Die FWG-Faktion informiert Info Nr. 10-2016

Die FWG - Fraktion informiert Nr. 10
Mandelbachtal 06/2016
Flüchtlinge - das Problem scheint gelöst………..
Wir erinneren uns an die Monate September bis Januar, als den Kommunen wöchentlich
Flüchtlinge zugewiesen wurden, so auch der Gemeinde Mandelbachtal. Inzwischen hat die
Politik erreicht was sie wollte. Obleich es natürlich nicht weniger Flüchtlinge gibt, kommen
derzeit doch weniger nach Europa, also auch weniger nach Deutschland.
Die damit verbundene Trennung vieler Familien nimmt die Politik billigend in Kauf weil es u.a.
darum geht, dem Umfragetief zu entgegnen. Es herrscht blanker Macht- und Überlebenswillen
der großen Parteien. Statt in der Ägäis ertrinken Flüchtlinge nun vermehrt wieder im Mittelmeer. Jeder Tote ist Beleg für das Versagen von Politik, sowohl in den Herkunfts- als auch den
Zielländern. Eine Politik, der längst Blut an den Fingern klebt.
Mit dem jüngst im Kabinett beschlossenen Integrationsgesetz hat man die Flüchtlinge, die
bereits hier sind, in Angst und Schrecken versetzt, so nebenbei auch viele Betreuerinnen und
Betreuer, denen man neben der vielen Arbeit noch auferlegt, sie doch bitteschön täglich mit
neuen Wasserstandsmeldungen der Regierung zu befassen und diese den Betroffenen zu
vermitteln.
1. Die Situation in Mandelbachtal
Vielviele Flüchtlinge aktuell in Mandelbachtal untergebracht sind, ist nicht bekannt. Die Informationspolitik
der Gemeinde ist - wie in so manch anderen Bereichen - bedauerlicher Weise mangelhaft bis ungenügend. Die
Betreuung der Flüchtlinge erfolgt nicht koordiniert, weder auf der Ebene der Helfer noch im Verbund mit der
Gemeindeverwaltung. Auch eine organisierte Beteiligung der Flüchtlinge der ersten Generation an der Hilfe für
die neuen ist nicht gelungen.
Wo in anderen Kommunen sich die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer mit der Gemeinde zusammen klar
organisiert haben, fehlt in Mandelbachtal jegliche Struktur. Als Ergebnis stehen Überversorgung auf der einen
und Unterversorgung auf der anderen Seite.
Infolge fehlenden Austausches von Informationen und vor allen Dingen von Erfahrungen unter den Helferinnen
und Helfern werden viele Dinge doppelt ausgeführt, anderes bleibt aus Unkenntnis einfach liegen. Die Gemeinde
Mandelbachtal zeigt also auch in der Flüchtlingsbetreuung ihr bekanntes Bild der Kirchturmpolitik, in der die
einzelnen Gemeindebezirke deutlich über der Gemeinde Mandelbachtal stehen.
Nun geht es des den Flüchtlingen dabei dennoch nicht schlecht, denn sie sind nicht in Hallen untergebracht
sondern in Wohnungen. Organisiert und kooperierend wäre allerdings weit mehr und effizienter möglich .
In den Medien findet die Flüchtlingsbetreuung Mandelbachtal so gut wie nicht statt. Die jüngste Ausstrahlung
gemeinsamen Kochens und Essens ist ein Zerrbild der Arbeit der Ehrenamtlichen und ein Blendwerk vor dem
Hintergrund der wirklichen Probleme.
2. Welche Probleme stehen wirklich an
Aufgrund des versiegten Stroms, der das Lager Lebach entvölkert hat, ist auch die Notwendigkeit der Erstversorgung zum Erliegen gekommen. Die Flüchtlinge sind versorgt und müssen sich nun verstärkt mit ihrer
Zukunft befassen. Hier benötigen Sie qualifizierte Hilfe. Und genau an dieser Stelle bauen sich die Sünden der
Vergangenheit als nahezu unüberwindbares Hindernis auf. Fast alle stehen noch am Fuß eines hohen und
steilen Berges, der sich Sprachkenntnisse nennt. Flüchtlinge, die schon neun Monate bei uns weilen, sind über
weite Strecken nicht in der Lage sich so zu artikulieren, dass sie alleine an der Gesellschaft teilhaben können,
geschweige denn eine Chance auf eine Arbeit haben. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ohne Arbeit fehlt das
Selbstwertgefühl dafür wächst das Gefühl, dem Gastland weiterhin auf der Tasche zu liegen. Frustration durch
untätiges Herumsitzen ist eine gefährliche Zeitbombe.
Der Staat will die Flüchtlinge im geplanten Gesetz zu etwas verpflichten, was er nicht anbietet: Eine rasche,
qualifizierte, effiziente Sprachschulung. Ohne Sprache ist die Vermittlung der Werte unserer Gesellschaft
(wenn man die Zeitung liest und die Nachrichten hört, zweifelt man allerdings, dass es sie gibt) fruchtlos.
Die verzweifelte Suche nach professionellen Spracherziehern war bereits in den Anfängen gescheitert. In
Bebelsheim hatten Flüchtlinge im Herbst vergangenen Jahres beim Bürgermeister eine Petition mit drei
Wünschen eingereicht: Fahrtkostenzuschuss: abgelehnt - Internet: nach langem Hickhack doch installiert Sprachschulung: nachweislich fruchtlose Schulung; nicht der Schüler sondern des Unterrichtes wegen.
Wenn manche Flüchtlinge nach neun Monaten endlich Unterricht bekommen, andere weitere sechs Monate auf
einen Integrationskurs warten müssen, hat die Politik, hat die Gesellschaft, haben wir versagt. Die Ehrenamtlichen konnten das alleine nicht auffangen, waren sie gerade in den ersten Monaten mit vielen anderen Betreuungsaufgaben beschäftigt.
So tun sich heute Flüchtlinge, die sich erfolgreich an der Universität bewarben, unglaublich schwer mit den dort
gestellten hohen Anforderungen an die Sprache und die Geschwindigkeit, sie zu erlernen. In den vergangenen
neun Monaten hätten wir ihnen einen besseren Start ermöglichen können, ja müssen. Diskussionen mit
Schulleitern an Gym-nasien bestätigen, dass auch dort zu wenig spezielle Programme zum raschen Erlernen der
Sprache angeboten werden. Flüchtlingskinder werden ohne Bildungstests in Klassen gesteckt und sollen dem
Unterricht folgen. Ein Unding.
Ohne Perspektive stehen die, die schon einen oder keinen Beruf erlernt haben und mangels höherer Schulbildung sich auch in anderen Sprachen nicht unterhalten können. Gänzlich übersehen wurde und wird, dass das
Bildungs- und Ausbildungssystem z.B. in Syrien nicht vergleichbar mit dem in Deutschland ist. Studien zeigen
dies ebenso wie die direkte Erfahrung.
Betrachtet man sich die derzeit laufenden Integrationskurse bzw. spricht mit Teilnehmern entsteht der Eindruck, dass hier vornehmlich eine Zeitachse zu erfüllen ist. Der Spracherfolg scheint sekundär. Der Umstand,
dass manche Sprachschüler zusätzliche Hilfe neben der Schulung bekommen, schürt verständlicher Weise Neid
bei denen, die nicht in den Genuss gelangen, erst recht dort, wo man mangels Fähigkeit, seinen Namen mit den
Buchstaben unseres Alphabetes zu schreiben, weitere sechs Monate auf einen Integrationskurs warten muss.
Ganz am Ende der Kette befinden sich die Älteren, die auf dem Arbeitsmarkt schon ihres Alters wegen keine
Chance mehr haben werden. Sie müssen mitunter tatenlos zusehen, wie die Kinder langsam beginnen, Deutsch
zu lernen und werden auf sie angewiesen sein. Fehlende Sprachkenntnisse sind vergleichbar mit Isolationshaft.
Das wichtigste Element der Versorgung, die Sprache, ist in den vergangenen neuen Monaten nachweislich zu
kurz gekommen. Eine bittere Erkenntnis und verlorene wertvolle Zeit für alle.
P. Hack
Pressesprecher der Freien Wähler Mandelbachtal
3. Persönliche Erfahrungen
An dieser Stelle erlaube ich mir, nicht als Pressesprecher der FWG sondern als Betreuer von Flüchtlingen zu
sprechen, der wie viele andere seit fast einem Jahr ehrenamtlich Integrationshilfe leistet. Anfangs noch
hoffnungsvoll, man könne aus dem Pool der Helferinnen und Helfer eine organisierte und damit
problemorientierte Hilfe anbieten, musst ich bald erkennen, dass genau das nicht gewollt ist.
Als Ergebnis stehen sowohl Gruppen zusammenarbeitender Betreuer als auch Einzelbetreuung. Der Umzug
vieler Flüchtlinge infolge der Familienzusammenführung hat mitunter zu einer „Helikopterbetreuung“ geführt,
in der sich Betreuer die Klinke in die Hand geben ohne zu wissen, was der andere tut. Familien mit und ohne
Kinder werden besser versorgt als Einzelpersonen, bei denen es sich fast ausschließlich um Männer handelt.
Nicht zu übersehen ist dabei die Fähigkeit so mancher Flüchtlinge, einen ganzen Stab an Betreuern zu instrumentalisieren. Aus der Eifersucht und dem Neid über die Betreuung des Andern wird inzwischen kein Hehl
gemacht. Gegenseitige Hilfe? Überwiegend Fehlanzeige.
Flüchtlinge der ersten Generation müssten heute in der Lage sein, ihren neu angekommenen Landsleuten zu
helfen. Ich sehe das Scheitern in der nicht gelungenen Sprachausbildung und in kulturell bedingten Egoismen
von Menschen, die in einem anderen System, mitunter ähnlich dem unseres eigenen ehemaligen sozialistischen,
groß wurden, wo die Eigeninitiative durch staatliche Bevormundung (aus gutem Grunde) ersetzt worden war.
So wurde und werde ich unablässig mit Fragen bombardiert, warum dieses und jenes nicht geht.
Die Vermittlung gelingt nur dort, wo Flüchtlinge der englischen Sprache mächtig sind. Ich persönlich hinterfrage
meine Helfertätigkeit immer mehr. Neun Monate ohne Sprachschulung, jetzt eine neunmonatige Schulung mit
ungewissem Erfolg, machen bereits die Hälfte der Aufenthaltsdauer aus. Bleibt also nochmals die gleiche
Zeitspanne, sich durch einen Beruf überwiegend selber zu versorgen und nebenbei seine Sprachkenntnisse zu
verbessern. Beides, Sprachkenntnisse und Selbstversorgung werden nach drei Jahren über das Bleiberecht
entscheiden.
Ein weiteres Problem bilden die Kinder, die in der Schule der Schulpflicht wegen die deutsche Sprache schreiben
und lesen lernen, nicht aber die eigene Muttersprache, mit der Sie aufwachsen. Wo sind die Hilfen für diese
Kinder? Auch hier gäbe es in einer wohl organisierten Helferorganisation Möglichkeiten, so manchen Älteren zu
beschäftigen.
Meine Beobachtungen basieren auf vielen vertieften Gesprächen über den „Flüchtlingssmalltalk“ hinaus. Viele
lebten wohl in ihrem Heimatland ohne individuelles Hobby bzw. nicht im Vereinsverbund. Nicht bekannt ist
ihnen die Härte unserer Leistungsgesellschaft, die für die meisten von uns in einem strukturierten Tagesablauf
mit meist wenig Spielraum mündet. So fehlt bei vielen das Verständnis dafür, dass man neben seinem
Privatleben als Betreuer und der vielen investierten Zeit nicht jede Einladung zum Essen annimmt, dessen
Vorbereitung, sprich Einkauf, Zubereitung, Vertilgung und Nacharbeiten für viele der Flüchtlinge inzwischen
Haupttätigkeit zu sein scheint.
Mit großer Sorge und Skepsis blicke ich daher in der Zukunft. Ich teile die Meinung von Experten, dass nur
wenige die volle Integration schaffen werden, wenn wir nicht umdenken. Bildung und Sprachkompetenz
werden für eine natürliche Auslese sorgen. Am Ende werden viele auf der Strecke bleiben, enttäuscht, frustriert
mit dem Gefühl, alleine gelassen worden zu sein. Diese Haltung hat nicht zuletzt in unserer Gesellschaft zu den
Problemen geführt, die wir inzwischen haben. Wehe wenn sich diejenigen, die glauben zu kurz gekommen zu
sein, organisieren! In Ballungszentren und Städten sind sie längst dabei.
Die jüngeren Flüchtlinge zieht es in die Städte. Auf dem Land werden die zurückbleiben, die keine Ausbildung
und keinen Arbeitsplatz finden. Wir laufen auch hier Gefahr, die heutigen Fehler in neun Monaten vergeblich
korrigieren zu wollen.
P. Hack
Helfer und Betreuer einiger Flüchtlinge