Antwort der Staatsanwaltschaft Stuttgart an ZAPP vom 6. Juni

Antwort der Staatsanwaltschaft Stuttgart an ZAPP vom 6. Juni 2016:
Zu den Fragen Ziff. 1., 2. und 3.:
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Verantwortliche
des von Ihnen genannten Waffenherstellers wurde infolge einer im Jahr 2010 von
Herrn Jürgen Grässlin über seinen Rechtsanwalt erstatteten Strafanzeige eingeleitet.
Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurde zunächst unter anderem der vom
Anzeigeerstatter benannte Belastungszeuge vernommen. Anschließend wurden
weitere umfangreiche strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt.
Es ist schlichtweg unzutreffend, dass das Buch "Netzwerk des Todes" und die Filme
"Meister des Todes" sowie "Tödliche Exporte" als Grundlage für die Mitte Oktober
2015 erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart dienten. Die Anklage beruht
vielmehr ausschließlich auf den von der Staatsanwaltschaft und dem Zollkriminalamt
seit dem Jahr 2010 selbst geführten umfangreichen Ermittlungen und den daraus
erlangten Erkenntnissen.
Umgekehrt bestehen allerdings Anhaltspunkte dafür, dass Erkenntnisse aus unseren
Ermittlungen von den Journalisten in deren im Jahr 2015 veröffentlichten Werken
verwendet wurden. Auf welche Weise die Journalisten in den Besitz der von ihnen
veröffentlichten Teile der Ermittlungsakten gekommen sind, ist hier nicht bekannt.
Das Ermittlungsverfahren ist Teil des Strafverfahrens. Amtliche Schriftstücke aus
dem Ermittlungsverfahren sind daher solche des Strafverfahrens und dürfen vor
Abschluss des Verfahrens nicht veröffentlicht werden. Eine Veröffentlichung ist nach
§ 353d Strafgesetzbuch (StGB) strafbewehrt; auf eine „Verwendung“ oder
dergleichen kommt es nicht an.
Die Veröffentlichungen aus den Ermittlungsakten begründeten daher den
Anfangsverdacht einer Straftat gemäß § 353d StGB, der den Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft München I zugrunde liegt. Die Staatsanwaltschaft München I ist
zuständig, da der veröffentlichende Verlag seinen Sitz in München hat. Für weitere
Auskünfte dieses Verfahren betreffend wenden Sie sich daher unmittelbar an die
Staatsanwaltschaft München I.
Frage Ziff. 4.:
Die Staatsanwaltschaft hat beim Anfangsverdacht einer Straftat grundsätzlich den
Sachverhalt zu erforschen und im Rahmen ihrer Ermittlungen unter Umständen auch
Journalisten als Zeugen zu befragen, wenn dies der Sachverhaltsaufklärung dient.
Es ist dann die Entscheidung des einzelnen Journalisten, ob er von dem ihm ggf.
zustehenden Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht oder seine
Quelle - ggf. nach Rücksprache mit dieser - nennt.
Frage Ziff. 5.:
vgl. Antwort zu Fragen 1-3. Die Anklage beruht auf dem Ergebnis der Ermittlungen.
Herr Daniel Harrich wurde im Verfahren gegen die Verantwortlichen des
Waffenherstellers nicht als Zeuge vernommen.
Frage Ziff. 6.:
Bitte wenden Sie sich hinsichtlich des konkreten Verfahrens an die
Staatsanwaltschaft München I.
Ganz allgemein gilt:
Die Pressefreiheit gilt nicht grenzenlos, sondern findet gem. Art. 5 des
Grundgesetzes ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, also
u.a. der Strafgesetze. § 353d StGB ist ein solches Gesetz und enthält ein sog.
Presseinhaltsdelikt. Erlangt die Staatsanwaltschaft Kenntnis von dem Verdacht einer
Straftat, ist sie grundsätzlich verpflichtet, ein Strafverfahren einzuleiten (vgl. §§ 152
Abs. 2, 160 StPO), im Falle des § 353d StGB also gerade auch gegen Journalisten.
Frage Ziff. 7.:
Die Frage eines Anfangsverdachts gegen Mitarbeiter des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie und des Bundesamtes für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle wurde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend geprüft.
Dabei ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte für ein strafbewehrtes Verhalten.
Einer vom Anzeigeerstatter gegen die Nichteinleitungsverfügung der
Staatsanwaltschaft Stuttgart eingelegten Beschwerde hat die
Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart keine Folge gegeben. Im Übrigen waren - sofern
Ihre Frage dies impliziert - die mexikanischen Provinzen, in die unerlaubte
Waffenlieferungen erfolgt sein sollen, ja gerade nicht von den
verfahrensgegenständlichen Ausfuhrgenehmigungen erfasst; anderenfalls wären die
Lieferungen des Waffenherstellers dorthin ja genehmigt und damit erlaubt gewesen.
ZAPP-Anfrage vom 3. Juni 2016:
Sehr geehrter Herr Holzner,
vielen Dank für das freundliche Telefonat – und schade, dass ein Kamera-Interview
mit ZAPP leider nicht möglich ist.
Wie besprochen bitten wir Sie daher, uns Antworten auf die folgenden Fragen im
Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Autoren des Buches „Netzwerk das
Todes“ sowie die Anklage gegen den Waffenhersteller Heckler & Koch zu geben.
1.
Welcher Anfangsverdacht liegt gegen die betroffenen Journalisten vor?
2.
Weshalb führt nach Äußerung dieses Verdachts nicht die Staatsanwaltschaft
Stuttgart, sondern die Staatsanwaltschaft München die Ermittlungen?
3.
Das Buch „Netzwerk des Todes“ sowie die dazugehörigen Fernsehfilme des
SWR-Themenabends „Tödliche Exporte“ sind im September 2015 erschienen.
Später, also im November 2015, wurde Anklage gegen Heckler & Koch erhoben.
Was entgegnen Sie dem Vorwurf, dass die Journalisten zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung keine Kenntnis darüber haben konnten, welche Dokumente in der
Anklageschrift bzw. welche amtlichen Schriftstücke im Strafverfahren Verwendung
finden würden und somit der Verdacht, gegen §353d Abs.3 StGB verstoßen zu
haben, unbegründet ist?
4.
Wie sinnvoll ist vor dem Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten das
Bemühen der Staatsanwaltschaft, die Quelle von den Journalisten zu erfahren?
5.
Inwiefern dienten die journalistischen Recherchen der Staatsanwaltschaft
Stuttgart als Quelle, um Anklage gegen frühere Mitarbeiter von Heckler & Koch zu
erheben? Daniel Harrich wurde an dieser Stelle ja auch als Zeuge vernommen.
6.
Die Betroffenen sowie Kritiker sehen in den staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen einen Einschüchterungsversuch bzw. einen Angriff auf die
Pressefreiheit. Was entgegnen Sie?
7.
Weshalb hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart keine Anklage gegen Beteiligte
des Bundeswirtschaftsministeriums, des BAFA sowie des Verteidigungsministeriums
erhoben, die aus Sicht der Journalisten die Exporte von Waffen in bestimmte
mexikanische Provinzen nicht hätten genehmigen dürfen?