Osmanische Herrschaftslegitimation im 16. Jahrhundert im Spannungsfeld von Genealogie und Eschatologie Attila Babadostu Abstract Das Dissertationsthema ist eine im 16. Jahrhundert zur Anwendung gekommene Form der osmanischen Herrschaftslegitimation, deren Grundlage eine Kombination von Argumenten bildet, die aus dem Bereich der Genealogie respektive der Eschatologie stammen. Den Untersuchungsgegenstand bilden sechs osmanische Quellen, die zum Großteil noch nicht in Edition vorliegen. Zwei davon wurden von Vertretern der politischen Elite verfasst (ein unbetitelter religiös-politischer Traktat Kemālpaşazādes; Luṭfī Paşas Tevārīḫ-i āl-i ʿOsmān, d. i. ein der Historiographie zuzurechnendes Werk), drei stammen von Autoren, die keinen näheren Bezug zum osmanischen Staatsapparat hatten (Mevlānā ʿĪsās Cāmiʿ ül-meknūnāt, d. i. eine Welt- und Osmanengeschichte in Reimen; İbn ʿĪsās Rümūz-i künūz, eine mithilfe der ʿilm al-ḥurūf „Buchstabenwissenschaft“ erstellte Zukunftsprophezeiung, die auch Anleitungen zum politischen Handeln enthält; ʿAbdarraḥmān Efendis Enīs ül-mülūk, ein Sultan Süleymān gewidmetes Werk mit hohem literarischen Anspruch). Die sechste Quelle wird ʿAbdullāh İlāhī Simāvī zugeschrieben, wurde aber vermutlich von einem Anonymus verfasst (d. i. eine Beschreibung und teilweise Wiedergabe eines (fiktiven) Gesprächs zwischen Şeyḫ İlāhī und dem Lehrer Sultan Süleymāns). Anhand einer kritischen Analyse wird untersucht, mit welcher Kombination von auf die Genealogie bzw. Eschatologie bezogenen Argumenten die osmanische Herrschaft in den ausgewählten Werken legitimiert wird. Besonderes Augenmerk gilt der Frage, wie im Zuge einer derartigen Herrschaftslegitimation die müceddid-Tradition, eine behauptete genealogische Verbindung der Osmanen mit den Banū İsḥāḳ „Söhnen Isaaks“ und die ʿilm al-ḥurūf eingesetzt werden. Indem diese Argumentation des Legitimitätsanspruchs untersucht wird, werden einerseits Strategien zum Ausgleich des osmanischen Legitimationsdefizits beleuchtet, andererseits Erkenntnisse über eine Auffassung politischer Realitäten gewonnen, die sich nicht zuletzt durch einen ausgeprägten Prädestinationsglauben auszeichnet.
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