Ein nicht alltägliches Getriebeproblem

Ein nicht alltägliches Getriebeproblem
Die Kundenbeanstandung bei einem Ford Transit 2,2 TDCI mit 6-Gang Schaltgetriebe von 2013
mit einer Laufleistung von 82.000 km lautete, starke Vibrationen im fünften Gang bei 100 km/h,
sobald die Geschwindigkeit überschritten wird, verschwindet die Vibration wieder.
Eine Probefahrt bestätigte, die starke Vibration und Geräuschentwicklung im fünften Gang bei
einer Geschwindigkeit von 100 km/h. Diese Vibration ließ sich nur im fünften Gang reproduzieren
und man musste sich regelrecht langsam an die Geschwindigkeit von 100 km/h herantasten, damit
die Vibration zu spüren war und sich dann derart aufschaukelte, dass das ganze Fahrzeug
gewaltig stark vibrierte. Da die Vibration nur im fünften Gang entstand, konnte die Gelenkwellen,
Reifen, Zweimassen-Schwungrad, usw. als Fehlerquelle ausgeschlossen werden. Der Kunde
erzählte im weiteren Verlauf, dass der Motor auch schon im fünften Gang hochgedreht ist ohne
effektiven Kraftfluss zu spüren (sowie bei einer durchrutschenden Kupplung).
Wieder in der Werkstatt angekommen wurden die veröffentlichten Technischen Service
Mitteilungen (TSI) zu Getriebebeanstandungen konsultiert. Außer Gelenkwellengeräusche,
Vibrationen oder rauer Lauf der Gelenkwelle aufgrund eines Defektes am hinteren
Gelenkwellenkreuzgelenk war nichts zu finden.
Wir entschlossen uns das Getriebe auszubauen und zu zerlegen. Bei geöffnetem Getriebe war
kein Indiz zu finden, dass das Getriebe für die Vibrationen verantwortlich war (Bild 1). Von einem
Bekannten aus Stuttgart wusste ich jedoch, dass er einen Fall hatte bei dem das Zahnrad vom
fünften Gang lose auf der Hauptwelle drehte. Dies ist möglich, da die Zahnräder 3. und 5. Gang
sowie das Zahnrad 4. und 6. Gang aufgepresst sind. Die Zahnräder 1. und 2. Gang sind integraler
Teil der aus Vollmaterial hergestellten Eingangswelle. Obwohl am fünften Gang auch nicht
ansatzweise was zu sehen war, entschloss ich mich doch die Hauptwelle erneuern zu lassen.
Bild 1 Das VMT6-Getriebe verfügt über zwei Abtriebswellen und eine Eingangswelle, es
wird daher als "ungleichachsiges Schaltgetriebe" mit 3-Wellen-Design bezeichnet. Die
erste Abtriebswelle ist für die Kraftverteilung Gang 1 - 4 zuständig, die zweite
Abtriebswelle für die Gänge 5 - 6 sowie den Rückwärtsgang. Die Abtriebswellen und das
Differenzial sind jeweils mit Kegelrollenlagern in der kupplungsseitigen und
getriebeseitigen Getriebegehäusehälfte gelagert. 1 = Abtriebswelle – 5./6./Rückwärtsgang,
2 = Eingangswelle, 3 = Abtriebswelle – 1.– 4. Gang, 4 = Schaltgabel – Synchronkupplung
– 3./4. Gang, 5 = Schaltgabel – Synchronkupplung – 1./2. Gang, 6 = Kupplungsgehäuse, 7
= Zahnrad – 1. Gang, 8 = Zahnrad – 2. Gang, 9 = Zahnrad – 5. Gang, 10 = Schaltgabel –
Synchronkupplung – Rückwärtsgang, 11 = Zahnrad – 3. Gang, 12 = Schaltgabel –
Synchronkupplung - 5./6. Gang, 13 = Zahnrad – 4./6. Gang.
Nach dem Zusammenbau und Einbau in das Fahrzeug, zeigte eine anschließende Probefahrt,
dass die Entscheidung die richtige war, da keine Vibration mehr spürbar war.
Trotzdem wollte ich es genauer wissen. Habe die Welle neben dem 5. Gangrad (Bild 2) getrennt
und dann das besagte Rad quer bis zum Wellenpasssitz aufgeschnitten. Das Zahnrad saß
weiterhin fest auf der Welle und ließ sich auch nicht abhebeln. Bei ca. 15 Tonnen Presskraft
sprang das Zahnrad in zwei Hälften. Auf dem Bild (Bild 3) sieht man sehr gut die
Reibverschweißung beider Teile.
Bild 2 Auf der Eingangswelle befinden sich alle antreibenden Zahnräder.1 =
Eingangswelle, 2 = Eingangswellenlager, 3 = Zahnrad – 1. Gang, 4 = Zahnrad – 2. Gang,
5 = Zahnrad – 5. Gang, 6 = Zahnrad – 3. Gang, 7 = Zahnrad – 4./6. Gang, 8 = Kugellager
– Eingangswelle, 9 = Sicherungsschraube – Lager.
Bild 3 Durch eine schlechte Passung zwischen Welle und Zahnrad ab Werk hat sich das
Zahnrad auf der Welle gedreht und durch die Hitzeentwicklung verschweißt.
Was war also passiert. Der Kunde hatte von einem hochdrehenden Motor und
Kraftschlussunterbrechung gesprochen, dabei hat sich meines Erachtens durch das durchdrehen
des Zahnrades, das Metall des Zahnrades und der Hauptwelle verflüssigt und durch
Reibschweißen wieder mit der Welle verbunden wobei der Rundlauf gelitten hat und die
Vibrationen bei 100 km/h ausgelöst hat.
Die Ursache muss also an einer schlechten Passung gelegen haben beim aufschrumpfen des
Zahnrades auf der Hauptwelle.