Frühjahrshochwasser 2016 in Deutschland

Bundesanstalt für
Gewässerkunde
Frühjahrshochwasser 2016 in Deutschland
Am Mainzer Tor 1
56068 Koblenz
Postfach 20 02 53
56002 Koblenz
Die regenreiche und gewitterträchtige Wetterlage über Mitteleuropa hat derzeit
teilweise katastrophale Folgen. Kleinräumig richteten Überflutungen große
Schäden an, großräumige Überschwemmungen blieben bislang aus. Für die großen Flüsse und Wasserstraßen besteht derzeit keine außerordentliche Hochwassergefahr. Die momentane Großwetterlage erfordert jedoch weitere Aufmerksamkeit.
Ereignistyp
Tel.: 0261/1306-0
Fax: 0261/1306-5302
Jörg Uwe Belz
Referat M1
Hydrometrie und Gewässerkundliche Begutachtung
Peter Krahe
Dennis Meißner
Referat M2
Wasserhaushalt, Vorhersagen und Prognosen
06.06.2016
Die jüngst über das Bundesgebiet verteilt aufgetretenen und bis zum jetzigen Zeitpunkt räumlich begrenzten Hochwasserereignisse sind größtenteils in die Kategorie
„Sturzflut“ (sog. „Flash Flood“) einzuordnen. Es handelt sich dabei um kurzfristig
nach heftigen Unwettern und damit verbundenen starken Regenfällen eintretende
Überschwemmungen, die dadurch entstehen, dass die Böden sowie die vorhandenen
Vorfluter (sowohl natürliche Gewässer als auch die Kanalisation urbaner Gebiete)
nicht in der Lage sind, die plötzlich auftretenden großen Wassermengen in adäquater
Weise aufzunehmen bzw. abzuführen. Sturzfluten können nicht nur an Flüssen, sondern grundsätzlich überall auftreten. Das Wasser fließt größtenteils unkontrolliert
oberflächig ab, konzentriert sich innerhalb kurzer Zeit in Mulden, Senken, kleineren
Gewässern o.ä. und kann mitunter reißende Geschwindigkeiten erreichen und entsprechend Feststoffe mit sich führen.
Wetterlage und Niederschläge
Die verursachenden Niederschlagsereignisse gehörten zu einem in der Höhe ausgeprägten abgeschlossenen Tiefdruckgebiet („cut-off low“), das nunmehr seit dem späten Donnerstag des 26. Mai 2016, mehr oder weniger stationär über Mitteleuropa verharrt und am Boden von einer von Mittel- bis Süd- und Osteuropa umfassenden Tiefdruckrinne mit eingelagerten abgeschlossenen Tiefdruckgebieten begleitet wird. Hierbei vermischen sich warme und wasserdampfreiche Luftmassen aus dem Mittelmeerraum mit nur geringfügig kühleren wasserdampfreichen Luftmassen, die über die Ostund Nordsee nach Mitteleuropa herangeführt werden. Durch die der Jahreszeit entsprechenden hohen Einstrahlung entstehen labil geschichtete Luftmassen, die dann oft
nochmals verstärkt bei Auftreffen auf orographische Hindernisse als Starkregen niedergehen.
1
Bundesanstalt für
Gewässerkunde
Am Mainzer Tor 1
56068 Koblenz
Postfach 20 02 53
56002 Koblenz
Tel.: 0261/1306-0
Fax: 0261/1306-5302
Jörg Uwe Belz
Referat M1
Hydrometrie und Gewässerkundliche Begutachtung
Peter Krahe
Dennis Meißner
Referat M2
Wasserhaushalt, Vorhersagen und Prognosen
06.06.2016
Abb. 1: Verteilung der 24-stündigen Niederschlagssummen (Bezugstermin 30.05.2016 um 7:50
MESZ), abgeleitet aus den Radolan-Radardaten des DWD, die die Hochwasser im Kocher-,
Neckar- und oberen Donaugebiet ausgelöst haben
Abb. 2: Verteilung der 24-stündigen Niederschlagssummen (Bezugstermin 01.06.2016 um 7:50
MESZ), abgeleitet aus den Radolan-Radardaten des DWD, die die Hochwasser im Illergebiet und
am unteren Inn (Einzugsgebiet der Rott) mit ausgelöst haben
Die insgesamt ergiebigen Niederschläge führten in West-, Mittel- und Süddeutschland
zu einem verbreiteten Anstieg der Oberflächengewässer. Im Alpen- und Voralpen2
raum kam hinzu, dass mit den Tiefdruckgebieten einhergehende Temperaturerhöhungen die ohnehin jahreszeitengemäß laufende Schneeschmelze in den Hochgebirgslagen forcierten.
Bundesanstalt für
Gewässerkunde
Am Mainzer Tor 1
56068 Koblenz
Aktuelle Hochwasserlage
Postfach 20 02 53
56002 Koblenz
Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Lage zu erklären: Verbreitet erfolgte ein Anstieg der Pegelstände, jedoch überwiegend im Bereich unterhalb der einschlägigen
Hochwassermarken. Dort, wo Unwetterzellen besonders hohe Niederschlagsintensitäten aufwiesen, kam es zu teils flächigen Überschwemmungen und einzelnen Sturzflutereignissen. Die dabei entstehenden Abflussvolumina konnten aber in aller Regel von
den größeren Fließgewässern ohne weitere Ausuferungen abgeführt werden. Nur auf
sehr begrenzten Abschnitten der Bundeswasserstraßen (Oberrhein im Bereich Karlsruhe, Donau bei Passau, vgl. Abb. 3) prägten sich größere Hochwasserwellen aus, die
allerdings deutlich unter den vieljährig berechneten jeweiligen mittleren Hochwasserständen bzw. -abflüssen verblieben.
Tel.: 0261/1306-0
Fax: 0261/1306-5302
Abb. 3 Hochwasserganglinie am Pegel Passau (Donau)
Auch wurden mit Ausnahme des unteren Neckars nie Niveaus erreicht, welche Schifffahrtseinstellungen angesichts eventueller Überschreitungen der örtlichen HSW 1 notwendig gemacht hätten: Am Oberrheinpegel Maxau lag der Scheitel am 05.06.2016
bei 712 cm ü. PNP (HSW1 überschritten, HSW2 um 38 cm verfehlt), am Donaupegel
Passau am 01.06.2016 bei 762 cm ü. PNP (HSW um 18 cm unterschritten), an der
rasant angestiegenen Mosel (vgl. Abb. 4) wurde am Pegel Cochem bei Scheiteldurchgang am 05.06.2016 angesichts eines Pegelstands von 581 cm der örtliche HSW (600
cm ü. PNP) ebenfalls nicht erreicht.
1
HSW-höchster schiffbarer Wasserstand
3
Jörg Uwe Belz
Referat M1
Hydrometrie und Gewässerkundliche Begutachtung
Peter Krahe
Dennis Meißner
Referat M2
Wasserhaushalt, Vorhersagen und Prognosen
06.06.2016
Bundesanstalt für
Gewässerkunde
Am Mainzer Tor 1
56068 Koblenz
Postfach 20 02 53
56002 Koblenz
Tel.: 0261/1306-0
Fax: 0261/1306-5302
Jörg Uwe Belz
Referat M1
Hydrometrie und Gewässerkundliche Begutachtung
Peter Krahe
Dennis Meißner
Referat M2
Wasserhaushalt, Vorhersagen und Prognosen
06.06.2016
Abb. 4: Pegel Cochem: Abflussganglinie der Mosel seit Januar 2016 (Bezugsperiode für die vieljährigen mMQ (mittlere monatliche Abflüsse) und mMHQ (mittlere monatliche Höchstabflüsse) ist der
Zeitraum 1931-2015)
Ausblick
In den tieferen Bodenschichten und in Grundwasserköpern ist die Wasseraufnahmefähigkeit der Böden trotz der in den letzten Tagen gefallenen Niederschläge, aber
angesichts der trockenen Vormonate noch groß – dies im Gegensatz zur Ausgangslage des Juni-Hochwassers 2013. Mit Ausnahme von lokalen Ereignissen aufgrund
räumlich begrenzter Unwetterzellen werden daher die für die nächsten Tage erwarteten Niederschläge in den Einzugsgebieten verbleiben bzw. versickern. Eine Ausnahme
bildet hier das bereits seit Mitte Mai stärker überregnete Hoch- und Alpenrheingebiet,
wo auftretende Niederschläge mehr oder minder direkt die Gewässer speisen. Insgesamt bleibt jedoch die Vorfüllung der Oberflächengewässer vor allem in schmelzwasserbeeinflussten voralpinen Einzugsgebieten, aber in abgeschwächter Form auch im
übrigen Mittel- und Süddeutschland, über den saisonal üblichen mittleren Niveaus.
Die vorhandenen Wasservorräte in Schnee und Gletschern tragen voraussichtlich nur
im jahreszeitlich üblichen Maß zur Abflussentwicklung bei.
Die aktuelle Wetterlage und die voraussichtliche Witterungsentwicklung lässt kurzbis mittelfristig weitere Niederschläge im Westen und vor allem im Süden Deutschlands erkennen. In dieser Situation besteht zumindest für Süd- und Südwestdeutschland grundsätzlich das Potenzial der Entstehung auch überregionaler Hochwassersituationen. Die aktuellen Prognosen der Hochwasservorhersagezentralen der Länder
(siehe www.hochwasserzentralen.de) lassen jedoch für die kommenden Tage keine
kritischen Situationen an den großen Flüssen in Deutschland erwarten. Anders ist dies
in nachgeordneten Einzugsgebieten, wo angesichts der weiter bestehenden Großwetterlage unverändert Unwetterpotenzial besteht. Für kleine Einzugsgebiete bieten einige Bundesländer in Ergänzung zu den Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes sog. Hochwasserfrühwarnkarten an (siehe Abbildung 5). Diese Karten basie4
ren auf der Kombination hochaufgelöster meteorologischer und hydrologischer Modelle und sind damit in der Lage, auch die lokale Gebietscharakteristik sowie die aktuellen Abflusstendenzen der Einzugsgebiete zu berücksichtigen.
Bundesanstalt für
Gewässerkunde
Am Mainzer Tor 1
56068 Koblenz
Postfach 20 02 53
56002 Koblenz
Tel.: 0261/1306-0
Fax: 0261/1306-5302
Jörg Uwe Belz
Referat M1
Hydrometrie und Gewässerkundliche Begutachtung
Peter Krahe
Dennis Meißner
Referat M2
Wasserhaushalt, Vorhersagen und Prognosen
06.06.2016
Abb. 5: Hochwasserfrühwarnung für der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg
für kleine Einzugsgebiete (Einzugsgebietsgrößen kleiner 200km²) (Stand: 06.Mai 2016, 07 Uhr
MESZ)
Abkürzungen:
PNP: Pegelnullpunkt
HSW: Höchster Schifffahrtswasserstand (oberer Grenzwert, bis zu dem der Verkehr auf der Wasserstraße zulässig
ist)
5