Praxisbericht Finnland

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FINNLAND
Finnland erfüllt das Image eines internationalen Marktakteurs mit einem hohen
Ansehen in verschiedensten Wirtschaftsbereichen. Die Investitionsvoraussetzungen
in Finnland suchen ihresgleichen. Grundstein hierfür ist das hohe Bildungsniveau, welches aus einem Bildungssystem resultiert, das international Vorbildfunktion genießt.
Die finnische Industrie ist ein Global Player mit besten Bedingungen für ausländische Investoren. Insbesondere in der IT- und Technologiebranche belegt
das Land weiterhin Spitzenplätze. In den vergangenen Jahren hat sich durch
eine leistungsstarke und konkurrenzfähige Startup-Szene vor allem Finnlands
Innovationskraft mehr und mehr gezeigt. Um seinem Namen als innovationshungriger Vorreiter
weiterhin gerecht zu werden, setzt die finnische Wirtschaft zudem vermehrt auf den Einsatz
und die Weiterentwicklung erneuerbarer Energiequellen. So erfahren die Sektoren Windkraft,
Biomasse und Clean Tech seit Jahren ein anhaltendes Wachstum. Clean Tech ist dabei eine der
am stärksten wachsenden Branchen in Finnland.
Aufgrund seiner geografischen Lage, seiner fortschrittlichen Infrastruktur sowie seines umfangreich ausgebauten Verkehrsnetzes ist Finnland auch aus logistischer Sicht ein optimaler Standort für
ausländische Investoren, die ihre Geschäftsfelder neben Finnland vor allem auf Nordeuropa sowie
Russland ausdehnen wollen. Aufgrund geringer Bürokratie bei gleichzeitig funktionierenden und
transparenten Strukturen bietet Finnland ein vortreffliches Sprungbrett in die nordischen Märkte.
Gesellschaftsformen
Kapitalgesellschaften
Oy (fin.: osakeyhtiö)
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Pendant zur deutschen GmbH
Mindeststammkapital: 2.500 Euro
die Haftung der Gesellschafter ist beschränkt auf das Stammkapital
Gründungskosten: 380 Euro bzw. 330 Euro, sofern die Gründung/Eintragung elektronisch erfolgt
Oyj (fin.: julkisesti noteerattu osakeyhtiö)
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Pendant zur deutschen AG
Mindestgrundkapital: 80.000 Euro
Gesellschaftsanteile können öffentlich gehandelt werden
die Haftung der Gesellschafter ist beschränkt auf das Grundkapital
Gründungskosten: 380 Euro bzw. 330 Euro, sofern die Gründung/Eintragung elektronisch erfolgt
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As Oy (fin.: asunto-osakeyhtiö) & K Oy (fin.: keskinäinen kiinteistöosakeyhtiö)
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es existiert im deutschen Recht hierzu keine vergleichbare Gesellschaftsform
eine Aktiengesellschaft (Oy), nach deren Satzung der Gesellschaft mehr als 50 Prozent der im
Eigentum des Unternehmens befindlichen Immobilien für private Wohnzwecke (As Oy) oder
Geschäftszwecke (K Oy) der Aktionäre des Unternehmens reserviert sind
das Unternehmen besitzt die Immobilien und die Gebäude, während die Satzung das Eigentum an den Wohnungen und/oder Geschäftsräumen den entsprechenden Anteilen der
Gesellschaft zuordnet
Mindeststammkapital: 80.000 Euro
die Haftung der Gesellschafter ist beschränkt auf das Stammkapital
Gründungskosten: 380 Euro.
Osk. (fin.: osuuskunta)
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Pendant zur deutschen Genossenschaft
Gründungskosten: 380 Euro
Personengesellschaften
Ky (fin.: kommandiittiyhtiö)
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Pendant zur deutschen KG
es sind mindestens zwei Gründer erforderlich, von denen mindestens einer unbeschränkt
haftet und einer beschränkt haftet
Gründungskosten: 240 Euro
Ay (fin.: avoin yhtiö)
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Pendant zur deutschen OHG
es sind mindestens zwei unbeschränkt haftende Gesellschaftsgründer erforderlich
Gründungskosten: 240 Euro
Yksityinen elinkeinonharjoittaja
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selbstständiger Gewerbetreibender
Pendant zum deutschen Einzelkaufmann
Gründungskosten: 110 Euro
Gründung einer Gesellschaft
Die „osakeyhtiö“ ist die am häufigsten genutzte Kapitalgesellschaftsform in Finnland. Die Gründung einer Gesellschaft in Finnland kann elektronisch, innerhalb kurzer Zeit (innerhalb einer
Woche) erfolgen und ist daher meist unproblematisch. Für die Gründung und Registrierung einer
„osakeyhtiö“ sind i. d. R. folgende Unterlagen erforderlich:
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Gründungsvertrag der Gesellschaft im Original
Kopie der Satzung der Gesellschaft
Belege der Zahlung des Stammkapitals sowie der Gründungsgebühren
Steuerliche Registrierung
Umsatzsteuerregister
Das Umsatzsteuerregister ist ein öffentliches Register für die Verwaltung aller Umsatzsteuerzahler in Finnland.
Umsatzsteuerpflichtig sind alle Marktakteure, die geschäftlich Waren oder Dienstleistungen verkaufen, verleihen oder ähnliche Tätigkeiten betreiben. Umsatzsteuerpflichtige Akteure müssen
sich umsatzsteuerlich registrieren, sofern ihr Umsatz während eines Geschäftsjahres mindestens
10.000 Euro (Stand 2015) beträgt. Liegt der Umsatz bei weniger als 10.000 Euro, so ist die Registrierung fakultativ.
Um die Umsatzsteuer abzuführen, müssen Umsatzsteuerpflichtige bei den Steuerbehörden monatliche Erklärungen einreichen.
Vorauserhebungsregister
Das Voraushebungsregister ist ein öffentliches Register der Steuerverwaltung, in welchem diese
die Akteure verwaltet, die selbstständig gewerblich tätig sind. Eingetragen lassen können sich
alle geschäftlich, landwirtschaftlich oder anderweitig gewerblich Tätigen, sofern kein Arbeitsverhältnis zwischen den tätigen Parteien besteht. Die Eintragung der Akteure erfolgt auf Antrag.
Eine Eintragung in das Voraushebungsregister hat zur Folge, dass der, der eine bestimmte Leistung bezahlt, keine Lohnsteuer einhalten und abführen muss. In diesem Fall kümmert sich der
Empfänger des Leistungsentgelts um die Abführung der Vorschusssteuern. Handelt es sich beim
erbrachten Leistungsentgelt dagegen um Lohn oder Gehalt, muss der Erbringer des Leistungsentgelts stets die Lohnsteuer einhalten und abführen, auch wenn der Empfänger in das Voraushebungsregister eingetragen sein sollte.
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Handelsregister
Das Handelsregister (”kaupparekisteri”) ist das offizielle und öffentliche Unternehmensregister
Finnlands, wobei nicht ausschließlich Unternehmen im Handelsregister registriert sind. Aktiengesellschaften (Oy), Kommanditgesellschaften (Ky), offene Handelsgesellschaften (Ay), Genossenschaften (Osk.) und Wohnungsaktiengesellschaften (As Oy und K Oy) müssen stets ins Handelsregister
eingetragen werden. Diese Pflicht gilt auch für selbstständige Gewerbetreibende, deren Gewerbebetrieb genehmigungspflichtig ist (Verkauf von alkoholischen Getränken, Elektroinstallateure usw.), die
ein festes Büro (nicht zuhause) besitzen oder eine Drittarbeitskraft beschäftigen.
Arbeitgeberregister
Das Arbeitgeberregister ist ein öffentliches Register. Es enthält Angaben über Arbeitgeber, welche regelmäßig Löhne oder Gehälter an Arbeitnehmer auszahlen.
Der Arbeitgeber muss sich beim Arbeitgeberregister anmelden, sofern er beginnt, regelmäßig
Löhne auszuzahlen und das Unternehmen während eines Kalenderjahres entweder mindestens
zwei festangestellte oder mindestens sechs freie Mitarbeiter hat. Alle Arbeitgeber müssen monatliche und jährliche Steuererklärungen bezüglich der bezahlten Löhne und Gehälter einreichen.
Liquidation/Beendigung einer Aktiengesellschaft
Eine Aktiengesellschaft kann nicht formfrei liquidiert werden. Wenn die Gesellschaftsinhaber mit
der Gesellschaftstätigkeit nicht fortfahren können oder wollen und das Vermögen des Unternehmens die Verbindlichkeiten übersteigt, kann die Gesellschaft durch ein gesetzlich festgeschriebenes Liquidationsverfahren aufgelöst werden. Falls die Verbindlichkeiten jedoch das Vermögen
übersteigen, sollte die Auflösung durch ein Konkursverfahren erfolgen.
Es ist zudem möglich, die Gesellschaft durch eine Verschmelzung oder eine Aufspaltung im
umwandlungsrechtlichen Sinne aufzulösen. In besonderen Fällen können zudem die Registerbehörden anordnen, dass eine Gesellschaft aus dem Handelsregister ausgetragen wird oder dass
die Gesellschaft durch ein Liquidationsverfahren aufgelöst werden soll.
Arbeitsrecht und Kündigungsschutz
Schließung des Arbeitsvertrages und das Arbeitsvertragsgesetz
Generell gilt für Arbeitsverträge das finnische Arbeitsvertragsgesetz. Das Gesetz enthält Mindestanforderungen an den Arbeitsvertrag. Es ist jedoch möglich, für den Arbeitnehmer günstigere
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Bedingungen zu vereinbaren, als das Gesetz vorgibt. Ein Arbeitsvertrag kann mündlich, schriftlich oder elektronisch geschlossen werden. Grundsätzlich sind Arbeitsverträge stets unbefristet,
sofern es keinen triftigen Grund gibt, den Vertrag auf befristete Zeit zu schließen. Es ist möglich,
mehrere befristete Arbeitsverträge nacheinander zu schließen, jedoch nur, sofern der Arbeitgeber bei jeder neuen Schließung begründen kann, weshalb der Vertrag befristet geschlossen wird.
Tarifverträge
In Finnland gibt es eine große Zahl von Tarifverträgen zwischen Arbeitnehmerorganisationen
und Arbeitgebern bzw. bestimmten Arbeitgeberorganisationen. Die Tarifverträge regeln die
branchenspezifischen Arbeitsbedingungen, wie unter anderem Löhne, Arbeitszeit, Urlaub sowie
andere das Arbeitsverhältnis betreffende Leistungen. Tarifverträge können normalverbindlich
oder allgemeinverbindlich sein. Normalverbindliche Tarifverträge verpflichten nur die Parteien,
die den Tarifvertrag unterschrieben haben oder die Parteien, die zu einer Organisation gehören,
die den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die Mitgliedschaft des Arbeitnehmers ist hierfür nicht
obligatorisch.
Allgemeinverbindliche Tarifverträge verpflichten gemäß Arbeitsvertragsgesetz auch nichtorganisierte Arbeitgeber. Die Allgemeinverbindlichkeit wird dabei vom sogenannten Bestätigungsbeirat für die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen bestätigt. Der Bestätigungsbeirat ist
unabhängig; seine Tätigkeit wird jedoch vom Sozial- und Gesundheitsministerium organisiert
und überwacht. Die Wirkung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen erstreckt sich auf alle
Arbeitnehmer einer bestimmten Berufsgruppe – unabhängig davon, ob das entsprechende Unternehmen Mitglied der den Vertrag schließenden Arbeitgeberorganisation ist oder nicht. Details
regelt hierzu das finnische Arbeitsvertragsgesetz. Es ist dabei jedoch genau zu prüfen, ob ein
Tarifvertrag Anwendung findet oder nicht. Dies kann unter Umständen schwierig sein und sollte
unter Zuhilfenahme eines Beraters erfolgen.
Arbeitszeit
Die regelmäßige Arbeitszeit ist auf höchstens 40 Stunden pro Woche und acht Stunden pro Tag
begrenzt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann jedoch so modifiziert werden, dass die
wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt 40 Stunden pro Woche über einen Zeitraum von 52
Wochen beträgt.
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Gemäß finnischem Arbeitsvertragsgesetz erhalten Mitarbeiter, die durch Krankheit oder einen
Unfall an der Durchführung ihrer Arbeit gehindert werden, während ihrer Krankheit Lohnfort-
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zahlung. Wenn das Arbeitsverhältnis bereits mindestens einen Monat andauert, erhält der Arbeitnehmer das volle Arbeitsentgelt für einen Zeitraum von bis zu neun Tagen. Im Anschluss ist
der Arbeitgeber von seiner Fürsorgepflicht befreit, und der Arbeitnehmer erhält Krankengeld
nach dem Krankenversicherungsgesetz. Viele Tarifverträge enthalten jedoch zulässigerweise eine
längere Fürsorgepflichtsperiode für den Arbeitgeber, als diese das Arbeitsvertragsgesetz vorgibt.
Kündigung
Gemäß finnischem Arbeitsvertragsgesetz kann eine Probezeit von bis zu vier Monaten vereinbart
werden. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Vertragspartnern jederzeit fristlos gekündigt werden.
In Finnland ist der Kündigungsschutz sehr restriktiv gefasst. Nach Ablauf der Probezeit setzt eine
Kündigung für ihre Rechtmäßigkeit „sachliche und schwere“ Gründe voraus (persönliche oder
wirtschaftliche Gründe), z. B. wegen schwerer Verstöße gegen den Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer innerhalb einer angemessenen Zeit über die Kündigung informieren.
Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis fristlos nur aus äußerst gewichtigen Gründen, z. B.
aufgrund schwerer Verstößen gegen den Arbeitsvertrag, kündigen. Das Arbeitsvertragsgesetz
schreibt zudem Mindestkündigungsfristen fest, jedoch kann in Tarifverträgen Abweichendes vereinbart werden. Existiert keine abweichende Regelung im Tarifvertrag, gelten folgende Fristen:
Kündigungsfrist des Arbeitgebers:
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14 Tage, wenn das Arbeitsverhältnis maximal 1 Jahr andauert;
1 Monat, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als 1 Jahr, jedoch höchstens 4 Jahre andauert;
2 Monate, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als 4 Jahre, jedoch höchstens 8 Jahre andauert;
4 Monate, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als 8 Jahre, jedoch höchstens 12 Jahre andauerte;
6 Monate, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als 12 Jahre andauert.
Kündigungsfrist des Arbeitnehmers:
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14 Tage, wenn das Arbeitsverhältnis maximal fünf Jahre andauert;
ein Monat, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als fünf Jahre andauert.
Bei gesetzeswidriger Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird das Arbeitsverhältnis nicht wiederhergestellt. Stattdessen ist der Arbeitgeber in einem solchen Fall verpflichtet, eine Abfindung
i. H. v. 3-24 Monatsgehältern an den Mitarbeiter auszuzahlen.
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Urlaub
Der Umfang des erworbenen Jahresurlaubs hängt von der Dauer des Arbeitsverhältnisses bei Ende
des Urlaubserwerbszeitraumes ab (1. April - 31. März). Bestand das Arbeitsverhältnis weniger als
ein Jahr zum Ende des Urlaubserwerbszeitraumes, werden zwei Wochentage pro vollem Urlaubserwerbsmonats erworben – demnach insgesamt 24 Tage. Dauert das Arbeitsverhältnis bei Ende
des Urlaubserwerbszeitraumes bereits mehr als ein Jahr, jedoch weniger als zehn Jahre an, werden
2,5 Wochentage pro vollem Urlaubserwerbsmonats erworben – demnach insgesamt 30 Tage.
Unter einem vollen Urlaubserwerbsmonat ist ein Kalendermonat zu verstehen, in dem ein Mitarbeiter mindestens 14 Arbeitsanwesenheitstage oder Urlaubstage hatte. Die Urlaubsperiode
beginnt am 2. Mai und endet am 30. September eines Jahres. Der Mindesturlaub beträgt 24 Urlaubstage. Der Resturlaub ist dem Arbeitnehmer als Winterurlaub bis zum Anfang der nächsten
Urlaubsperiode zu gewähren.
Elternzeit
Mitarbeiter erhalten Elternschaftsurlaub. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber zwei Monate
vor Beginn des geplanten Elternschaftsurlaubs informieren. Der Mutterschaftsurlaub dauert 105
Werktage an und beginnt 31-50 Tage vor dem berechneten Datum der Geburt. Bezüglich des
Vaterschaftsurlaubs ist grundsätzlich derselben Berechnung zu folgen. Der Vaterschaftsurlaub
dauert bis zu 54 Werktage, also ungefähr neun Wochen an. Es ist jedoch auch möglich, für kürzere Zeit in den Vaterschaftsurlaub zu gehen.
Eltern sind unabhängig vom Geschlecht berechtigt, Elternschaftsgeld für ihren Elternschaftsurlaub zu erhalten. Der Arbeitnehmer ist berechtigt, in dieser Zeit entweder Gehalt von seinem
Arbeitgeber oder Elternschaftsgeld vom Sozialversicherungsamt zu erhalten. Sofern der Arbeitgeber während des Elternschaftsurlaubs weiter das Gehalt an den Arbeitnehmer bezahlt, kann
sich dieser dieses Geld vom Sozialversicherungsamt zurückerstatten lassen. Hierzu gibt es unterschiedliche Regelungen in den Tarifverträgen. Der Jahresurlaub wird durch den Familienurlaub
nicht reduziert, d. h. der Mitarbeiter behält trotz Mutterschafts- oder Vaterschaftsurlaubs seinen
vollen Urlaubsanspruch.
Sozialversicherungen
Sozialversicherungsbeiträge
Das finnische Gesetz über die Renten der Arbeitnehmer sieht für den Arbeitgeber eine Pflicht vor,
seinen Arbeitnehmer im Alter zwischen 18 und 67 Jahren zu versichern.
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Unfallversicherung
Nach dem Gesetz ist ein Arbeitgeber verpflichtet, für den Arbeitnehmer eine Unfallversicherung
abzuschließen, sofern dieser mehr als zwölf Tage pro Kalenderjahr arbeitet.
Gesetzliche Arbeitsrentenversicherung
Der Arbeitgeber schließt eine Arbeitsrentenversicherung mit einer Versicherungsgesellschaft ab.
Die Versicherungsgesellschaft rechnet dem Arbeitgeber den ganzen Beitrag an. Der Arbeitgeber
behält den Arbeitnehmeranteil (5,7 Prozent für Arbeitnehmer unter 53 Jahren und 7,2 Prozent
für Arbeitnehmer, die 53 Jahre alt oder älter sind) vom Gehalt des Arbeitnehmers ein. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer Arbeitsrentenversicherungsbeiträge i. H. v. 17,5-19 Prozent bezahlen
muss.
Arbeitslosenversicherungsbeitrag
Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag des Arbeitgebers beträgt 1,0 Prozent des Gehaltes (sofern
der Betrag der insgesamt vom Arbeitgeber gezahlten Gehälter über 2.044.500 Euro pro Jahr
liegt) und 3,90 Prozent (sofern der Betrag der insgesamt vom Arbeitgeber gezahlten Gehälter
über 2.044.500 Euro pro Jahr liegt). Arbeitslosenversicherungsbeiträge müssen nur für Arbeitnehmer zwischen 17 und 65 Jahren abgeführt werden.
Der Anteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrags für den Arbeitnehmer beträgt 1,15 Prozent des
Gehalts (Stand 2016). Der Arbeitgeber behält den Betrag von dem Gehalt ein und führt diesen ab.
Buchhaltungspflichten
Innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres ist eine Hauptversammlung
abzuhalten. In der Hauptversammlung wird der Jahresabschluss bestätigt. Der Jahresabschluss
muss im Handelsregister innerhalb von zwei Monaten nach dessen Bestätigung registriert werden.
Für kleine Buchhaltungspflichtige gelten Sonderregelungen. Diese müssen beispielsweise. keine
Finanzierungsberechnung oder Tätigkeitsberichte erstellen. Ein Buchhaltungspflichtiger gilt als
klein, sofern höchstens eine der folgenden Grenzen überschritten wird:
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Umsatz des Geschäftsjahres: 7,3 Millionen Euro
Bilanzsumme: 3,650 Millionen Euro
durchschnittliche Mitarbeiterzahl: 50
Steuererklärungen
Jeder Arbeitgeber oder andere Auskunftspflichtige muss jährliche Einkommensteuererklärungen
für jedes Steuerjahr einreichen. Das Steuerjahr ist normalerweise das Kalenderjahr, da es sich
dabei zumeist auch um das Geschäftsjahr des Unternehmens handelt. Die Steuererklärung ist
innerhalb von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres einzureichen.
Periodische Steuererklärungen
Umsatzsteuererklärungen
Alle Umsatzsteuerpflichtigen müssen periodische Steuererklärungen einreichen. Der Zeitraum kann
ein Monat, ein Vierteljahr oder ein Jahr betragen. Wenn der Steuerzeitraum ein Monat umfasst,
muss die Steuererklärung bis zum 7. Tag (per Post) oder bis zum 12. Tag (auf elektronischem Weg)
des übernächsten Monats eingereicht werden. Wenn der Steuerzeitraum ein Vierteljahr umfasst,
muss die Steuererklärung bis zum 7. Tag (per Post) oder bis zum 12. Tag (auf elektronischem Weg)
des übernächsten Monats nach dem Ende des jeweiligen Vierteljahres eingereicht werden.
Einkommensteuererklärungen
Arbeitgeber, die regelmäßig Gehälter an ihre Mitarbeiter zahlen, müssen periodische Steuererklärungen bezüglich dieser bezahlten Gehälter und anderer ähnlicher Beträge einreichen. Der Zeitraum kann ein Monat, ein Vierteljahr oder ein Jahr betragen. Wenn der Steuerzeitraum ein Monat
umfasst, muss die Steuererklärung bis zum 7. Tag (per Post) oder bis zum 12. Tag (auf elektronischem Weg) des folgenden Monats eingereicht werden. Wenn der Steuerzeitraum ein Vierteljahr
umfasst, muss die Steuererklärung bis zum 7. Tag (per Post) oder bis zum 12. Tag (auf elektronischem Weg) des folgenden Monats nach dem Ende des jeweiligen Vierteljahrs eingereicht werden.
Umsatzsteuer
Die Umsatzsteuer ist eine Konsumsteuer, die auf dem Preis der Waren oder Dienstleistungen aufgeschlagen wird. Der Verkäufer schlägt die Umsatzsteuer auf den Verkaufspreis eines Produktes auf
und führt diese an das Finanzamt ab. Umsatzsteuerpflichtig sind solche Subjekte, die Geschäftstätigkeiten betreiben und dadurch Waren und Dienstleistungen verkaufen, vermieten o.Ä.
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Steuersätze von Waren und Dienstleistungen
Allgemeiner Steuersatz: für die meisten Waren und Dienstleistungen
24 Prozent
Reduzierter Steuersatz:
Lebensmittel, Futter,
Restaurant- und Mahlzeitdienstleistungen
14 Prozent
Reduzierter Steuersatz:
Bücher, Medizin, Sportdienstleistungen, Kinovorstel- 10 Prozent
lungen, Eintritte für Kultur- und Unterhaltungsveranstaltungen, Personentransport, Unterkunftsservice,
Entgelte für Fernseher- und Rundfunktätigkeiten
Jahresabschlussprüfung bzw.
Bestellung des Jahresabschlussprüfers
Gesellschaften und Stiftungen müssen einen Wirtschaftsprüfer wählen und eine Wirtschaftsprüfung in Übereinstimmung mit dem finnischen Buchhaltungsgesetz und dem Jahresabschlussprüfungsgesetz durchführen. Zudem ist den für jede Gesellschaftsform unterschiedlichen gesetzlichen
Vorschriften zu folgen. Eine Wirtschaftsprüfung umfasst die Prüfung der Buchhaltung, des Jahresabschlusses, des Tätigkeitsberichts und der Verwaltung. Nach der Jahresabschlussprüfung gibt der
Wirtschaftsprüfer seinen Jahresabschlussprüfungsbericht ab.
Eine Wirtschaftsprüfung ist zwingend für alle Buchhaltungspflichtigen durchzuführen. Es gibt allerdings Ausnahmen und Erleichterungen für Akteure, die gewisse Bedingungen erfüllen.
Falls nicht abweichend geregelt, kann eine Gesellschaft von der Bestellung eines Wirtschaftsprüfers
absehen, wenn höchstens eine der folgenden Bedingungen während des laufenden sowie vorherigen Geschäftsjahres erfüllt ist:
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Der Wert des Vermögens in der Bilanz überschreitet 100.000 Euro
Der Umsatz oder entsprechend sämtliche Einnahmen des Unternehmens überschreiten 200.000
Euro
Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl überschreitet drei Personen
Die Amtszeit eines Wirtschaftsprüfers in privaten Aktiengesellschaften ist nicht begrenzt. In börsennotierten Gesellschaften ist die Amtszeit allerdings auf maximal sieben aufeinanderfolgende
Jahre beschränkt. Hier muss eine Pause von zwei Jahren erfolgen, bevor die Gesellschaft wieder
erneut die Dienste desselben Wirtschaftsprüfers in Anspruch nehmen darf.
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Recht
Sachverhalt:
Die Gesellschaft Notruf GmbH ist an der Umsetzung eines umfangreichen Projekts in Finnland beteiligt und entsendet zu diesem Zweck Mitarbeiter in das Land. Die Projektleitung selbst wird von
Deutschland aus durchgeführt. Auftretende Fragen bezüglich des finnischen Arbeitsrechts wurden
von der Leitung selbst untersucht. Die Notruf GmbH gehört keiner finnischen Gewerkschaft an,
wodurch für sie keine finnischen Tarifverträge gelten. Nach zwei Jahren wird jedoch unerwartet
Klage bezüglich offener Gehälter gegen die Notruf GmbH eingereicht. Es stellte sich heraus, dass
für die Notruf GmbH, auch wenn diese kein Mitglied der entsprechenden Arbeitgeberorganisation
ist, die Vorschriften des Tarifvertrages gelten, da diese in Finnland allgemeinverbindliche Wirkung
entfalten. Hierdurch hat die Gesellschaft über Jahre nicht die gültigen Vorschriften bezüglich der
Löhne, Tagesgelder, Arbeitszeitverkürzungen sowie der Urlaubsabgeltungen eingehalten.
Was kann man jetzt tun?
Zunächst gilt es herauszufinden, ob ein allgemeinverbindlicher Branchentarifvertrag für die Notruf
GmbH Gültigkeit entfaltet. Im Anschluss muss untersucht werden, ob der Tarifvertrag, aufgrund
welchem sich die mutmaßlichen Lohnansprüche begründen, tatsächlich der anzuwendende Tarifvertag ist oder ob konkurrierende Tarifverträge existieren. Zuletzt ist zu überprüfen, ob wirklich alle
Vorschriften des Tarifvertrages auch für die entsandten Mitarbeiter der Notruf GmbH Anwendung
finden (vgl. hierzu: EU-Richtlinie 96/71/EG).
Was hätte man von Beginn an anders machen sollen?
Von Beginn an hätte die Gesellschaft sich intensiver mit dem finnischen Arbeits- und Tarifvertragsrecht auseinandersetzen müssen. Die Vielfalt der finnischen Tarifverträge und deren Vorschriften in
Kombination mit der genannten Allgemeinverbindlichkeit bilden kein komplexes System, das ohne
entsprechende Expertise enorme Risiken in sich birgt.
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Recht
Sachverhalt:
Die Wagehals AG ist ein großes Bauunternehmen. Sie ist verantwortlich für die Realisierung eines
Bauprojekts in Finnland. Für bestimmte Tätigkeiten muss sich die Wagehals AG jedoch des Knowhows eines polnischen Subunternehmens bedienen, mit welchem sie bereits häufiger kooperierte.
Es herrscht daher ein relativ stabiles Vertrauensverhältnis. Eines Tages führt die finnische Arbeitsschutzbehörde auf der Baustelle der Wagehals AG jedoch eine überraschende Inspektion durch.
Dabei wird festgestellt, dass die Wagehals AG Informationen und Unterlagen nicht in dem Maße
bereitstellen konnte, wie dies vom finnischen „Gesetz über die Aufklärungspflicht und Haftung des
Bestellers bei Benutzung externer Arbeitskräfte“ verlangt wird. Der Subunternehmer war hier in
diesem Fall nicht verantwortlich.
Die Behörde behauptete zudem, dass die Wagehals AG zusätzlich zu der vom Subunternehmer
bereitgestellten fehlerhaften Dokumentation untertarifierte Vereinbarungen mit seinen Subunternehmern vereinbart hatte, welche Preise zum Inhalt hatten, bei denen die Wagehals AG wusste
oder zumindest gewusst haben musste, dass die Subunternehmer nicht in der Lage sein konnten,
alle ihre rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (Zahlung von ausreichenden Löhnen, Steuern und
Sozialbeiträgen).
Was kann man jetzt tun?
Es ist möglich, eine Klage gegen die Bußgeldverhängung beim Verwaltungsgericht einzureichen.
Dabei sollten die notwendigen/fehlenden Unterlagen nachgereicht sowie sämtlichen weiteren Informationspflichten bei den entsprechenden Behörden nachgekommen werden. Hierdurch wird
möglich, dass die Bußgeldforderung unter Umständen zurückgenommen wird.
Was hätte man von Beginn an anders machen sollen?
Die Gesellschaft hätte sich von Beginn an über die Besonderheiten der finnischen Regelungen
aufklären lassen sollen. Es ist nicht ausreichend, dass die Gesellschaft die Voraussetzungen der
deutschen Compliance-Regelungen kannte und erfüllte, da die finnischen Regeln in diesem Bereich
strenger sind.
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