Leiterplattenfertigung in der „Iceberg“

Leiterplattenfertigung in der „Iceberg“-Technologie
Dr. Udo Bechtloff, Ralph Fiehler, Johannes Schauer, Dr. Kai Schmieder
KSG Leiterplatten GmbH, Auerbacher Str. 3-5, D-09390 Gornsdorf
Kurzfassung
Die Kombination von Signalleiterbahnen mit Endkupferdicken von ca. 70 µm und einem 400 µm Kupferlayout
für Hochstromanwendungen auf einem Schaltungsträger stellte die Leiterplattenfertiger bisher vor ein technologisches Problem. Neben einem aufwendigen selektiven galvanischen Aufbau des Dickkupferlayouts gestaltet
sich die prozesssichere Lötstopplackbeschichtung dieser Bereiche als äußerst schwierig und kostenintensiv. Hatte der Leiterplattenhersteller diese Hürde übersprungen, so wurde in der Weiterverarbeitung der Bestücker vor
die schwierige Aufgabe gestellt, Höhenniveaus von ca. 350 µm mit seiner Technik zu beherrschen. Diese Problemstellung löste die KSG Leiterplatten GmbH mit ihrer „Iceberg“-Technologie. Durch den Lösungsansatz, der
Versenkung der Dickkupferbereiche zu 80 % im Basismaterial, können Layouts in 105 und 400 µm Kupferdicke
erstmalig in einer Ebene und auf einem Schaltungsträger vereint werden.
1
Ausgangssituation
Leiterplatten mit Kupferschichtdicken bis 400 µm
gewinnen im zunehmenden Maße in der Leistungselektronik an Bedeutung. Überall dort wo hohe Ströme fließen wird von den Designern nach kostengünstigen und multifunktionalen Alternativlösungen gesucht, um hohe elektrische Leistungen unter
Berücksichtung des Wärmemanagement zu übertragen. Als Einsatzgebiet dieser Technologie ist neben
der Automobilindustrie hauptsächlich die Industrieelektronik mit ihren Anwendungen in Stromversorgungs- und Steuerungssystemen zu sehen. Erfüllten
hier in der Vergangenheit Techniken mit Stanzgittern,
Stromschienen bzw. Multilayer mit mehreren 70-105
µm Cu-Innenlagen die Aufgaben, so werden von der
Leiterplattenindustrie mittlerweile Alternativlösungen
in der Dickkupfertechnologie angeboten.
Betrachtet man die auf dem Markt angebotenen Technologien, sind mit diesen Lösungen nur Leiterbilder
in einer Kupferschichtdicke realisierbar.
400µm Cu
Bild 1
Lötstopplack
Problematik partieller Dickkupferleiterbahnen
70 µm Cu + galvanisch Cu
Die benötigte Steuerelektronik wird in der Regel auf
einem separaten Schaltungsträger designt und kommuniziert im Gesamtsystem mit dem Leistungsteil
mittels konventioneller Verbindungstechnik (Kabel,
Stecker).
Eine Bewertung dieser Ausgangsposition, ergibt für
die konventionellen Herstellungstechnologien folgende Problemfelder: (Bild 1)
Für den Leiterplattenhersteller
• Kostenintensiver selektiver galvanischer Leiterbildaufbau
• Kostenintensive mehrstufige Lötstopplackbeschichtung (Verfüllen, Einebnen, Abdecken)
• Gefahr von mechanischen Beschädigungen
des Dickkupferlayouts beim Handling
Für die Bestückungsindustrie
• Getrenntes Design von Steuer- und Leistungselektronik
• Höhenunterschiede im Leiterbildlayout von
ca. 350 µm
• Logistikkosten (Beschaffung, Lagerung) für
2 Leiterplattentypen
• Doppelte Rüstkosten
• Einsatz von Verbindungssystemen (Kabel,
Stecker)
• Erhöhter Platzbedarf im elektronischen Gesamtsystem
2
Lösung
2.1
Zielstellungen
fertiger wesentliche Vorteile. [2] Folgende Vorzüge
sind besonders hervorzuheben:
•
Die zu entwickelnde Fertigungstechnologie sollte die
im Punkt 1 genannten Problemfelder in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung nachfolgender technischer Rahmenbedingungen lösen:
• Einsatz von Standardprozessen der Leiterplattenindustrie
• Verwendung von UL-gelisteten FR4Standardbasismaterialien
• Mechanische und elektrische Produkteigenschaften vergleichbar mit der Standard FR4Leiterplatte
2.2
•
•
•
•
Das Lösungsprinzip
•
Aus der Überschrift lässt sich die Frage ableiten, was
ein Eisberg mit einer Dickkupfertechnologie an Gemeinsamkeiten aufweist. Die Antwort auf diese Frage
ist relativ leicht gefunden. Von einem Eisberg ist bekannt, dass sich der größte Teil seines Volumens unter
Wasser befindet. Er erscheint also wesentlich kleiner,
als er in Wirklichkeit ist. Dieser Effekt wird bei dem
von der KSG eingesetzten Verfahren genutzt, indem
das 400 µm dicke Kupferlayout im Basismaterial
vergraben wird. Man erhält so auf den Außenlagen
eine völlig plane Oberfläche. Die Bereiche, welche
Kupferschichtdicken von 400µm aufweisen, sind optisch nicht zu erkennen. Der „Iceberg“ ist geboren.
(Bild 2) [1]
•
2.4
Kostenreduzierung in der Beschaffung, Logistik und Fertigung durch die Einsparung
einer Leiterplatte
Kostenreduzierung durch den Entfall zusätzlicher Verbindungstechnik (Kabel- und Steckersysteme)
Erhöhung der Zuverlässigkeit durch Minimierung der Systemschnittstellen
Minimierung des Platzbedarfes für den
Schaltungsträger im Gesamtsystem
Einsatz der Standard-Bestückungstechnik
durch Gewährleistung eines gleichmäßigen
Oberflächenniveaus über das gesamte Leiterbild
Prozesssichere Abdeckung der Leiterzugflanken mit Lötstopplack durch eine minimale Kupferdicke des gesamten Leiterbildes
Einsatzmöglichkeit als Heatsink
Fertigungstechnologie
Die „Iceberg“-Technologie basiert auf Standardprozesse der Leiterplattefertigung. Ausgangspunkt für
diese Technologie ist eine 400 µm dicke Elektrolyt–
kupferfolie, die im ersten Schritt beidseitig mit Fotoresist laminiert wird. Zur Belichtung wird ein Leiterbild einseitig verwendet, das nur die Layoutbereiche
aufweist, die später 400 µm dick ausgeführt werden.
Die zweite Seite (spätere Außenseite) wird zunächst
nicht strukturiert und behält damit ihre plane Oberfläche. (siehe Bild 3/4)
Belichtung ohne Film
400 µm Cu
400 µm Cu teilvergraben
Lötstoppmaske
Resist
Film
Bild 3: Darstellung Belichtungsvorgang
Bild 2: Lösungsprinzip – 4 Lagen ML mit 400 µm
und 70 µm Basiskupfer auf den Außenlagen
400 µm Cu
2.3
Resist
Produktvorteile
70 µm Cu + galvanisch Cu
Durch die Kombination von Steuer- und Leistungselektronik in einem Oberflächenniveau besitzt die
„Iceberg“-Technologie gegenüber den bekannten
Dickkupfer-Technologien sowohl für den Verarbeiter
des Schaltungsträgers als auch für den Leiterplatten-
Bild 4: Fotoresist belichtet und entwickelt
Nach dem Prozess entsprechend Bild 4 wird die 400
µm Kupferfolie auf eine Dicke von 70 µm selektiv
abgedünnt (Bild 5) und der Fotoresist entfernt.
70µm
400µm
Bild 5: Geätzte Kupferfolie mit Fotoresist
Nach der Entfernung des Fotoresistes (Bild 6) und
einer Vorbehandlung der Kupferoberfläche wird die
vorstrukturierte Kupferfolie mit dem Leiterbildrelief
zur Prepregseite hin verpresst, so dass nach dem Verpressen eine planare Oberfläche entsteht (Bild 7).
Durch den Einsatz geeigneter Prepregs, eines angepassten Lagenaufbaus, sowie modifizierter Pressparameter ist eine sichere Harzverfüllung der stark ausgeprägten Ätzflanken des Dickkupferlayouts ohne
Lufteinschlüsse bzw. Glasmattenbrüche prozesssicher
möglich. Das Laminat kann nach der Verpressung wie
eine zweiseitige Leiterplatte prozessiert werden. Da
alle Bereiche, die keine 400 µm Leiterzüge enthalten,
nur eine Basiskupferdicke von maximal 70 µm besitzen, können die üblichen Designrules zur Entflechtung eingesetzt werden.
Bild 6: Geätzte Kupferfolie mit entfernten Fotoresist
strukturierte CuFolie
Bild 7: Vorstrukturierter Pressling
Da in der „Iceberg“-Technologie prinzipiell ein Pressvorgang notwendig ist, kann in Abhängigkeit von der
Komplexität des Layouts ein mehrlagiger Schaltungsaufbau gewählt werden. Hier sind Innenlagen mit
Kupferschichtdicken bis 400µm verwendbar (Bild 8).
Bild 9: Schliffuntersuchung einer doppelseitigen Leiterplatte nach dem vollständigen Prozessdurchlauf
2.5
Im Rahmen der Technologieentwicklung wurden umfangreiche Untersuchungen zu geeigneten Materialpaarungen (Prepreg, Dünnlaminate, Kupferfolie) vorgenommen. Im Ergebnis dieser Versuche wurden Materialien als geeignet definiert, welche ausnahmslos
als UL-gelistete Standardmaterialien bekannt sind.
Dennoch waren einige materialbezogene Problemstellungen zu lösen. Speziell die bisher gebräuchlichen
ED-Kupferfolien erwiesen sich für den komplexen
Ätzprozess als nicht geeignet. Hier gelang es gemeinsam mit dem Lieferanten, der Firma Gould, eine Kupferfolie zu entwickeln, deren modifizierte kristalline
Gefügestruktur lange Verweilzeiten in den Ätzmedien
ohne Oberflächendefekte (Pinholes) zulässt.
2.6
Bild 8: Schliffuntersuchung an einem 4 Lagen Multilayer mit 400µm Kupferkaschierung auf den Innenund Außenlagen.
Materialien
Eigenschaften
Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrages lagen
die nachfolgend aufgeführten Untersuchungsergebnisse (Tabelle 1) vor. Weitere Untersuchungen zu den
mechanischen Produkteigenschaften befinden sich in
der Realisierungsphase.
2.6.1 Mechanische Eigenschaften
Kriterium
Ergebnis
Lötbadbeständigkeit
Keine Delaminierungen
(288°C, 3 x 10s)
Verwindung / Wölbung
< 0,5%
Leiterplattendicke
± 10%
(Dickenschwankung
über die Leiterplatte)
Abschälkraft von Leiter- ≥ 0,8 N/mm
zügen 70µm Cu-Dicke
Abschälkraft von Leiter- ≥ 1,3 N/mm
zügen 400µm Cu-Dicke
Zyklentest
kein Hülsenriss (LP300 Zyklen -40 bis 125
Oberfläche chem.
°C, Verweilzeit: 30 min Ni/Au)
Tabelle 1: Bisherige Untersuchungsergebnisse zu den
mechanischen Produkteigenschaften
2.6.2
Elektrische Eigenschaften (Strombelastbarkeit)
Die Strombelastbarkeit von Leiterzügen wird in der
DIN IEC 326, Teil 3 nur bis zu Kupferdicken von
105µm dargestellt. [3] Für höhere Metallisierungen
liegen keine Empfehlungen vor. Die Berechnung der
Strombelastbarkeit wird von einer Vielzahl von Einflussgrößen bestimmt und ist für jeden Anwendungsfall neu zu betrachten.
Um dem Entwickler erste Richtgrößen zur Verfügung
zu stellen, wurde gemeinsam mit dem Institut für
Elektrische Energieversorgung und Hochspannungstechnik der TU Dresden eine Untersuchungsreihe
zum thermischen Verhalten von Dickkupferlayouts
durchgeführt. Für die hierfür entworfene Testplatine
(Bild 9) wurden folgende Layoutparameter gewählt:
Dielektrikum:
Platinendicke:
Cu-Dicke:
Oberfläche:
Aufbau:
Die Anschlusskonfiguration der zu testenden Dickkupferleiterbahnen erfolgte in Reihenschaltung, sodass Konvektion und Strahlung für einen einzelnen
Leiterzug jeweils nur senkrecht zur Ober- bzw. Unterseite erfolgen konnte (Bild 10)
Bild 10: Anschlusskonfiguration
Die im Ergebnis der Untersuchung ermittelten Kennlinien (Bild 11) bewiesen, dass auch bei einem einseitigen Betrieb (Konvektion und Strahlung senkrecht
zur Ober- oder Unterseite) vergleichsweise hohe
Stromstärken in der „Iceberg“-Technologie übertragen werden können. Die Messergebnisse der durchgeführten Referenzmessung der Temperatur mittels
Wärmbildkamera erwiesen sich bei einem angenommenen Emissionsvermögen der wärmeabgebenden
Fläche von ε = 0,85 als identisch. [4]
FR 4
1.7mm
400µm
Lötstopplack
Dickkupferleiterbahnen eingebettet,
Layout beidseitig, nicht durchkontaktiert, Einbaulage horizontal
Bild 11: Graphische Darstellung der Messergebnisse
Bild 9: Testlayout
2.7
Designrules
2.7.1
Leiterbildlayout
Der komplexe zweistufige Ätzprozess der Dickkupferbereiche bestimmt im Wesentlichen die Designrules des Leiterbildes. Aus diesem Grund können hier
die bekannten Designrules der Standardtechnologie,
welche in der Regel Kupferschichtdicken bis 105µm
beinhaltet, nicht zur Anwendung kommen. Die nach-
folgende Übersicht (Bild 10/Tabelle 2) soll an dem
Beispiel einer 105/400 µm Variante einen ersten Überblick über die wichtigsten Layoutkriterien geben.
Hierbei sollte erwähnt werden, dass diese durch die
permanente Technologieoptimierung einer regelmäßigen Aktualisierung unterliegen
E
HH
G
G
FF
C
A
D
B
Bild 10: Schematische Darstellung der wichtigsten
Layoutkriterien des Leiterbildes
A = Min. Leiterbahnbreite 400 µm Cu-Layout
B = Min. Leiterbahnabstand zwischen den 400 µm
Leiterbahnen
C = Unterätzung Leiterbahnen 400µm Cu-Layout
D = Abgesenkte Cu-Dicke des 400µm Cu-Layouts
E = Cu-Dicke außen bei Cu-Dicke in der Hülse von
mindestens 25µm
F = Min. Leiterbahnabstand zwischen 105 µm und
400 µm Cu-Layout
G = Min. Leiterbahnbreite 105 µm Cu-Layout
H = Min. Abstand zwischen Leiterbahnen 105 µm
Cu-Layout
X* = Min. Plattendicke (beidseitig 400/105 µm
Cu-Dicke)
Y* = Bohrung Aspect Ratio
Werte für ein 105/400 Layout
A
≥ 1.200 µm
B
≥ 400 µm
C
< 500 µm
D
300 µm
E
105 µm
F
≥ 400 µm
G
≥ 250 µm
H
≥ 300 µm
X*
≥ 1,55 mm , max. 3,2 mm
Y*
≤ 1: 6
Tabelle 2: Werte für ein 105/400 µm Layout entsprechend Bild 10 (*keine Darstellung in Bild 10)
2.8
Zusammenfassung / Ausblick
Mit der „Iceberg“-Technologie wurde erstmalig eine
Technologie zur Herstellung einer Leiterplatte mit einem kombinierten Dick- bzw. Dünnkupferlayout geschaffen, welche sich in ihren Endeigenschaften nicht
von einer Standardleiterplatte unterscheidet.
Neben der weiteren Prozessoptimierung werden gemeinsam mit unseren Kunden erste Produktumstellungen in die neue Technologie realisiert.
3
Literatur / Normen
[1] Schauer, Johannes: Kundeninformation “Iceberg“-Technologie für Dickkupferleiterplatten
von der KSG, Gornsdorf 11/2003
[2] Schauer, Johannes: Vortrag zum Technologietag
der KSG, Chemnitz 09/2003
[3] DIN IEC 326, gedruckte Schaltungen, Leiterplatten, Gestaltung und Anwendung von Leiterplatten, Ausgabe 3/85
[4] Dr. Schmieder, Kai: Untersuchungsbericht zur
Strombelastbarkeit von Dickkupferleiterbahnen,
Gornsdorf 02/2004
4
Kontaktadresse
KSG Leiterplatten GmbH
Dipl.-Ing. Ralph Fiehler
Auerbacher Str. 3-5
09390 Gornsdorf
Telefon: (0049) 3721 266 275
E-Mail: [email protected]
KSG Leiterplatten GmbH
Dipl.-Ing. Johannes Schauer
Auerbacher Str. 3-5
09390 Gornsdorf
Telefon: (0049) 3721 266 185
E-Mail: [email protected]