos Aires, du musst nur lange genug suchen! Von den hippen jungen
Vierteln mit vielen Cafés und Boutiquen wie Palermo, über die wuseligen typisch
südamerikanischen Märkte bis zu bunten Kulturzentren und Musikfestivals, langweilig wird
einem wirklich nie! Ein paar Highlights:
Fuerza Bruta (Musical-Show, ziemlich abgefahren und einzigartig! Lohnt sich!)
Tigre (Flussdelta, kann man nett im Bötchen rumfahren wenn man mal die Natur vermisst)
Mercado de las Pulgas, Fería de Mataderos, Fería de San Telmo (Märkte)
Bomba de la Tiempo (super Percussion-Show im Kulturzentrum Konex)
Free Walking Tours (Recoleta und Centro de la Ciudad, lohnt sich da viele super
Hintergrundinfos!)
Stadion Boca, Fußballspiel gucken
Steak essen (La Hormiga, Las Cabras, Don Julio)
Flamenco/Tangoi tanzen oder gucken (am besten in San Telmo)
Street Art auf der Straße oder in Gallerien
8. Nützliche Links
Wohnungssuche: http://buenosaires.craigslist.org/
Öffentliche Verkehrsmittel: https://mapa.buenosaires.gob.ar/comollego/?lat=34.620000&lng=-58.440000&zl=12&modo=transporte
Kulturelle Angebote: http://agendacultural.buenosaires.gob.ar/