Nr. 05 – Mai 2016 – 182. Jahrgang Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift Sicherheit Schweiz Interview Chef VBS Qualität aus Leidenschaft Offene Grenzen in Europa We listen to make it right. At RUAG, we make it our business to understand your needs. We listen and learn every step of the way to create technology solutions that work. A promise you can trust. www.ruag.com Editorial 3 Wirtschaft/Rüstung Andreas Bölsterli Peter Müller 37 Weniger Schadenfälle Aktuelles Luftwaffe Andreas Bölsterli 4 10 Offene Grenzen in Europa Ein grosses Departement mit grossen Projekten Olivier Savoy 40 Finanzierung der WEA: Wo bleibt Blick in die Zukunft? Sicherheitspolitik Höhere Kaderausbildung Andreas Bölsterli 8 Cyber: Wäre es nicht endlich Zeit, dass…? Michael Arnold 42 Walter Schilling 10 Offene Grenzen in Europa und ihre Folgen Daniel Keller 45 Marcel Serr 13 Israels Sicherheit – aktuelle Bedrohungen und Trends Zentralschule: Qualität aus Leidenschaft Forschung und Lehre Marcel Berni André Blattmann 15 Podestplatz für HKA: Hohe Qualitätsauszeichnung 48 Das Wort des CdA Indochina- und Vietnamkrieg im Vergleich Wolfgang Kopp 34 Vielschichtige Herausforderungen 16 Überlegungen zur Struktur des Deutschen Heeres Henrique Schneider 20 Clans, Stämme und andere Freunde Internationale Nachrichten 50 Geschichte Marco Sigg Heinrich L. Wirz 21 Bericht aus dem Bundeshaus 54 Teilabzug russischer Truppen 56 Johann Ulrich Schlegel 26 Terror und Freiheit 54 Fernab und doch mittendrin Von Bewegungs- zu Entfaltungsformen der heutigen Infanterie Vermischtes Albert A. Stahel 28 Zentralschweiz im 1. Weltkrieg Thomas Maurer Jürgen Hübschen 22 Pascal Kohler, Henrique Schneider 60 Dieter Kläy Militärische Lage in Europa Bücher Einsatz und Ausbildung 64 Andrea Grichting-Zelenka Eugen Thomann 30 Unsere vitalen Interessen Edgar Gwerder 32 Viertage-Marsch in Nijmegen Peter Müller 34 Member of the European Military Press Association (EMPA) – ISSN 0002-5925 Titelbild Vielschichtige Herausforderungen Bundesrat Guy Parmelin SOG Vorstand Daniel Slongo 36 Foto: VBS SOG Vorstand neu zusammengesetzt Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 1 We stay to make it real. By delivering consistently high-quality and reliable performance, we generate the value that keeps our customers coming back. A promise you can trust. www.ruag.com Editorial haben. Der persönlichen Selbstverwirklichung, dem wirtschaftlichen Erfolg und der Steigerung des WohlKennen Sie Ihre persön- stands haben unsere Anstrengungen gegolten. Ich erinnere mich als ehemaliger Kommandant nur zu gut liche Komfortzone? Populärwissenschaftlich an alle Diskussionen um das Weitermachen, um die ist sie wie folgt definiert: Verschiebungen von Dienstleistungen wegen berufli«Die persönliche Komfort- cher Fortbildung, persönlicher Anliegen oder bereits zone ist jener Bereich, in gebuchter Ferien – und nun müssen wir diese Komdem wir uns sicher fühlen, fortzone verlassen. uns wohlfühlen. Sie ist das War nicht früher alles besser? War nicht früher auch Umfeld, das wir kennen die Sicherheit einfacher zu haben? Man wusste wie und gewohnt sind. Und sich ein Gegner präsentierte, man trainierte auf diese sie endet dort, wo Überwindung und/oder Anstren- Risiken hin. Und heute? Wir wissen nicht mehr gegung beginnen und es nicht mehr bequem ist.» nau wo und welche Gefahren lauern, die UnsicherEs gibt um uns herum immer mehr Bereiche und heit ist gross geworden. Und – wie lauten denn jetzt Ereignisse die Einfluss auf unsere Komfortzone haben. die Antworten auf diese neuen Risiken? Auch hier Wir sind mit Terroranschlägen – nun auch in Euro- müssen wir unsere gedankliche Komfortzone verpa-konfrontiert, wir stehen vor anschwellenden Mi- lassen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass gute grationsströmen, wirtschaftliche Veränderungen und und bewährte Rezepte und Armeekonzeptionen keine Antworten auf heutige Sparanstrengungen haben Herausforderungen sind. Einfluss auf uns und unWir müssen zur Kenntnis sere Gesellschaft, die Ver«Freiheit ohne nehmen, dass wir nicht letzlichkeit unseres Alltags Verantwortungsbewusstsein mehr über die personellen wird vielen immer mehr und finanziellen Ressourbewusst. wird zu einem Gefängnis.» cen verfügen, um uns geUnd plötzlich wird nun Ernst Ferstl gen alles zu versichern. darüber diskutiert – und «Politik ist die Kunst des ist bereits entschieden, in Möglichen» (Otto von Biswelcher Form die Armee das Grenzwachtkorps und die Kantone bei der Bewäl- marck) – auch bei Diskussionen um Armeegesetz und tigung einer allfälligen massiven Zunahme von Flücht- Nachrichtendienstgesetz müssen wir – ob wir wollen lingen unterstützen kann. Nun werden Einsätze der oder nicht – erkennen, dass nicht alles was wünschbar Armee wirklich wahrscheinlicher und wir stellen fest, ist, auch umgesetzt werden kann. dass diese möglichen Einsätze unsere Komfortzone Liebe Leserin, lieber Leser, bei all diesen Fragen ist verletzen könnten. Warum? Weil Flüchtlinge auch Ihr Verantwortungsbewusstsein als Bürgerin und Bürwährend den Sommerferien kommen, weil deshalb ger dieses Landes gefragt. Wir müssen uns diesen Hedie Dienstleistungspläne angepasst worden sind und rausforderungen stellen, damit das Mögliche möglich nun plötzlich unsere Ferienpläne nicht mehr stim- gemacht werden kann und damit sicherstellen, dass men oder sogar platzen könnten. So lauteten mindes- unsere Sicherheit auch in Zukunft mit unserer Komtens die Schlagzeilen gewisser Medien. Wir müssen fortzone kompatibel ist. die Komfortzone verlassen! Aber die Armee ist nun einmal die einzige strategische Reserve dieses Landes. Wenn am Beispiel der Migration alle Mittel der Behörden von Bund und KanAndreas Bölsterli, Chefredaktor tonen ausgeschöpft sind, dann kann die Armee [email protected] gesetzt werden – aber vielleicht haben wir diese neuen potenziellen Armeeeinsätze nie so ganz ernst genommen, weil es uns ja eigentlich gut geht und wir uns lieber mit dem Ausbau unserer Komfortzone beschäftigt Liebe Leserin, lieber Leser Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 3 Aktuelles Ein grosses Departement mit grossen Projekten Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ist mit seinen knapp 12000 Mitarbeitenden eines der grössten Departemente der Bundesverwaltung. Es ist – zwar nicht alleine – aber in wichtiger Stellung für die Sicherheit zuständig. Der neue Chef des VBS, Bundesrat Guy Parmelin hat die ASMZ am 11. April 2016 für ein Interview empfangen. Ich meine, dass mit der Einsetzung einer Begleitgruppe für die Evaluation und Beschaffung eines neues Kampfflugzeuges (die auch die bodengestützte Luftverteidigung berücksichtigen soll) gute Voraussetzungen für eine solche Gesamtsicht geschaffen sind. Eine weitere Herausforderung sind Einsätze der Armee, insbesondere subsidiäre Unterstützungseinsätze zur Bewältigung von Problemen der Migration. Das sind nur ein paar wenige, wenn auch besonders grosse Herausforderun- diese Reform den Ansprüchen an unsere Sicherheit genügen wird und ob die ArBundesrat Parmelin, seit mehr als 100 mee ihren Auftrag erfüllen kann. Tagen sind Sie Vorsteher des VBS. Wenn Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich die Stichworte wie Ablösung Chef der diese Reform für unsere Armee ein neuer Armee, BODLUV, neues Kampfflugzeug Start ist. Sie kann damit ein jahre-, ja jahrnenne, dann mangelt es Ihnen nicht an zehntelanges Missverhältnis zwischen ResHerausforderungen. Welches ist aus Ihrer sourcen und Aufgaben hinter sich lassen persönlichen Sicht die Grösste Aufgabe, und kommt wieder auf eine stabile Badie es jetzt anzugehen gilt? sis. Das höre ich auch aus vielen GespräAls Chef VBS habe ich viele Herausforchen mit höheren Stabsoffizieren der Arderungen zu meistern; einige von ihnen mee und zivilen Mitarbeitern. Man will haben Sie in Ihrer Frage bereits erwähnt. auf einer klaren Ausgangslage mit der Die für mich grösste HeUmsetzung der Reform berausforderung ist die Umginnen. setzung der WeiterentwickMit der Umsetzung der «Eigentlich bedaure ich, lung der Armee, allenfalls WEA verfügen wir über dass das Referendum durch Kreise nach einem Ja des Volkes, eine Armee, die modern sofern das Referendum zuund vollständig ausgerüslanciert wurde, die selber stande kommt. Diese Retet, gut ausgebildet, regioform ist wichtig. Sie wurde nal verankert und besser auch für mehr Sicherheit eintreten.» vor mehr als fünf Jahren mobilisierbar wird. Dafür begonnen, und es wird weimüssen nachhaltig genütere drei bis vier Jahre brauchen, bis sie gen. Es gibt noch viele andere, von der gend finanzielle Mittel bereit gestellt werrealisiert ist. Die WEA besteht aus sehr Modernisierung und Verbesserung der den. Der Bundesrat ist bereit, den Entvielen Teilaspekten, die koordiniert um- bevölkerungsschutzrelevanten Telekom- scheiden des Parlaments zu folgen, wogesetzt werden müssen, denken sie zum munikation bis zu Fragen zu Aufgaben nach die Armee für die nächsten vier JahBeispiel an Organisation, Ausbildungs- und Ressourcenbedarf im Bundesamt für re 20 Milliarden Franken zur Verfügung und Dienstleistungssystem. Reformen Sport. haben soll. Das heisst – auch wegen des und Weiterentwicklungen sehen auf dem Stabilisierungsprogramms – allerdings Papier fast immer gut aus, aber in der Die sicherheitspolitische Lage war in den nicht, dass damit eine finanzielle «carte Umsetzung gibt es immer wieder Überra- letzten 25 Jahren noch nie so düster wie blanche» erteilt worden wäre; aber es gibt heute – Ihre eigenen Worte an der Sicher- der Armee die Gewissheit, ihre Aufträge schungen. Daneben gibt es noch andere Heraus- heitskonferenz in München. Man soll- erfüllen und die WEA wie geplant umsetforderungen für die Armee, wie zum Bei- te nun endlich zugunsten der Sicherheit zen zu können. spiel den Start des Prozesses für die Eva- unseres Landes das VBS von den SparanSollte sich die Lage weiter verschlechluation und allfällige Beschaffung eines strengungen befreien. Wie sehen Sie das? tern, haben wir die Möglichkeit, die InEs ist tatsächlich so, dass mich in Mün- vestitionen weiter zu erhöhen. Gleiches neuen Kampfflugzeuges. Man darf nicht Kampfflugzeuge allein anschauen, son- chen der Pessimismus meiner Amtskolle- gilt grundsätzlich auch für die Bestände dern muss mindestens die bodengestütz- gen, vor allem jener aus dem Norden Eu- der Armee. te Luftverteidigung einbeziehen, weil sich ropas, betroffen gemacht hat. Das war Anihre Aufgaben stark überlappen. Es muss fang Februar. Die parlamentarische Be- Was unternimmt der Bundesrat, um sieine Gesamtsicht von bodengestützter und handlung der WEA war noch nicht abge- cher stellen zu können, dass die politiluftgestützter Luftverteidigung vorliegen. schlossen und ich stellte mir die Frage, ob schen Parteien der Schweiz die SicherAndreas Bölsterli, Chefredaktor 4 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Aktuelles BR Parmelin im Gespräch mit dem Chefredaktor. Bilder: VBS Schlagzeilen, unter anderem auch weil Spezialisten fehlen und fehlen werden. Wie kann das VBS diese Herausforderung meistern? Das ist in der Tat eine grosse Herausforderung. Wir müssen – unter dauerndem Druck auf die Personalressourcen – sicherstellen, dass wir für anspruchsvolle, ja sogar sehr anspruchsvolle Projekte die nötige Anzahl Angestellte mit den richtigen Qualifikationen haben. Wir müssen diesen Aspekt verstärkt und systematisch berücksichtigen – es macht keinen Sinn, Projekte zu lancieren und sie wegen Mangel an geeigneten Mitarbeitern abbrechen zu müssen oder einen Fehlschlag zu riskieren. Ich meine, dass das VBS auch für Projektmanager und Techniker immer noch ein attraktiver Arbeitgeber ist. Die Armee ist auf die Hochschulen zugegangen. Das rausforderungen für eine Mitarbeit in Beschaffungsprojekten prüfen. Unter Umständen kann das auch ein neuer Ansatz für ein Dienstleistungsmodell als Techniker in spannenden Rüstungsprojekten sein. heit unseres Landes wieder als gemeinsames und wichtiges Anliegen wahrnehmen und sich auch entsprechend dafür einsetzen? Eine dieser Herausforderungen ist die Ich glaube die vier Bundesratsparteien, Beschaffung von neuen Kampfflugzeudie Mehrheit des Parlaments, haben sich gen. Es soll bis 2017 ein Grundlagenbeeinem sicherheitspolitischen Konsens anricht erstellt werden. Welche Planungsgenähert. So wurden zum Beispiel zueckwerte dienen der neu bezeichneten sätzliche Stellen für den NachrichtenExpertengruppe für den Bericht und den dienst rasch gesprochen und damit auch Finanzleuten für die richtige Dotierung ein Zeichen des Vertrauens gesetzt. Auch des Projektierungs- und Entwicklungsdie Revision des Nachrichtendienstgesetkredits (PEB Kredit)? Zwei strategische zes wurde breit befürwortet, auch durch Stichworte dazu: Sonderfinanzierung wichtige Exponenten der Sozialdemokraoder ordentliches Rüstungsbudget – und tischen Partei. Das Referendum steht, die damit verknüpft bereits jetzt die Frage Debatte wird geführt, aber es besteht ein des Einbezugs des Stimmvolkes. Kompromiss, der auch auf Vertrauen baIch habe zwei Gruppen eingesetzt. Auf der einen Seite eine interne Expertengrupsiert. Man kann immer sagen, das genüpe, auf der anderen Seite eine ge noch nicht, aber über mehr politische Begleitgrupalles gesehen, bin ich zupe. Beide befassen sich mit versichtlich und glaube, «Es gibt keine Lösungen, bei denen man der Evaluation und Beschafso etwas wie einen Paraeinfach auf den Knopf drücken kann. fung eines neuen Kampfflugdigmenwechsel zu erkenzeuges, aber auch mit dem nen, und zwar über das Die Leistungsbereitschaft muss dauernd ganze Parlament: Man Verhältnis von bodengestützwill vor allem gegen die ter Luftverteidigung und überprüft und optimiert werden.» Bedrohungen durch den Kampfflugzeugen. Alle FraTerrorismus gewappnet gen sollen auf den Tisch komsein, und man ist bereit, dazu die Gesetze primäre Anliegen dabei war, den Nutzen men, auch die von Ihnen angesprochene anzupassen und die nötigen Ressourcen einer militärischen Ausbildung deutlich zu Frage, wie die Beschaffungen finanziert verfügbar zu machen. machen. Aber vielleicht hat es auch dazu werden sollen. Der Auftrag ist sehr breit beigetragen, Armee und VBS als mögli- formuliert, um alle Aspekte beurteilen zu Das VBS muss Personal abbauen, steht che Arbeitgeber ins Blickfeld zu rücken. können. Die Begleitgruppe wird mir ihre aber gleichzeitig vor der Initiierung geVielleicht können wir die durch den Überlegungen und allfällige Empfehlunwichtiger Rüstungsvorhaben. Kritik zum Chef der Armee geschaffenen guten Kon- gen mitteilen; sie hat aber kein Veto über Einsatz von externen Beratern und Kri- takte zu den Hochschulen weiter vertiefen die Ergebnisse der Arbeit der Expertentik an Rüstungsvorlagen dominierten die und für junge Ingenieure spannende He- gruppe. Es geht mir darum, zu Beginn dieAllgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 5 Aktuelles ses Projekts so umsichtig wie irgend möglich zu handeln, durch Einbezug aller Fachleute, aber auch der politischen Kreise. Die Weiterentwicklung der Armee (WEA) steht im Gegenwind – armeefreundliche Kreise drohen mit einem Referendum gegen die WEA. Wie kann verhindert werden, dass sich auf Abstimmungspodien Armeebefürworter gegenseitig bekämpfen und so den Armeeabschaffern in die Hände spielen. Was kann der Bundesrat noch tun, um eine Niederlage zu Ungunsten der Sicherheit zu verhindern? Eigentlich bedaure ich, dass das Referendum durch Kreise lanciert wurde, die selber auch für mehr Sicherheit eintreten. Nehmen wir einmal an, dass das Referendum angenommen wird: Was geschieht dann? Wir können dann die WEA nicht umsetzen, die Situation der Armee XXI bleibt aber unverändert, man hat keinen einzigen zusätzlichen Soldaten, man hat auch nicht mehr Geld, um mehr Soldaten auszurüsten – eigentlich wird die Armee eher noch geschwächt. Wenn diese Kreise – und ich habe deren Vertreter empfangen und angehört – wirklich etwas Solides erreichen möchten, wäre es besser gewesen, sie hätten eine Volksinitiative lanciert, für eine grössere Armee und ein höheres Armeebudget. Jetzt haben wir die Situation, dass wir wahrscheinlich noch einmal erklären müssen, wieso eine von Bundesrat und Parlament breit unterstützte Weiterentwicklung der Armee nötig und richtig ist. Wir stellen uns dieser Diskussion, wir werden auch gewinnen; aber den Aufwand einer Referendumsabstimmung hätte man sich sparen können. Am Beispiel der Cyber-Gefahren zeigt es sich, dass die Risiken der heutigen Zeit nicht mehr mit den Gefahren des Kalten Krieges verglichen werden können. Und trotzdem hat man den Eindruck, dass gerade im Bereich der Abwehr dieser neuen Bedrohungen keine besonderen Anstrengungen erkennbar sind. Sind hier die Kompetenzen innerhalb des Bundes und zwischen dem Bund und der Wirtschaft richtig verteilt? Werden seitens Bund die richtigen Anstrengungen unternommen und was unternimmt das VBS konkret? Der Bundesrat wird bis Ende dieses Jahres die Cyber-Strategie, die seit 2012 besteht, neu beurteilen. In diesem Bereich hat die Schweiz verschiedene Eigenheiten, besonders wenn man sie mit einem 6 stärker zentralisierten Staat wie Frankreich vergleicht. Das Bewusstsein um die Risiken muss gestärkt werden, die Leute sind oft naiv, und die Intensität der Angriffe nimmt laufend zu. Man sollte sich aber auch nicht täuschen: Im Hintergrund läuft Vieles – nicht nur auf der Angriffsseite, sondern auch auf jener des Schutzes und der Verteidigung. Wir wollen so lange es geht auf Eigenverantwortung setzen. Subsidiarität und Föderalismus erwecken zwar den Eindruck, dass es an einer zentralen Strategie fehle, aber sie sind auch Stärken: Die Schweiz kann man nicht mit einem wohlgezielten Schlag auf eine Zentrale lahmlegen. Bundeskanzler Schmidt sagte 1986 vor dem deutschen Bundestag: «Ein Staat braucht eine Führung, die das Management einer Krise beherrscht und beherrschen will». Wie beurteilen Sie die Führung auf Stufe Bund: Wann muss oder soll der Bund die Führung übernehmen, haben wir die richtigen Instrumente, funktioniert der Sicherheitsverbund Schweiz? Wie und wann wird nach der SVU 14 weiter geübt in diesem Rahmen? Ich habe die Auswertung der SVU 14 zur Kenntnis genommen. Eine der Lehren besteht darin, dass die Beziehungen zwischen dem Bund und den Kantonen optimiert werden müssen – eine weitere Verbesserung der Koordination auf allen Stufen. Der Föderalismus hat seine Eigenheiten. Wenn man nun auf Stufe Bund die Herausforderung der Migration angeht, die uns diesen Sommer sicher beschäftigen wird, dann braucht es vor allem eine funktionierende Koordination zwischen dem Staatssekretariat für Migration, dem Grenzwachtkorps, der Armee, dem Bevölkerungsschutz – und vor allem den Kantonen. Allein auf Stufe Bund gibt es also vier verschiedene Bereiche zu koor- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 dinieren. Es geht nicht darum, jetzt ein Gremium zu bezeichnen, dass führt; die Prozesse müssen bekannt sein, die Strukturen müssen handlungsfähig sein, um koordinieren zu können. Gerade das Migrationsproblem wird die Schweiz mit ihren föderalen Strukturen vor grosse Aktuelles Herausforderungen stellen. Und das wer- Eine konkrete Frage zum Thema Unter- Der Bundesrat wird den Bericht der Studen wir in nächster Zeit zu bewältigen stützung des Grenzwachtkorps. Welches diengruppe zur Kenntnis nehmen, allfälhaben. Das heisst aber nicht, dass wird Bild wollen Sie mit diesem Einsatz ver- lige Empfehlungen sich aber nicht unbein der Bewältigung sicherheitspolitischer mitteln – Soldaten die schützen, oder doch dingt zueigen machen. Das Parlament mit Probleme aus diesem Grund schlechter eher helfen oder die allenfalls sogar kämp- seinen Kommissionen wird voraussichtwären als andere Staaten. Nehmen wir fen? Welches Bild der Armee soll der Be- lich eine Diskussion führen. Jede grundleFrankreich mit seinen zentralistischen völkerung mit diesem möglichen Einsatz gende Anpassung wäre aber nur mittel- bis langfristig möglich. Bei der Armee kann Strukturen: Auch dort ist nach den At- vermittelt werden? Es geht nicht primär darum, ein Bild zu sich die Bestandesproblematik akzentuietentaten nicht alles fehlerfrei abgelaufen. Aber wir wollen weiter üben, wir sind vermitteln, sondern die Armee muss in ren. Ich stelle nicht den Zivildienst als solaktuell daran, die Themen für die nächs- erster Linie die Aufgaben erfüllen, die im chen in Frage, aber für mich ist der Zivilten Übungen zu fixieren. Das kann zum Interesse des Landes und der Bevölkerung dienst für Personen vorbehalten, die echBeispiel ein terroristischer Angriff sein, sind und die ihr von den politischen Be- te Gewissensprobleme mit dem Militärkombiniert mit einem grossflächigen hörden zugewiesen werden. Wenn die Ar- dienst haben. Ich anerkenne ausdrücklich solche Gründe. Aber dann Stromausfall. Wir üben, soll man einen Ersatzdienst um zu erkennen, ob die Führung funktioniert. von vollen 18 Monaten leis«Ich führe viele Gespräche, auch um Wenn nicht, wollen wir ten, und zwar in jedem Fall, die Ansichten zu Vorgehen die Lehren daraus ziehen auch wenn man bereits eiund besser werden. nen Teil des Militärdienstes und Umsetzung der WEA und zu weiteren geleistet hat. Das ist derzeit Die Armee hat ein Leisnicht das Gesetz, wohl aber Herausforderungen kennen zu lernen.» tungsprofil. Gibt es das meine Meinung. auch auf Stufe Department oder anders gefragt: Gibt es ein mee eingesetzt wird, dann muss sie die Zum Schluss noch eine praktische, feldLeistungsprofil Ihres Departementes – Aufträge effizient erfüllen können, sie taugliche Frage, Herr Bundesrat. Wie spüdamit meine ich alle Bereiche mit Aus- muss stabilisierend wirken und eine wirk- ren die Kader – aber auch die Angehörinahme des Bundesamtes für Sport – ins- same Unterstützung bieten. Die Aufga- gen der Armee – ihren neuen politischen besondere auch im Hinblick auf die kom- ben müssen der Armee entsprechen. Ich Chef? Sehen Sie vor, die Truppe oft zu bemenden Herausforderungen der Migra- glaube «schützen» gehört immer dazu, suchen und damit den persönlichen Kon«helfen» hängt von der konkreten Situa- takt zu pflegen oder haben Sie andere tion? Ja, ich meine wir haben zumindest tion ab, aber persönlich verstehe ich un- Ideen, um Ihre Armee kennen zu lernen? Am WEF habe ich die Soldaten vor implizit ein Leistungsprofil des Depar- ter «helfen» nicht, dass Soldaten Tee austements. Das BABS hat unvermeidliche, schenken; das könnte eher z.B. der Zivil- Ort besucht und mit ihnen gesprochen. klare Abhängigkeiten zur Armee. Aber schutz tun. Die Armee kann dem GWK Ich habe an diversen Rapporten teilgeauch im Bereich von Beschaffungen, von helfen, um an der Grenze dafür besorgt nommen und bei diesen Gelegenheiten Ressourcen allgemein versuchen wir im- zu sein, dass sie Personen, welche die meine Positionen vorgestellt. Ich habe mer möglichst viel Synergien nutzen zu Grenze heimlich überschreiten, anhält sehr viel Kontakt mit Kadern, aber biskönnen. Auch hier, was kann man ko- und an Orte geleitet, wo sie vom GWK lang weniger mit den Soldaten direkt. Ich ordinieren, welche Abläufe im Depar- registriert werden. Das ist eine Aufgabe, führe viele Gespräche, auch um die Antement optimieren, das sind Fragen die die man der Armee als echte Unterstüt- sichten zu Vorgehen und Umsetzung der WEA und zu weiteren Herausforderunwir uns immer stellen bei grossen Projek- zungsleistung zuweisen kann. gen kennen zu lernen. Ich werde aber ten. Die Koordination findet im Generalsekretariat statt, wo auch ein ent- Jedes Jahr verliert die Armee gegen 6000 nicht jede Woche Truppenbesuche masprechendes Reporting institutionalisiert Angehörige, weil sie den Zivildienst dem chen können, weil mir die Zeit dazu ist. Wenn man den Überblick behalten Militärdienst vorziehen. Eine Gewissens- schlicht fehlt und weil die grossen Doswill, muss man diese Abläufe sehr eng prüfung ist heute faktisch inexistent. An siers im Moment meine ganze Aufmerkverfolgen. Auch die Armee muss ihre Leis- Orientierungstagen sagen Referenten den samkeit benötigen. Ich werde aber sicher tungen laufend analysieren und über- jungen Stellungspflichtigen sogar, man im Rahmen von Übungen und besondeprüfen. Dies auch im Hinblick auf mög- könne wählen zwischen Militär/Bevöl- ren Anlässen die Truppe besuchen, um liche Unterstützungsleistungen zuguns- kerungsschutz und Zivildienst. Was sind mir ein Bild vor Ort im Gelände machen ten der Kantone im Fall der Migrations- Ihre Erwartungen oder Vorstellungen an zu können. problematik. Praktisch gesprochen, wenn das künftige Dienstpflichtsystem? Was für ich 500, 1000 oder mehr Soldaten ein- Resultate erwarten Sie aus den Arbeiten Herr Bundesrat Parmelin, im Namen der setzen muss, woher kommen sie, wie wer- der entsprechenden Studiengruppe? Leserinnen und Leser der ASMZ danke Die Studiengruppe wird eine breite und ich Ihnen herzlich, dass Sie sich für dieses den sie aufgeboten, ausgerüstet und in den Einsatz gebracht. Es gibt keine Lö- gut fundierte Auslegeordnung vorlegen, Interview Zeit genommen haben und ich sungen, bei denen man einfach auf den das wird ihre wichtigste Aufgabe sein. Sie wünsche Ihnen in Ihrem Amt weiterhin Knopf drücken kann. Die Leistungsbe- wird auch einen Vorschlag machen, die- alles Gute, spannende Herausforderungen reitschaft muss dauernd überprüft und ser dient aber in erster Line wohl dazu, und auch die nötige Portion Glück bei eine öffentliche Diskussion auszulösen. Ihren Entscheiden. ■ optimiert werden. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 7 Sicherheitspolitik Cyber: Wäre es nicht endlich Zeit, dass ...? Cyber? Der Begriff ist in aller Munde. Zu Recht, denn jeden Tag werden neue Angriffsbeispiele bekannt. Jetzt geht es aber nicht mehr um einfache Informatiksicherheit, sondern um eine dringend gewordene sicherheitspolitische Herausforderung. Andreas Bölsterli, Chefredaktor Die Zeit, in der es sich bei obiger Frage einfach um einen «Hype» handelt, ist definitiv vorbei. Welches ist aber nun die richtige Marschrichtung, um dieser Herausforderung die Stirn bieten zu können? Das Cyber-Risiko und seine Trends Im Bericht «The Global Risks Report 2016» des World Economic Forums werden die Kosten der Cyber-Kriminalität im Jahr 2014 vorgestellt: 445 Milliarden US$, … beinahe 1% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aller Nationen zusammen! Wenn diese Tatsache uns nicht wachrüttelt, was braucht es denn dann? Stellen wir uns drei Fragen: • Wer ist betroffen und wer bezahlt? Wir alle! Dafür gibt es unzählige Beispiele: Missbrauch von Bankkonten, böswillige Verschlüsselung der Daten einer Firma mit einer sogenannten Ransomware, Veröffentlichung von gehackten Daten, etc.; Die Liste ist unendlich. Ihre Firma wurde noch nicht angegriffen? Wahrscheinlich wissen sie es ganz einfach noch nicht …! • Wieso ist es überhaupt möglich? Weil es gemäss den Spezialisten rentabel, einfach und gefahrenlos für den Angreifer ist! Zudem sind heute fast alle Bereiche des täglichen Lebens mit nur schwach gesicherten IKT-Technologien durchdrungen. Und mit dem «Internet of Things» wird es nicht einfacher, wenn wir mit Milliarden leicht angreifbarer und vernetzter Objekte konfrontiert werden! • Kann es schlimmer werden? Ja! Und der «Point of no Return» wurde längstens überschritten, weil es eine Gesellschaft ohne IKT nie mehr geben wird. Und der Cyber-Raum ist vom Strom abhängig, einer Ressource, welche selber auf viele Bedrohungsformen (inkl. 8 Cyber) anfällig ist. Was würde ein verlängerter Stromausfall bedeuten? In den Medien geht es mehrheitlich um Kriminalität, Vandalismus und Spionage. Die Entwicklung zeigt jedoch, dass der Cyber-Raum zusätzlich zu den oben geschilderten Problemen auch für terroristische und kriegerische Zwecke ein durchaus lohnendes Instrument geworden ist. Die jüngsten Vorfälle zeigen sogar, dass die Anwendungsbarrieren, die- «Ihre Firma wurde noch nicht angegriffen? Wahrscheinlich wissen sie es ganz einfach noch nicht …!» sen Raum als Mittel der Kriegführung zu verwenden, verschwinden. Die Frage eines wirklich schwerwiegenden Angriffs lautet daher nicht «ob», sondern «wann». Die neue Bedeutung des Begriffs «Verteidigung» Wie die letzten Jahre weltweit gezeigt haben, ist der Krieg – leider – weder im Mai 1945 noch nach dem Zerfall der Berliner Mauer ausgestorben! Ganz im Gegenteil; Neben den bisherigen Mitteln wie Panzern und Kampfflugzeugen haben die neuesten technologischen und taktischen Entwicklungen weitere Elemente ins Spiel gebracht. Wörter wie «hybrid» oder «cyber» zeugen davon. So können zum Beispiel Angriffe gegen den Cyber-Raum 1 und somit gegen die damit verbundenen Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft enormen Schaden verursachen. Sollen wir hier auch von einem Verteidigungsfall sprechen? Ja, wegen der neuen Definition des Begriffes «Verteidigung» Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 des Bundesrates: Ein «Verteidigungsfall» ist dann gegeben, wenn die folgenden Argumente kumuliert zutreffen: a) konkrete Bedrohung der territorialen Integrität, der gesamten Bevölkerung oder der Ausübung der Staatsgewalt; b) zeitlich anhaltende Bedrohung, die über eine punktuelle zeitliche Bedrohung hinausgeht; c) landesweite Bedrohung, die über eine örtliche oder regionale Bedrohungslage hinausgeht; d) Bedrohung, die eine solche Intensität erreicht, dass sie nur mit militärischen Mitteln bekämpft werden kann. Somit ist klar, dass ein grossangelegter CyberAngriff gegen die Schweiz rasch zu einer «verteidigungsrelevanten Lage» eskalieren könnte. Welche strategische Ausrichtung ist für die Schweiz angebracht? Unsere Gesellschaft profitiert sehr von den Fortschritten des Cyber-Raumes. Eine Option «zurück ins Mittelalter» wäre, rein aus wirtschaftlicher Sicht, ein Suizid! Damit aber unsere Gesellschaft und Wirtschaft nicht handlungsunfähig gemacht wird, sind wir gezwungen, eine sichere, vertrauenswürdige und resiliente CyberPlattform zu etablieren. Denn ohne sichere Nutzungsmöglichkeit des Cyber-Raumes würde es keine Schweiz mehr geben. Eine cyber-sichere Nation zu sein, wie es die Nationale Cyber-Strategie (NCS) fordert, ist zwar ein Muss, doch zuerst ist der gesellschaftliche Endzustand zu definieren. Dass heisst, vor der Erarbeitung der NCS braucht es Antworten auf die zwei Fragen, wie die strategische Ausrichtung des Landes in den Bereichen Industrie und Wirtschaft und wie eine dazugehörende Bildungs-, Forschungs- und Innovationsstrategie aussehen sollen. Denn ohne Köpfe, deren Ideen und Prozesse kommen wir nicht weiter – es geht hier um die Souveränität und Zukunft des Landes. Sicherheitspolitik The Internet of Things. Welche «Instrumente» braucht die Schweiz? • Staatliche Governance: Wer Anschluss zum Meer hat, braucht ein Marine-Ministerium! Wer versteht, dass der CyberRaum ein ähnliches Beispiel darstellt, sieht sofort, dass der Staat seine Souveränität mittels einer entsprechenden «Organisation für Digitale Affären» auf strategischer Ebene ausüben muss. Ob diese Organisation «Bundesamt für…» oder «Staatssekretariat für …» heissen soll, ist zum heutigen Zeitpunkt noch nebensächlich. Sicher ist, dass wir uns selber um unsere Governance, unsere Standards, usw. kümmern müssen. Darüber entscheiden heute Dritte und wir erleben im Bereich Cyber den massivsten Souveränitätsverlust unserer Geschichte; • Effektive Kompetenzen: Wie viele Mittel braucht es, um die Gesellschaft auf die Cyber-Herausforderungen vorzubereiten? Um diese Frage zu beantworten, muss berücksichtigt werden, dass die Schweiz die 19. Wirtschaftsmacht der Welt ist, die über 580 000 Firmen «hostet», welche wiederum 5 Millionen Arbeitsplätze offerieren, dass unser Kleinparadies über eine sehr dichte Infrastruktur verfügt, welche fast vollständig von IKT abhängig ist. Der Bedarf an verantwortungsvollen Sicherheitsinvestitionen ist naheliegend. Der heutige Zustand dagegen, bei dem wenige Dutzende Spezialisten in mehreren kleinen Einheiten über die ganzen Bundesverwaltung verteilt sind, ist nicht zielführend. Jeder sorgt für die eigene Grundsicherheit und verriegelt seine Haustür, aber bei besonderen Ereignissen, die ausserhalb unsere GrundKompetenzen und -Kapazitäten liegen, kommt die Polizei, Feuerwehr, usw. Das Gleiche gilt für die Cyber-Sicherheit; die Grundversorgung obliegt jedem und jeder, aber darüber hinaus braucht es auf taktischer und technischer Ebene ein «Digitales-Sicherheitslabor» (D-Labor). Dieses D-Labor soll die Anstrengungen koordinieren und zu Händen der Schweiz eine Kompetenzplattform in der Form eines effizienten PPP (Private Public Partnership) aufbauen; • Wirksame Cyber-Verteidigung: Die heutige zivile Organisation reicht kaum für die heutigen kleinen Vorfälle aus 2. Für die gefährlichste Lageentwicklung ist sie überhaupt nicht gewappnet und somit für die Verteidigung des Landes völlig untauglich. Doch über die Kompetenzen und Fähigkeit zu verfügen, solche Aufgeben bewältigen zu können, ist zwingend. Denn wie die Diskussion zum Begriff «Verteidigung» zeigt, könnte sich die Schweiz extrem rasch in einer schwerwiegenden Lage befinden. Jetzt geht es einfach darum, der Armee klare Bild: Microsoft Venture, June 2014 Aufgaben und Mittel zuzuweisen und im Extremfall die Möglichkeit zu geben, die Mittel des D-Labors sowie ein starkes Milizsystem zu mobilisieren. Wie weiter? Die WEA, die Entwicklung der globalen Sicherheitslage im Allgemeinen und die des Cyber-Raumes im Speziellen, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und Opportunitäten sowie die Überarbeitung der NCS und des SIPOL B 2016 stellen eine Reihe von guten Gelegenheiten dar, um das Thema Cyber endlich auf der richtigen Flughöhe zu behandeln. Heute ist die Investition in die CyberVerteidigung des Landes zwingend. Das Argument der knappen Ressourcen, um damit die mangelnden materiellen und personellen Investitionen zu legitimieren (und sich so mit dem heutigen Dispositiv zufrieden zu erklären) ist unzulässig und nicht zu verantworten. Es ist zu hoffen, dass der neue Chef VBS die Cyber-Herausforderung ernst nimmt und die Bereitstellung der nötigen Instrumente möglichst rasch einleitet. ■ 1 Solche Angriffe können nicht mit dem Radar entdeckt werden, erfolgen ohne Vorwarnzeit und in den meisten Fällen weiss man nicht einmal, wer die Täterschaft war. 2 Die Prozesse sind aber, beinahe vier Jahre nach der Veröffentlichung der NCS, noch nicht definiert und nicht trainiert. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 9 Sicherheitspolitik Offene Grenzen in Europa und ihre Folgen Selten wurden in der Europäischen Union Verträge, Regeln und Gesetze so missachtet wie in den vergangenen acht Monaten. Es lässt sich nicht bestreiten, dass vor allem die deutsche Bundeskanzlerin mit ihrer weltweit gehörten «Willkommensadresse» vom 4. September 2015 an die zahlreichen Migranten und mit ihrer Politik der offenen Grenzen nicht nur geltendes europäisches und deutsches Recht de facto ausser Kraft gesetzt hat. Walter Schilling Mit ihrem eigenmächtigen Vorgehen hat sie auch zentrale Prinzipien der Sicherheit und der Zugangskontrolle aufgegeben und ihrem eigenen Land sowie den europäischen Partnerstaaten schweren Schaden zugefügt. Allein im Jahre 2015 wurden fast 1,5 Millionen Menschen von gut organisierten kriminellen Schlepperbanden über das Mittelmeer und über die Balkan-Route nach Deutschland, aber auch in andere europäische Länder geschleust und ein grosser Teil davon – etwa 300 000 – von den deutschen Sicherheitsbehörden überhaupt nicht registriert. In ganz Europa wird die Zahl nicht-registrierter Zuwanderer auf 1,6 Millionen geschätzt. Niemand weiss genau, wer diese Menschen sind und wo sie sich aufhalten. Und dieser Migrantenstrom wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Mit ihm kommen nachweislich auch zahlreiche Kämpfer der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) nach Europa, die zum Teil mit erbeuteten syrischen Pässen ausgestattet sind und die offenen Grenzen mühelos passieren. Die Versuche der europäischen Regierungen, durch Absprachen mit einigen afrikanischen Ländern und der Türkei den Migrantenstrom zu reduzieren, sind bislang erfolglos geblieben. Ebenso wenig gelang es, die Verteilung der Zuwanderer auf die 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchzusetzen. Sie wird auch künftig nicht zustande kommen. Die meisten EU-Länder lehnen es ab, Migranten aufzunehmen. Sie sehen zu Recht ihre nationale Identität gefährdet. Nahezu alle Staaten der Europäischen Union haben die Grenz- und Passkontrollen wieder eingeführt und ihre nationalen Einwanderungsgesetze deutlich verschärft. Dort aber, wo die Staaten ihre genuine Rolle nicht mehr wahrnehmen, 10 nationale Grenzen offen lassen und eher nach den Prinzipien eines Wohlfahrtsverbandes handeln – wie z.B. in Deutschland, werden sich die Zuwanderer konzentrieren. Doch ist kaum zu übersehen, dass die problematische Vorgehensweise der deutschen Bundesregierung in Berlin insbesondere für die an den Hauptrouten der Migranten liegenden Partnerländer Deutschlands vielfältige negative Auswirkungen haben. Und selbst Länder Migranten am Wiener Westbahnhof. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 ausserhalb der Europäischen Union, wie z.B. die Schweiz, dürften durch die deutsche Politik der offenen Grenzen gefährdet sein. Gefährdung der Sicherheit und der inneren Stabilität Entgegen dem wiederholt von der deutschen Bundeskanzlerin verkündeten Slogan «Wir schaffen das» können wir täglich beobachten, dass die EU-Staaten offensichtlich überfordert sind, den enor- Sicherheitspolitik men Zustrom von Migranten mit Blick auf die Versorgung, die soziale Betreuung und die Integration zu verkraften. Dieser Erkenntnis wird sich am Ende auch die politische Führung der Bundesrepublik Deutschland beugen müssen. Renom- «In einigen EU-Ländern entsteht wegen der offenen Grenzen und der Aufnahme weitgehend unqualifizierter Migranten ein industrielles Proletariat.» mierte Ökonomen haben schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die mit der unbegrenzten Zuwanderung zwangsläufig verbundenen finanziellen Lasten nicht zu tragen sind und dazu führen, die soziale Sicherheit zu gefährden. Darüber hinaus wird mit der in einigen EU-Ländern – wie z.B. in Deutsch- land – praktizierten Politik der offenen Grenzen und der massenhaften Aufnahme weitgehend unqualifizierter Migranten ein industrielles Proletariat von zumeist jungen Menschen entstehen, für die es angesichts der hohen Arbeitslosenquoten in Europa und der auf uns zukommenden Weltwirtschaftskrise keine Beschäftigung geben wird. Dies dürfte die Brisanz der Konflikte einmal mehr verschärfen. Dabei ist es nicht nur die grosse Zahl der Menschen, die nach Europa kommen und künftig dort leben wollen. Vielmehr liegt ein weiteres gravierendes Problem darin, dass der Grossteil der Migranten Muslime sind, die ihre religiösen Überzeugungen, ihre damit eng verknüpften Traditionen und Lebensauffassungen nicht ablegen werden, sondern ausserhalb der in den EU-Staaten geltenden Verfassungen die schon bestehenden «Parallelgesellschaften» vergrössern werden. Parallelgesellschaften Bereits vor dem Einsetzen des gigantischen Zustroms von muslimischen Migranten nach Europa konnten wir die charakteristischen Probleme der «Parallelgesellschaften» in einzelnen europäischen Ländern studieren. Man hat diese Entwicklung vor allem in Deutschland und Frankreich weitgehend dem Selbstlauf überlassen und muss nun erkennen, dass es von Tag zu Tag schwieriger wird, eine Lösung zu finden. Die dank der Politik der deutschen Bundesregierung in Berlin seit dem Herbst vergangenen Jahres offen gehaltenen Grenzen haben wesentlich dazu beigetragen, die innere Stabilität der betroffenen Gesellschaften zu gefährden. Zunehmende innergesellschaftliche Konflikte kennzeichnen die Szenerie. Es entstehen immer mehr «No-GoAreas» insbesondere in den städtischen Ballungszentren, in die sich selbst die Polizei nicht so ohne weiteres hineintrauen kann. Sie entwickeln sich immer stärker zu «rechtsfreien Räumen», in denen die Migranten nach ihren eigenen Regeln leben. Und an den dramatischen Ereignissen im Zuge der Silvesternacht in Köln, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart, wo sich grosse Gruppen aus Nordafrika und dem Nahen Osten stammende Migranten zusammenrotteten und schwere Straftaten – von Raub bis zur Vergewaltigung – begangen haben, konnten wir ablesen, wie weit die Folgen offener Grenzen mittlerweile reichen. Dabei erweist es sich als ein besonderes Problem, den Ab- Grenze Griechenland zu Mazedonien. lauf des Geschehens und dessen spezifische Hintergründe sachlich korrekt zu beschreiben. Angesichts der in den deutschen Medien sowie bei den Repräsentanten einiger gesellschaftlicher Gruppen und politischer Parteien vorherrschenden Neigung, kritische Anmerkungen zur Po- «Die offen gehaltenen Grenzen tragen dazu bei, die innere Stabilität der betroffenen Gesellschaften zu gefährden. Zunehmende innergesellschaftliche Konflikte sind die Folge.» litik der offenen Grenzen und zur Migrantenfrage rasch zu verurteilen, ist die Angst unter den Betroffenen vor Ort immer noch gross, über das Geschehen wahrheitsgemäss und zeitnah zu berichten. Zudem bilden die mit den Migranten vor allem aus den nahöstlichen und afrikanischen Ländern kommenden zahlreichen djihadistischen Kämpfer der Terrormiliz IS eine ernste Gefahr für die Sicherheit Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 11 Sicherheitspolitik der europäischen Staaten. Sie bewegen sich dank der trotz des Trends mancher Staaten zu häufigeren Pass-Kontrollen weitgehend offenen Grenzen frei durch Europa und sind ausserordentlich schwer zu identifizieren, wenn nicht das Glück oder der Zufall zu Hilfe kommt. Die brutalen Terroranschläge von Islamisten des IS in Paris und in Brüssel sowie die wiederholt erkannten Spuren zahlreicher weiterer Djihadisten, die sich mit den zunehmend chaotisch verlaufenden Migrantenströmen nach Europa begeben haben, belegen eindeutig, wie verwundbar die Europäische Union und wie gefährdet die Bevölkerung in den einzelnen Ländern ist. Grenzschutz als Lösung? Die von einigen EU-Ländern vertretene Politik der offenen Grenzen und die ohne Not geschaffenen chaotischen Verhältnisse werden dazu führen, dass dem Staatenverbund die Möglichkeiten entgleiten, das eigene Schicksal im nächsten Jahrzehnt noch selbst zu bestimmen. Die ausserordentlich riskante Strategie der Europäischen Union, die islamische Türkei als Bollwerk gegen den Migrantenstrom zu nutzen, um die Anzahl der Migranten zu reduzieren, dürfte scheitern. Mit Blick auf die wachsende Erkenntnis in Deutschland, dass die Politik der offenen Grenzen enorme Gefahren für die Sicherheit und die innere Stabilität mit sich bringen wird, hat man sich in die Abhängigkeit des nicht-demokratischen Erdogan-Regimes begeben, ohne zu wissen, wie man aus dieser prekären Situation wieder herauskommt. Zudem deutet alles darauf hin, dass auch die Absicht der EU-Kommission, einen neuen Grenzschutz an den immer noch durchlässigen Aussengrenzen der EU mit «Die einzelnen EU-Länder werden zunehmend die Sicherheit in ihre eigene Hand nehmen, um die schwerwiegenden Folgen der Politik offener Grenzen zu konterkarieren.» elf Auffangzentren in Griechenland und Italien aufzubauen, nicht die nötige Wirksamkeit entfalten wird. So ist die Forderung der meisten Regierungen in der Europäischen Union, dass die Staaten die Hoheit über ihre nationalen Grenzen zurückerhalten müssen, nur konsequent. Die einzelnen EU-Länder werden daher zunehmend die Sicherheit in ihre eigene Hand nehmen, um die schwerwiegenden Folgen der Politik offener Grenzen zu kon- Grenzzaun Ungarn-Serbien. Bilder: Wikipedia terkarieren. Die damit verbundenen tiefgreifenden Konflikte zwischen den Regierungen der europäischen Länder könnten zusammen mit den ohnehin sehr stark ausgeprägten Streitigkeiten auf anderen wichtigen Feldern, z.B. im Rahmen der höchst unterschiedlichen Vorgehensweisen zur Lösung der Staatsschuldenkrise, dazu führen, dass die Europäische Union schon recht bald zerbricht. Was tun? Realismus zwingt uns zu erkennen, dass mit der nur vordergründig humanitär erscheinenden Politik Deutschlands eine gefährliche Entwicklung für ganz Europa eingeleitet worden ist. In vielen Bereichen der deutschen Gesellschaft fehlt die Bereitschaft, die damit verbundenen Folgen zu sehen. Auch wird vielfach unterschätzt oder gar geleugnet, wie bedeutsam die Herrschaft des Rechts für die Sicherheit und innere Stabilität der europäischen Staaten ist. Es dürfte daher als erstes notwendig sein, dem von einigen Regierungen, gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien ausgeübten Konformitätsdruck zu widerstehen und die mit der Offenheit der Grenzen entstandenen Probleme klar anzusprechen. Zweitens muss dem wichtigen Prinzip, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden und die Integrität der eigenen Gesellschaft nicht aufs Spiel zu setzen, Vorrang eingeräumt werden. Daher wird man nicht umhin können, die Politik der offenen Grenzen zu revidieren. Drittens wird es notwendig sein, der ideologischen Legendenbildung über die Ursachen und die Charakteristika der Migrationsbewegungen sowie des Widerstands aus der Bevölkerung gegen dieses Phänomen vor allem in den elektronischen Medien Deutschlands entschlossen entgegenzutreten. Viertens gilt es, die Gesetzmässigkeit des politischen Handelns einzufordern und die Herrschaft des Rechts wiederherzustellen. Fünftens dürfte es unausweichlich sein, dass die einzelnen EUStaaten das Recht wieder in die eigene Hand nehmen und nationale Massnahmen treffen müssen, um ihre vitalen Interessen zu wahren. ■ Oberst i Gst a D Walter Schilling Dr. phil. Freier Publizist I-39012 Meran (Bz) 12 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Sicherheitspolitik Israels Sicherheit – aktuelle Bedrohungen und Trends Die Sicherheitslage im Nahen Osten ist derzeit äusserst volatil. Der syrische Bürgerkrieg hält die Region seit 2011 in Atem. Die Verstrickung von regionalen und internationalen Akteuren führt zu einer schwer vorhersehbaren Dynamik. Israels Position im Nahen Osten ist daher durch eine hohe Ungewissheit geprägt. Marcel Serr Die Schwächung der arabischen Nachbarstaaten Israels durch innere Konflikte schuf ein Vakuum, das die nichtstaatlichen Akteure bereitwillig ausfüllen. Eine Konsequenz dieses Prozesses ist die Verstärkung ethnischer und religiöser Identitäten auf Kosten des staatlich-nationalen Zugehörigkeitsgefühls. Die daraus erwachsenden Bedrohungsszenarien für Israel sind unübersichtlich. Auf der jährlichen Sicherheitskonferenz des israelischen Institute for National Security Studies (INSS) im Januar 2016 offenbarte Israels Führung daher fundamental un- terschiedliche Einschätzungen der gegenwärtigen Sicherheitsrisiken. Einigkeit herrscht darüber, dass sich der Nahe Osten auch zukünftig unvorhersehbar verändern wird und dies Israel ein hohes Mass an Flexibilität und Anpassungsvermögen abringen wird. Die Hisbollah und der syrische Bürgerkrieg Gadi Eizenkot, der Stabschef der Israel Defense Forces (IDF) sieht derzeit die Hisbollah als die grösste Bedrohung. Die schiitische Miliz ist tief im syrischen Bürgerkrieg verstrickt. Ganz im Sinne von Menachem Begins Kommentar zum IrakIran-Krieg «Wir wünschen beiden Parteien Glück» ist der Konflikt zwischen dem Assad-Block (unterstützt von der Hisbollah und dem Iran) und den Aufständischen (allen voran der IS) für Israel zwar einerseits vorteilhaft, da er beide Parteien bindet. Andererseits sammeln die Kämpfer wichtige Gefechtserfahrung, die sie später auch gegen Israel einsetzen können. Mit Blick auf die Hisbollah besteht zudem die Gefahr, dass sich die Orga- Israels Marine wird zukünftig eine gewichtige Rolle im Schutz der Gasförderplattformen zukommen. Bild: IDF Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 13 Sicherheitspolitik «Daesh [IS] ist bereits hier und beeinflusst die israelischen Araber.» Israels Präsident Reuven Rivlin auf der Sicherheitskonferenz des INSS am 18. Januar 2016 «Die Bedrohung zu erkennen, ist die eigentliche Herausforderung. Die Bedrohung ist alterslos und ohne Bindung an Organisationen. Wir haben versucht es zu charakterisieren, aber es gibt kein bestimmtes Alter, kein bestimmtes Geschlecht, keine bestimmte Tageszeit. Jeder kann eine Bedrohung darstellen.» Oberstleutnant Nati Keren (34), Kommandant des Duchifat Bataillons (Kfir Brigade) nisation aus dem Arsenal Assads bedient und damit ihre militärischen Fähigkeiten deutlich ausweitet. «Wenn das passiert, handeln wir», machte Israels Verteidigungsminister Moshe Yaalon im Mai 2015 unmissverständlich klar. Tatsächlich hat Israel bereits mehrfach mit Luftschlägen versucht, den Schmuggel von Waffen zu verhindern. Dennoch gelang es der Hisbollah vermutlich, russische JachontCruise-Missiles einzuschleusen. Dies würde das Bedrohungspotenzial des Hisbollah-Raketenarsenals erheblich vergrössern. Darüber hinaus stellen die Präsenz der Hisbollah und der iranischen Revolutionsgarden an der Grenze zu Israel eine akute Gefahr dar, die Jerusalem zu mehreren Luftangriffen veranlasste. Die IDF gehen davon aus, dass die Hisbollah den Süd-Libanon in eine ausgeklügelte Kampfzone mit unterirdischen Gefechtsständen und Tunneln auf israelisches Territorium ausgebaut hat. Ferner verfügt die Terrororganisation über 100000 Kurzstreckenraketen und hunderte Raketen, die ganz Israel erreichen können. Bei dem nächsten Waffengang dürften auch die israelischen Gasförderplattformen im Mittelmeer ins Visier geraten, deren Schutz in erster Linie in die Verantwortung der israelischen Marine fällt. Der Islamische Staat Mit dem IS ist Israel zudem eine neue Bedrohung erwachsen. Israelische Analysten weisen darauf hin, dass es sich um eine hybride Gruppierung handelt, die über ein Territorium mit einer Bevölkerung verfügt. Insofern liesse sich der IS einfacher bekämpfen als transnationale Terrororganisationen, die auf Zellenbasis und ohne festes territoriales Refugium agieren. Allerdings fällt die Ideologie des IS im islamistisch-sunnitischen Spektrum der Palästinenser bereits auf fruchtbaren Boden und kann so eine ernsthafte Bedrohung für Israel werden. Diese Gefahr betonte Israels Präsident Reuven Rivlin in seiner Rede auf der INSS-Konferenz: «Daesh [IS] ist bereits hier und beeinflusst die israelischen Araber.» Darüber hinaus besteht die akute Gefahr, dass der IS Jordanien destabilisieren könnte. Bislang war das monarchische Regime in Amman ein Hort der Stabilität im sogenannten Arabischen Frühling. Doch die hunderttausenden Flüchtlinge aus Sy- An der Grenze zum Gazastreifen: Anfang Februar 2016 waren die IDF auf der Suche nach neuen Tunneln der Hamas nach Israel. Die Anwohner der Kibbuzim hatten nächtliche Bauarbeiten unter ihren Häusern gemeldet. Bild: Autor Staatspräsident Reuven «Ruvi» Rivlin auf der Sicherheitskonferenz des Institute for National Security Studies (INSS) in Tel Aviv im Januar 2016. Bild: Autor rien und dem Irak bringen Jordanien gegenwärtig an die Belastungsgrenze. Im süd-syrischen Grenzgebiet operiert die mit dem IS verbündete Jarmuk Märtyrer Brigade. Die rund 600 Kämpfer haben der Al-Nusra-Front schwer zugesetzt und sich mittlerweile in Süd-Syrien etabliert. Die IDF rechnen damit, dass die Miliz früher oder später auch Israel und Jordanien ins Visier nehmen wird. Auch das IS-Franchise auf der Sinaihalbinsel, Wilayat Sinai, das Kairo massiv unter Druck setzt, könnte sich als sicherheitspolitisches Problem erweisen. Die IDF gehen davon aus, dass sich die Gruppe auch Israel zuwenden wird. Zumal IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi im Dezember 2015 Israel explizit gedroht hatte: «Palästina wird nicht euer Land oder euer Zuhause sein. […] Es wird euer Grab sein.» Die Hamas im Gazastreifen Derzeit ist die Gaza-Front aussergewöhnlich ruhig. In 2015 kam es zu 44 Angriffen (davon 25 Raketen) auf Israel aus dem Gazastreifen. Dabei kam es zu keinen Opfern auf israelischer Seite. Damit war 2015 das «friedlichste» Jahr an der Gaza-Front seit 2005. Dennoch stellt die Hamas weiterhin eine akute Bedrohung dar. Die Terrororganisation ging zwar geschwächt aus dem letzten Konflikt mit Israel hervor. Denn in der letzten Phase der israelischen Operation Protective Edge im Sommer 2014 gelang es Israels Luftwaffe, ranghohe Hamas-Funktionäre zu neutralisieren. Doch die Hamas hatte ebenfalls Erfolge zu ver- 14 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Sicherheitspolitik buchen: Insbesondere die Infiltrationstunnel hatten eine erhebliche psychologische Wirkung. Mittlerweile arbeitet die Hamas wieder intensiv am Wiederaufbau des Tunnelnetzwerks. Die Anwohner der an den Gazastreifen grenzenden Kibbuzim meldeten bereits nächtliche Klopfgeräusche im Untergrund an die israelischen Sicherheitsbehörden. Ein Besuch an der Grenze im Februar 2016 zeigt, dass die IDF mit Bohrvorrichtungen die Suche nach den Tunneln aufgenommen haben. Die nächste Eskalation am Gazastreifen ist daher nur eine Frage der Zeit. Lone-Wolf-Terrorismus in Israel In 2015 verstärkten sich die Sicherheitsprobleme im Westjordanland und Jerusalem erheblich. Seit September kommt es beinahe täglich zu Attentaten mit Messern, Schusswaffen und Autos auf Israelis. Zwischen dem 13.09.2015 und 20.01. 2016 wurden in 170 Terroranschlägen 29 Strassenkämpfe zwischen Steine werfenden, arabischen Jugendlichen und der IDF sind zu einem alltäglichen Phänomen in OstJerusalem und der West Bank geworden. Bild: Rosalie Niehaus Israelis getötet (25 davon Zivilisten) und 289 verwundet. Die Attentate konzentrieren sich auf Gush Etzion, Hebron und Jerusalem. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es sich fast ausschliesslich um Einzeltäter handelt, die sich kaum in ein einheitliches Profil bringen lassen. «Die Bedrohung zu erkennen, ist die eigentliche Herausforderung. Sie ist alterslos und ohne Bindung an Organisationen. Wir haben versucht es zu charakterisieren, aber es gibt kein bestimmtes Alter, kein bestimmtes Geschlecht, keine bestimmte Tageszeit. Jeder kann eine Bedrohung darstellen», so Oberstleutnant Nati Keren (34), Kommandant des Duchifat Bataillons, das derzeit in der West Bank stationiert ist. Gadi Eisenkot sprach von einer «Intifada der Einzeltäter». Die israelischen Sicherheitskräfte haben daher grosse Probleme, die Kontrolle zu behalten. Bislang zeichnet sich noch keine Entspannung der Lage ab (Stand: Ende Februar 2016). Insbesondere zu den hohen jüdischen Feiertagen (wie Pessah Ende März 2016), wenn v.a. Jerusalem voll mit jüdischen Pilgern ist, ist zu erwarten, dass die Situation weiter eskaliert. Die staatliche Ausnahme: der Iran Teheran stellt derzeit die grösste staatliche Bedrohung für Israel dar. Das Regime unterstützt nicht nur massgeblich Syriens Assad, die Hamas und Hisbollah, sondern stellt mit seinem Atomprogramm auch ein potenziell existenzgefährdendes Risiko für Israel dar. Mit dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen und dem Ende der Sanktionen im Januar 2016 werden dem Iran wieder erhebliche finanzielle Mittel zufliessen, die Teheran zur Aufrüstung und Unterstützung seiner Verbündeten nutzen wird. Ein Vorgeschmack dessen war bereits Ende Februar 2016 zu spüren: Öffentlichkeitswirksam liess Teheran verlauten, die Familien von getöteten Palästinensern der derzeitigen «Jerusalem Intifada» mit 7000 US-Dollar zu unterstützen. Das Appeasement gegenüber Teheran hat auch eine regionale Dimension: Es besteht die Gefahr eines Rüstungswettlaufs am Golf. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gelten schon jetzt als die grössten Waffenimporteure. Israel muss daher auf der Hut sein, im regionalen Kräftegleichgewicht nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dennoch: Nichtstaatliche Gewaltakteure bleiben gegenwärtig Israels primäre Sicherheitsbedrohung in direkter Nachbarschaft bzw. in der eigenen Mitte. ■ Marcel Serr Magister Artium IL-Jerusalem/Israel Das Wort des CdA Geschätzte Leserinnen und Leser der ASMZ, geschätzte Kameraden Wir haben gemeinsam ein intensives erstes Quartal 2016 hinter uns. Besonders erfreulich war dabei die deutliche Zustimmung des Parlamentes zur WEA und zum Finanzrahmen. Bereits vor einiger Zeit zeichnete sich ab, dass dieser Moment ideal sein würde, um die Nachfolgeplanung für die künftige Armeeführung anzustossen. Die Planung der WEA ist abgeschlossen, die Umsetzung kann an die Hand genommen werden. Top-down beginnend, kann nun auf 01.01.2017 ein neuer CdA bestimmt werden, bevor dann die weiteren Führungsfunktionen besetzt werden. Obwohl es noch fast ein Jahr dauert, bis ich die Uniform ausziehen werde, möchte ich Ihnen trotzdem an dieser Stelle bereits meinen persönlichen Dank für die Zusammenarbeit aussprechen. Zu den Höhepunkten als Chef der Armee gehört zweifellos der Bezug und die Zusammenarbeit mit der Miliz. Sie als Kader unserer Armee und ganz speziell auch als Mitglieder in den Offiziers- und Unteroffiziersgesellschaften haben dies in ganz grossem Masse ermöglicht und damit in vielen Bereichen zum wesentlichen Erfolg beigetragen. Sogar Misserfolge haben wir gemeinsam getragen. Beispielsweise beim Flugzeug. Vor allem hatten wir aber Erfolge zu feiern. Immer dort, wo wir gemeinsam geschlossene Reihen erreicht haben. Und diese sind auch künftig dringend nötig. Weil mögliche Einsätze nach wie vor näher rücken und wir vielleicht bald die zivilen Behörden in verschiedenen Bereichen unterstützen müssen. Wenn dann WKs verschoben oder – sofern die Anzahl Soldaten nicht ausreicht – sogar zusätzliche Bataillone aufgeboten werden müssen, dann haben wir dies gemeinsam zu erklären. Den Soldaten, den Familien, den Arbeitgebern und unseren Mitbürgern. Damit diejenigen, welche ihre Bürgerpflicht erfüllen, deutlich merken, dass sie unterstützt werden. Dafür braucht es uns alle. Und auch dafür danke ich Ihnen. Korpskommandant André Blattmann Chef der Armee Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 15 Sicherheitspolitik Überlegungen zur Struktur des Deutschen Heeres: Ausgangslage (1/2) Mit grossem Interesse konnte man vor zwei Jahren die anspruchsvollen Ankündigungen von Ursula von der Leyen, Joachim Gauck und Frank-Walter Steinmeier hören, dass Deutschland mehr sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen solle. Neben anderen Möglichkeiten der Wahrnehmung von sicherheitspolitischer Verantwortung wurde dabei die militärische ausdrücklich erwähnt. Da die Kanzlerin die Richtlinien der Politik bestimmt, ist anzunehmen, dass diese Äusserungen mit dem Kanzleramt abgestimmt waren. Wie steht es also um die Fähigkeit des Deutschen Heeres, einen nennenswerten Beitrag im Rahmen der Bündnissolidarität zu leisten, wenn dies an der Ostgrenze des Bündnisgebiets notwendig werden sollte? Wie viele Divisionen könnte Deutschland heute zur Bündnisverteidigung beisteuern oder als voll funktionsfähig ins Dispositiv der konventionellen Abschreckung einbringen? Hat die Glaubwürdigkeit dieser Abschreckung in der Ukrainekrise versagt? Glauben unsere Partner an der Ostgrenze des Bündnisses an einen wirksamen Beitrag Deutschlands zur Verteidigung des Bündnisgebiets? Vor dieser Frage leuchtet im historischen Hintergrund das Modell der Vorneverteidigung auf, die sogenannte «Schichttorte». Hier standen an der innerdeutschen Grenze neben drei deutschen Korps von Norden nach Süden verbündete Korps und Divisionen Schulter an Schulter. ist auch die Schwelle zum Einsatz von Atomwaffen an sich niedriger. Atomwaffen sind aber eher ein politisches Mittel der Abschreckung, deren tatsächlicher Einsatz auf allen Seiten nicht gewollt ist. Die entstehende Lücke ist ein sicherheitspolitisches Risiko. Die Übernahme von mehr Verantwortung bedeutet im militärischen Aufgabenfeld folglich, einen wesentlichen Beitrag zur Abschreckung im Rahmen der Bündnisverteidigung zu leisten. Da Deutschland keine Atommacht ist und auch nicht sein will, besteht unser Beitrag daher ausschliesslich in der Bereitstellung konventioneller Streitkräfte, vor allem von Landstreitkräften. Die Lehren aus der Geschichte bis 1990 zeigen, dass im Westen Deutschlands zur Verteidigung der Bundesrepublik mit der sogenannten «Schichttorte» das Mass an konventionellen Kräften bereit stand, das nötig war, um das überlegene kon- Die Friedensdividende steuert die Bündnisbeiträge Streitkräfte sind unverändert das äusserste Mittel, das die Politik einsetzen Vorneverteidigung «Schichttorte». Beitrag zur Abschreckungsstrategie Die Abschreckungsstrategie des Bündnisses besteht neben der grundsätzlichen politischen Gesprächsbereitschaft im militärischen Teil noch immer aus dem atomaren und dem konventionellen Pfeiler sowie der Eskalation, die beide verbindet. Dabei gilt die Gesetzmässigkeit, dass die Schwelle zum Einsatz atomarer Waffen dann hoch ist, wenn die konventionellen Fähigkeiten ausreichend hoch sind.1 Sind letztere, wie heutzutage, nicht ausreichend, 16 ventionelle Potential des damaligen Warschauer Paktes ausreichend auszugleichen. Deutschland profitierte von der Bündnissolidarität seiner Verbündeten, die von der Präsenz konventioneller Kräfte im Inland bis hin zur Einbeziehung der jeweiligen Territorien in die atomare Eskalation reichte. Diese Beiträge und deren Umfang, auch der damalige Umfang der Bundeswehr sind aus der Vergangenheit bekannt. Der Warschauer Pakt ist mittlerweile Geschichte. Wenn eine militärische Bedrohung in Europa überhaupt erkennbar ist, so besteht sie in der seit Jahren betriebenen, aber unterschätzten Aufrüstung Russlands. Unsere osteuropäischen Partner fühlen sich mit Blick auf ihre historischen Erfahrungen bedroht. Die Ukrainekrise hat sie in ihrer Gefühlslage bestätigt. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Bild: wikipedia Wolfgang Kopp Sicherheitspolitik kann. Den politischen Willen vorausgesetzt, stellt sich die Frage nach der zweckmässigen Struktur des Mittels, damit gegenwärtige Verpflichtungen erfüllt und zukünftige Herausforderungen gemeistert werden können. Es ist daher zulässig, aus den konventionellen Fähigkeiten der Vergangenheit Rückschlüsse zu ziehen auf das, was in der gegenwärtigen Lage zur Verteidigung an der Ostgrenze des heutigen Bündnisgebietes benötigt würde. Diese Betrachtung müsste natürlich die Fähigkeiten im Bündnis insgesamt betrachten. Vor allem aber vor dem Hintergrund des 2013 erhobenen politischen Anspruchs der Übernahme von mehr Verantwortung soll in diesen Überlegungen besonders das Deutsche Heer und seine Fähigkeiten betrachtet werden. Diese Fähigkeiten sind dann auch zu spiegeln an anderen Ideen, die in jüngerer Vergangenheit sichtbar wurden. Dazu gehören die Vorstellung, «Anlehnungspartner» für andere Nationen sein zu wollen, ebenso wie der Ruf nach mehr Multinationalität oder gar die Vision von einer Europäischen Armee. Dies erfordert Streitkräfte, die zum Gefecht hoher Intensität befähigt sind. Sind sie dazu befähigt, so ist es auch kein Problem, daraus Kontingente für Einsatzgebiete aufzustellen, mit denen Aufgaben unterhalb dieses Spektrums zu erfüllen sind. Dazu gehören Einsätze zur Wiederherstellung des Friedens, zur Friedenssicherung oder im humanitären Aufgabenspektrum. Diese Aufgaben fallen vor allem Landstreitkräften zu. Daher muss besonders das Heer über eine Struktur verfügen, welche die genannten Kriterien erfüllt und gleichzeitig auf mögliche Bedrohungen ausgerichtet ist, die sich aus dem grossen Spektrum moderner technischer Möglichkeiten ergeben. Gegenwärtige Verpflichtungen ergeben sich vor allem aus der Einbindung Deutschlands in das nordatlantische Bündnis und die Europäische Union. Die Bündnisverteidigung richtet sich heute gegen einen gegenwärtig nicht absehbaren Grossangriff auf das Bündnisgebiet. Sie dient aber auch zur Abwehr möglicher militärischer Übergriffe auf das Staatsgebiet von Bündnispartnern. Ausreichend dimensionierte Streitkräfte sind vor allem aber auch ein wichtiges Mittel glaubwürdiger Abschreckung eines möglichen Gegners vor politischen und militärischen Abenteuern. Dies war bereits ihre Funktion im Kalten Krieg. Die Ausrichtung der Bundeswehr folgte seit 1990 nicht mehr der Priorität zur Bündnis- oder Landesverteidigung, sondern in erster Linie finanziellen Vorgaben zur Einsparung vor dem Hintergrund der Gewinnung einer sogenannten Friedensdividende. Diese gründete sich in Deutschland auf die Annahme, nur noch von Freunden umgeben zu sein. Seit 1990, verstärkt seit 2000 und erst recht seit 2005, wurde die Fähigkeit der Bundeswehr, einen nennenswerten Beitrag zur Bündnisverteidigung zu leisten, immer weiter abgebaut. Dafür tragen alle politischen Kräfte die Verantwortung. Das heisst, dass die Auszahlung der Friedendividende nicht einmalig, sondern ein seit 1990 fortschreitender Prozess war, der bis zur Ukrainekrise andauerte. Mit der sogenannten Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 unter gleichzeitig erneut kräftiger Reduzierung des personellen Umfangs hat der damalige Minister die Bundeswehr, besonders im Bereich der Mannschaftsdienstgrade, zumindest vorübergehend abgeschafft. Dieser personelle Mangel, vor allem bei qualifizierten Mannschaftsdienstgraden, schränkt die Einsatzbereitschaft besonders des Heeres bis heute nachhaltig ein. Zudem haben der ständige Um- und Rückbau dazu geführt, dass beim Personal der Bundeswehr die Unzufriedenheit zugenommen hat. So ist zum Beispiel die Bereitschaft, sich um die 38 Prozent Pendleranteil der Armee auch nur annähernd fürsorglich zu kümmern, nicht gerade ausgeprägt. Zu den personellen Problemen kommen aber besonders Probleme der Struktur und des Materials erschwerend hinzu. Die richtigen Fähigkeiten verfügbar halten Der vermeintliche Wegfall der Bedrohung, die Auslandseinsätze auf dem Balkan und vor allem der Einsatz in Afghanistan haben zu dem irrigen Glauben geführt, dass Streitkräfte nur noch auf solche Konflikte auszurichten wären. An die Stelle der Fähigkeiten zur mechanisierten Landkriegführung trat als Kriterium der Einsatzbereitschaft, das materielle und personelle Zusammenstellen, sozusagen die Montage von Kontingenten für Auslandseinsätze in den Vordergrund. Auch das Rüstungs- und Beschaffungswesen wurde einer grundsätzlichen Revision unterzogen, mit allen Konsequenzen, die bis heute nachwirken. Der Abbau der Mechanisierung verband sich in geradezu idealer Weise mit Mit seinem Aufsatz «Überlegungen zur Struktur des deutschen Heeres» zeichnet der Autor schonungslos ein Bild eines veränderten Heeres, das aufgrund unklarer politischer Vorgaben seine Rolle sucht. Die Erkenntnisse erinnern an aktuelle Diskussionen in der Schweiz, wo es auch darum geht, die Rolle der Armee im Sicherheitsverbund Schweiz zu klären und wo letztlich die Politik die Leistungsfähigkeit der Armee leider ausschliesslich über das Bereitstellen von Ressourcen steuert – und dies meistens zum Nachteil der Sicherheit des Landes. Nach dem Aufzeigen der Ausgangslage folgt im zweiten Teil in der nächsten ASMZ die Diskussion von Lösungsansätzen. BOA dem Bestreben, eine Friedensdividende zu erzielen, weil Unterhalt und Betrieb mechanisierter Truppenteile teuer sind. Dies führte zu drastischen Einsparungen in Form des Abbaus mechanisierter Strukturen, der Auslagerung einsatzwichtiger Komponenten in den zivilen Bereich und der Einschränkung des Übungs- und Ausbildungsbetriebs. Leichte Strukturelemente schienen im Heer Struktur bestimmend zu werden. Dieses Sparprogramm fand im «Dynamischen Verfügbarkeitsmanagement» seine höchste Ausprägung. Diese wohlklingende begriffliche Nebelkerze dient der Verschleierung einer Reduzierung der Ausstattung der Truppe mit kampfentscheidendem Grossgerät um etwa ein Drittel. Das Dynamische Verfügbarkeitsmanagement, mit anderen Worten die Mangelverwaltung, wurde noch im Jahr 2014 von der Führung des Heeres hoch gelobt.2 Man lebte von der Substanz und wirtschaftete die reduzierte Mechanisierung des Heeres über die Zeitachse soweit herunter, dass man 2015 nur mit grosser Mühe ein Panzergrenadierbataillon für die NATOSpeerspitze bereitstellen konnte.3 Rund 15000 Artikel mussten von über 50 anderen Truppenteilen ausgeliehen werden4. Einsatzbereitschaft sieht anders aus. War also der Einsatz in Afghanistan, obwohl dies bestritten wurde, doch stillschweigend als Blaupause das Sparmodell für die Struktur des Heeres? 5 Der Verzicht auf Mechanisierung hat aber besonders politische Entscheidungen und die Zustimmung des Bundestages für Einsätze erheblich erleichtert. Dabei hatte sich spätestens im berühmten Karfreitagsgefecht des Jahres 2010 gezeigt, dass die Mechanisierung, das heisst der Kampf aus ge- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 17 UNUS PRO OMNIBUS, OMNES PRO UNO – EINER FÜR ALLE, ALLE FÜR EINEN. Stiftung der Offiziere der Schweizer Armee Mit Ihrer Unterstützung stärken Sie das Milizsystem, die Milizarmee und eine glaubwürdige Sicherheitspolitik der Schweiz. Die Stiftung ist steuerbefreit. Jeder Beitrag zählt! Bankverbindung: UBS AG IBAN: CH380026226210411901K Weitere Informationen unter: www.offiziersstiftung.ch Stiftung der Offiziere der Schweizer Armee 117-119 avenue Général Guisan, Case postale 212, CH-1009 Pully [email protected] www.offiziersstiftung.ch swissBUILDINGS3D Das 3D-Gebäudemodell der Schweiz w wohin wissen swissttop po Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra Bundesamt für Landestopografie swisstopo sw wisstopo.ch / landscape Sicherheitspolitik Panzergrenadiere. Bild: Bundeswehr/Mandt panzerten Fahrzeugen heraus, auch gegen asymmetrisch operierende Kräfte ausserordentlich wirksam ist. Nicht zuletzt durch diese bedauerlichen Verluste reifte langsam die Erkenntnis, welche Bedeutung der Schutz, oder besser die Panzerung hat. Sie trägt vor allem dazu bei, dass in gefährlichen Lagen nicht nur die Soldaten selbst besser geschützt sind, sondern auch die Durchsetzung des Auftrags im Gefecht erleichtert und damit das Risiko insgesamt herabgesetzt wird. Weitere Erkenntnisgewinne aus Afghanistan waren aus militärischer Sicht eher überraschend und banal: Dazu gehörte, dass grössere Kaliber auch eine höhere Durchschlagskraft haben und gepanzerte Kampffahrzeuge mit entsprechender Bewaffnung nicht nur den Schutz der eigenen Soldaten verbessern, sondern auch den psychologischen Eindruck beim Gegner nachhaltig verstärken. Die richtigen Lehren ziehen Diese eigentlich zeitlosen militärischen Wahrheiten waren beileibe nicht neu für Soldaten, sie mussten aber offenbar vor allem in die Köpfe der Politiker Eingang finden, die den Einsatz bis dahin zum grossen Teil nicht so sehr als Krieg, sondern eher als humanitären Spaziergang empfanden, Stichwort «Brunnenbohren». Diese Befindlichkeiten bei der politischen Willensbildung für militärische Einsätze drückten sich im Einfluss auf Ausrüstung und Bewaffnung6, aber besonders auch auf nationale Einschränkungen Eingreifbefugnisse (Rules of Engagement ROE) für den Einsatz aus. So wurden die auf NATO-Ebene abgestimmten ROE durch nationale Regeln zusätzlich eingeschränkt.7 Der Einsatz in Afghanistan hat also den Wert der Mechanisierung eher bewiesen. Die Nachsteuerungen, wie der Einsatz der Panzerhaubitze und des Schützenpanzers Marder, aber auch zahlreiche Nachrüstungen zeigen, dass leichte Kräfte nicht der Kern von Streitkräften sein können. Damit hat sich die Annahme, dass allein leichte Stosstrupps mit entsprechender Unterstützung das zukünftige Gefecht erfolgreich führen könnten, als nicht richtig erwiesen. Unter Panzerung und im Schutz gepanzerter Kampffahrzeuge sind neben dem Kampf auch Führung, Aufklärung und die Versorgung besser möglich, besonders auch die medizinische Rettung unter Beschuss. Mechanisierung und Panzerung sind also wichtige und unverzichtbare Elemente moderner Kriegführung. Neben der Bedeutung mechanisierter Truppen haben sich besonders Spezialkräfte und Automaten, sprich Drohnen, auch bewaffnet, zu Lande und in der Luft als unentbehrlich für alle zukünftigen Operationen erwiesen. Hat uns also Afghanistan mit Blick auf eine moderne Heeresstruktur weitergebracht? Eigentlich nicht! Erst die Krise in der Ukraine und die Parade am 9. Mai 2015 in Moskau mit zahlreichen neuen Waffensystemen, nicht zuletzt neuen Kampf- und Schützenpanzern, haben aufgeschreckt und zu neuem Nachdenken geführt. Deutschland fehlt eine grundsätzliche sicherheitspolitische Orientierung und ein sicherheitspolitisches Konzept, das ressortübergreifend mitgetragen wird. Ob das angekündigte Weissbuch diesen strategischen Ansatz erfüllen kann, wird mit Spannung zu beobachten sein. Ob die vielgepriesene Vernetzung der politischen Ressorts über den Raum Berlin hinaus auch in Einsatzgebieten wirksam wird, darf bezweifelt werden. In Afghanistan war das Stückwerk. Da diese strategische Grundlage fehlt, fehlt auch eine nachhaltige Auslegung der Struktur der Streitkräfte auf den politischen Handlungsrahmen. Die Ausrichtung auf Deutschland als Friedensmacht kann dies nicht sein. Bündnisverteidigung und, darin enthalten, Landesverteidigung sind die Eckpfeiler für die Struktur der Bundeswehr und besonders des Heeres. Daher ist in einem weiteren Schritt zu hinterfragen, ob die Struktur und die Gliederung der deutschen Landstreitkräfte heute noch auf Bündnisverteidigung ausgerichtet sind und deren Anforderungen genügt. ■ 1 Vgl. Helmut Schmidt, Strategie des Gleichgewichts, 4. Auflage, Stuttgart-Degerloch, 1969, S. 73. 2 So der damalige Inspekteur des Heeres, Kasdorf, in seiner Rede bei der Auflösung der 10. Panzerdivision in Sigmaringen am 05.06.14. 3 «Bild am Sonntag» am 09.08.15 u.a. mit einer Stellungnahme des Wehrbeauftragten Bartels. Siehe u.a. auch Thomas Wiegold am 10.03.15 in «Augen geradeaus». 4 Jahresbericht des Wehrbeauftragten 2015 v. 26.01. 16 Bundesdrucksache 18/7250 S.4, bes. aber S.11. 5 «Das militärische Denken ist zu 95 Prozent auf Afghanistan bezogen – der Rest ist Oderhochwasser», sagt der Militärhistoriker Erwin Starke (zitiert nach «Der Tagesspiegel» vom 06.10.2014). 6 Beispiele für solche deutschen Befindlichkeiten sind, dass - der aus deutscher Produktion stammende Leopard 2 in Afghanistan von Kanadiern genutzt wird, aber nicht von der Bundeswehr; - die Panzerhaubitze 2000 von den Niederlanden eingesetzt wurde, lange bevor die Deutschen dazu bereit waren, weil man in Deutschland nicht den Eindruck erwecken wollte, es sei Krieg in Afghanistan. 7 Beispiele dafür sind, - dass im Kosovo die Anwendung der Schusswaffe zur Verteidigung serbischer Klöster deutschem Polizeirecht unterlag; - dass Jammer zum Auslösen von IED lange an deutschen Fahrzeugen in Afghanistan nicht angebracht werden durften, weil beim Auslösen die Gefahr von Kollateralschäden nicht auszuschliessen war; - das deutsche Verhalten in der Frage der Beteiligung an AWACS-Einsätzen über Libyen und Afghanistan. Brigadegeneral a D Wolfgang Kopp D-72488 Sigmaringen Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 19 Sicherheitspolitik Clans, Stämme und andere Freunde Die Sicherheitspolitik tut sich schwer mit der segmentären, oder staatenlosen Gesellschaft. Zwischendurch gelingt es, «Deals» zu schliessen. Doch viel öfters ist man perplex, wie widersprüchlich Stämme, Clans und andere Netzwerke handeln. Dieses Erstaunen zeugt vielmehr vom Unvermögen, solche Gesellschaften zu verstehen. Henrique Schneider, Redaktor ASMZ Ob die Piraten von Somalia, das Stammesgebiet im Afghanistan, die nordalbanischen und westkosovarischen Berge oder die Gebiete der Kachin in Burma/ Myanmar: das sind alles segmentäre Gesellschaften. Dieser Ausdruck bezeichnet eine Gesellschaft, deren strukturelles Grundprinzip die Aneinanderreihung unabhängiger, gleichartiger Einheiten ist. Diese gleichartigen Einheiten oder eben Segmente können Clans, Dörfer, Stämme, Lineages und anderes sein. Buchtitel wie «Tribes Without Rulers» (Middleton/ Tait 1958) oder «Regulierte Anarchie» Ein Dorf der Kachin. (Sigrist 1967) verweisen auf das Hauptcharakteristikum segmentärer Gesellschaften: das Fehlen von staatlicher Herrschaft. So unterschiedlich segmentäre Gesellschaften untereinander sein können: Die Nordamerikanische und Europäische Sicherheitspolitik macht immer wieder die gleichen drei Fehler im Umgang mit ihnen. Und ist immer wieder erstaunt über das eigene Unvermögen, das schnell in eine Abschätzung verwandelt wird. Welches sind diese Fehler? nämlich genauso ausgefeilt und sogar institutionalisierter als jene moderner Staaten sein. Die albanische Stammesgesellschaft, beispielsweise, kennt (oder kannte) ein komplexes System von Abhängigkeiten innerhalb und zwischen ihren Untergruppen. In grossen Stammesversammlungen wurde verhandelt, bis Konsens erreicht wur- Bild: anonym de. Ohne ihn gab es keine Entscheidung. Ähnlich subtil funktionieren die GumsaKachin. Hier versuchen untereinander wetteifernde «Dorffürsten», die jeweilige Gunst der Stunde zu ihrem Nutzen einzusetzen. Diese Gunst kann sowohl Al- «Drei Fehler sind typisch im Umgang mit segmentären Gesellschaften.» Primitive Gesellschaft Den ersten Fehler beging schon der Erfinder des Begriffes, Émile Durkheim. Er stellte die segmentäre Gesellschaft als «primitiver» Typus der modernen, zentralisierten Gesellschaft gegenüber. Historisch ist diese Rangfolge sogar noch möglich. Die segmentäre Gesellschaft war vor dem Nationalstaat da. Aber die Idee des «Primitiven» führt zu einer Unterschätzung ihrer politischen Mechanismen. Diese können 20 lianzen mit der burmesischen Zentralregierung als auch Abmachungen mit China bedeuten. Für die Angehörigen des Dorfes ist das Handeln des «Fürsten» nicht nur vorhersehbar, es ist auch erwünscht. Der Fehler, segmentäre Gesellschaften als namentlich politisch rückständig anzusehen, verleitet zu Fehleinschätzungen. Oft wird dabei gedacht, ihre Gunst sei durch das eine oder andere Geschenk zu Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 erkaufen. Oder man könne sie befrieden, indem man sie «anerkennt». Damit unterschätzt man die politischen Abläufe der segmentären Gesellschaften und vielmehr noch ihr Eigenverständnis. Nur weil man keinen Staat hat, heisst das nicht, man sei apolitisch. Alle sind gleich Der zweite Fehler ist die Vorstellung, alle segmentären Gesellschaften seien gleich. Meist werden sie ohnehin als Stammesgesellschaften verstanden. Und weil jeder Stamm einen Häuptling zu haben hat, wird einseitig auf Verhandlungen mit dem Häuptling gesetzt. Neben der Unterschätzung der politischen Komplexität, ist dieses Unverständnis für Differenzierung eines der wichtigsten Gründe für das Scheitern von Sicherheitspolitik an der segmentären Gesellschaft. Ja, die Gumsa-Kachin haben einen Stamm, doch viel wichtiger ist die Stellung des «Dorffürsten». Noch wichtiger ist jedoch die Stellung jener Person, meist eines Bruders von ihm, die bereit ist, auszuziehen und ein neues Dorf zu formieren. Und ja, die Yanomami-Indianer haben einen Häuptling; doch dieser darf nie für oder über die Bruderschaft entscheiden – genauso wenig wie ein albanischer Dorfvorsteher. Und im afghanischen Waziristan haben die Stämme zwei voneinander unabhängigen Organisationen, eine für den Frieden und eine für den Krieg. Den Fehler, segmentäre Gesellschaften für einander gleich zu setzen, verleitet zur Unterschätzung lokaler Gegebenheiten. Und dieser Fehler hat sich in der Geschichte der Sicherheitspolitik perpetuiert. Genauso wie die Briten meinten, Stämme in Afrika zu erkennen, meinte die NATO, die politische Beschaffenheit der Einsatzgebiete Kosovo und Bosnien seien ähnlich. Nein, nur weil man eine spezifische segmentäre Gesellschaft kennt, kennt man noch lange nicht alle. Sicherheitspolitik schaft macht, ist sie erstaunt, wie schnell diese Abmachungen in die Brüche gehen. Afghanistan ist ein gutes Beispiel dafür. Doch die Erklärung ist einfach: Wo es Wettbewerb um Macht gibt und die Macht nicht nur von der segmentären Organisation, sondern auch von – zum Beispiel – Religion abhängt, sorgt das Wettbewerbsprinzip für viel Dynamik. So etwa wie das Wettbewerbsprinzip in den USA dafür sorgt, etwa alle zwei Jahre neue Machtkonstellationen zu haben. Nur weil die segmentäre Gesellschaft länger besteht als der Nationalstaat, heisst das nicht, sie sei weniger dynamisch. Was ist zu tun? Pashtunen bei einer Stammesversammlung. Bild: wikimedia Stabile Ordnung Der dritte Fehler ist zu meinen, die Ordnung in der segmentären Gesellschaft sei stabil. Oft wird dieser Fehler begangen, weil die segmentäre Gesellschaft als Fossil längst vergangener Zeit angesehen wird. Und weil Fossile bekanntlich unbeweglich sind, so haben auch diese Gesellschaften steinern zu sein. Genauso wie es in den Nationalstaaten zu Regierungswechseln kommen kann, können sich in segmentären Gesellschaften politische Gegebenheiten ändern. Das ist insbesondere in jenen Gesellschaften der Fall, wo der Wettbewerb ähnlich wie in den europäischen Demokratien ein politisches Prinzip ist. Das ist zum Beispiel in Somalia und den südostasiatischen Inseln der Fall. Oft auch in vielen Lineages in Zentralafrika. Die stabile Ordnung ist «Wir wollen die segmentäre Gesellschaft nicht verstehen.» auch dort nicht gegeben, wo die segmentäre Gesellschaft von verschiedenen anderen Loyalitätsnetzwerken überlagert ist, beispielsweise im Kaukasus oder in Afghanistan. Immer wieder, wenn die Sicherheitspolitik «Deals» mit der segmentären Gesell- Es gibt aber zwei Charakteristika, die allen segmentären Gesellschaften – vielleicht allen Gesellschaftsformen überhaupt – zukommt. Zunächst wachen sie eifersüchtig über ihren eigenen Fortbestand. Die segmentäre Gesellschaft hält an ihrer Freiheit vor dem Staat eisern fest. Und: Wenn immer Segmente die eigene Macht oder Freiheit ausdehnen können, werden sie es tun. Damit ist die Antwort auf die Tun-Frage eigentlich einfach: Segmentäre Gesellschaften sind als politische Gemeinschaf- «Ihre Freiheit – das ist der segmentären Gesellschaft am wichtigsten.» ten eigenen Typs zu behandeln. Jede einzelne von ihnen ist ebenfalls dynamisch und «sui generis» anzusehen. Das bedeutet: Wenn ein sicherheitspolitscher Einsatz ansteht, der Nähe oder gar Zusammenarbeit mit segmentären Gesellschaften erfordert, ist jene sehr lokale Gesellschaft zu analysieren. Und das muss völlig unabhängig von allem, was man bisher über andere ähnliche Gesellschaften lernte, geschehen. Doch das ist einfacher gesagt, als getan. Die Gründe dafür sind das fehlende Interesse für solche «theoretischen» Untersuchungen einerseits und die Dynamik der Sicherheitspolitik andererseits. Da sie selbst «politisiert» ist, setzt sie oft auf schnell-wirkende Hebel. Und das sind zunächst einmal gute «Deals» mit den scheinbaren Vertretern der segmentären Gesellschaft. Diese institutionelle Perpetuierung von Fehlverhalten kann man getrost als vierten Fehler zählen. ■ Aus dem Bundeshaus Sie lesen hier von der dritten Woche der Frühjahrssession 2016 der Eidgenössischen Räte sowie über seitherige Geschehnisse und Parlamentarische Vorstösse (PV). Das Parlament verabschiedete am 18. März die Vorlage «Weiterentwicklung der Armee – Änderung der Rechtsgrundlagen» (14.069), insbesondere Militärgesetz (MG), Armeeorganisation (AO) und «Bundesbeschluss zum Zahlungsrahmen der Armee 2017–2020» mit 20 Milliarden Franken. Die Gesetzesänderungen wurden im Bundesblatt Nr. 12 vom 29. März 2016 veröffentlicht, und die Referendumsfrist läuft am 7. Juli 2016 ab. Nach dem Ständerat verwarf auch der Nationalrat die Standesinitiative Bern «Die zentrale Staatsaufgabe ‹Sicherheit› muss wieder ernst genommen werden» (15.307; 72 :120 :1). Weitere PV betreffen das Grenzwachtkorps (15.311), Waffen der Zoll- und Polizeibehörden (16.3236), Schengen-Dublin / Sicherheitslage Europa (16.3242), Waffenrecht EU / Schweiz (16.5052), Taschenmunition (16.5115), Arbeit der Offiziere (16.5142) sowie Frischmilch für die Armee (14.4265). Der Chef VBS ernannte erneut einen militärischen Berater und sistierte vorläufig das Vorhaben BODLUV 2020. Er setzte sowohl eine Findungskommission für die Suche eines Nachfolgers des per Ende 2016 abtretenden Chefs der Armee als auch eine Begleitgruppe für die Evaluation und Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges ein. In Erinnerung gerufen seien erstens die «Botschaft zur Legislaturplanung 2015 –2019» (16.016) mit dem Ziel 15: «Die Schweiz kennt die inneren und äusseren Bedrohungen ihrer Sicherheit und verfügt über die notwendigen Instrumente, um diesen wirksam entgegenzutreten.» Zweitens: Die erstmalige «Botschaft über den Zahlungsrahmen der Armee 2017–2020, das Rüstungsprogramm 2016 und das Immobilienprogramm VBS 2016» (Armeebotschaft 2016; 16.026). Drittens: «Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik der Schweiz» (Entwurf vom 26. Oktober 2015). Oberst a D Heinrich L.Wirz Militärpublizist/Bundeshaus-Journalist 3047 Bremgarten BE Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 21 Sicherheitspolitik Der Teilabzug russischer Truppen aus Syrien – warum und warum jetzt? Die Entscheidung des russischen Präsidenten, einen Teil seiner Truppen aus Syrien abzuziehen, hat die internationale Staatengemeinschaft ganz offensichtlich überrascht und es stellen sich natürlich auch ein paar Fragen. Jürgen Hübschen In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die Frage, warum die westlichen Geheimdienste einmal mehr eine ganz entscheidende Entwicklung nicht prognostiziert haben, sondern es lohnt sich auch grundsätzlich zu hinterfragen, warum der russische Präsident diese Entscheidung getroffen hat, aber sicherlich auch, warum er diese Entscheidung exakt an dem Tag bekannt geben liess, an dem de facto in Genf die Friedensgespräche wieder aufgenommen wurden. Das militärische Engagement Russlands in Syrien – ein kurzer Rückblick Im September 2015 begann Russland Flugzeuge, Hubschrauber, Raketensysteme zur Flugabwehr, Artillerie, Panzer und das notwendige militärische Personal nach Syrien zu verlegen. Neben dem bereits vorhandenen Marinestützpunkt Tartus wurde in Humaymin bei Latakia eine russische Luftwaffenbasis aufgebaut. Am 30. September – zwei Tage nach der Rede des russischen Präsidenten vor der UNO – erfolgten die ersten Luftangriffe auf Stellungen des IS, aber auch gegen bewaffnete oppositionelle Gruppen, die gegen die regulären syrischen Streitkräfte mit dem Ziel kämpften, Präsident Assad zu stürzen. Bereits nach einer Woche waren die russischen Luftstreitkräfte in der Lage, die Einsätze von zunächst knapp 10 auf 90 zu steigern. Nach sehr kurzer Zeit flogen Moskaus Piloten mehr Einsätze am Tag als die westliche Allianz unter Führung der USA innerhalb eines Monats. Die arabischen Mitglieder der Allianz flogen in 2016 fast gar keine Einsätze mehr, weil sie den grössten Teil ihrer Kampfflugzeuge für Einsätze gegen die Huthi-Rebellen im Jemen benötigten. 22 Tartus in Syrien. Die russischen Jets in Syrien wurden von Bombern, die ausserhalb des Landes stationiert waren und sind, unterstützt. Anfangs kamen auch Cruise Missile zum Ein- Russische Flugabwehrbatterie bei Latakia. Bilder: Wikipedia Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 satz, die von Schiffen aus dem Schwarzen Meer abgefeuert wurden. Mit Ausnahme des von der Türkei abgeschossenen Jagdbombers vom Typ SU-24 gab es nach westlichen Erkenntnissen keine Flugzeugverluste. Abgesehen von einem Besatzungsmitglied der abgeschossenen SU-24, das sich mit dem Schleudersitz zunächst gerettet hatte und dann noch am Fallschirm hängend von Aufständischen erschossen wurde, wurden auch keine Gefallenen bekannt. Die syrischen Streitkräfte konnten mit Unterstützung der russischen Luftwaffe nach vorliegenden Erkenntnissen die Initiative am Boden zurückgewinnen und grosse Regionen mit etwa 400 Dörfern von Aufständischen und/oder dem IS befreien. Die Nachschublinien der bewaffneten Opposition in die Türkei wurden unterbrochen und der Ölexport des IS in die Türkei zum Erliegen gebracht. Sicherheitspolitik Bis zum Waffenstillstand am 27. Februar 2016 standen etwa 4000 russische Soldaten in Syrien, und die Zahl der Kampfflugzeuge betrug zwischen 50 und 60 der verschiedenen grösstenteils modernsten Typen. Der von Präsident Putin angeordnete Teilabzug Am 14. März 2016 – zeitgleich mit dem offiziellen Beginn einer neuen Runde der Friedensgespräche in Genf gab Präsident «Nach sehr kurzer Zeit flogen Moskaus Piloten mehr Einsätze am Tag als die westliche Allianz unter Führung der USA innerhalb eines Monats.» Putin im Beisein seines Aussen- und seines Verteidigungsministers den Befehl, den «wesentlichen Teil» («main parts») der Truppen aus Syrien abzuziehen. Die Aufgaben der russischen Streitkräfte seien grösstenteils erfüllt. Die Angriffe gegen die Al-Nusra-Front und den IS, die ausdrücklich vom mit den USA vereinbarten Cease Fire (Feuerunterbruch, aber Bewegungen weiter verfolgen) ausgenommen sind, werden fortgesetzt. Die westliche Allianz wurde von der Entscheidung zu einem Teilabzug ebenso überrascht wie vom Beginn des russischen Militäreinsatzes in Syrien. Es ist davon auszugehen, dass sich der russische Präsident zu diesem Teilabzug, mit dem zu diesem Zeitpunkt auch in Russland wohl kaum jemand gerechnet hat, nach sorgfältiger Beratung mit dem so ge- nannten «inner circle» entschlossen hat. Der ehemalige KGB-Mann Putin vertraut nur einem ganz bestimmten Kreis von Geheimdienstlern. Dazu gehört Verteidigungsminister Sergei K. Shoigu, der Leiter des Präsidentenbüros und ehemalige Verantwortliche für die Staatssicherheit, Sergej B. Ivanov, der Direktor des Federal Security Service ( F.S.B.), Alexander V. Bortnikov und der Leiter des Security Council und ehemalige Direktor des F.S.B. Nikolai P. Patrushev. Diese Männer lieben den Überraschungsmoment und legen Wert darauf, unkalkulierbar zu sein. Ekaterina Schulmann, eine Politikwissenschaftlerin stellte zu dieser Vorgehensweise fest: «A good decision in today’s Russia should be swift and surprising and take everyone unawares. That is considered good political management.» Aleexander Morozov, ebenfalls ein russischer politischer Analytiker ergänzte diese Aussage wie folgt: «The main goal is to show that Russia acts completely independently. We expand our military presence without any prior consultations and wrap it up without any warning.» Wie der Begriff schon beinhaltet, bleibt bei einem solchen Abzug eben auch ein Teil des Truppenkontingents, also Waffensysteme und auch Soldaten vor Ort. Und es ist davon auszugehen, dass Moskau die abgezogenen Kräfte ebenso überraschend wieder zurückführen kann, sollte es aus Sicht des «inner circle» erforderlich sein. • Durch den zwischen dem amerikanischen Aussenminister Kerry und seinem russischen Kollegen Lawrov ausgehandelten und bislang weitgehend eingehaltenen Waffenstillstand hat Russland entscheidenden Anteil an der Wiederauf- Karikatur: Umgang Putins mit den Medien. Bild: Wikipedia/von Wellemann • Beurteilung Die konkreten Pläne des russischen Präsidenten waren nicht bekannt und werden es auch in Zukunft wohl nicht sein. Für die aktuelle Situation zum Zeitpunkt des Teilabzugs kann man aber objektiv folgendes festhalten: • Durch die gesamte Syrien-Operation ist Putin auf die Weltbühne zurückgekehrt und hat die Aussage des amerikanischen Präsidenten, dass Russland nur noch eine Regionalmacht sei, nachdrücklich widerlegt; • Der Zeitpunkt der ersten Luftangriffe zwei Tage nach seiner Rede vor den Vereinten Nationen ist, ebenso wie die Ankündigung des Teilabzugs am selben Tag wie der Beginn der Friedensgespräche in Genf, Beweis dafür, wie gekonnt der russische Präsident auf dem Klavier der Diplomatie und der Public Relation zu spielen weiss; • • • • nahme der Friedensgespräche in Genf und damit an einer möglichen politischen Lösung des Konflikt; Mit dem Teilabzug hat Putin der syrischen Opposition die massgeblichen Argumente genommen, nicht an den Verhandlungen teilzunehmen. Nicht nur, aber auch deshalb sitzen jetzt Vertreter des «Hohen Verhandlungskomitee» (HNC) in Genf mit am Tisch; Russlands Verbündeten wurde durch den Militäreinsatz bewiesen, dass sie sich auf Putin verlassen können; Mögliche Gegner mussten zur Kenntnis nehmen, dass Russland ausgesprochen schnell in der Lage ist, einen Militäreinsatz beeindruckend professionell vorzubereiten und durchzuführen; Russland konnte seine Waffensysteme in einem Krieg erproben und gleichzeitig der Welt zeigen, dass vor allem die russischen Kampfflugzeuge den amerikanischen Systemen durchaus gleichwertig sind. Das ist für mögliche Waffenexporte ein ausgesprochen überzeugendes Signal; Durch die Intervention hat Putin militärisch wieder Augenhöhe mit den USA erreicht. Mit Beginn der massiven Luftangriffe mussten Washington und die Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 23 FESTUNG FÜRIGEN Linde Safety Pilot. Technischer Durchbruch in Sachen Sicherheit. 26. März — 30. Oktober 2016 www.nidwaldnermuseum.ch Öffentliche Führung jeden 1. Sonntag im Monat um 11 Uhr Nidwaldner Museum Festung Fürigen Sa, So 11–17 Uhr oder nach Absprache jederzeit möglich Aktuelles Lastgewicht Maximale Hubhöhe mit der aktuellen Last Aktueller Neigewinkel Aktuell erreichte Hubhöhe Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Beim Betrieb mit Gabelstaplern gilt menschliches Versagen sogar als häufigste Ursache für Arbeitsunfälle. Durch unzureichendes Wissen oder mangelnde Konzentration der Fahrer kommt es zu Fehlbedienungen, in deren Folge das Fahrzeug kippen und es zu schwersten Verletzungen, Schäden an Ladungsträgern und der Betriebseinrichtung sowie nicht zuletzt massiven Störungen im Logistikablauf kommen kann. Abhilfe verspricht ab sofort ein einzigartiges, elektronisches FahrerAssistenzsystem von Linde Material Handling, der Linde Safety Pilot. 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Februar, ergänzt durch den Teilabzug, hat Putin seine Aussage, eine politische Lö- «Russland ist ausgesprochen schnell in der Lage, einen Militäreinsatz beeindruckend professionell vorzubereiten und durchzuführen.» sung des Syrien-Konflikt zu verfolgen, de facto bewiesen und sich damit auch politisch wieder als gleichwertiger Partner der USA etabliert; • Der russische Präsident hat den vom Westen betriebenen «regime change» in Syrien und damit eine vergleichbare Ka- tastrophe wie im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins und in Libyen nach der gewaltsamen Entmachtung von Gaddafi verhindert; • Präsident Assad ist es nicht gelungen, Russland für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Seinem Anspruch, so lange zu kämpfen bis ganz Syrien wieder unter seiner Kontrolle ist, – Assad wörtlich in einem AFP-Interview: «Es ist nicht logisch zu sagen, dass es einen Teil unseres Landes gibt, auf den wir verzichten», – hat Putin eine klare Absage erteilt und ihn stattdessen gezwungen, für den 13. April 2016 Parlamentswahlen anzukündigen. Damit hat der russische Präsident gezeigt, dass es ihm, so wie er immer wieder betont hat, bei der russischen Militäroperation nicht um Assad, sondern um Syrien gegangen ist; • Eine mögliche Isolation Moskaus durch den Westen muss als gescheitert angesehen werden, und das wird dazu führen, die Sanktionspolitik gegenüber Moskau zu überdenken; • Mit den beiden Stützpunkten in Tartus und Humaymin und deren Ausbau hat Russland seine Präsenz in der Region entscheidend gestärkt und sich die Möglichkeit geschaffen, jederzeit wieder Truppen, Waffensysteme und militärisches Gerät zusätzlich nach Syrien zu verlegen; • Dadurch, dass nur ein Teil der Truppen und auch der Kampfflugzeuge und des schweren Geräts abgezogen wird, kann Moskau seinen Kampf gegen die Gegner Assads fortsetzen und weiterhin Druck auf den syrischen Präsidenten ausüben, den politischen Vorgaben Russlands Folge zu leisten. Putin ist (wieder), wie amerikanische Experten es formulieren – ein «important actor in the Middle East and a global problem solver». Das muss der Westen zur Kenntnis nehmen und bei der Gestaltung seiner zukünftigen Politik nicht nur in der Nahmittelost-Region berücksichtigen. ■ Oberst i Gst aD Jürgen Hübschen Beratung für Friedenssicherung und Sicherheitskonzepte D-48268 Greven Die Schweizer Bildungsinstitution. Effizient. Sicher. Individuell. re Infoanlässe Besuchen Sie unsed Bern in Zürich, Basel un Mit der AKAD flexibel bleiben. Abschlüsse: Zertifikate | eidg. Fachausweise | eidg. Diplome Bereiche: Leadership | Management | Finanz- und Rechnungswesen | Treuhandwesen | Inkasso BU (ASZM) www.akad.ch/business AKAD Business – ein Unternehmen der Kalaidos Bildungsgruppe Schweiz Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 25 Sicherheitspolitik Terror und Freiheit: Donnerschlag ins Antlitz unserer Moderne Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf die USA als Land und Nation griff der damalige Präsident George W. Bush zum kämpferischen Schlagwort des sogenannten Krieges gegen den Terror. Johann Ulrich Schlegel Unter diesem Schlagwort und diesem Kampfruf begann Amerika im Besonderen den Afghanistankrieg und den Irakkrieg. Diese beiden auffallendsten Kriege reichten bald weit darüber hinaus. Sie drangen ins ganze Weltsystem unseres Globus. Das Ziel war, einer global verbreiteten Aufstandsbewegung gegen die weltweiten Herrschaftsansprüche Amerikas Herr zu werden. Mittel und Wege wurden er- «Europa und insbesondere sein Westen sind heute auch nicht mehr sicher.» schlossen, um primär die USA und sekundär ihr weltumspannendes Herrschaftsnetz zu schützen und zu sichern. Diesem System verbunden und am nächsten stehen die europäischen Länder. Die NATO rief nach dem 11. September 2001 sofort und zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall an, was bedeutete, dass der Grossteil der Länder Europas nun ebenfalls in diesen Krieg verwickelt wurde. 15 Jahre später – was wurde erreicht? Amerika hat alle Kriege – und denken wir auch an den Libyenkrieg und den Syrienkrieg – mindestens bisher mit auffälliger Regelmässigkeit und Offensichtlichkeit verloren. Aber es kam noch schlimmer. Der Krieg des Terrors mit seinen Anschlägen aus dem Hinterhalt gelangte auch zu uns. Das ist Kriegslist. Und Krieg hat noch im- 26 mer zentral und unumgänglich aus List bestanden. Europa und insbesondere sein Westen sind heute auch nicht mehr sicher. Warum konnten wir alle, der Westen, so auffallend verlieren? Wenn es hart auf hart hinausläuft, wenn es zur Aggression oder gar doch und erneut zum Krieg kommt, brechen alle diese angeblich neuen Errungenschaften von Recht und Moral, Verständigung und gesellschaftlicher Verbesserung. Der reine Schrecken kehrt zurück. Und schlimmer, dieser Schrecken oder Terror beginnt selbst bei uns sich wieder einzustellen. Warum aber wieder? Die Antwort lautet, weil wir schon immer dem Phänomen Terror begegneten. Wir wollten es nur nicht mehr wahrhaben. Wir haben eine Welt geschaffen, in welcher wir alles und jedes immer mehr verbessern, vor allem auch Recht, Moral, Korrektheit, Völkerverständigung, Frieden Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage gelangen wir zu einer entscheidenden Diagnose: Wir alle hier in der westlichen Welt verfügen über ein enormes technisches Wissen. Wir sind allen anderen überlegen. Keine andere Kultur übertrifft unsere kriegstechnische Perfektion. Umso brennender spitzt sich die Frage zu, warum der Westen angesichts solchen Fortschritts und solcher waffentechnischen Überlegenheit dennoch derart eklatant versagt. Es ist unverzichtbar, die noch wenig begangene Spur zu verfolgen, was uns vom muslimischen Krieger vielleicht gerade kriegsentscheidend abhebt. Warum ist dieser erfolgreich, wir erfolglos? Es ist ein unverzeihlicher Fehlschluss, wenn wir versuchen, technischen und gesellschaftlichen Fortschritt einander gleichzusetzen. Wir kommen nicht darum herum, jenen Satz zu beherzigen, der 9/11 in New York als Beginn des Krieges gegen den Terror. besagt, dass eine immer gleiche Natur uns Menschen beseelt. Eine ohnehin. Wir verbessern die Verbesserung rohe, menschliche Natur in uns über- der Verbesserungen. Wir haben in unserer spielen wir in unendlich vielen und fein- immer abgehobeneren, immer künstlichemaschigen Nuancen, wohlmeinenden Ver- ren, immer theoretischeren Welt Aggresänderungen, auch Gefühlen neuer Über- sionen, und Kriege ohnehin, überwunden. legenheit und neuen moralischen GeDie Verbesserung der Verbesserung haltes. des Guten wird immer höher hinaufge- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Sicherheitspolitik schraubt. Aber kein Baum kann in den Himmel wachsen. Es sei denn, dass er bricht. Dann aber bleibt allenfalls nicht einmal mehr ein Stummel. Der 11. September hat uns in die Wirklichkeit zurückgeholt. Aber mit dem 11. September 2001 war es bereits zu spät. Ein militärstrategischer Satz lautet, dass, wer als erster schiesst, auf dem Kampfplatz einen grossen Vorteil hat. Das ist der eine Unterschied zwischen uns und dem islamischen Krieger. Die zusätzliche Dimension des Absoluten Wir können im Weiteren feststellen, dass sich zusätzlich ein noch gravierenderer Unterschied bei unserem Gegner einstellt. Dieser Kämpfer ist erfüllt von einer Dimension, die uns abhanden gekommen ist. Es ist die Dimension des Absoluten. Der Muslim weiss um diese andere Dimension. Und sie ist es, die ihn derart erfüllt, dass er nebst unserer Technik, die er sich ja auch aneignet, mit diesem zweiten Element zweihundert Prozent aufrüstet. Sie ist eine ganze zweite Welt, sie taucht ihn ins Mystische, in eine zweite Welt des Numinosen. Brüssel est belle – stiller Protest gegen den Terror. Bilder: Wikipedia jener Latino zu vergleichen, dem die USArmy die Niederlassung im Land anbietet, wenn er sich ihr vorher als GI anschliesse. Wir haben also primär nur diese eine Dimension. Der Muslim – und damit ist stets der kämpferische Muslim gemeint – hat zusätzlich die andere. Ja, er verachtet allenfalls sogar die erste Dimension, unser goldenes Kalb, um das herum wir so selbstverliebt, so ausschliesslich, ja rauschhaft tanzen; er lehnt die ganze exzesshaft gewordene Konsumwelt ab. Das wollten und wollen wir nicht mehr wahrhaben. Was uns an Mystik und der Welt des Numinosen verblieb, ist endloses Moralisieren, das Numinose ist auf den Asphalt kalter Vernünftelei geknallt. Vernünftelei aber ist bruchstückhaft. Sie erfasst nicht die Wahrheit. Diese ist erst das Ganze. Dieses Ganze bildet auch die Wirklichkeit ab. Und exakt diese Wirklichkeit hat der Muslim noch oder Zeichen der Trauer am Eingang der Metro-Station Maelbeek. wieder erfasst. Wenn wir uns dieser Unsere Soldaten sind mit Söldnern ver- Kombination, diesem Plus an gewongleichbar. Sie führen Krieg um Materielles, nener Kampfkraft verschliessen, können primär z.B. um Sold. Um eine gute Posi- wir den anderen nicht erkennen. Insofern tion. Um materielles Ansehen. Ein Händ- kämpfen unsere Soldaten mit verbunler opfert aber sein Leben nicht für Geld. denen Augen. Wir hielten und halten es Und mit einem Söldner oder einem Kom- nach wir vor für unmöglich: Ein uns völmerzienten ist in diesem Sinn dann auch lig fremd gewordenes Phänomen kehrte zurück. Die Rückkehr einer politischen Theologie. Religion in dem Bereich, den wir längst verloren haben. Kenntnis der verlorenen Dimension als Lösung Demzufolge können wir aus dem Hier und Jetzt den gegenwärtigen Terror so wenig verstehen wie dessen inhärente Religiosität. – Religion als amputierte, endlose materialistische Moralisiererei ist zutiefst Pseudoreligiosität, und insofern hat das westliches Christentum oder was von diesem übrig blieb, Gott längst aus dem Glaubenskatalog gestrichen. Unsere Kultur birgt nun allerdings die Schätze, die uns genau diese uns verlorengegangene Dimension mindestens aufzeigen können. Wir mochten und mögen dieses Phänomen nicht mehr wahrhaben. Aber wenn wir die grossen Philosophen, die grossen Theologen und religiösen Systeme nur schon unseres Westens wieder konsultieren, können wir erkennen, worum es heute geht. Wir benötigen die Beispiele. Sie sind zugleich Erfahrung und Wiedererkenntnis. Wenn wir sie zur Kenntnis nehmen, haben wir eine Chance. Dazu bedarf es der Verbindung sowohl mit den weltlichen als auch den metaphysischen, also religiösen Elementen. Und jeder höhere Offizier weiss, ein Feind ist nur zu besiegen, falls man ihn auch kennt. ■ Johann Ulrich Schlegel Dr. phil. et lic.iur. Historiker und Jurist Militärpublizist 8049 Zürich und 9475 Sevelen Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 27 Sicherheitspolitik Beurteilung der militärischen Lage in Europa Aufgrund der Fehlleistungen im Krieg gegen Georgien von 2008 beschloss das Führungsgremium Russlands unter dem damaligen Präsidenten Medwedew und dem damaligen Ministerpräsidenten Putin, die Streitkräfte zu reformieren. Albert A. Stahel Mit dieser Reform unter der Bezeichnung Novy Oblik, New Look, in Anlehnung an das Reformprojekt des US-Präsidenten Eisenhower aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, wurde der damalige Verteidigungsminister, Anatoly Serdyukow, beauftragt. Zu dieser Reform gehörte die konsequente Brigadisierung der Streitkräfte, eine vereinfachte Führungsstruktur mit vier Militärbezirken – West, Süd, Zentrum, Ost – , die Zusammenfassung der Luftstreitkräfte (VVS) und der Luftverteidigungskräfte (VKO) zu den Luftraumkräften (VKS), sowie eine massive Erhöhung des Anteils der Berufssoldaten und -unteroffizieren (die Kontrakti) um bis zu 2 ⁄3 des Gesamtbestandes der Streitkräfte. Abgesehen von der vollständigen Brigadisierung werden die geplanten Reformmassnahmen heute unter dem neuen Verteidigungsminister, Sergei Shogu, umgesetzt. Entgegen der ursprünglichen Planung zur vollständigen Brigadisierung sind die Armeestufe bei den Landstreitkräften wie auch die 2. motorisierte Schützendivision und die 4. Panzerdivision beibehalten worden. 2016 Titelbild Military Balance 2016. Quelle: Website ISS London Modernisierung und Aufrüstung Noch unter Präsident Medwedew wurden 2010 als Ergänzung zum Novy Oblik eine neue Militärdoktrin und ein Aufrüstungsprogramm in der Höhe von 19 400 Milliarden Rubel für die Periode 2011 bis Potenzial an Waffensystemen Russische Föderation im Jahr 2020 interkontinentale ballistische Flugkörper (ICBMs) 400+ U-Boot-gestützte ballistische Flugkörper (SLBMs) ? Militärische Satelliten 100+ Kampfflugzeuge 450 Kampfhelikopter 330 Drohnen (UAVs, Unmanned Air Vehicles) 4000+ Luftverteidigungssysteme S-400 (Divisionen) 56 nuklearangetriebene U-Boote mit SLBMs 8 nuklearangetriebene Angriffs-U-Boote 7 diesel-elektrisch angetriebene U-Boote 6 –10 Überwasserkriegsschiffe 50 Kampfpanzer 2300+ ballistische Kurzstreckenflugkörper Iskander (Brigaden) 10 28 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 2020 verabschiedet. Gemäss dieser Militärdoktrin, die in einem weiteren Bericht 2014 bestätigt wurde, sind für Russland die NATO und das geplante Abwehrsystem der USA gegen ballistische Flugkörper in Osteuropa die grössten militärischen Herausforderungen. Aufgrund der bisherigen Umsetzung wie auch der Ziele des Aufrüstungsprogramms könnte die Russische Föderation 2020 über ein Arsenal an wichtigen Waffensystemen verfügen, die zu 70 – 80% neu und modern sein würden (Tabelle links). Gemäss den Einschätzungen der NATO betrugen 2015 die Verteidigungsausgaben der Russischen Föderation 5,4 % des Bruttosozialproduktes. Angesichts der Stagnation der russischen Volkswirtschaft sind in den nächsten Jahren einschneidende Kürzungen im Verteidigungsbudget denkbar. Bis jetzt produziert die russische Rüstungsindustrie allerdings auf vollen Touren und konnte bisher sogar die vom Verteidigungsministerium gestellten Vorgaben zahlenmässig übertreffen. So sind 2014 die verlangte Anzahl an modernisierten Kampfpanzern T-72 und Jagdbombern Su-34 vollumfänglich geliefert worden. 2014 konnte gegenüber dem Vorjahr die Rüs- Sicherheitspolitik tungsproduktion um 15,5 % gesteigert werden, dies im Vergleich zur Produktionssteigerung von 1,7 % der gesamten russischen Industrie. Für die Periode 2016-25 ist die Produktion und Lieferung von 2300 neuen Kampfpanzern T-14 Armata, die Lieferung der Kampfflugzeuge T-50 der fünften Generation und des Luftverteidigungssystems S-500 an die russischen Streitkräfte zu erwarten. Europa rüstet ab te 2016 gar der Ernstfall eintreten, dann ist aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit Obama im Krieg in Syrien vorstellbar, dass er eine russische Aggression nur zögernd mit militärischen Mitteln abwehren und deshalb die Unterstützung der USA für die Europäer mit Verspätung eintreffen würde. Während Russland seit 2011 aufrüstet, haben die wichtigsten Staaten Europas, so Deutschland, Italien, Frankreich und Grossbritannien, intensiv abgerüstet. Am massivsten hat Deutschland abgerüstet. Dieser Staat verfügte 1990 noch über Iskander Rakete auf Trägerfahrzeug MZKT 7930. 215 Kampfbataillone. Heute sind es noch 34 Kampfbataillone. Syrien-Konflikt Vor allem bei den dient der Erprobung von Neuem Kampfpanzern, die Dank der Umsetzung des Aufrüstungs- in einem zukünftiprogramms und der leistungsfähigen Rüs- gen Krieg wieder enttungsindustrie kann Russland auch an scheidend sein könnzwei geopolitisch sehr unterschiedlichen ten, haben alle diese Orten gleichzeitig Krieg führen. In und Staaten massiv abgeüber Syrien testete die russische Führung rüstet. 1990 verfügbis anhin ihre Luftstreitkräfte (Luftraum- te Deutschland über streitkräfte) aus, indem die Erdkampf- 74 Panzerabteilungen, flugzeuge Su-25 und Jagdbomber Su-24 2015 sind es deren und Su-34 sowie Mittelstreckenbom- 5. Italien hatte noch ber Tu-22M über die syrische Oppositi- 1990 25 Panzerabteion Bombenteppiche von Freifall-Splitter- lungen, 2015 sind es bomben hoher Explosivwirkung abwar- noch deren 3. Frankfen. Hin und wieder wurden durch stra- reich verfügte 1990 tegische Bomber Tu-95 und Tu-160 luft- noch über 16 Pangestützte Marschflugkörper (Kh-55/SM zerabteilungen, 2015 und Kh-102) und seegestützte Marsch- sind es noch 3. Bei flugkörper Kalibr gegen Ziele in Syrien Grossbritannien waeingesetzt. Den Nachschub für die rus- ren es 1990 noch 14 Leopard 2A5 der Bundeswehr. Bilder: wikipedia sischen Kampfflugzeuge in Syrien leis- Panzerabteilungen. ten Transportflugzeuge An-124 oder Heute sind es noch deIl-76 oder/und Transportschiffe über ren 3. Ein intensiver Abzug von KampfbaFazit den Bosporus zum russischen Hafen Tar- taillonen erfolgte insbesondere durch das tus in Syrien. US-Kommando Europa (US EUCOM). Der zunehmenden Instabilität der miDie Amerikaner hatten litärischen Lage in Europa als Folge der 1990 in Europa noch 25 europäischen und amerikanischen AbrüsPanzerabteilungen, heu- tung und des russischen Aufrüstungsprote verfügen sie in Europa gramms kann nur durch eine Wiederaufnoch über 1 1⁄3 Kampf- rüstung der mächtigsten Staaten Europas panzerabteilungen. sowie durch eine tatkräftige US-AdminisNach wie vor bilden die tration, die jene Obamas ablösen würde, USA mit ihrem Potenti- begegnet werden. Tritt diese Entwicklung al das Rückgrat der mili- nicht ein, dann könnten im nächsten Jahrtärischen Schlagkraft der zehnt die Staaten Europas durch die miliNATO, und nach wie vor tärische Schlagkraft Russlands erpressbar sind die USA, was die Feu- werden. ■ erkraft ihrer Kampfflugzeuge betrifft, jener von Erstmals erschienen auf der Website Eine russische Su-34 beim Abwurf einer KAB-500S-PräzisionsRussland überlegen. In «Strategische Studien». bombe am 9. Oktober 2015 während des Einsatzes in Syrien. einem Ernstfall müssten allerdings die US-LuftAlbert A. Stahel Was den hybriden Krieg in der Ost- streitkräfte zuerst nach Europa verlegt werProf. Dr. oec. publ. Ukraine betrifft, so werden die eingesetz- den. Aufgrund der Auseinandersetzungen Leiter Institut für ten Panzerverbände und Eliteeinheiten zwischen der Administration und dem Strategische Studien (SPEZNAZ) immer noch vom russischen Kongress stagniert des Weiteren zum ge8820 Wädenswil Territorium aus unterstützt und mit Waf- genwärtigen Zeitpunkt die Modernisierung der US-Streitkräfte weitgehend. Sollfen, Munition und Material versorgt. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 29 Einsatz und Ausbildung Unsere vitalen Interessen – was tun wir für sie? Von nationalen strategischen Interessen ist gelegentlich die Rede. Was ist darunter zu verstehen? Wie sollten wir damit umgehen? Der Offiziersgesellschaft Sarganserland nannte Peter Schneider Antworten, die manchen überraschten. Eugen Thomann, Redaktor ASMZ Die heutige Schweiz stand Jahrhunderte lang im puren Überlebenskampf, wie Oberst i Gst Peter Schneider darlegte, bis vor kurzem Chefredaktor der ASMZ. Noch im Zweiten Weltkrieg kam alles auf erfolgreiche Dissuasion an; es galt, nach aussen den Eindruck zu vermitteln, der gewaltsame Griff nach der Schweiz lohne nicht, sei militärisch zu kostspielig. Das gelang General Henri Guisan mit einer grossen Armee, mit massiven Geländeverstärkungen, mit der Strategie des Réduit. Seither halten unsere Nachbarn zusammen, im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion und den Warschauer Pakt, die man als potenziellen Angreifer wahrnahm. Derzeit droht uns kein Staat mit militärischer Gewalt. Dennoch erschüttern Der Referent, Oberst i Gst Peter Schneider, im Gespräch mit Major i Gst Michael Lampert. Bild: OG Sarganserland 30 weiterhin handfeste Konflikte Europa: An den von 1996 bis 2000 blutig ausgetragenen Jugoslawienkrieg erinnert die KFOR, eine internationale Friedenstruppe; zöge man sie ab, würde der Krieg rasch wieder ausbrechen, und daran wird sich noch auf Jahrzehnte hinaus nichts ändern. – Als Estland sich 2007anschickte, ein der Sowjetarmee gewidmetes Denkmal zu verschieben, legte eine Cyber-Attacke auf einen Schlag sämtliche staatlichen Computer lahm; wie durch Zauberhand verschwand der Spuk nach einer Woche. – Seit 2014 herrscht Russland auf der Halbinsel Krim, wider internationales Recht. Vorausgegangen waren das Verteilen russischer Pässe, ein Propagandakrieg, Cyberwar, das Auftauchen von Special Forces ohne nationales Kennzeichen und ein paar Todesfälle. In Europas unmittelbarer Nachbarschaft toben Bürgerkriege, seit 2001 in Libyen und mit entsetzlichem Leiden seit 2012 in Syrien. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Was riskiert in dieser Lage die Schweiz? Die Terrorgefahr gewiss, doch erreicht sie bisher in unserer Umgebung nicht eine strategische Dimension, trotz vieler Opfer weder in Frankreich noch in Belgien. – Obwohl 1933 niemand Angriffsabsichten bekundete, sorgte Bundesrat Rudolf Minger dafür, dass die schwächelnde Schweizer Armee hochgefahren wurde. Das richtete sich gegen keinen Gegner; es gab ja keinen. Die Verantwortlichen erkannten, es drohe Krieg. – Und heute? Welche Wirtschaftsinteressen stehen auf dem Spiel? Die Schweizer Wirtschaft erschöpft sich nicht im Finanzplatz und einer Pharmaindustrie, die ihresgleichen sucht. In unserem Land haben sich teils riesige Unternehmen niedergelassen, die wir gerne «international» nennen, als ob das den engen Bezug zur Schweiz vermindern würde. Dazu gehören die grössten Rohstoffhändler wie Vitol, xstrata, Glencore. An der Hochseeschifffahrt nimmt die Schweiz scheinbar nur mit 45 eigenen Frachtern teil. Wer weiss schon, dass MSC, die grösste Reederei, von Genf aus 487 Containerriesen unter verschiedenen Flaggen dirigiert? Für sie bedeuten Piraten eine tödliche Gefahr. Wieviel schulden wir der NATO, weil ihr gelang, die Küste Ostafrikas von Piraten zu säubern! Unterdessen zog die Schweiz das Abseitsstehen vor. Das EDA drängte 2009 Einsatz und Ausbildung zwar, doch mochte offenbar das VBS nicht so recht – und bald darauf das Parlament ebenso wenig, trotz Verfügbarkeit von Sondereinsatzkräften des KSK, die zumindest europäisch jeden Vergleich aushalten. Wie beizufügen wäre, entsinnt sich unsere Politik der von der Schweiz aus wirkenden internationalen Firmen nur, wenn beispielsweise Militärunternehmen unserer Reputation schaden könnten. Das «Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen» vom 27. September 2013 zeugt davon. Wen kümmert indes, dass Indien den für die Pharmabranche entscheidenden Patentschutz einfach ignoriert und China Miene macht, Gleiches zu tun? Die Zollfreiheit könnte für kein Land wichtiger sein, da wir für 300 Milliarden US-Dollar exportieren und für 260 Milliarden US-Dollar importieren. Erhöbe die Europäische Gemeinschaft eines unschönen Tages 30 Prozent Exportzoll, so wäre die Schweizer Wirtschaft nach sechs «Wir sind schon lange nicht mehr Kleinstaat.» Monaten am Boden. Gegen die EU gäbe es schon deswegen für die Schweiz schlicht kein Überleben. «Schengen», das von manchen ernsthaft verabscheute, ja mitunter totgesagte Vertragswerk, ist und bleibt für uns unentbehrlich, sorgt es doch für einen europäischen Austausch von polizeilichen Informationen gegen den «Verzicht» auf systematische Grenzkontrollen. Die fanden in den Ballungsräumen von Genf und Basel, ja selbst zwischen Kreuzlingen und Konstanz, seit vielen Jahren nicht mehr statt und würden sofort regionale wirtschaftliche Infarkte heraufbeschwören. Profil der Schweiz Dass unser Land nur vergleichsweise wenig Quadratkilometer umfasst, bedeutet heutzutage so wenig eine Schwäche wie das Fehlen vieler Rohstoffe – nicht mitreden zu können im Kreise der «G20», schon eher. Der russische Präsident Putin lud uns bisher als einziger der wechselnden Sprecher der zwanzig wichtigsten Wirtschaftsnationen dazu ein. Frankreich und China zogen uns immerhin für Vorgespräche bei. Wo unsere Stärken liegen, deutet ein Vergleich des Brutto-Inland-Produktes (BIP) an. In absoluten Werten gemessen, stehen wir auf der Rangliste zwischen Platz 17und 20. Misst man jedoch das BIP pro Kopf und klammert man Kleinstaaten mit Die Offiziersgesellschaft Sarganserland im «besten Alter» Die Feier der 50-jährigen Selbständigkeit ist Geschichte, die schöne Jubiläumsschrift des Chronisten Leo Coray samt vielen prominenten Beiträgen gedruckt, die «Kampfgruppe Jubiläumsfeierlichkeiten» der Herren René Achermann, Georg Egli und Christian Nigg mit dem verdienten Dank ins Glied zurückgetreten. Der Schwung ist geblieben. Von ihm zeugen eindrückliche Jahresprogramme, vor allem aber 23 Neu- und Wiedereintritte bei einem für 2015 ausgewiesenen Mitgliederbestand von 217! Oberstleutnant Rudolf Herzig gab 1964 einen wichtigen Anstoss; der Präsident der KOG St.Gallen regte damals an, die ziem- lich eingeschlafene Offiziersgesellschaft Werdenberg-Sargans aufzuteilen. Er hoffte, die beiden Sektionen Werdenberg und Sarganserland würden lebhafter wirken, – und er behielt recht. Oberstleutnant Axel Zimmermann durfte die jüngste Generalversammlung am 11. März 2016 in Walenstadt zuversichtlich mit der Losung schliessen «Einmal Offizier, immer Offizier!». Dem Präsidenten und seiner OG Sarganserland scheint zu glücken, die Veteranen nach dem immer früheren Ausscheiden aus der Armee bei der Stange zu halten. Dafür suchen viele seiner Kameraden noch das Rezept. ET NATO-Verband beim Aufbringen von Piraten. «Das geht uns mehr an, als wir meinen.» Bild: P. Schneider weniger als einer Million Einwohnern aus, so rückt die Schweiz auf Platz 3 oder 4 vor, zu Dänemark und Katar. Wer die Öleinnahmen wegrechnet, findet die Schweiz auf dem ersten Rang! Neuerdings erzielen wir einen Aussenhandelsüberschuss wie wenige andere. – Nach dem Handelsplatz Singapur, nach Belgien und den Niederlanden zählen wir zu den Exportweltmeistern. Mit ins Profil gehört die – immerhin bewaffnete – Neutralität. Sie geniesst den Nimbus, uns drei Kriege erspart zu haben und ist politisch unerschütterlich verankert. Ohne das verinnerlicht zu haben, sind wir schon lange nicht mehr Kleinstaat, sondern Mittelmacht. Das bedeutet mehr Verantwortung, als wir gerne meinen – und zuallerletzt Grund für Übermut oder gar Überheblichkeit. Konsequenzen Uns täte mehr Rückgrat not, schliesst Peter Schneider, wir sollten entschiedener auftreten, nicht leichthin klein beigeben, in Steuerkonflikten, in der Auseinandersetzung um den Flughafen BaselMulhouse oder um den Klotemer Fluglärm. Unsere wichtigsten Partner bleiben dabei die EU und die NATO, das leistungsfähigste Militärbündnis, welches fast alle Nachbarn vereint. Für Beitritt plädiert Schneider in beiden Fällen nicht, wohl aber für eine entspanntere, auch ehrlichere Zusammenarbeit, die gegenüber der NATO ruhig ein Stück weiter gehen darf als die «Partnerschaft für den Frieden». ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 31 Einsatz und Ausbildung Wollen ist Können – Die Schweiz am 100. Viertage-Marsch in Nijmegen Rund 250 Angehörige der Armee werden vom 19. bis 22. Juli 2016 als Schweizer Armeedelegation bei der Jubiläumsausgabe am 100. Internationalen Viertage-Marsch in Nijmegen/NL an den Start gehen. Der Viertage-Marsch von Nijmegen in Holland ist der weltweit grösste Anlass dieser Art. 50000 Teilnehmer, davon mehr als 6000 Militärpersonen nehmen daran teil. Die Marschgruppen erbringen eine beachtenswerte sportliche Leistung in einem begeisternden Rahmen. Das Spektakel zieht während dieser Woche rund zwei Millionen Zuschauer an. Edgar Gwerder In der Schweiz und im Ausland werden viele Marschveranstaltungen durchgeführt. Die «Insider der Marschszene» bezeichnen jedoch den Internationalen Viertage-Marsch von Nijmegen in den Niederlanden als die Krönung. Geschichte Der «Vierdaagse» hat eine lange Tradition – bereits 1909 fand der erste Marsch statt. 1933 tauchten im Teilnehmerfeld erstmals Schweizer Namen auf, und seit 1959 nimmt eine Schweizer Armeedelegation als Marschbataillon in ununterbrochener Reihenfolge an dieser ausser- gewöhnlichen Veranstaltung teil. Das Bataillon wird von diversen Marschgruppen aus verschiedenen Regionen der Schweiz durch männliche und weibliche AdA (FDA+RKD) auf freiwilliger Basis jedes Jahr neu gebildet. Als Vorbereitung müssen mindestens 300 km in den einzelnen Gruppen trainiert werden. Dabei wird der Körper gestählt, die Füsse geschunden und die Leistungsfähigkeit getestet. Selbstverständlich wird dabei die Kameradschaft innerhalb der Gruppen gefestigt. Organisation Organisiert wird der Marsch durch den KNBLO (Königlich Niederländischen Tagesziel: Möglichst schnell die mindestens 40 Marschkilometer absolvieren. Gemeinsam über Land mit zivil Marschierenden unterwegs. 32 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Bund für Leibeserziehung) in enger Zusammenarbeit mit der Niederländischen Armee. Dabei gilt das Motto «Wollen ist Können»! Mehr als 6000 Militärpersonen aus über 50 Nationen sind im Camp Heumensoord im Naherholungsgebiet von Nijmegen untergebracht. Das Zelt- und Barackenlager wird jedes Jahr nur für diese Veranstaltung auf- und anschliessend wieder abgebaut. Hier findet der Teilnehmer seine einfache Unterkunft. Übernachtet wird im Schlafsack auf den aus Zivilschutzanlagen bekannten Bettgestellen. Weitere Infrastrukturen wie das Essenszelt mit 4000 Sitzplätzen, ein Show-Zelt mit Live-Musik, Imbissstände, Souveniershop und Sanitäranlagen runden das Camping-Feeling ab. Einsatz und Ausbildung kategorie vier mal mindestens 40 km. Die Streckenführung erfolgt in Rundkursen sternförmig um die Stadt Nijmegen. Der Marsch erfolgt in Uniform (Tarnanzug 90) mit mindestens 10 kg Gepäck. Die Schweizer Teilnehmer absolvieren den Marsch im Rahmen der freiwilligen ausserdienstlichen Tätigkeit, das heisst es gibt weder Sold noch EO-Entschädigung. Auch die Kosten für die Hin- und Rückreise sowie das Startgeld gehen zu Lasten der Teilnehmenden. Für die Betreuung der AdA’s steht ein Miliz-Delegationsstab zur Verfügung. Er wird tatkräftig unterstützt durch die SAT (Schiesswesen und ausserdienstliche Tätigkeit) sowie durch Sanität, Militärpolizei und Dienstpersonal. Die Marschgruppen der SVMLT (Schweizerischer Verband der Mechanisierten und Leichten Truppen) in Formation. Hervorragende Organisation im Schweizer Marschbataillon Als Teil einer «leading nation» geniesst die Schweizer Armee einige besondere Privilegien. Die bis jetzt gemeldeten 15 Schweizer Marschgruppen sind in einem Marschbataillon zusammengefasst, daher unter Schweizer Führung eigenständig und eigenverantwortlich organisiert und als Einheit in einem Zelt untergebracht. Die Delegation setzt sich aus Marschgruppen mit mindestens elf Marschieren- Musik Das Marschbataillon wird 2016 durch das Spiel Berner Oberland unter der Leitung des in der Blasmusikszene bekannten Dirigenten Jakob Leuenberger begleitet. Verstärkt wird das Spiel durch die sehr Einmarsch in die Stadt auf der Via Gladiola vor ca.½ Million gute Tambourengruppe Zuschauern. Bilder: Hans Walther Houzzinoggle und die Folkloregruppe Sabina, den und einem Betreuer zusammen, wo- Melanie und Ruedi (SMR). Umrahmt bei die Zusammensetzung (weibliche und wird das Ganze mit farbenprächtigen Fahmännliche Armeeangehörige) frei ist. Mar- nenträgern in historischen Uniformen und schiert wird ausschliesslich in der Militär- Ehrendamen in Berner Sonntagstracht. Sie geben Platzkonzerte, spielen an den Defilierpunkten an der Marschstrecke auf und befeuern so die Volksfeststimmung. Beim abschliessenden Einmarsch in die Stadt integriert sich die Musik mit den Tambouren in das Marschbataillon und marschiert die letzten fünf Kilometer unter dem tosenden Applaus von Tausenden von Zuschauern. ■ Mehr Informationen unter: - Marsch allgemein www.4daagse.NL - Schweizer Delegation www.he.admin.ch - Musik www.spiel-berneroberland.ch Oberst Edgar Gwerder Delegationsleiter Kreiskommandant Schwyz 6403 Küssnacht am Rigi Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 33 Einsatz und Ausbildung Vielschichtige Herausforderungen Die SOG FU blickt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück; allerdings drücken ein paar personelle Probleme. Der neue Präsident der SOG nutzte seinen ersten Auftritt vor einer Sektion für eine Standortbestimmung zur finanziellen und personellen Alimentierung der Armee sowie zu künftigen Rüstungsprogrammen. Die SOG will diese Themen mit der nötigen Konsequenz anpacken. Peter Müller, Redaktor ASMZ Die 10. Mitgliederversammlung der Schweizerischen Offiziersgesellschaft Führungsunterstützung (SOG FU) fand am 2. April 2016 im Alten Zeughaus Uster statt. Oberst Martin Bollinger, seit einem Jahr Präsident, durfte 37 stimmberechtigte Mitglieder sowie eine stattliche Anzahl prominenter Gäste aus Politik, Wirtschaft und Armee begrüssen. Die für einen Verein üblichen statutarischen Geschäfte gaben zu keinen Diskussionen Anlass und konnten so speditiv erledigt werden. Namentlich schloss die Rechnung 2015 mit einem Gewinn von rund 6800 CHF ab, das Budget 2016 ist ausgeglichen und der Mitgliederbestand konnte mit rund 375 aktiven Mitgliedern auf hohem Stand gehalten werden. Im Vorstand sind keine Änderungen zu verzeichnen. heute noch miliztauglich?» (siehe ASMZ Nr. 11/2015, S. 24 –27). Die Kosten von über 100 000 CHF übersteigen das ordentliche Budget der SOG FU um das Vierfache! Dank namhaften Sponsorenbeiträgen und nicht unbedeutenden Teilnahmegebühren konnte der Anlass selbsttragend durchgeführt werden. Doch auch hier drückt der personelle Schuh: Bollinger teilte an der Mitgliederversammlung mit, dass die Mehrfachbelastung als Präsident und Chef des OK kaum mehr unter einen Hut zu bringen sei. Der Vor- Präsident SOG, Oberst i Gst Stefan Holenstein (links), und Prasident SOG FU, Oberst Martin Bollinger, an der Mitgliederversammlung. Bild: Stephen Jones, SOG FU Attraktives Tätigkeitsprogramm Die SOG FU bietet ihren Mitgliedern normalerweise fünf Anlässe pro Jahr an: Nach dem Frühjahrshöck folgt im Sommer üblicherweise ein Fachvortrag bei einer Unternehmung. Höhepunkt bildet im Herbst entweder das dreitägige FUForum (alle zwei Jahre) oder ein Besuch bei einer befreundeten Organisation (Beispiel 2016: Ehemaligentag LVb FU 30 vom 14.10.2016). Der Jahresschluss-Anlass umfasst neben dem gemütlichen Beisammensein üblicherweise eine Besichtigung. Die Mitgliederversammlung schliesslich beinhaltet ein interessantes Rahmenprogramm mit einem Gastreferat.Weitere Anlässe würden gerne angeboten, doch bedingte dies eine Verstärkung des EventTeams. Höhepunkt und Prunkstück im Tätigkeitsprogramm der SOG FU bildet zweifellos das dreitägige FU-Forum. 2015 fand es auf dem Stoos (SZ) statt; es ging der Frage nach: «Sind vernetzte IKT-Systeme 34 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 stand sucht deshalb intensiv nach einem neuen OK-Präsidenten für das FU-Forum 2017. Die Rückseite der Wohlfühlzone Der Präsident der SOG FU streifte in seinem Jahresrückblick auch kurz die wesentlichsten sicherheitspolitischen Ereignisse des vergangenen Jahres. Er stellte fest, dass «das hohe Gut der Sicherheit keine Selbstverständlichkeit sei und die Sicherheit ihren Preis habe». Er gab deshalb seiner Hoffnung Ausdruck, dass dies von rechts bis links begriffen und die Sicherheitspolitik nicht wieder Gegenstand von parteipolitischen Machtspielchen werde. Einsatz und Ausbildung Die aktuelle «Wohlfühlzone Schweiz» zeigt sich ausgeprägt in personellen Aspekten: Im Mittel nehmen nur rund 10 –15 Prozent der Mitglieder der SOG FU an den verschiedenen Anlässen teil (Ausnahme: FU-Forum mit über 100 Teil- «Die WEA ist der Reformund Entwicklungsschritt der Armee, welcher wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich tragfähig ist. Alle andern Forderungen und Ideen sind reine Utopie.» Oberst i Gst Stefan Holenstein Präsident SOG nehmenden). Es ist ferner nicht einfach, Vorstands- oder OK-Mitglieder für eine freiwillige, ausserdienstliche und ehrenamtliche Tätigkeit zu gewinnen. Bollinger bezeugte denn auch Respekt: Es sei nicht selbstverständlich, «dass Milizoffiziere ihre Abende und Wochenenden für die Belange der Führungsunterstützung opfern». In dieses Bild passt auch die Tatsache, dass der Rechnungsversand der Mitgliederbeiträge bei der SOG FU jeweils «eine kleine Austrittswelle nach sich zieht» oder die Beiträge einfach nicht bezahlt werden. Der Vorstand entschloss sich deshalb 2015 zu einer Säuberung seines Mitgliederbestands: Er schloss insgesamt 29 Personen aus, welche seit mehreren Jahren den Beitrag schuldig blieben. Die ordentlichen Austritte (17 Personen) hielten sich auf vergleichsweise tiefem Niveau. Dank regen Kontakten zu Schulen und Kursen konnten umgekehrt erfreulicherweise 53 Neuzugänge gewonnen werden. Die Säuberung schlug somit nicht negativ auf den Mitgliederbestand durch. WEA: Finanzierung sichern Der neue Präsident der SOG, Oberst i Gst Stefan Holenstein, hatte nach seiner Wahl den ersten offiziellen Auftritt als Gastreferent vor den Mitgliedern einer Sektion. Er ging im Rahmen seines beachtenswerten Referats hauptsächlich auf drei aktuelle Herausforderungen der SOG und der Armee ein. Einleitend rief er einen der Hauptzwecke der SOG in Erinnerung: Der Dachverband der Schweizer Offiziere – 1833 gegründet – mit seinen rund 20 000 Mitgliedern setzt sich aktiv für die sicherheitspolitische Meinungs- und Willensbildung sowie eine glaubwürdige Sicherheitspolitik ein. Er stellte mit Befriedigung fest, dass die Stimme der SOG bei der Beratung der Weiterentwicklung der Armee (WEA) gehört wurde; die meisten Anliegen seien berücksichtigt worden. Es gehe nun darum, die WEA endlich starten zu lassen und das Hauptaugenmerk auf die Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierung zu richten. Mit der WEA liege nun das vierte Reformprojekt der Armee innert kurzer Zeit auf dem Tisch. Keines der vorhergehenden Projekte sei richtig umgesetzt worden; die Hauptursache liege bei den fehlenden Finanzen. Der Präsident der SOG rief in Erinnerung (siehe Grafik: SOG Grafik), dass die Schweiz immer erst dann ihr Verteidigungsbudget massiv erhöhte, wenn die Weltlage brannte. Anschliessend wurde es massiv und stetig verkleinert, aus der falschen Hoffnung heraus, dass so etwas nie wieder passieren werde. Daraus leitete er die Erkenntnis ab: «Wir waren immer zu spät und nicht bereit». Das VBS sei das einzige Departement, welches über die letzten zwanzig Jahre real gespart habe bzw. sparen musste: Die Kürzungen zwischen 1998 und 2018 beliefen sich auf knapp 4 Mia. CHF. Das aktuell diskutierte Budget des VBS von 5,0 Mia. CHF pro Jahr stelle einen Kompromiss dar und die WEA sei bei weitem nicht perfekt. Ein Herausforderungen der SOG • Sicherstellen der finanziellen und personellen Alimentierung der Armee; • Verbesserungen im Sicherheitspolitischen Bericht; • Kritische Begleitung der Umsetzung der WEA; • Einsitznahme in der Begleitgruppe «Neues Kampfflugzeug» (NKF); • Weiterentwicklung des Dienstpflichtmodells; • Nachhaltige Massnahmen zur Reduktion der Anzahl bewilligter Zivildienstgesuche; • Effiziente Führungs- und Dienstleister-Rolle gegenüber den OG, KOG und Fach-OG. Quelle: SOG Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 35 Einsatz und Ausbildung weiterer Marschhalt (Referendum) sei jedoch zu vermeiden: Höhere Bestände, die nicht ausgerüstet sind und eine Armee, welche finanziell nicht ausreichend alimentiert ist, seien keine Alternative. Die SOG werde deshalb mit aller Kraft darauf hinwirken, dass das geplante Budget – mithin der Schlüsselfaktor der WEA – tatsächlich bewilligt und die geplanten Gelder dann auch ausgegeben werden (keine Kreditreste). Zivildienst höhlt Armee aus Eine weitere wichtige Herausforderung sieht Oberst i Gst Stefan Holenstein in der ausreichenden personellen Alimentierung der Armee: Seit rund 10 Jahren finde im «Die SOG fordert von Bundesrat und Parlament, die Anzahl Zulassungen zum Zivildienst mit einfachen und konkreten Massnahmen neu zu kalibrieren.» Oberst i Gst Stefan Holenstein Präsident SOG Verborgenen eine langsame, unaufhaltsame Unterwanderung der Wehrpflicht statt; dies gefährde die Armee in ihren Grundfesten. Das Schweizer Stimmvolk habe 2013 mit 73% sehr deutlich ja gesagt zur allgemeinen Wehrpflicht und damit zum Dienst der Schweizer in der Armee. Heute müsse man ernüchtert feststellen, dass der Zivildienst nicht mehr als Ersatz für den Militärdienst, sondern als gesellschaftliche Errungenschaft betrachtet werde, die man frei wählen könne. Gefährdung Armeebestand 39 000 Rekrutierungsaufgebote 23 800 Militärdiensttaugliche 7 400 Abgänge nach Rekrutierung 16 400 Alimentierung der Armee (2015) 18 000 Jährlicher Bedarf der Armee (mit der WEA) Personallücke: rund 2 Bataillone pro Jahr Quelle: SOG 36 Die alarmierenden Zahlen redeten eine deutliche Sprache: Jährlich werden rund 39 000 Schweizer zur Rekrutierung aufgeboten; davon sind rund 61% militärdiensttauglich (23800). Vor, während und nach der Rekrutenschule scheiden über 7400 Dienstpflichtige aus der Armee aus, der Grossteil davon wechselt in den Zivildienst. Dies und weitere Abgänge führten dazu, dass die Armee 2015 bloss mit 16 400 Angehörigen alimentiert wurde; der jährliche Bedarf für die künftige Armee auf der Basis der WEA liege jedoch bei 18000. Gehe diese Entwicklung weiter, so fehlten der Armee ab 2018/19 jährlich rund zwei Bataillone! Es wäre beschämend, wenn die Armee dank hartnäckigem Kampf voraussichtlich die benötigten finanziellen Ressourcen erhalte, sie dann aber personell nicht alimentieren könne, weil unter anderem der Zivildienst sie ausblute. Keine Fehlertoleranz bei Rüstungsprogrammen Die dritte grosse Herausforderung ortet der neue Präsident der SOG bei den künftigen Rüstungsprogrammen: Hier gehe es um die Ablösung wichtiger und kostspieliger Systeme, welche alle für Diskussionen in der politischen Landschaft sorgen dürften. Viele Vorhaben seien in einem sehr engen Zeitraster geplant, welche keine Verzögerungen ertrügen. Die Prozesse seien sehr komplex. Dabei dürfe es keine Fehler geben; es herrsche eine Nulltoleranz. Andernfalls drohe ein Glaubwürdigkeitsverlust der Armee. Unter dieser Optik kann der Präsident der SOG den Entscheid von Bundesrat Parmelin nachvollziehen, das Projekt BODLUV noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Kehrseite dieses Entscheids: Nun drohen 2017 wieder Kreditreste und es sei schwierig, die hohen Investitionsausgaben einem späteren Rüstungsprogramm aufzupfropfen. Oberst i Gst Stefan Holenstein ruft deshalb die Mitglieder der SOG zu Geschlossenheit auf, um als Multiplikatoren in der Gesellschaft «Verständnis für die komplexen Zusammenhänge zu schaffen, deren Notwendigkeit zu erklären und das Vertrauen in die Beschaffung zu stärken». Dazu müssten die Mitglieder jedoch von der Richtigkeit und Notwendigkeit der einzelnen Vorhaben überzeugt sein. Ein Aufruf folglich an die Armee und an armasuisse, den Beschaffungsprozess transparent zu gestalten; andernfalls gerate man in einen Teufelskreis. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 SOG-Vorstand neu zusammengesetzt An der Delegiertenversammlung der SOG vom 12. März 2016 in Chur wählten die Delegierten sechs neue Vorstandsmitglieder. Oberst i Gst André Kotoun ist ehemaliger Berufsoffizier und Geschäftsführer bei bureau K. SA in Muri bei Bern. Milizmässig ist er beim Führungsstab der Armee, FGG 7, Astt 270 eingeteilt. Seine Kandidatur erfolgte auf Vorschlag der Kantonal Bernischen Offiziersgesellschaft. Oberst Peter Balzer arbeitet als eigenständiger Immobilienunternehmer und lebt in Eiken (AG). Der aktuelle Präsident der Aargauischen Offiziersgesellschaft ist als Chef Infra im Stab der Territorialregion 2 eingeteilt. Er wurde von der Aargauischen Offiziersgesellschaft nominiert. Oberst Jean-François Bertholet ist Direktor bei der LGT Bank (Suisse) SA und stammt aus Courfaivre (JU). Als ZSO ist er dem Kommandanten der Territorialregion 1 unterstellt. Er ist ehemaliger Präsident der Jurassischen Offiziersgesellschaft, welche ihn auch nominiert hat. Oberst Yvan Demierre arbeitet als Projektleiter bei der Schweizerischen Post und lebt in Villars-sur-Glâne. Milizmässig ist er im Führungsgrundgebiet 5 des Heeresstabs eingeteilt. Auch er ist ehemaliger KOG-Präsident und wurde von seiner Freiburgischen Offiziersgesellschaft vorgeschlagen. Oberstleutnant i Gst Yannick Buttet ist Walliser Nationalrat und amtet als Gemeindepräsident in Collombey-Muraz. Er ist Kommandant des Bat Car 1. Seine Nomination erfolgte auf Vorschlag der Walliser Offiziersgesellschaft (Valais Romand). Nach seiner Wahl in den Vorstand wurde Yannick Buttet zum Vizepräsidenten der SOG ernannt. Major Patrick Mayer arbeitet als Generaldirektor bei Foncière du Léman und lebt in Epeisses (Vully). Er ist im Stab der Panzerbrigade 1 eingeteilt. Seine Nomination erfolgte auf Vorschlag der Genfer Offiziersgesellschaft. Verabschiedungen Mit grossem, anerkennendem Applaus aus dem Vorstand der SOG verabschiedet wurden Präsident Br Denis Froidevaux, Oberst i Gst Bernhard Schütz, Oberst JeanFrançois Gnaegi, Oberst Peter Tschantré, Oberstleutnant i Gst Antonio Spadafora und Major Christophe Chollet. Wirtschaft / Rüstung Weniger Schadenfälle Das Schadenzentrum VBS blickt auf ein zufriedenstellendes Geschäftsjahr 2015 zurück. Erstmals war ein Grossereignis komplett im benachbarten Ausland abzuwickeln. Unter Federführung von armasuisse Immobilien wird in den nächsten Jahren mit der Desinvestition von Schiessplätzen ein Generationenprojekt umgesetzt. Die bewährten Präventionsmassnahmen sollen 2016 fortgeführt werden. Peter Müller, Redaktor ASMZ Unter der neuen Leitung von Peter Studer (er trat am 1. September 2015 die Nachfolge von Josef Leu an) führte das Schadenzentrum VBS seinen traditionellen Jahresrapport am 31. März 2016 im Rathaus Bern durch. Er zeigte sich zufrieden mit der Entwicklung im letzten Geschäftsjahr: Die Anzahl Schadenfälle ging um rund 2% auf 7460 zurück. Die Gesamtkosten erhöhten sich zwar um 9% auf 13,87 Mio. CHF. Diese Zunahme ist jedoch einzig bedingt durch einen komplexen Personenschaden in den USA aus dem Jahre 2011, welcher endlich abgeschlossen werden konnte. Ohne diesen Einzelfall (1,28 Mio. CHF) hätte sich auch die Schadensumme 2015 leicht zurückgebildet. Unvorsichtigkeit am Steuer Entgegen der landläufigen Meinung (Land- und Holzschäden) entfielen 2015 die weitaus meisten Schadenfälle unverändert auf die zivilen und militärischen Bundesfahrzeuge (77%). Entsprechend verursachte diese Schadenart auch mit Abstand am meisten Kosten (58%). Die beiden deutlich häufigsten Unfallursachen sind dabei die falsche Einschätzung der Fahrzeugdimensionen und unvorsichtiges Rückwärtsfahren. Bedenklich scheint, dass diese Auslöser in den vergangenen Jahren stetig angestiegen sind; das Schadenzentrum VBS hat die entsprechenden Präventionsarbeiten verstärkt. Mit Abstand an dritter Stelle folgt die mangelnde Aufmerksamkeit am Steuer. Weitere Unfallursachen wie Nichtanpassen der Geschwindigkeit, zu nahes Aufschliessen, Übermüdung oder Alkohol/Drogen spielen dagegen eine unbedeutende Rolle. Das Schadenzentrum VBS konnte mit Zahlenmaterial ein häufiges Vorurteil Schadenzentrum VBS: Mengengerüst Pro Jahr 7 500 Schadenfälle 5 500 Ereignisse 7 000 Zahlungen 15 500 Telefonanfragen 13 000 E-Mails Pro Arbeitstag ø 35 Schadenfälle 25 Ereignisse 30 Zahlungen 70 Telefonanfragen 60 E-Mails widerlegen: Die Armee legte mit rund 27500 Fahrzeugen im vergangenen Jahr mehr als 39 Mio. Kilometer zurück. Dies entspricht einer vergleichsweise eher bescheidenen Fahrleistung von etwas mehr als 1400 Kilometer pro Fahrzeug. Anders gerechnet: Im militärischen Strassen- verkehr tritt ein Schadenereignis durchschnittlich alle 17100 Kilometer ein. Gemessen an der Fahrleistung ist somit der militärische Strassenverkehr nicht un- Beispiel Altlastensanierung Schiessanlage in Thun. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 37 Wirtschaft / Rüstung Flugzeugabsturz F/A-18 bei Glamondans (FRA) • Krater von 15×14 m Fläche und7m Tiefe • 1476 m3 verunreinigte Erde (Kerosin) • 1928 m3 Auffüllung mit Kulturerde • 2 Hektaren Rekultivierung (entspricht ca. 3 Fussballfeldern) (Quelle: Schadenzentrum VBS) fallträchtiger oder teurer unterwegs als der zivile. Aussergewöhnliche Schadenregulierung Eine echte Premiere erlebten die Verantwortlichen des Schadenzentrums im Herbst des letzten Jahres: Nach dem Absturz einer F/A-18 bei Glamondans im französischen Jura (ca. 50 km nördlich von Pontarlier) musste erstmals ein Schadenereignis komplett im grenznahen Ausland geregelt werden. Obwohl mit Frankreich – wie mit andern Anrainer-Staaten der Schweiz – internationale Übereinkommen zu Luftwaffen-Übungsflügen bestehen, war die Zuständigkeitsfindung und Hilfeleistung anfänglich «sehr verworren» und es bedurfte zahlreicher Absprachen vor Ort. Zuerst mussten die französischen Fluguntersuchungsbehörden die Unfallstelle freigeben. Anschliessend erstellte die Schweizer Armee ab einer kleinen Wald- Unfälle mit zivilen Bundesfahrzeugen. Bilder: VBS-DDPS Unachtsamkeit am Steuer. schneise eine Abrollstrasse zum Unglücksort auf einem offenen Weizenfeld. Nach dem Abtransport der Wrackteile wurde die mit Kerosin verunreinigte Erde ausgehoben, nach Vorgaben der französischen Behörden einer französischen Entsorgungsfirma zugeführt und dort nach international anerkannten biologischen Verfahren dekontaminiert. Schliesslich musste der Krater aufgefüllt und die Umgebung rekultiviert werden (Details siehe Kasten oben). Erfolgsfaktor Empathie Durch die stete Präsenz vor Ort, die Begleitung der Instandstellungsarbeiten und die Funktion als kompetenter Ansprechpartner konnte das Schadenzentrum VBS bei den betroffenen Grundeigentümern ein effizientes, unkompliziertes Bild unserer Armee sowie der Schweiz vermitteln. Die beiden Landwirte und der Chef Schadenzentrum VBS besiegelten die sogenannte Schlussabschatzung im November 2015 auf dem betroffenen Landabschnitt per Handschlag. Als die Grundeigentümer auch noch ein Soldatenmesser mit Aufschrift des Departementschefs erhielten, kriegten sie in den Worten von Peter Studer «feuchte Augen» und «die Welt war, einen innigen Moment lang, sanft sowie in Ordnung zugleich». Der Unfall wird erst in der Schadenbilanz 2016 erscheinen, wenn die Schlussabrechnung vorliegt und überprüft ist, dass zwischenzeitlich im ursprünglichen Absturzkrater keine Bodenabsenkungen erfolgten. Merke: Erfolgreiche Schadenregulierung hat sehr viel mit Empathie und menschlichem Auftreten zu tun; der eigentliche Schaden wird zweitrangig. Generationenprojekt: Desinvestition von Schiessplätzen Das Schadenzentrum VBS erledigt nicht nur Schadenfälle, sondern bringt sein Fachwissen auch in die enge Zusammenarbeit mit andern Bundesstellen ein. armasuisse Immobilien betreut gegenwärtig ein solches Projekt: Es geht darum, Schiessplätze im sogenannten Dispositionsbestand des Bundes zu dekontaminie- 38 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 ren. Mit andern Worten: Zielgebiete auf eine tiefe Belastung keinen weiteren HandSchiessplätzen, welche künftig durch die lungsbedarf auslöst. verkleinerte Armee nicht mehr benötigt werden, sind zu sanieren und dem GrundKeine Sonderreglungen eigentümer entgiftet zurückzugeben (Defür VBS tails siehe Kasten). Die Vorarbeiten mit der Inventaraufnahme (öffentlicher KaDas VBS geniesst im engen Korsett der taster), welche 1998 begannen, konnten rechtlichen Vorschriften keine Sonder2009 abgeschlossen werden. 2010 setzten regelung und der Handlungsspielraum die technischen Unist klein. Sanierungstersuchungen des Bobedürftige Standorte dens und die eigentmüssen zwingend «Das Gras wächst lichen Sanierungsaraufgrund einer Vernicht schneller, beiten ein. Das Profügung der Aufsichtsjekt dürfte in rund behörde saniert werwenn man daran zieht.» den! Dazu ist eine 25 Jahren abgeschlossen sein und Kosten Baubewilligung erAfrikanisches Sprichwort von 200 –300 Mio. forderlich; die SanieCHF auslösen. Es rung ist juristisch ein handelt sich folglich um ein eigentliches «Bauprojekt mit Schwerpunkt AbfallGenerationenvorhaben. entsorgung und Rekultivierung». Die Rolf Keiser, Leiter des Kompetenzzen- Schadstoffe (namentlich Blei) werden antrums Boden bei armasuisse Immobilien, schliessend vom Standort entfernt und in gab am Jahresrapport des Schadenzen- spezialisierten Firmen behandelt, bis keitrums einen Einblick in die anspruchsvol- ne Gefährdung mehr besteht. Erst dann len Arbeiten. Gestützt auf die Umwelt- kann das Zielgebiet wieder der üblichen schutzgesetzgebung des Bundes (USG) Nutzung zugeführt und dem ursprüngliund namentlich auf die Altlastenverord- chen Eigentümer übergeben werden. nung sind Gefährdungsabklärungen vorDas Hauptproblem liegt – neben den zunehmen: Aufgrund einer historischen Kosten, welche durch armasuisse ImmoUntersuchung (bis 100 Jahre zurück) sind bilien zu tragen sind – bei der VollstänTeilgebiete mit starker Schiesstätigkeit im digkeit der Informationen: Viele Schiess«Kataster der belasteten Standorte des VBS plätze befinden sich nicht im Besitz des (KbS)» einzutragen. Dieser Kataster wird Bundes, alte Verträge sind teilweise nicht öffentlich geführt und kann durch jeder- mehr vorhanden und häufig bestehen gemann eingesehen werden (siehe www.kbs- mischte Nutzungen. Hauptziel des ganzen vbs.ch). Pro Standort erfolgen anschlies- Projektes ist, die Rückgabe nicht mehr send technische Untersuchungen: Bei benötigter Schiessplätze in einem rechtsÜberschreiten gewisser Grenzwerte ent- konformen Zustand vorzunehmen. steht daraus zwingend ein Sanierungsprojekt. Möglich sind bei geringeren BeBewährte lastungen Nutzungseinschränkungen mit Präventionsmassnahmen Entschädigungsfolge; diese werden in ZuDas Schadenzentrum VBS will seinen sammenarbeit mit dem Schadenzentrum VBS beurteilt. Denkbar ist aber auch, dass Auftritt und die bewährte Präventionsstrategie auch 2016 fortführen: Die Mitarbeitenden und Schadenexperten solDesinvestition Schiessplätze len als kompetente, unbürokratische Problemlöser in der Öffentlichkeit wahrgeAktueller Bestand nommen werden, welche aus der Region • ca. 870 Schiessplätze • ca. 2200 Zielgebiete kommen und sich für die Region engagieren. Die Schulungs- und PräventionsKünftiger Bestand arbeiten sollen weitergeführt werden; na• ca. 170 Schiessplätze mentlich will man den Übungsleitern vor • ca. 450 Zielgebiete und während grösseren Übungen beraSchadstoffe auf Schiessplätzen (total) tend zur Seite stehen. Und schliesslich • ca. 10 000 t Blei soll in den Worten von Peter Studer auch • ca. 400 t Antimon bei schwierigen Einsätzen und Dossiers • ca. 300 t Kupfer stets daran gedacht werden, dass «das Gras (Quelle: Schadenzentrum VBS / armasuisse nicht schneller wächst, wenn man daran Immobilien) zieht». ■ Luftwaffe Finanzierung der WEA: Wo bleibt der Blick in die Zukunft? Organisierte Kriminalität, Terrorismus, internationale Krisen und Kriege beherrschen die Schlagzeilen und beschäftigen Bevölkerung, Politik und Behörden. Das grösste Risiko bleibt die Unbestimmtheit der nächsten Jahre. Olivier Savoy Die WEA soll die Schweizer Armee für diese sicherheitspolitischen Herausforderungen wieder fit machen. Doch droht einmal mehr ein Scheitern einer Armeereform auf Grund einer ungenügenden Ausfinanzierung. Verteidigungsbudget: ein finanzieller Steinbruch Seit Ende des Kalten Kriegs nahmen die Verteidigungsausgaben stetig ab. Das Verteidigungsbudget mutierte zum finanziellen Steinbruch, gleichzeitig verlor die Schweizer Landesverteidigung immer mehr an Fähigkeiten. Zu Beginn der 1990er Jahre standen dem Verteidigungsbereich noch deutlich mehr als 5 Mia. CHF zur Verfügung. Mit Beginn der Armee XXI waren es noch 4 Mia. CHF. Bedenklich an diesem Rückgang ist die überproportionale Erhöhung der Betriebskosten zu Lasten der Rüstungsausgaben. Von 1990 bis 1996 hielten sich diese Ausgabenpositionen die Waage mit leichtem Vorteil zu Gunsten der Rüstung. Dann kippte das Verhältnis zu Lasten der Rüstungsausgaben. Diese Tendenz wurde mit den Entlastungsprogrammen 2003 und 2004 weitergeführt und der Armee dreistellige Millionenbeträge entzogen. Die Kürzungen auf 3,8 Mia. CHF im Jahr 2006, bzw. 3,7 Mia. CHF im 2007 erfolgten einmal mehr auf Kosten der Rüstungsausgaben. Erst mit dem Ausgabenplafond von 12,285 Mia. CHF für die Jahre 2009 –2011 konnte das Verteidigungsbudget das heutige Niveau von jährlich rund 4,5 Mia. CHF erreichen, ohne jedoch den Anteil der Rüstungs- und Investitionsausgaben zu erhöhen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Betriebskosten der Armee seit zwanzig Jahren unverändert auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau liegen, obwohl 40 «Kann der eigentliche Finanzbedarf aufgrund übergeordneter finanzpolitischer Prioritäten nicht vollumfänglich gedeckt werden, so sind namentlich bei den Rüstungsmaterialbeschaffungen Abstriche erforderlich. (…) Der Verzicht auf oder die zeitliche Verschiebung von Beschaffungsvorhaben dürfte vorübergehend nicht ohne Einschränkungen bei den Leistungen der Armee realisierbar sein.» Armeebotschaft 2016 in: Bundesblatt 2016, S. 1590 und 1595 seither die Truppenbestände um mehr als zwei Drittel verkleinert, Infrastrukturen geschlossen, überzählige Waffensysteme ausser Dienst gestellt und der Personalbestand im Verteidigungsbereich reduziert wurden. Der Bundesrat wies in der Botschaft zur Armeereform XXI noch auf erhebliche Restrukturierungskosten hin, welche dem Einsparungspotential gegenüber stünden 2. Der Armeebericht 2010 hält dann aber fest: «Die Erwartungen bezüglich der Einsparungen bei den Betriebsausgaben erwiesen sich deshalb als zu optimistisch»3. Beschaffungsplanung bis 2020 Mit rund 2 Mia. CHF jährlich bis ins Jahr 2020 wird der durchschnittliche Anteil für Immobilien und Rüstungsbeschaffungen leicht erhöht. Mit der Beschaffung von Mörsersystemen, schultergestützten Mehrzweckwaffen, Komponenten der mobilen Kommunikation, Lastwagen und Boden-Luft-Mitteln, dem Werterhalt von Florako, Transporthelikopter 98 und Trainingsflugzeug PC-21 sowie der Nutzungsverlängerung F/A-18 plant der Bundesrat jedoch lediglich, Fähigkeitslücken zu schliessen4. Von diesen jährlichen 2 Mia. CHF stehen aber nur knapp 1 Mia. CHF tatsäch- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 lich für Rüstungsmaterial zur Verfügung. 400 Mio. CHF sind für Immobilien reserviert, 600 Mio. CHF sind für Ausrüstungsund Erneuerungsbedarf, Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung sowie Munitionsbeschaffung erforderlich. Mit diesen Vorhaben und Mitteln bis 2020 kann also nicht von Investitionen in die Zukunft gesprochen werden, sondern vom Nachholen dessen, was in den vergangenen Jahren aufgeschoben wurde. Und entscheidend ist die Frage, ob das mit der WEA verbundene jährliche Budget von 5 Mia. CHF überhaupt zukunftsträchtige Investitionen erlaubt. Beispiel Luftwaffe Bei der Luftwaffe sind die Lücken am offensichtlichsten erkennbar. Aufgrund offizieller Dokumente des Bundes5 sollen ihr ab ca. 2030 55 Kampfjets für Luftpolizeidienst, beziehungsweise mindestens 70 Kampfjets für Luftverteidigung zur Verfügung stehen. Ebenso müssen die bodengestützte Luftverteidigung ersetzt sowie die Führungssysteme und Infrastrukturen angepasst werden. Eine realistische Shoppingliste der Luftwaffe für die nächsten 15 Jahre käme auf einen Investitionsbedarf von rund 13 Mia. CHF. Diesem Investitionsvolumen stehen nach WEA-Finanzplanung 1 Mia. CHF Nutzungsverlängerung F/A-18 0,6 Mia. CHF Werterhalt Florako 0,25 Mia. CHF Werterhalt Transportheli 98 0,15 Mia. CHF NKF 6 –10 Mia. CHF 6 BODLUV MR und KR im Endausbau bis 2025 2,5 –3 Mia. CHF Führungssysteme/ Infrastrukturen/Diverses 1–2 Mia. CHF Luftwaffe Anteil in % von Betriebs und Rüstungsaufwand der Schweizer Armee 1990 –20151 pro Jahr für die gesamten Rüstungsinvestitionen der Schweizer Armee gegenüber. Mit anderen Worten: Ohne Sonderfinanzierungen flössen beinahe sämtliche Investitionen der Armee in den kommenden 15 Jahren in die Luftwaffe, um den bestehenden Investitionsstau abzubauen und sie anschliessend zukunftstauglich zu machen. Eine wahrlich unrealistische Vorstellung! Zeichen der Zeit erkennen! Alleine das Beispiel Luftwaffe weist die finanziellen Mittel zur Umsetzung der WEA als unzureichend aus. Insbesondere wird der zu tiefe Anteil für Rüstungsbeschaffungen dem in der WEA konzipierten Fähigkeitsansatz und Mittelbedarf nicht gerecht. Und der Bundesrat droht bereits damit, das Leistungsprofil der Armee zu reduzieren. Es sind zwingend Massnahmen zu treffen, die ein Scheitern der WEA verhindern: • Die Verteidigungsausgaben müssen in der sich verschärfenden Bedrohungslage über die 0,7% des BIP erhöht werden. Diese Erhöhung muss den Rüstungsinvestitionen vorbehalten sein. Oder aber, die noch nicht umgesetzte WEA muss weiter reduziert werden; • Im internationalen Vergleich können Investitionen für Luftverteidigungsmittel bis zu 40 % der Investitionsbudgets ausmachen 7. Ausgehend von diesem Anteil muss bis 2030 die von der Luftwaffe benötigte Investitionssumme von rund 13 Mia. CHF in einem armeeweiten Rüstungsbudget von gegen 33 Mia. CHF stehen, die Armee also ab heute jährlich über 2 – 2,5 Mia. CHF für Investitionen verfügen. Ausgehend von den aktuellen 5 Mia. CHF Gesamtbudget muss der Betriebsaufwand um die Hälfte gekürzt werden; • Das Verteidigungsbudget muss so ausgestattet sein, dass ordentliche Rüstungsprogramme mit einberechnet sind. Das sich Durchhangeln von Restkredit zu Sonderfinanzierung muss ein Ende haben; • Sicherheitspolitische Berichte und Konzepte der Armee dürfen nicht länger zu akademischen Studien degradiert werden, weil deren beschlossene Absichten in der konkreten Umsetzung nicht eingehalten werden. Analog dem australischen «2016 Defence White Paper»8 muss eine strategische Gesamtplanung mit integriertem Investitionsprogramm ausgearbeitet und konsequent umgesetzt werden; • Die Schweizer Armee muss alle ihr von der Bundesverfassung zugewiesenen Aufgaben autonom wahrnehmen können, um so letztlich auch zum Schutz Europas einen massgeblichen Beitrag zu leisten. ■ 1 Quelle: Finanzrechnung des Bundes. Neue Rechnungslegung: Ab Rechnungsjahr 2007 wurden die Sach- und Betriebsaufwendungen sowie die Rüstungsaufwendungen nach einem neuen Rechnungslegungsmodell berechnet. So wurde die Raummiete erstmalig direkt dem VBS zugeordnet, was alleine im 2007 CHF 1,3 Mia. ausmachte. Als Folge daraus verschieben sich die Prozentzahlen aufgrund der höheren Gesamtkosten. 2 Botschaft zur Armeereform XXI und zur Revision der Militärgesetzgebung vom 24. Oktober 2001, S. 891. 3 Armeebericht 2010 vom 1.Oktober 2010, S. 28 f. 4 Armeebotschaft 2016 vom 24. Februar 2016. 5 Konzept zur langfristigen Sicherung des Luftraumes, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Gallade 12.4130 vom 12. Dezember 2012, 27. August 2014. Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik der Schweiz, Entwurf vom 26. Oktober 2015. 6 Finnland, das seine 62 F/A-18 gleichzeitig mit der Schweiz beschaffte, plant deren Ersatz bis 2030 und rechnet mit Beschaffungskosten zwischen 6 –10 Mia. EUR. 7 Dr. Christian F. Anrig, The Quest for Relevant Air Power, August 2011, S. 338 ff. 8 www.defence.gov.au/WhitePaper/ Oberst Olivier Savoy lic. iur. 4125 Riehen Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 41 Höhere Kaderausbildung Podestplatz für HKA: Kaderausbildung mit hoher Qualitätsauszeichnung Seit 1996 unter Divisionär Alfred Roulier «Qualität» zum Thema wurde, ist die Kaderschmiede der Armee dem Weg der ständigen Verbesserung konsequent gefolgt. Zwanzig Jahre später kann Rouliers fünfter Nachfolger die Früchte ernten: Die HKA ist Preisträgerin des ESPRIX Swiss Award for Excellence 2016. Es war ein oft umstrittener, steiniger Weg – der Erfolg belohnt nun den hohen Aufwand. Noch mehr aber verpflichtet er, in guter Tradition das Beste aus der Kaderausbildung herauszuholen. Michael Arnold, Stv. Chefredaktor ASMZ Am 10. März 2016 war es soweit: Im Kultur- und Kongresszentrum Luzern konnte der Kommandant HKA, Divisionär Philippe Rebord, mit seinem Team den begehrten Award in Empfang nehmen. Die Organisationseinheit HKA wurde explizit für ihre Führung ausgezeichnet, und zwar in der Sparte «Mit Vision, Inspiration und Integrität führen». Uniformierte und zivile Mitarbeitende vertraten auf der Bühne nicht nur die HKA, sondern sinnbildlich auch unsere Milizarmee. Dem anwesenden Chef der Armee war die Freude ins Gesicht geschrieben, hat er doch als Kommandant Zentralschule 2004 –2005 wesentliche Impulse gegeben und bis heute die HKA im Qualitätsmanagement sowie in der Anerkennung in Wirtschaft und Bildungslandschaft kräf- Bühne frei für die Preisträgerin HKA im KKL Luzern. Bild: ESPRIX Forum 42 tig unterstützt. Nicht ganz überraschend hielt der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt, die Laudatio auf die HKA. Dieser Schulterschluss zeigte allen Anwesenden eindrücklich auf, dass unsere Armee Kader ausbildet, deren Mehrwert für die zivile Arbeitswelt wieder geschätzt und gewürdigt wird. Bekenntnis zur Qualität Hohe Glaubwürdigkeit Das Qualitätsmanagement, so wie es in der Kaderschmiede der Armee seit 1996 verstanden wird, dient nach wie vor folgendem Zweck: Aus dem glaubwürdigen Bekenntnis zu hoher Qualität heraus wird eine Anerkennung der militärischen Ausbildungs- und Führungskompetenz in Wirtschaft und Bildungslandschaft angestrebt und so über den errungenen Mehrwert auch der Boden für genügend Kadernachwuchs geebnet. Ausdrücken wie «glaubwürdig und ehrlich», «Spitzenlehr- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 gänge» oder «courage d’esprit» begegnet man in der jüngsten Geschichte immer wieder. Das wurde nicht einfach so daher gesagt, sondern war und ist Ausdruck für einen Paradigmenwechsel in der Ausbildung: Unter Beibehaltung des Bewährten sollen Ausbildung und Ausbildungsstätte an der Spitze des Fortschrittes stehen. Dazu braucht es nebst einwandfreien Produkten (Lehrgänge, Kurse, Simulationen) für Kunden – wie Lehrgangsteilnehmer und deren militärischen Verbände – auch Forschung, Entwicklung sowie Marketing. Dies alles ist in der heutigen HKA vorhanden. Top-Lehrgänge und -Infrastruktur Mit den Investitionen in den letzten zwanzig Jahren ins Armee-Ausbildungszentrum Luzern, also in das «Mutterhaus» HKA, die Zentralschule und die Generalstabsschule mit dem Führungssimulator in Kriens, wurde eine adäquate Ausbildungsinfrastruktur geschaffen. Hoch- Höhere Kaderausbildung rangige Besucher ausländischer Militärakademien sind regelmässig beeindruckt, auf welchem Niveau in jeder Beziehung ausgebildet wird. Dies gilt nebst der Milizoffiziersausbildung auch für die Ausbildung der Berufmilitärs an der Militärakademie an der ETH und der Berufsunteroffiziersschule der Armee in Herisau. Ja die Ausbildung der Lehrer und deren Schüler unter einem einzigen organisatorischen Dach begünstigt nebst der unité de doctrine auch die unité d’instruction, zwei Erfolgskriterien angesichts kurzer Ausbildungszeiten der Milizoffiziere. Besinnung auf Werte Militärische Kaderausbildung ist weder Selbstzweck, noch steht ihr Mehrwert für die zivile Arbeitswelt im Zentrum. Kernpunkt ist die Befähigung der Milizkader, im Einsatz- bzw. Ernstfall ihre Verbände führen zu können und die übertragenen Aufträge zu erfüllen. Das Dienstreglement der Armee schreibt dazu den entsprechenden Wertekodex vor und kennt die ultimative Formulierung «auch unter Einsatz des Lebens». Es fordert Führen durch Zielvorgabe (Auftragstaktik), Mitdenken und Engagement, Verantwortung, Disziplin, Information, Kommunikation, Vorbild, Zusammenhalt und Leistung. Führung ist nebst dem methodisch-prozessualen Management letztlich immer Truppenführung, die Aufgabe also, mit Menschen Ziele zu erreichen. Das ist auch eine Frage der militärischen Erziehung, die an der HKA immer Teil der Lehrgänge ist. Frage der Zertifizierung Kontroverse Ansichten Sollen Qualitätszertifikate ihren Zweck erfüllen, müssen sie einem international anerkannten Standard bzw. System entsprechen. Den ersten, sperrigen Prozesshandbüchern aus den 90er Jahren lag das ISO-Qualitätsmanagement zu Grunde. Um 2000 stellte man auf EFQM um, nahm 2001 an einem Pilotversuch des Heeres teil und wurde 2002 prompt ausgezeichnet: «Committed to Excellence in Europe». Dieses Diplom hing mit Abstand am längsten im AAL. Trotz dieses Erfolges wurden Aufwand und Ertrag der erheblichen Bemühungen immer wieder kontrovers diskutiert, und es kam zu Verzögerungen. Personalknappheit, erhebliche Kosten für Ausbildung und Expertise sowie die hohe Fluktuationsrate in Schlüsselchargen der HKA waren die wichtigsten Gründe dafür. Es wuchs die Erkennt- Kompetenzzentrum für Führungsausbildung zu positionieren. Der Weg dazu führte wie bis anhin über die Qualität von Lehrgängen und Simulationen, neu aber auch über Kooperationen mit Hochschulen und den Vergleich mit ausgewählten zivilen Firmen und ausländischen Militärakademien. Quasi automatisch gelangte die HKA in eine Art Vorreiterrolle, bestätigte jedoch 2007 trotz höherer Ambitionen nur das Drei-Sterne-Niveau – unter erheblichen Nebengeräuschen. Sie überstand aber immerhin die schwierige Zeit bis zum Armeebericht 2010 und wurde von diesem indirekt legitimiert, zur Föderung des Kadernachwuchses Zertifizierung und Anerkennung in der Bildungslandschaft zu forcieren. 2013 wurde endlich das Vier-Sterne-Niveau erreicht. Kurzpräsentation der HKA bei der Preisverleihung am 10. März 2016. Grafik: HKA nis, dass kontinuierliche Verbesserungsprozesse eben der Kontinuität bedürfen, sowohl in der Projektleitung als auch bei den Ansprechpersonen Stufe Direktunterstellte HKA – und überzeugte, tatkräftige Chefs voraussetzen. Durchbruch Die HKA kennt seit 2004 in ihrem Stab einen Bereich Unternehmensplanung. Dort wurden in der Ära Divisionär Zwygart die Weichen für das EFQMModell und die entsprechende Zertifizierung definitiv gestellt. Es ging darum, die noch unbekannte HKA, ein vielversprechendes «Kind» der Armee XXI, als das Meilenstein 2015 Eine Rezertifizierung bereits im Jahr 2015 wurde angestrebt, um den neuen Schwung zu nutzen und optimale Voraussetzungen für den Übergang in die WEA zu schaffen. In der Regel stellen Kaderschulen schon vor dem offiziellen Wechsel um und geben den Vorsprung an die Kader weiter. Die HKA erreichte erstmals eine Bewertung von über 500 Punkten (Fünf-Sterne-Niveau) und kann den Vergleich mit sehr guten Firmen in der Wirtschaft antreten. Entscheidend dazu beigetragen haben Kriterien der Führung wie klare Hierarchie, aber gegenseitige Wertschätzung, Durchgängigkeit und Offenheit für Ideen. Dazu kommen sichtbare Erfolge im Bereich Kundenzufriedenheit, im Verständnis der gesamten Wertschöpfungskette «Ausbildung» und im Umgang der Mitarbeitenden mit Unsicherheit und Verpflichtung zur Qualität – die Anfänge 19961 Immer wieder taucht in den Grundsatzpapieren des Kommandanten SKS 2 die Forderung nach Qualität auf. Es wird von hoher Ausbildungsqualität gesprochen, von Auftraggebern und Kunden. Die drei unternehmerischen Bereiche Forschung und Entwicklung, Produktion und Marketing können dabei mühelos in die SKS übertragen werden. Da Qualität auch mit Gründlichkeit und ehrlichem Umgang mit Fehlern zu tun hat, sollte sie das «Gegengift» im Kampf gegen die Bedrohungen der Miliz sein. Diese sahen die SKS darin, dass die Elite der Gesellschaft die Miliz immer weniger zu tragen begann, dass das Messen an der Einsatzrealität für eine Milizarmee ohne Kriegserfahrungen zunehmend durch den Hang zum Vertrauten vernebelt zu werden drohte, dass die vielen Einsätze der Armee für zivile Anlässe zu einer Belastungsprobe für eine glaubwürdige Ausrüstung und Ausbildung wurden. Daneben sollte der Forderung widerstanden werden, in den Lehrgängen spezifische Themen mit Sondernutzen für die Wirtschaft einzubauen. Die Policy SKS hielt klipp und klar fest: «Wir wollen Qualität, weil der militärische Auftrag dies erfordert und sind überzeugt, dass wir so die Akzeptanz der militärischen Kaderausbildung am besten fördern. Wir leben die TQM 3-Kultur nach dem EFQM-Modell und erreichen so Qualität und Professionalismus.» Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 43 Höhere Kaderausbildung Belastung. Doch nach der Zertifizierung ist vor der Zertifizierung: Es gibt Defizite im Wissens- und Ideenmanagement, in der Prozesseffizienz, in den Kennzahlen und im Nutzen von E-Learning. Nebst der laufenden Arbeit an der Strategie HKA und der Definition der strategischen Geschäftsfelder wird daran ab sofort mit Schwergewicht gearbeitet. Gedanken zu Weiterführung Produkteorientierung Was letztlich zählt ist das Produkt. Die hohe Qualität von Lehrgängen, Kursen und Simulationen basiert aber noch auf anderen Voraussetzungen als auf exzellenter Führung einer Schule. Sorgfältige Kaderselektion, genügend praktische Führungserfahrung, aktuelle Lehrinhalte, eine klare Doktrin, ein fähiger Lehrkörper, intelligente Ausbildungskonzepte, effiziente Lehrmethoden und Lehrmittel gehören mit dazu. Da braucht es also erhebliche Vorleistungen und Koordinationsmassnahmen über verschiedenste Schnittstellen hinweg. Die sehr guten Kundenfeedbacks verpflichten die HKA, im Hinblick auf die WEA das Maximum an Qua- lität anzustreben, das noch machbar ist. Das sind wir den Milizkadern schuldig. Vision Auch Visionen sind gefragt, echte Auseinandersetzungen mit dem Heute und Morgen. Dies braucht Freiräume, Kraft, Zeit und Intelligenz, aber auch Anregungen auf allen Stufen, auch der Stufe Armee. Die notwendige Weitsicht ist erst recht gefragt, da die Kaderausbildung an der HKA zur Grundbereitschaft der Armee beiträgt, die solide sein muss und nicht raschen Änderungen unterworfen werden kann. Ein Qualitätsmanagementsystem ist kein Ersatz dafür, vielleicht aber ein bewusster «Beichtspiegel», der Ehrlichkeit abverlangt – und ab und zu auch ein «mea culpa», denn aus Fehlern lernt man. Humankapital Und eines ist sicher: Unsere HKA wird noch oft über die Bücher gehen und besser werden müssen. Dies nicht, weil wir schlecht sind, sondern weil wir unseren Auftrag optimal zu lösen haben, trotz teilweise schwierigen Rahmenbedingungen. Nicht zuletzt geht es um all die Menschen, die mit ihrer Arbeit den angestrebten Erfolg bewerkstelligen, die zivilen Mitarbeitenden und die Berufsmilitärs. Zu diesem Kapital gilt es Sorge zu tragen und es zu fördern, noch mehr als bisher. Eine Herausforderung, die schwer wiegt auf den Schultern der Führung. Doch mit dem «Vorbau» der letzten zwanzig Jahre ist ein solider Stand erreicht, der uns etwas gelassener als sonst in die Zukunft blicken lässt. Denn Qualität verpflichtet, nicht nur zu hervorragender Arbeit an jedem Platz, sondern auch zum Willen, das Beste aus der Situation zu machen – und zum Mut, erkannte Schwächen beim Namen zu nennen und ihre Überwindung zu betreiben. ■ 1 Auszug aus dem Buch «Führen lernen in der Armee – Geschichte der Höheren Kaderausbildung der Armee» der Autoren Michael Arnold, Jacques Lörtscher und Walter Troxler, Verlag Merker im Effingerhof, Lenzburg, 2013, S. 275 –276. 2 SKS: Stabs- und Kommandantenschulen; lösten 1996 die Zentralschulen (1819 in Thun gegründet) bis 1999 ab. 2000 –2003 wurden alle Lehrgänge ins Kommando AAL zusammengefasst. 2004 wurde die Organisationsbezeichnung «Zentralschule» im Rahmen der neuen HKA wider eingeführt. 3 TQM: Total-Quality-Management. 7. Schweizerisches Offiziersgolfturnier 2016 Datum & Zeit Freitag, 10. Juni 2016, ab 1230 Teilnehmer alle golfspielenden Offiziere Durchführungsort Golf Kyburg, Kemptthal (ZH) Anmeldung & Info www.sogt.ch Einschreibetermin 31. Mai 2016 Kosten CHF 195.- (all inclusive) Veranstalter Offiziersgesellschaft Rorschach Patronat Schweiz. Offiziersgesellschaft www.sogt.ch 44 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Höhere Kaderausbildung Zentralschule: Qualität aus Leidenschaft! Unsere Milizarmee benötigt erfolgreiche Führungskräfte: Männer und Frauen, die Entscheidungen treffen und ihre Truppe zum festgelegten Ziel führen. Zusammen mit der Generalstabsschule bleibt die Zentralschule die wichtigste Ausbildungsstätte solcher Führungspersönlichkeiten für unsere Einheiten, Truppenkörper sowie der grossen Verbände. Jedoch muss das Angebot an Lehrgängen der Nachfrage entsprechen, ebenso wie die Inhalte den aktuellen methodischen und taktischen Anforderungen gerecht werden. Parallel dazu muss der Ressourceneinsatz optimiert werden, um auch langfristig die gleiche Qualität zu gewährleisten. Die Qualität einer Milizarmee bemisst sich in erster Linie an derjenigen ihrer Kader. Die ersten Versuche zur Gründung einer zentralen Militärschule in unserem Land datieren in die Zeit der Helvetischen Republik (1789 –1803). Die Niederlage gegen die französischen Invasoren belegt einmal mehr die unzureichende Ausbildung von Offizieren und Stäben: Die napoleonische Ära verleiht der Kunst der Kriegsführung eine neue Dimension. Den helvetischen Offizieren wurde bewusst, welche entscheidende Rolle eine solide militärische Ausbildung spielt 1. Nachdem sie 1817 erstmals im Militärgesetz skizziert worden war, eröffnete Oberst Rudolf von Luternau im Jahr 1819 die «Eidgenössische Central-Militärschule» in Thun2. Ziel war es dabei, das Verständnis der Taktik zu vereinheitlichen, aus Bernern, Thurgauern, Genfern usw. «Schweizer» zu machen und ihnen auf natürliche Weise die Grundsätze des Gefechts der verbundenen Waffen zu vermitteln und dieses einzuüben.3 … Nun sind fast zwei Jahrhunderte vergangen, in denen die Zentralschule mit ihren zahlreichen Organisationen und unter verschiedenen Namen die Kommandanten und Stabsoffiziere formt, die unsere Armee braucht. Echte Führungspersönlichkeiten, tapfer und mutig, systematisch in ihrer Entscheidungsfindung und beharrlich auf dem Weg zum einmal festgelegten Ziel. Wir sind stolz auf dieses Erbe und pflegen es mit Umsicht. Wenn die Zentralschule fast zwei Jahrhunderte später ihre ursprüngliche Aufgabe immer noch erfolgreich weiterführt, dann deshalb, weil sie sich stets an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen konnte. Heute bietet sie beispielsweise erfolgreich Kommu- nikations- und Managementkurse für zivile Führungskräfte an. Nun steht die Zentralschule wieder vor einer notwendigen Anpassung. In den folgenden Abschnitten möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten Herausforderungen bieten, auf die wir eine möglichst pragmatische Antwort finden müssen, wobei wir ebenso die verfügbaren Ressourcen sowie den abzudeckenden Bedarf berücksichtigen. Auch wenn noch nicht alle Details geklärt sind, lüften wir den Schleier über die zukünftige Gestaltung der Zentralschule. Mehr und besser für unsere Miliz: «Ansprüche» und «Realitäten» in Einklang bringen Unser Ausbildungsmodell ist heute in mancher Hinsicht uneinheitlich. Damit die Ausbildung einheitlich und in optimaler Form erfolgt, muss sie logisch vermittelt werden: Grundlagen, Technik und Gesamtbild. Dies wollen wir zukünftig systematisch gewährleisten. Dieses Modell kommt zudem in der ganzen Armee zum Einsatz: Allgemeine Grundausbildung (AGA), dann Fachbezogene Grund- Allgemeine Struktur der aktuellen Ausbildung auf der Ebene Truppenkörper. Daniel Keller ausbildung (FGA) und schliesslich Verbandsausbildung (VBA). Hinzu kommt, dass unser Angebot quantitativ nicht mehr ausreicht. Bestimmte Lehrgänge werden lediglich einmal pro Jahr angeboten, sodass zu viele Offiziere ihre Funktion nicht ausüben, oder nicht wie von den Kommandanten der grossen Verbände geplant, befördert werden können, weil sie den in ihrer Laufbahn vorgesehenen Lehrgang nicht absolvieren konnten. Dadurch bleiben in den Stäben Stellen vakant. Schliesslich sorgt die heutige Aufteilung zwischen den verschiedenen Lehrgängen sowie ihrer Abfolge «fachlich allgemein gesamt» für zu viele Überschneidungen. Unser neuer Führungslehrgang Truppenkörper (FLG Trp Kö) wird daher die bisherigen Führungslehrgänge II (FLG II), die Stabslehrgänge I (SLG I) sowie die verschiedenen Technischen Lehrgänge A (TLG A) ersetzen. Die Dauer beträgt 5 Wochen4 anstelle der bisherigen 6 beziehungsweise 5 –7Wochen; dies kommt auch der Privatwirtschaft und den öffentlichen Haushalten zugute. Zudem wird der FLG Trp Kö mindestens drei Mal pro Jahr angeboten. Nach der Grundausbildung ist eine Aufteilung (2 Wochen – 3 Wochen) möglich. Entsprechend wird der Führungslehrgang I (FLG I) für zukünftige Einheits- $% ' ! !""#$% & " $% ' !"#$% & () %*+ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 45 #$ Höhere Kaderausbildung Praxisbezug als zentrales methodisches Prinzip % & '& ( '& )& '& () %*+ Der neue einheitliche Lehrgang an der Zentralschule, um auf die Stufe Truppenkörper zu gelangen. Grafiken: Kdo ZS kommandanten in FLG Einheit umbenannt. Die Dauer bleibt unverändert (4 Wochen). Er wird jedoch nicht mehr in Bern, sondern in Luzern stattfinden. Mit der WEA entfällt der zentrale Offizierslehrgang (Of LG). Die Gesamtverantwortung für die Grundausbildung der Subalternoffiziere geht wieder an die Lehrverbände (LVb). Die Zentralschule bündelt also ihre Aktivitäten am Armee-Ausbildungszentrum in Luzern (AAL), wo durch den Aufbau der neuen Lehrgänge Überschneidungen vermieden und die Ergebnisse optimiert werden können. Diese Umstellungen betreffen vor allem auch das Lehrpersonal. Das Lehrpersonal: Der Schlüssel zum Ganzen Bereits in den Fünfzigerjahren stellte der Kommandant der Zentralschule 5 fest, «dass alle Schulen immer wieder vor dem gleichen Problem stehen: Es fehlt an Lehrpersonal. Wenn die Zentralschule ein gewisses Niveau gewährleisten soll, muss der Kommandant über eine ausreichende Anzahl an Gruppenchefs verfügen, die unter den Besten ausgewählt werden.» 6 Daran hat sich nichts geändert. Die Ressourcen werden knapper, und es ist keine Trendwende zu erkennen. Die Zentralschule muss ihre Vollzeitäquivalente um rund 40% abbauen. Indem wir Bern als Standort aufgeben (Of LG, FLG I, MIKA), unsere Aktivitäten an einem Ort bündeln und unsere Lehrgänge neu strukturieren, optimieren wir die Personalplanung und -führung. Zudem können in Querschnittsbereichen erhebliche Synergien genutzt werden. Durch die Schaffung eines Pools polyvalenter Gruppenchefs, die jeweils ihre fachlichen (Waffen, Berufs- und Milizer- 46 fahrung) und persönlichen (Kultur, Sprache, persönliche Erfahrungen) Kenntnisse einbringen, werden wir in der Vermittlung der militärischen Führungsprozesse auf allen Stufen, für die wir zuständig sind, eine einheitlichere Ausbildung gewährleisten können. Die Ausbildung eines zukünftigen Unterstabschefs für den Nachrichtendienst einer Territorialdivision oder einer Einsatzbrigade verlangt natürlich andere Kenntnisse als die Ausbildung eines zukünftigen Einheitskommandanten. Der Pool wird deshalb entsprechend dem Ausbildungsbedarf und den Qualitätsvorgaben gespeist. Die Gruppenchefs werden in Luzern nach einem sorgfältig definierten Profil und Laufbahnplan verpflichtet, nicht nach deren Verfügbarkeit. Dies ist eine Frage der Loyalität gegenüber unseren Berufsoffizieren. Diese Massnahmen müssen ein zahlenmässig ausreichendes und qualitativ exzellentes Personal gewährleisten. Das sind wir unserer Miliz schuldig! Den Erfolg konsolidieren: Das Kommando MIKA als Referenz Das Kommando Management-, Informations- und Kommunikationsausbildung (bekannt als MIKA) steht unter der Leitung von Oberst i Gst Thomas Keller. Auch zukünftig wird das Hauptaugenmerk darin liegen, den Miliz- und Berufskadern die Kommunikationskompetenz zu vermitteln, die sie im Rahmen ihrer Führungsaufgaben benötigen. Ob es gilt, angehende Offiziere in den Grundlagen der interpersonellen Kommunikation, angehende Einheitskommandanten im bewältigen schwieriger Gesprächssituationen oder angehende Schulkommandanten in der Krisenkommunikation zu unterrichten – MIKA nimmt seinen Auftrag als Kompetenzzentrum ernst und gewährleistet weiterhin die gesamte Ausbildung (Methode, Inhalt und Organisation) aus einer Hand – und zwar auf höchstem Niveau! Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Die Lehrer legen besonderen Wert auf die praktische Anwendung; die Vermittlung der theoretischen Grundlagen beschränkt sich auf das Notwendigste. So üben die Teilnehmer die Zusammenarbeit mit den Medien, indem sie sich beim Kommando MIKA vor der Kamera – im Scheinwerferlicht – beweisen und vor allem die Fragen echter Journalisten beantworten müssen. Da muss alles stimmen! MIKA verfügt über einen spezialisierten Milizstab. Bei den Ausbildern handelt es sich um technisch versierte Kommunikationsexperten mit solider Methodenkenntnis. Für die Vermittlung spezifischer Inhalte verstärken wir unser Team bei Bedarf um externe Spezialisten aus Lehre und Praxis. Die Kommunikationsausbildung aller Führungskräfte unserer Armee sowie der internationalen Teilnehmer im Rahmen des NATO-Programms «Partnerschaft für den Frieden» und der Mitarbeitenden des Bundesamts für Bevölkerungsschutz, macht rund 75% unserer gesamten Aktivitäten aus. Auch zukünftig werden wir unsere Methoden- und Fachkompetenz für die Kommunikationsausbildung externer Instanzen zur Verfügung stellen. Die sechs jährlichen Kurse «TRANSFER – Kommunikation und Führung» ermöglichen es den Teilnehmern der Bundes- und Kantonsverwaltungen, den Geheimnissen der Krisenkommunikation auf den Grund zu gehen und sich entsprechende Fähigkeiten anzueignen. Den Milizoffizieren steht es weiterhin offen, dieselben Kurse im Rahmen der anrechenbaren Dienste zu belegen – eine einmalige Gelegenheit, an sich zu arbeiten! Im Übrigen kann im Rahmen der Kurse «TRANSFER – Kommunikation und Führung» ein CAS 7 in Krisenkommunikation (15 ECTS-Punkte) erworben werden. Die Qualität der militärischen Ausbildung wird somit in der gesamten schweizerischen Ausbildungslandschaft anerkannt. In diesem Zusammenhang arbeiten wir derzeit intensiv an einer Ausweitung der Anerkennung auf allen Bereichen der Lehrgänge und Kurse der Zentralschule. Die TRANSFER-Kurse zur Entscheidungsfindung bilden auch weiterhin das dritte wichtige Produkt im Portfolio vom Kommando MIKA. Führen in Krisensituationen bedeutet auch: Rechtzeitig brauchbare Entscheidungen treffen und Höhere Kaderausbildung für deren Umsetzung sorgen können. Als Kompetenzzentrum für die Führungsausbildung auf Stufe Truppenkörper fördert die Zentralschule diese Fähigkeit in allen Lehrgängen auf praktische und möglichst realitätsnahe Weise. Das Kommando MIKA steht auch für Dritte offen. In den drei angebotenen Kursen werden die Teilnehmer systematisch und progressiv darin geschult, Führungsaufgaben wahrzunehmen und Techniken der Stabsarbeit anzuwenden, von der Lageverfolgung bis hin zur Aktionsplanung. Natürlich werden die jeweiligen Übungsinhalte an den Bedürfnissen des Kundenunternehmens ausgerichtet. Bei den Kursteilnehmern handelt es sich um Angehörige kleiner und mittelgrosser Betriebe, grosser Unternehmen oder auch der Bundesverwaltung. Das Kommando MIKA bietet Privatunternehmen ausserdem die Integration von zwei- bis dreitägigen «massgeschneiderten» Kursen an. Nach Meinung der Teilnehmer besteht der Höhepunkt der Ausbildung in der Abschlussübung, bei der die unternehmenseigenen Prozesse zur Krisenbewältigung anhand eigens erstellter Szenarien getestet werden. Da die Zentralschule über ein umfangreiches Know-how verfügt, was die Gestaltung und Durchführung solcher Übungen angeht, kann das Kommando MIKA dem Kunden ein Ausbildungskonzept präsentieren, das vom Erstgespräch bis zum Abschlussbriefing methodisch zusammenhängt. Zahlreiche Kunden wie die SWISSCOM, der Genfer Flughafen oder FRANKE bestätigen regelmässig die Qualität der Methode wie auch des militärischen Lehrpersonals. In Zukunft wird das Kommando MIKA sein Angebot konsolidiert und seine Anerkennung über den militärischen Mikrokosmos hinaus weiter ausgebaut haben. Die Instruktion der Offiziersanwärter, die von nun an in den Lehrverbänden dezentralisiert wird, erfordert eine sehr effiziente Verteilung der gemeinsamen Ressourcen (Personal, Material). Eines ist aber gewiss: Das Kommando MIKA wird stets eine Ausbildung für Praktiker durch Praktiker anbieten. Wissenschaftliche Anerkennung der militärischen Führungslehrgänge Parallel zu den seit 1995 durchgeführten Reformen hat auch die Entwicklung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gefüges dazu geführt, dass die einst so enge Bindung zwischen Armee und Wirt- schaft schwächer geworden ist. Die politischen Verantwortungsträger haben deshalb Massnahmen gefordert, um die Karriere in der Armee wieder attraktiver zu machen. Ergebnis ist die Anerkennung bestimmter militärischer Führungslehrgänge in Form von ECTS-Punkten 8. Die unter der Ägide von Michael Arnold 9 vereinbarte Partnerschaft mit den Hochschulen trägt ebenfalls dazu bei, die Vorurteile gegenüber der Armee abzubauen und ihren Stellenwert als einziger anerkannter Anbieter praktischer Führungsausbildung zu stärken. Andererseits können über diese Partnerschaft gemeinsame Interessen verteidigt werden wie etwa bei der Talentsuche. Seit 2007 besteht eine offizielle Zusammenarbeit zwischen der Höheren Kaderausbildung der Armee (HKA) und den Hochschulen (Fachhochschulen und Universitäten). Anfangs beteiligten sich nur praxis- und wirtschaftsorientierte Hochschulen an dieser Kooperation; inzwischen haben sich zahlreiche Universitäten dem Programm angeschlossen. Darüber hinaus können die Punkte nicht nur im Bereich der Weiterbildung, sondern auch im Grundstudium (Bachelor) angerechnet werden. Der Offizier beziehungsweise Studierende legt der Studiengangleitung die Bescheinigung über den militärischen Führungslehrgang vor (Zeugnis, Schlussqualifikation usw.). Die Studiengangleitung entscheidet entsprechend der Vereinbarung mit der HKA über die Zahl der angerechneten ECTS-Punkte. In der Westschweiz ist die Zusammenarbeit noch sehr begrenzt. Ganz im Gegensatz zur Deutschschweiz und zum Tessin konnte mit Ausnahme der Universität Neuenburg noch keine Kooperationspartnerschaft abgeschlossen werden. Bis 2017 soll das Angebot jedoch verbessert werden. Fazit Die Zukunft hält noch einige Überraschungen bereit. Wenn wir uns aber nicht so rasch wie möglich an den aktuellen Bedarf und die absehbaren Realitäten anpassen, schaden wir in erheblicher und unverantwortlicher Weise denjenigen, die uns nachfolgen. • Wir werden deshalb die Struktur und die Architektur der Lehrgänge anpassen, um einerseits den Bedürfnissen der Teilnehmer und andererseits den methodischen beziehungsweise quantitativen Umständen Rechnung zu tragen; • Wir werden deshalb unsere Ressourcen bündeln, um die Qualität der Ausbildung zu steigern und die Dienstleistungsangebote auszubauen; • Wir werden deshalb die erzielten Erfolge bewahren, sichern und weiterentwickeln; • Wir werden deshalb unsere Bemühungen zur wissenschaftlichen Anerkennung der militärischen Führungslehrgänge verstärken. Getreu unserem Motto – dem Kompass der Zentralschule – sind wir «Nahe an der Zukunft». Dennoch bleiben wir «Hart an der Realität»: Absolute Priorität haben bei uns unverändert die Teilnehmer. Wir bieten auch in Zukunft «Qualität aus Leidenschaft»! ■ 1 Beck, Roland. «Die Gründungszeit (1819 – 1874).» Kaderschmiede – Kaderschule, von der Eidgenössischen Central-Militärschule zu den Stabs- und Kommandantenschulen in Luzern 1819 –1995, Bern 1994. 2 Senn, Hans. «Militärische Schulen.» Historisches Lexikon der Schweiz, 2012. http://www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D24638.php (letzter Aufruf am 07.09.2015). 3 Lipp, Kurt. «Vorwort des Kommandanten der Zentralschulen.» Kaderschmiede – Kaderschule, von der Eidgenössischen Central-Militärschule zu den Stabs- und Kommandantenschulen in Luzern 1819 –1995, Bern 1994. 4 Allgemein fünf Wochen. Bestimmte Funktionen nehmen nur an den ersten beiden Wochen teil. 5 Oberst i Gst Jacques Boissier, 1956 zum Divisionär ernannt. 6 Haffner, Andreas. «Die Neuzeit (1945 –1994).» Kaderschmiede – Kaderschule, von der Eidgenössischen Central-Militärschule zu den Stabsund Kommandantenschulen in Luzern 1819 – 1995, Bern 1994. 7 Certificate of advanced studies. Für weitere Informationen: http://www.vtg.admin.ch/internet/vtg/ fr/home/schweizerarmee/organisation/hkaneu/ zentralschule/mika.html 8 Das Europäische System zur Anrechnung von Studienleistungen (ECTS) erleichtert die Anerkennung, Übertragung und Ansammlung von Leistungen. Das System ist auf die einzelnen Studierenden ausgerichtet und stützt sich auf den Arbeitsaufwand, der geleistet werden muss, um die Ziele einer Lerneinheit zu erreichen. 9 Michael Arnold ist Leiter der Doktrinstelle bei der Höheren Kaderausbildung der Armee (HKA). Er ist verantwortlich für die Ausbildungssteuerung und leitet das Projekt «Anerkennung der Führungsausbildung». Brigadier Daniel Keller Kommandant Zentralschule 6000 Luzern Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 47 Forschung und Lehre Gefangen im Déjà-vu: Indochina- und Vietnamkrieg im Vergleich Vor 60 Jahren übernahmen die amerikanischen Militärberater der Military Assistance Advisory Group die Verantwortung für Ausbildung und Training der südvietnamesischen Armee. Zehn Jahre später war der Vietnamkrieg in vollem Gange. Der heisseste Krieg im Kalten Krieg sollte erst 1975 mit dem Fall von Saigon und dem Sieg Nordvietnams enden. Eine vergleichbare Niederlage hatte die französische Kolonialmacht in ihrer abtrünnigen Kolonie im Jahr 1954 ereilt. Marcel Berni Elf Jahre bevor die ersten amerikanischen Marines 1965 in Da Nang an Land gingen und die Amerikanisierung des Bodenkrieges in Vietnam einleiteten, erlitt die durch amerikanische Gelder und Waffen unterstützte französische Kolonialmacht eine ihrer vernichtendsten Niederlagen. Im nordvietnamesischen Teil von Französisch-Indochina wurden die Truppen der Grande Nation von den Vietminh eingekesselt und mit heftigem Artilleriefeuer von den umliegenden Bergen beschossen. Zwei Monate dauerte die Schlacht, ehe das Französische Expeditionskorps am 7. Mai 1954 bei Dien Bien Phu kapitulieren musste. Frankreichs Soldaten, gefangen in der kolonialen Hybris der eigenen Überlegenheit, unterschätzten die Verbände der Vietminh, denen es in mühsamster Kleinstarbeit gelungen war, schweres Geschütz auf die Höhen um die französische Festung im Talgrund zu installieren. Architekt dieses Erfolgs war der vietnamesische General Vo Nguyen Giap, der noch zu künftigen Coups gegen eine weitere vermeintliche westliche Übermacht fähig sein sollte. Die Amerikanisierung des Krieges oder «All the Way with LBJ» Mit Dien Bien Phu waren die Tage Frankreichs in Südostasien gezählt: Auf der Genfer Indochinakonferenz einigte man sich auf einen Waffenstillstand und den endgültigen Rückzug Frankreichs. In die Bresche des imperialen Interregnums sprangen alsbald die USA, deren Militärberater die eigenen Interessen im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Gegensatzes durchzusetzen suchten und die unpo- 48 puläre Regierung unter Ngo Dinh Diem stützten. Präsident Lyndon B. Johnson hatte diese Bemühungen zur Schaffung einer antikommunistischen Hochburg bereits unter seinen Amtsvorgängern Eisenhower und Kennedy unterstützt. Folglich erstaunt es nicht, dass der Texaner seinem Botschafter Henry Cabot Lodge im Herbst 1963 zu verstehen gab, er solle die führenden südvietnamesischen Generäle im Military Revolutionary Council (MRC) orientieren, dass die USA einem kapitalistischen Süden weiter beistehen würden. Bereits zwei Tage nach seiner Vereidigung steckte Johnson gegenüber einer kleinen Gruppe amerikanischer Diplomaten die Marschrichtung seiner aussenpolitischen Agenda in Südostasien ab: «Ich werde Vietnam nicht verlieren. Ich werde nicht der Präsident sein, der mit ansah, wie Südostasien denselben Weg wie China nahm.»1 Amerikas Vietnam Schon Johnsons Vorgänger Eisenhower und Kennedy hatten sich für ein amerikanisches Engagement in Südvietnam ausgesprochen. Freilich wurden die militärischen Anstrengungen erst unter Johnson potenziert. Die 1954 vollzogene Teilung Vietnams sollte aus amerikanischer Perspektive im Sinne eines neuen Koreas unbedingt erhalten werden. Das autoritäre anti-kommunistische Regime im Süden wurde deshalb von Washington grosszügig unterstützt; freie Wahlen fanden nicht statt. Die Repressionen durch die Militärjunta schürten den blutigen Bürgerkrieg in Südvietnam, der ab 1960 zu einem offenen Guerillakrieg verkam. In den Augen vieler Amerikaner unternahm das MRC nicht genügend, um die kommunistische Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Aggression einzudämmen. Der Sieg Maos im chinesischen Bürgerkrieg schürte die Angst vor einem Verlust amerikanischer Einflusszonen. Bis 1968 amerikanisierte Johnson den Krieg in Südostasien weitgehend, seine Ängste vor fallenden Dominosteinen setzten sich durch. Ein vermeintlicher nordvietnamesischer Angriff auf amerikanische Zerstörer im Golf von Tonkin anfangs August 1964 lieferte Johnson den willkommenen Anlass, die USA in einen Krieg zu führen, der mit der Wiedervereinigung Vietnams sowie der Polarisierung eines grossen Teils der amerikanischen Gesellschaft enden sollte. Ein Déjà-vu? Bei genauerer Betrachtung der beiden Kriege manifestieren sich diverse Parallelen, weshalb gewisse Historiker im «Vietnamkrieg» einen kontinuierlichen Krieg von 1945 bis 1975 sehen. Dieser «Dreissigjährige Krieg» war aus nordvietnamesischer Optik vor allem ein nationaler Befreiungskrieg um Selbstbestimmung und Emanzipation. Paris und später Washington sahen darin aber Konflikte mit Signalwirkung; Frankreich fürchtete um den Zerfall seines Kolonialreiches, die USA waren bestrebt, den Kommunismus im Kalten Krieg einzudämmen. Das vietnamesische Territorium war schon seit langem ein Spielball der Grossmächtepolitik. Diese Vergangenheit war mit ein Grund, weshalb es sich Ho Chi Minh zum Lebensziel machte, der Fremdbestimmung über seine Heimat ein Ende zu setzen. Zusammen mit dem gewieften General Giap gelang es ihm, zur Nemesis nicht einer, sondern zweier Grossmächte zu werden. Frankreich und die USA hatten trotz militärischer Überlegenheit im Forschung und Lehre Nach Aussen zeigte sich Johnson stets optimistisch, so auch während eines Truppenbesuches im südvietnamesischen Cam Ranh Bay, 23.12.1967. Bild: NARA Dschungel Südostasiens mit ähnlichen Problemen zu kämpfen: So standen die soldatischen Klagen über die Unmöglichkeit einer präzisen Abgrenzung zwischen Feind und Zivil als Sinnbild für beide Kriege. Verstärkt wurden diese durch die militärische Unzufriedenheit mit politischen Ränkespielen in der Heimat; durch die stete Warnung vor einem Rückzug und die Angst vor einer feigen Aufgabe angesichts der bereits geopferten Leben; durch die dickköpfige Versessenheit, dass Verhandlungen mit der Gegenseite verhindert werden sollten; durch eine schlechte Truppenmoral der westlichen Soldaten; durch die zunehmende Opposition der Zivilbevölkerung in der entfernten Heimat; und nicht zuletzt durch die Denkfehler in der angewandten Militärdoktrin bei der Bekämpfung des Gegners. All diese Warnungen, die im Amerika der 1960er Jahre von der Kriegsopposition vorgebracht wurden, können auch im Frankreich der späten 1940er Jahre ausgemacht werden. Sie wurden jedoch lange vom Ver- sprechen eines baldigen Triumphes übertüncht. In diesem Kontext gelang es der militärischen und politischen Propaganda in beiden Ländern lange, das Bild vom Licht am Ende des Tunnels zu zeichnen. Schon die nächste militärische Operation könne den endgültigen Durchbruch bringen, so das offizielle Argument. Erst spät wurde der breiten Öffentlichkeit klar, dass das vermeintliche Licht am Ende des Tunnels nur die Grubenlampe des kommunistischen Gegners war.2 Historische Parallelen Der historische Vergleich offenbart eine Reihe von Parallelen. Das hartnäckige Festhalten an vermeintlichen Pfadabhängigkeiten, das dickköpfige Durchwursteln und der Unwille zur Kurskorrektur führte die beiden westlichen Militärmaschinerien in eine ihrer schmerzhaftesten Niederlagen. Dabei hatte es genügend Stimmen gegeben, die die USA vor einem solchen Ausgang gewarnt hatten. John F. Kennedy riet bereits 1951 von einer militärischen Intervention in Indochina ab.3 Auch zehn Jahre später als Präsident widerstand er den Versuchungen, Bodentruppen nach Süd- ostasien zu verlegen – obwohl er 16 000 neuen Militärberatern den Marschbefehl ausstellte. Im Herbst 1961 meinte er gegenüber Arthur M. Schlesinger, dass die Amerikaner einen Krieg in Vietnam verlieren würden, «genau wie ihn die Franzosen eine Dekade zuvor verloren.»4 Der Preis, den die USA für die Ignorierung dieser und ähnlicher prophetischer Warnungen bezahlten, war ein militärisches Fiasko mit Hekatomben von Toten. ■ 1 Zit. in: Arthur M. Schlesinger, Jr., Robert Kennedy and His Times, New York 1978, S. 726. 2 Bernd Greiner, Krieg ohne Fronten: Die USA in Vietnam, Hamburg 2007, S. 258. 3 Robert Dallek, An Unfinished Life: John F. Kennedy, 1917–1963, Boston 2003, S. 166 –167; Fredrik Logevall, Embers of War: The Fall of an Empire and the Making of America’s Vietnam, New York 2012, S. xi-xiv, 286. 4 Zit. in: Logevall, Embers of War, S. 704. Marcel Berni M.A. Wiss. Assistent Dozentur Strategische Studien MILAK ETHZ 3098 Schliern Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 49 Internationale Nachrichten Vereinigtes Königreich AJAX-Schützenpanzer bringt neue Arbeitsstellen Der erste Beschaffungsblock des in englischer Eigenproduktion durch General Dynamics UK hergestellte Schützenpanzer des Typs AJAX wird definitiv ab 2018 an die British Army ausgeliefert und soll danach bis spätestens 2020 vollständig eingeführt werden. AJAX basiert auf dem unter spanischösterreichischer Zusammenarbeit durch Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeuge und Santa Barbara Sistemas, beides Tochterunternehmen von General Dynamics Europe entwickelten Chassis des Schützenpanzer ULAN (Österreich), respektive PIZARRO (Spanien). Das britische Heer entschied sich 2010 gegen den von BAE Systems produzierten CV-90 in Wales zum Endmontageund für das damals nur als Pro- werk und Testgelände für den jekt bestehende Modell AJAX. neuen Panzer umfunktioniert Dank eines 600 Mio. Euro und anfangs März unter BeiEntwicklungskredites konnte sein von Regierungsvertretern 2012 der erste Prototyp vorge- von Wales und des Vereinigten stellt werden. Danach wurde die erste Bestellung von insgesamt 1010 Stück verschiedener Ausführungen (Aufklärungs-, Transport-, Führungsunterstützungs- und Geniepanzer) auf 589 einer ersten von ge- Britische Eigenproduktion AJAX. Bilder: General Dynamics planten drei Beschaffungstranchen angepasst. Ein wichtiger Ent- Königreichs eröffnet. Auf diescheid für den AJAX war, dass se Weise wurden 250 regionale General Dynamics die Produk- Arbeitsplätze geschaffen. Total tion in Grossbritannien garan- sind somit etwa 210 Zuliefetieren konnte. So wurde eine rer mit beinahe 3000 Stellen an ehemalige Gabelstaplerfabrik diesem Rüstungsprojekt be- Mali MINUSMA erweitert Strategic Airlift Capability Anfangs März landete zum ersten Mal eine Boeing C-17 Globemaster III in Gao im Nordosten Malis. Die C-17 wurde auf Gesuch der Niederlande vom Strategic Airlift Capability (SAC) Programm zur Verfügung gestellt. SAC ist ein gemeinsames und NATOunabhängiges multinationales Projekt von zehn Allianz- und zwei PfP-Ländern zur gegenseitigen Unterstützung mittels Bündelung von Lufttransportkapazität. Holland, welches in Gao derzeit hauptsächlich eine ASIFU (All Sources Information Fusion Unit) genannte ISR-Einheit zugunsten der UN-Mission in Mali betreibt, kann somit die Versorgung seines Personals vereinfachen. Bisher erfolgten sämtliche logistischen Leistungen auf dem Landweg von der Hauptstadt Bamako aus, wo bereits regelmässig SAC-Versorgungsflüge 50 quartier des östlichen Sektors der MINUSMA dar. Den Niederlanden stehen seitens SAC jährlich 500 Flugstunden mit einer von drei C-17 zu, welche nach dem Prinzip der «SmartDefense» gemeinsam von den zwölf Mitgliederländern angeschafft und unterhalten werden. Die am 1. März 2016 von einer US-amerikanischen, schwedischen und holländischen Crew gesteuerte C-17 GloMorgendliche Globemaster-Landung in Gao, bemaster, gebaut Mali. Bild: sacprogram.org um unter erschwerten Einsatzbedinderzeit als das gefährlichste gungen operieren zu können aller UN-Einsatzgebiete. Die und mit modernen AbwehrMission erlitt in ihrem knapp systemen ausgerüstet, konndreijährigen Bestehen bereits te innert 600 Metern in den über 80 tödliche Verluste. Die frühen Morgenstunden auf nun durch den Heavy Airlift der Sandpiste in Gao lanWing der SAC erbrachte Leis- den, wurde schnell entladen tung stellt deshalb eine signifi- und verliess den Standort alskante Verbesserung des Nach- dann mit einer riesigen Staubund Rückschubs für das Haupt- wolke. auch für andere Nationen landen. Aber die 1200 km lange Dreitagesreise in den Nordosten ist nicht ungefährlich und die UN-Konvois stellen ein lohnendes Ziel für (islamistische) Rebellen dar. Mali gilt Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 teiligt. Dazu meint der (militärische) Projektleiter, Generalmajor Robert Talbot-Rice: «Dies stellt die grösste britische Rüstungsanschaffung gepanzerter Fahrzeuge seit drei Jahrzehnten dar. Das Fahrzeugdesign beruht auf unseren Erfahrungen vergangener Kampfeinsätze. AJAX wird das erste gänzlich digitalisierte Kampffahrzeug des Heeres sein und kann weltweit dank seiner Widerstandsfähigkeit in schwierigstem Gelände eingesetzt werden.» Dies mittels hochmoderner ISR-Fähigkeit, aktivem Eigenschutz, der Möglichkeit zur vernetzten Zielerfassung sowie einer in britischfranzösischer Zusammenarbeit entwickelten 40-mm-Kanone. Bis heute wurden für das gesamte Projekt etwa fünf Mia. Euro gesprochen. Türkei Wie weiter mit dem ALTAY? Die ehemals britische und sich seit 1989 vollkommen in türkischem (Privat-)Besitz befindende BMC Sanayi ve Ticaret A.Ş. (BMC) wird seine Produktionsanlagen ausbauen. Der AKP-Minister für Wissenschaft, Industrie und Technologie, Fikri Işık teilte Anfangs März mit, dass die türkische Regierung die BMCExpansion mit der Bereitstellung von etwa 220 Hektaren Land nahe der Stadt Sakarya in der Marmararegion unterstützen wird. Die Firma selbst will auf diesem Grundstück für ca. 390 Mio. Euro neue Fertigungshallen erstellen, in welchen bis 4000 Arbeiter tätig sein sollen. BMC würde damit zusätzlich zur Produktionsstätte in Izmir seine Produktionskapazität verdoppeln. Im Vergleich mit Tofaş, welche jährlich ca. 300000 Kraftfahrzeuge in FIAT-Lizenz herstellt, ist BMC jedoch mit seinen ca. Internationale Nachrichten 22000 gefertigten Fahrzeugen kein Hauptakteur im nationalen Autogeschäft. Das Unternehmen gilt aber als ein Vorzeige-Rüstungsunternehmen, das sämtliche nach zertifizierten NATO-Produktionsstandards hergestellten Fahrzeuge auch eigenständig entwickeln kann. Die Firma, welche zu 49 % dem Staat Qatar und zu 51% dem türkischen Geschäftsmann Ethem Sancak gehört, wird deshalb als möglicher Hersteller für etwa 1000 türkische ALTAY-Kampfpanzer gehandelt. Derzeit laufen die Ausschreibungen für die Produktion des ursprünglich vom BMC-Konkurrenten Zwei der vier ALTAY-Prototypen. Otokar gefertigten Prototypen. Hier könnte Sancak seine Freundschaft zum türkischen Präsidenten Erdogan dienlich sein, denn öfters schon erklärte Sancak, welchem auch mehrere regie- Bild: Otokar rungsnahe Medienhäuser gehören, dass er «auf eine maskuline Weise seinen Präsidenten liebe». Derweil kämpft das gesamte Projekt ALTAYjedoch mit Verzögerungen und Unklarheiten, einerseits wurde be- Russland Territoriale Konsolidierung im Pazifik? Der russische Verteidigungsminister im Range eines Viersternegenerals, Sergei Shoigu, verkündete Ende März, dass seine Marine eine dreimonatige Expedition auf die mehr als 1200 km lange Inselkette zwischen dem russischen Kamtschatka und japanischen Hokkaido, den Kurilen, starten werde. Erklärtes Ziel sei es, einen Hafen für seine Pazifikflotte anzulegen. Diese Meldung erfolgt, nachdem Shoigu bereits vor einem halben Jahr die Erneuerung einer einfachen Militärbasis auf der südlichsten Kurilen-Insel ankündigte. Nun soll bereits in den nächsten Wochen zusätzliche BAL und BASTION-Küstenartillerie auf die Inselgruppe verlegt werden. Beide radgestützten Systeme verfügen über Raketen des Typs ONIKS/YAKHONT, respektive URAN/Harpoonski, wurden für die Abwehr von Schiffen entwickelt und haben eine Reichweite von bis zu 300 km. Diese Waffen ergänzen gemäss russischer Marine die bereits seit 2011 auf den Kurilen stationierten Ver- teidigungsanlagen. Neu soll ISR-Unterstützung und NahAufklärung offenbar mittels ELERON-3-Drohnen sichergestellt werden. Diese «short range»-Drohnen sind allwettertauglich, erreichen eine Höhe von 4000 Metern und wurden zuletzt erfolgreich in Syrien und auf der Krim eingesetzt. Die Kurilen, welche den Riegel zwischen Pazifik und Ochotskischem Meer bilden, werden seit dem Zweiten Weltkrieg gleichzeitig von Japan und Russland beansprucht und sind mitunter der Grund, dass beide Länder bisher noch keinen Friedensvertrag unterzeichneten. Erst im Januar dieses Jahres erklärte der russische Aussenminister Lavrov, dass dieser Friedensvertrag nicht von territorialen Interessen abhängig gemacht werden sollte und verwies auf die sowjetisch-japanische Friedensdeklaration von 1956, in welcher zwar das Inselgebiet umschrieben, aber von beiden Parteien unterschiedlich interpretiert wird. Als Antwort auf Shoigus Ankündigung äusserte sich der japanische Aussenminister Tokuda Shuichi prompt: «Japan sei sehr besorgt über die jüngsten russischen Pläne.» reits 2012 seitens Otokar angekündigt, den Panzer mit einem Elektromotor auszurüsten, was aber spätestens mit der Vertragsunterzeichnung durch den einheimischen DieselmotorZulieferer Tumosan ein Ende gefunden hat. Andererseits hat die Savunma Sanayii Müsteşarlığı (Staatssekretiariat für Verteidigungsindustrie) bis Redaktionsschluss noch keine Ausschreibung veröffentlicht. Der ALTAY soll 2018 eingeführt werden und ab dann die knapp 1700 Stück M48 und M60 Patton der Reserve, sowie zahlreiche der etwa 400 Leopard 1 ersetzen und die ca. 350 Leopard 2 verstärken. USA Erstmals eine Frau als Regionalkommandantin US-Präsident Barack Obama wird erstmals in der Geschichte der USA einer Frau das Oberkommando über einen grossen Teil der US-Armee General Lori Robinson. Bild: US Air Force übergeben. Die Luftwaffengeneralin Lori Robinson werde künftig das Regionalkommandozentrum Northern Commands (NORTHCOM) in Colorado Springs führen, sagte Verteidigungsminister Ashton Carter. Robinson, deren Ernennung noch vom US-Senat bewilligt werden muss, würde damit einen der wichtigsten Teile des Militärs befehligen. Die Generalin, die derzeit noch Luftwaffeneinheiten im Pazifik kommandiert – die erste Frau in dieser Stellung –, wäre dann für militärische Aktivitäten in ganz Nordamerika zuständig. Robinson hat ihre gesamte Karriere bei der Luftwaffe verbracht. Erst im Dezember 2015 hatte Carter sämtliche Kampftruppen für Frauen geöffnet. Bei den Marines oder den Seals durften bislang nur Männer dienen. Die Marines hatten sich gegen die Aufnahme von Frauen ausgesprochen, weil sie in den Einheiten sexuelle Spannungen verursachen und die Kampffähigkeit beeinträchtigen könnten – Carter setzte sich jedoch durch. «Amerikas Streitkräfte der Zukunft müssen die Fähigkeiten der Besten umfassen, die Amerika zu bieten hat – das schliesst Frauen ein», sagte Carter im Dezember. «Es wird keine Ausnahmen geben.» Dass Frauen ihren männlichen Kollegen leistungsmässig nicht nachstehen, hatten Soldatinnen bereits im August bewiesen: Damals bestanden erstmals Frauen die Prüfung für die Eliteeinheit Rangers. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 51 Internationale Nachrichten USA /Südkorea USA und Südkorea üben – Nordkorea reagiert Mit 55 Kampfflugzeugen und 30 Schiffen haben die USA und Südkorea die Erstürmung von Stränden geübt. Das sollte Nordkorea einschüchtern. Doch Kims Regime reagierte. Im Zuge ihres bislang grössten Militärmanövers haben die USA und Südkorea eine Landungsoperation gegen das kommunistische Nordkorea simuliert. Beide Länder hätten eine Erstürmung der nordkoreanischen Strände geprobt, teilte die US-Marines mit. Es hätten sich 55 US-Marineflieger sowie 30 Schiffe aus den USA und Südkorea an der Übung in der Nähe der Stadt Pohang beteiligt. Laut Südkorea handelt es sich bei dem achtwöchigen Manöver um die umfangreichste Militärübung, die in der Region jemals stattfand. Insgesamt seien 17000 US-amerikanische und mehr als 300000 südkoreanische Soldaten beteiligt. Nordkorea sieht in dem Militärmanöver eine Provokation und drohte mit einer kompromisslosen Offensive. Ein «Blitzkrieg» sei möglich, erklärte die nordkoreanische Armee. Zuvor hatte Machthaber Kim Jong Un die Atomstreitkräfte in Gefechtsbereitschaft versetzt. Das Nachbarland Nordkorea fühlt sich von dem Manöver offenbar provoziert. Pjöngjang drohte mit einer Offensive. Das Kim-Regime schliesse einen «präventiven Atoman- griff im Namen der Gerechtigkeit», nicht aus, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur KCNA aus einer Erklärung des Oberkommandos der nordkoreanischen Streitkräfte. Bisher sind aber keine Anzeichen für ungewöhnliche Militärbewegungen ausgemacht worden. Was aber stattfand: Nordkorea hat erneut mehrere Kurzstreckenraketen abgefeuert, die vor der Ostküste ins japanische Meer stürzten. Die Raketen seien in der Nähe der Stadt Hamhung abgeschossen worden, teilten die südkoreanischen Streitkräfte mit. Südkorea erklärte derweil, es sei jederzeit auf einen neuen Atomtest Nordkoreas vorbereitet. «Wir glauben, dass ein fünfter Atomtest jederzeit stattfinden kann. Die Regierung bereitet sich auf alle Möglichkeiten vor», sagte ein Sprecher des Wiedervereinigungs-Ministeriums in Seoul. Die Regierung gehe davon aus, dass Nordkorea bereit sei, eine weitere Atombombe zu zünden, sobald die Führung dies anordne. Südkoreanische Aktivisten kündigten unterdessen an, erneut Flugblätter über Nordkorea abwerfen zu wollen. Zehn Millionen Flugblätter, in denen die Verletzung der Menschenrechte durch den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un kritisiert würden, sollten nahe der Grenzstadt Paju abgeworfen werden, sagte der Aktivist Park Sang Hak. Die Aktion dürfte die Spannungen auf der Halbinsel weiter verschärfen. Israel Mit dem Umbau von MERKAVA Mark II-Kampfpanzern zu Schützenpanzern werden ab Die auf dem Chassis des sofort, so das israelische VerMERKAVA-Kampfpanzer ba- teidigungsministerium, sämtsierenden Schützenpanzer des liche neuen MannschaftstransTyps NAMER werden mit porter mit dem Aktivschutz dem aktiven Schutzsystem versehen. Für mögliche EinTROPHY HV ausgerüstet. satzszenarien im Gazastreifen Bisher wurde TROPHY auf oder Südlibanon bringt das den MERKAVA Mark IV ein- neue System einen signifikangesetzt und bewährte sich in ten Kampfvorteil, so der Leidiversen Konfliktszenarien, ter der Merkava Kampfpanzer Direktion Brigadegeneral Baruch Mathliah. Denn, in einem von Panzerabwehrwaffen und panzerbrechender Munition verseuchten Einsatzraum sei es elementar, die TrupNAMER-Schützenpanzer mit TROPHY-System. pe entsprechend Bild: Israeli Defense Forces schützen zu können. Auf diese beispielweise in der Operati- Weise wird es im Einsatzveron «Protective Edge» im Gaza- fahren auch möglich sein, krieg 2014. Das von Raphael Kampf- und Schützenpanzer Advanced Defense Systems in gleichzeitig in einem nonperZusammenarbeit mit der is- missiven Umfeld einzusetzen, raelischen Elta Gruppe konzi- erklärt Mathliah. Gemäss dem pierte Abwehrsystem berech- israelischen Verteidigungsminet, basierend auf Radardaten, nisterium liegt in diesen Verden optimalen Zeitpunkt und fahren die Zukunft, denn die Winkel, um mittels schrotla- altgedienten M113-Schützendungsähnlicher Munition ein panzer bieten keinen entspreoder mehrere sich annähern- chenden Schutz mehr auf de (Panzerabwehr-)Geschosse dem Gefechtsfeld. Folge desneutralisieren zu können. In sen wurden gemäss der israden Anfangsmonaten dieses elischen Regierung auch die Jahres sind nun die ersten Bestellungen für Kampf- und NAMER umgerüstet worden. Schützenpanzer verdoppelt. Eigenschutz für Schützenpanzer Brasilien Kein erneuter Militärputsch? Marines bei Dogu Beach. 52 Bild: Lance Cpl. Carl King, US Marines Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Die Regierung der brasilianischen Präsidentin Dilma Roussef hat immense Probleme. Im Parlament wurde das Amtsenthebungsverfahren gegen sie eingeleitet; auf der Strasse skandiert das Volk. Die Geister der Vergangenheit wurden heraufbeschwört: Droht ein erneuter Militärputsch? Angesichts des Machtkampfs zwischen der Präsidentin und der Opposition in Brasilien hat das Militär der Bevölkerung versprochen, die Stabilität im Land zu sichern. «Unsere Aktionen werden allein davon getragen, was Recht und Gesetz ist», erklärte Armeechef Eduardo Vilas Boas auf der Websei- Internationale Nachrichten te der Streitkräfte. «Wir werden zur Aufrechterhaltung der Stabilität beitragen.» Die Äusserungen des Armeechefs erfolgten, nachdem Rousseff die Amtsenthebungsbemühungen der Opposition gegen sie als Versuch eines Staatsstreichs bezeichnet hatte. In einem Rundschreiben an alle Botschaften hatte das brasilianische Aussenministerium vor einem möglichen Putsch im fünftgrössten Land der Welt gewarnt. Bestimmte Medienkonzerne und einflussreiche Unternehmen versuchten, die legal gewählte Regierung zu Fall zu bringen, zitierte das Portal «O Globo» aus dem Brief an die Diplomaten. Das Aussenministerium erklärte Volk protestiert gegen Präsidentin in Brasilia. daraufhin, das Schreiben sei «nicht autorisiert» gewesen. Die Präsidentin sieht sich seit Monaten mit Massenprotesten konfrontiert, die immer stärker werden. Teilweise wurde dabei bereits das Ein- Bild: Wikimedia schreiten des Militärs gefordert. Brasilien stand von 1964 bis 1985 unter Militärherrschaft. Rousseff wird von ihren Gegnern unter anderem für die schlimmste Rezession seit Jahrzehnten verantwortlich gemacht. Die Arbeitslosigkeit nimmt weiter im Rekordtempo zu. Ende Januar waren nach Angaben des Statistikamtes IBGE 9,6 Millionen Einwohner ohne Job. Das ist ein Anstieg von über 40 Prozent binnen Jahresfrist. Die Erwerbslosenquote erreichte einen Wert von 9,5 Prozent nach 6,8 Prozent vor einem Jahr. Darüber hinaus gibt es weitreichende Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung. Sie beziehen sich vor allem auf Geschäfte mit dem halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras. Die Präsidentin wehrt sich gegen Anschuldigungen, sie habe ihren Wahlkampf illegal finanziert und den Regierungshaushalt geschönt. NATO/Afghanistan Neuer Oberbefehlshaber der NATO in Afghanistan Im Kampf gegen Taliban und IS bekommen die NATOTruppen einen neuen Chef. US-General John Nicholson ist neuer Oberbefehlshaber und führt die momentan 12 000 Soldaten in einem schwierigen Einsatz. Auch fast 15 Jahre nach dem Beginn der internationalen Intervention in Afghanistan kommt das Land am Hindukusch nicht zur Ruhe. Die Taliban sind so aktiv wie lange nicht mehr und auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) breitet sich aus. Mitten in dieser schwierigen Phase gibt es einen Führungswechsel bei den westlichen Streitkräften: USGeneral John Nicholson löste John Campbell als Oberbefehlshaber der NATO-Mission Resolute Support und der amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan ab. Bei einer Übergabezeremonie in Kabul rief Nicholson die radikalislamischen Taliban auf, den Kampf zu beenden: «Ich kenne euch. Ich habe gegen euch gekämpft. Ihr habt dem afghanischen Volk nur Not und Leiden gebracht. Es ist Zeit, dass das ein Ende hat und dass ihr die Waffen niederlegt.» Zudem zollte er den Afghanen grossen Respekt. «Alle, die in den afghanischen und den Koalitions-Streitkräften so tapfer General John Nicholson. Bild: US Army gekämpft haben, sind für mich Helden. Aber die wahren Helden sind jene afghanischen Anführer hier in der Hauptstadt, die den harten Job haben, eine Regierung zu schaffen und zu führen – und jene Afghanen in den Dörfern und Städten, deren Leben sich seit 2001 sicherlich verbessert hat, die aber auch die Ungewissheit und die Verluste dieses Konflikts ertragen müssen.» Nicholson kennt sich in dem Krisenland sehr gut aus. Zwischen 2006 und 2012 war er drei Mal in Afghanistan stationiert. Er kommandierte Truppen im Süden und im Osten – wo heute die Terrormiliz IS Fuss fassen will und nach Schätzungen 1000 bis 3000 Kämpfer hat. Später wurde Nicholson stellvertretender Stabschef für die Operationen der US-Soldaten sowie der damaligen NATO-Mission ISAF im Hauptquartier in Kabul. Ausserdem war er 14 Monate lang Direktor der Koordinierungs-Abteilung für Pakistan und Afghanistan im Pentagon. Zuletzt kommandierte er die NATO-Landstreitkräfte mit Hauptquartier in der Türkei. Wie weiter mit der Mission? Eigentlich hatten die westlichen Alliierten gehofft, den Afghanistan-Konflikt der dortigen Regierung zu überlassen. Allerdings flammt er immer stärker auf. Die Taliban kontrollierten so viel Territorium wie seit 2001 nicht mehr, hiess es jüngst in einem US-Bericht. Dutzende Bezirke sind umkämpft. 2015 starben allein mehr als 7000 Polizisten und Soldaten – Tausende Zivilisten wurden getötet oder verwundet. Derzeit kommandiert Nicholson rund 12000 in Afghanistan stationierte NATO-Soldaten. Weil ihr Kampfmandat Ende 2014 zu Ende gegangen war, konzentrieren sie sich vor allem auf das Training der afghanischen Streitkräfte. Wie viele Truppen Nicholson in Zukunft zur Verfügung haben wird, ist unklar. Die USA wollten zum Ende des Jahres ihre knapp 10 000 Soldaten auf 5500 reduzieren. Aber erst am Montag hatte der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, Joseph Dunford, laut Polit-Blog «The Hill» in einem Pentagon-Briefing gesagt, dass das Verteidigungsministerium die zukünftige Truppenstärke in Afghanistan überdenke. Die Afghanen bräuchten mehr Hilfe als erwartet. Pascal Kohler, Henrique Schneider Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 53 Geschichte Fernab und doch mittendrin – Die Zentralschweiz im Ersten Weltkrieg Aus Anlass des 100-jährigen Gedenkens an den Ersten Weltkrieg zeigt das Museum Burg Zug von April bis Oktober 2016 die Wanderausstellung «14/18 – Die Schweiz und der Grosse Krieg». In Vertiefungsschwerpunkten werden die spezifischen Verhältnisse in der Zentralschweiz thematisiert. Marco Sigg Der Erste Weltkrieg forderte über 17 Millionen Tote und erschütterte die Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ihren Grundfesten. Als neutraler Staat blieb die Schweiz von kriegerischen Auseinandersetzungen zwar verschont, die Auswirkungen des «Grossen Krieges» auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft waren aber enorm. Wie der Krieg die Schweiz veränderte Politik und Wirtschaft waren auf den langen, industrialisierten Krieg nur ungenügend vorbereitet und reagierten mit improvisierten Lenkungsmassnahmen. Die Innenpolitik war durch tiefe Spannungen zwischen Romandie und Deutschschweiz belastet. Eine Sozialpolitik fehlte gänzlich, die Löhne büssten an Kaufkraft ein. Teuerung und Versorgungsschwierigkeiten führten dazu, dass im Sommer 1918 rund 700000 Menschen auf öffentliche Hilfe angewiesen waren. Die steigenden sozialen Spannungen entluden sich schliesslich im November 1918 im Landesstreik. Direkte und indirekte Folgen der Erfahrungen aus dem Weltkrieg waren z.B. die Einführung der Alters- und Invalidenversicherung, der Erwerbsersatzverordnung, des Proporzwahlrechts oder der 48-Stunden-Woche, den Frauen eröffneten sich neue berufliche Perspektiven. Der Erste Weltkrieg stellte zudem den entscheidenden Schritt vom liberalen zum Interventionsstaat dar, indem per Notrecht neue Staatsaufgaben, Ämter und ein grösserer Verwaltungsapparat geschaffen wurden. Die vom Verein «Die Schweiz im Ersten Weltkrieg» konzipierte und vom Museum Burg Zug erweiterte Wanderausstellung zeigt die enormen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und militärischen Folgen des Ersten Weltkrieges auf die Schweiz mit einer Vielzahl an Fotos, Dokumenten, Filmen, Objekten und Hörstationen. Museum Burg Zug Kirchenstrasse 11, 6300 Zug Öffnungszeiten Di–Sa 14 –17 Uhr / So 10 –17 Uhr www.burgzug.ch des Kriegsgeschehens lag, sich von den Auswirkungen her aber ebenfalls mittendrin befand. Tourismus Mit dem Kriegsausbruch brach der blühende Tourismus und damit einer der Hauptwirtschaftsfaktoren in der Zentralschweiz weg. In den leer stehenden Hotels Blick in die Zentralschweiz Ein Blick in die Zentralschweiz verdeutlicht, dass diese geographisch zwar fernab 54 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 wurden ab 1916 bis Kriegsende über 4500 internierte Kriegsgefangene – mehrheitlich Deutsche, aber auch Österreicher, Franzosen, Briten und Belgier – untergebracht; eine profitable neue Einkommensquelle für den eingebrochenen Fremdenverkehr, zahlten die ausländischen Staaten doch für den Unterhalt ihrer internierten Soldaten. Die anfänglich euphorische Haltung der Bevölkerung wich mit zunehmender Anzahl immer mehr einer Reserviertheit gegenüber den Fremden. Wirtschaft Ansonsten wirkte sich der Krieg unterschiedlich auf die Zentralschweizer Wirtschaft aus: Einige Fabriken mussten ihre Produktion wegen des plötzlichen Arbeitskräftemangels drosseln oder einstellen, andere profitierten von neuen Möglichkeiten und Absatzmärkten. Die in Cham produzierende Nestlé erhöhte die Export- Ankunft deutscher Internierter in Flüelen 1916. Bild: Staatsarchiv Uri Geschichte menge an Kondensmilch innert Jahresfrist um 500% (u.a. an die britische Marine). Auch Landis & Gyr steigerte die Herstellung von Stromzählern, die wegen der forcierten Elektrifizierung sehr gefragt waren. Ähnlich profitierte die luzernische «Société de la Viscose Suisse», die Kunstgarn herstellte. Andere wie die Metallwarenfabrik Zug oder die schwyzerische «Karl Elsener Messerschmiede Werkstatt» (Victorinox) orientierten sich um und produzierten nach Kriegsausbruch für die Schweizer Armee Gamellen, Feldflaschen, ab 1918 den neuen Stahlhelm bzw. Soldatenmesser und Bajonette. Die Hauptprobleme blieben aber der Energie- und Arbeitskräftemangel. Mit neuen Energiequellen versuchte man dem zu begegnen, etwa mit dem intensivierten Abbau von inländischer Schieferkohle oder von Torf. Zu wichtigen Arbeitskräften wurden dabei die Kriegsinternierten, die auch bei Meliorationsarbeiten oder in verschiedenen Werkstätten beschäftigt wurden. Mangel und Not im Alltag Obwohl sich die Zentralschweiz weit ab vom Kriegsgeschehen befand, veränderte sich auch hier der Alltag mit Kriegsbeginn. Die Stimmung war gedrückt, hörte man doch selbst in Zug immer wieder Geschützdonner aus den Schlachten im Elsass.1 Hinzu kam, dass durch die Mobilisierung die Männer am Arbeitsplatz, auf dem Bauernhof und in den Familien fehlten. Bahn- und Schiffsverkehr wur- Theodor Real vor einem Doppeldecker. Bild: Flieger Flab Museum Dübendorf gung während des Marsches einem Hitzschlag erlag. Auch Neues entstand: Dank der 1912 von der SOG lancierten nationalen «Flugspende» konnte die 1914 improvisiert geschaffene Luftwaffe weiter ausgebaut werden. Dies geschah unter Führung des Schwyzer Kavalleriehauptmanns Theodor Real, der 1916 seinen Posten aber wegen fehlender Unterstützung durch die Armeeführung frustriert räumte. Zentralschweizer Einheiten wurden auch während des Landesstreiks eingesetzt. General Wille Entlebucher Kavalleristen mit verhafteten Jungburschen in Zürich. hatte die bäuerlichen Bild: Staatsarchiv Luzern Truppen ganz bewusst ausgewählt, richtet über das Vereinsleben sowie den um die Arbeiterstreiks niederzuschlagen. bäuerlichen Alltag und schildert, wie die- Luzerner und Schwyzer Soldaten standen ser durch die Lebensmittelknappheit und in Zürich im Ordnungsdiensteinsatz und -verteuerung verändert wurde.2 Der Bun- bewachten – teils mit MG-Posten – wichdesrat reagierte darauf erst 1917 mit der tige Einrichtungen in der Stadt. In der Rationierung der Grundnahrungsmittel ländlichen Zentralschweiz verhallte der und mit dem Mehranbau von Kartoffeln Streikaufruf zwar weitgehend, nicht aber und Getreide. Bereits ab 1916 hatte sich in Luzern, Zug und Uri, wo gestreikt oder aber die Versorgungslage, besonders für demonstriert wurde. Auch in Luzern wurdie ärmere und die städtische Bevölke- den Luzerner und Unterwaldner Truppen rung, verschlechtert. 1917 demonstrierten im Ordnungsdienst eingesetzt, in Zug bein Zug Arbeiter gegen die Teuerung, in wachten Zuger Einheiten die FabrikeinLuzern kam es zu einem grossen «Hunger- gänge und liessen Arbeitswillige passieren. marsch». Selbst im ländlichen Uri wurde ab diesem Zeitpunkt Frischmilch knapp, Fazit der Schwarzmarkt florierte. Bei Kriegsende waren ein Fünftel der Luzerner und Insgesamt verursachte der Erste WeltZuger sowie ein Sechstel der Nidwaldner krieg in der Schweiz tiefgreifende Erschütund Urner Bevölkerung auf Notunter- terungen, die in ihren Auswirkungen gravierender waren als diejenigen des Zweiten stützung angewiesen. Weltkrieges und die Entwicklung unseres Gemeinwesens teils bis heute prägen. ■ Aktivdienst und Landesstreik den eingeschränkt, der Brotpreis begann zu steigen. Eindrücklich beschreibt der Beromünsterer Arzt Edmund Müller die zunehmende Not und den Mangel in seinem Tagebuch. Akribisch notiert er zwischen 1914 und 1918 alle Todesfälle, be- Den Aktivdienst erlebte das Gros der Zentralschweizer Truppen als Grenzwache im Baselbiet, Jura und im Tessin oder als Festungstruppe auf dem Gotthard. Der Dienst war geprägt von bedrohlicher Kriegsnähe, aber auch von Drill und Langeweile. Wie andernorts klagten die Soldaten über das «leidige Exerzieren» und die «tausend eingedrillten Gewehrgriffe» – «es ‹preusselte› mitunter».3 Dass der Dienst mit Leid und Gefahren verbunden war, verdeutlicht das Schicksal des 23-jährigen Zuger Korporals Karl Spillmann, der kurz nach seiner Vereidi- 1 Z.B. am 25.12.1914. Tugium 30/2014, S. 109. 2 Handschriftliche «Chronik von Beromünster» von Dr. Edmund Müller-Dolder, 4 Bde. Sammlung Haus zum Dolder, Beromünster. 3 Erinnerungs-Schrift an den Aktivdienst der Zugertruppen 1914 –1919, Zug 1924, S.29 und 119. Major Marco Sigg Dr. phil. Direktor Museum Burg Zug 6300 Zug Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 55 Geschichte Von Bewegungs- zu Entfaltungsformen der heutigen Infanterie Die militärgeschichtliche Entwicklung von Schützenreihe, Schützenkette und Schützenrudel – oder von den von Ernst Jünger im Ersten Weltkrieg erprobten Bewegungsformen zu den Entfaltungsformen der heutigen Infanterie. Thomas Maurer* Als erfahrener Frontoffizier wurde Ernst Jünger nach dem Ersten Weltkrieg durch den damaligen Inspekteur der Infanterie, Generalmajor Friedrich von Taysen, in die Vorschriftenkommission der Reichswehr befohlen. Die taktischen Grundsätze, die er seinen Aufzeichnungen und Erinnerungen entnahm, flossen 1922 in die Ausbildungsvorschrift für die Infanterie, die Heeresdienstvorschrift 130 ein. Seine im Juni 1917 in Nordfrankreich im Kampf gegen britische Truppen erprobten Bewegungsformen Schützenreihe, Schützenkette und Schützenrudel legte er dabei begrifflich als die Grundformen der geöffneten Ordnung einer Schützengruppe fest. Die militärgeschichtliche Entwicklung dieser Formen lässt sich bis in heutige Dienstvorschiften nachvollziehen. Der Begriff Schützenreihe ist in den heutigen Gefechtsdienstvorschriften der deutschen Bundeswehr und des österreichischen Bundesheeres wiederzufinden. Jedoch fällt auf, dass der Begriff der Schützenkette in der deutschen, das Schützenrudel in der österreichischen Dienstvorschrift, keinen Bestand mehr haben. Anhand der Ausbildungsvorschriften von Reichswehr und Wehrmacht soll der folgende Aufsatz die militärgeschichtliDer Autor dieses Aufsatzes ist Absolvent des Nationalen General- und Admiralstabsdienstlehrgangs an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg (FüAkBw). Er untersucht basierend auf Fronterfahrungen die Entwicklung von Bewegungsformen hin zu den auch uns bekannten Einsatzformen der Infanterie. Dabei sind zwei Punkte interessant: Der Ursprung der heutigen Gefechtsformen – auch bei der Schweizer Armee – ist mit kleinen Anpassungen auch heute noch aktuell und die ASMZ weckt auch an der FüAkBw Interesse und regt zum Schreiben an. BOA 56 che Entwicklung von Schützenreihe und Schützenrudel skizzieren und eine Erklärung geben, warum sich die Begriffe nur teilweise in den heutigen Gefechtsdienstvorschriften wiederfinden. Unter dem Chef der Heeresleitung, Generalmajor Hans von Seeckt, wurde im Oktober 1922 die Heeresdienstvorschrift 130 als grundlegende Dienstvorschrift der Infanterie der Reichswehr erlassen. Sie setzte damals mehrere Vorschriften, unter anderem auch das Exerzierreglement für die Infanterie von 1906, ausser Kraft. Zuerst bestand die Heeresdienstvorschrift aus dem Heft1 mit den Vorbemerkungen, Leitsätzen, Grundlagen und Kommandos sowie dem Heft 2 mit Inhalten der Einzelausbildung, der Schützengruppe bis zur Infanteriekompanie. Aus den Aussagen von Jünger geht hervor, dass er hauptverantwortlich für die Gestaltung und Ausarbeitung des Kapitels zur Schützengruppe war. Die tiefe Bewegungsform: Die Schützenreihe Im Kapitel der Schützengruppe folgte nach einleitenden und allgemeinen Punkten die Beschreibung der geschlossenen und geöffneten Ordnung. Als Formen der geschlossenen Ordnung waren dabei festgelegt: die Linie, die Doppelreihe und die Reihe. Diese waren bereits vorhandene Begriffe des Exerzierreglements. Für die geöffnete Ordnung legte Jünger fest: «Wo Lage und Gelände die Aufrechterhaltung der geschlossenen Ordnung nicht mehr gestatten, wird zur geöffneten Ordnung übergegangen». Als Grundformen legte Jünger dabei die Schützenreihe als tiefe Form und die Schützenkette als breite Form der geöffneten Ordnung fest. Beide Formen waren im Exerzierreglement nicht niedergeschrieben und galten vermutlich bis dato nicht als institutionalisierte taktische Einsatzformen. Gemäss dem Exerzierreglement formierten sich bisher aus der Kolonne heraus ganze Kompanien oder Züge Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Heeresdienstvorschrift 130, Heft 2a (1937), Bild 71, Anhalt Schützenrudel. zu «schwärmenden» Schützenlinien und stürmten in einer starren Linie mit vorgegebenen Abständen im Infanterieangriff ihren Feind. Die Schützenreihe wird im Kapitel der Schützengruppe durch Jünger wie folgt beschrieben: «Die Schützenreihe bildet sich zwanglos hinter dem vorangehenden Gruppenführer oder den in der befohlenen Marschrichtung vorgehenden Mann. Der befohlene Abstand gibt nur einen Anhalt. Die Schützenreihe eignet sich besonders zur Ausnutzung des Geländes bei schmalen Deckungen, zum Durchgehen von Artilleriefeuer und für Flankendeckungen. Von der Seite gesehen, erscheint sie als Linie […].» Jünger erläutert zusätzlich, dass die Abstände und Zwischenräume in Abhängigkeit von der Lage, dem Gelände, der Sicht und der Feindeinwirkung zu wählen sind. Die breite Form der geöffneten Ordnung: Die Kette Als breite Form der Schützengruppe definiert Jünger in der Heeresdienstvorschrift die Schützenkette. Er erläuterte die An- Geschichte wendung der Schützenkette als Entwick- det wurde. Es kann also angenommen werlung zur breiten Form der geöffneten Ord- den, dass Jünger den taktischen Ansatz sonung, essentiell für den Feuerkampf der wie den Begriff Kette übernommen und ganzen Schützengruppe und zum schnel- abgewandelt hat. Seinen Ursprung hat er len Überwinden eingesehener Gelände- jedoch nachweislich nicht ergründet. streifen. «Zur Schützenkette entwickelt sich die Gruppe in der Regel zur Hälfte rechts, Andere Formen der geöffneten zur Hälfte links hinter dem GruppenfühOrdnung: Das Schützenrudel rer, der einige Schritt in der angegebenen Neben der Schützenreihe und SchütRichtung voraus springt.» Aufgrund ihrer wesentlichen Bedeutung für das Feuerge- zenkette gab Jünger auch die Möglichfecht, wurde im Zweiten Weltkrieg für die keit, andere Formen der geöffneten OrdSchützenkette die sprachlich abgewandel- nung zu wählen: «Jede andere Form oder te Bezeichnung der Feuerkette verwendet. die Anwendung verschiedener Formen für Interessant ist grundsätzlich der Wort- die einzelnen Teile der Gruppe ist zulässig, stamm der Kette. Im Handbuch Der In- wenn Gelände, Sicht oder feindliche Feufanterist von 1928 ist zu lesen: «Die Schüt- erwirkung es fordern.» Als weitere Form zenkette ähnelt ihrer Form einer auffliegen- nannte er hierbei das Schützenrudel, eine den Kette Rebhühner.» Bei einer genaueren unregelmässige, lose, tiefe oder breitere etymologischen Analyse des Wortes Ket- Form von Schützenreihe und Schützente wird dessen waidmännischer Ursprung kette. Auch hier liegt die Namensgebung noch deutlicher. Zu Beginn des Ersten aus der Waidmannsprache nahe, da die Weltkrieges umfasste die Infanterie des Formation einem jagenden Wolfsrudel deutschen Heeres insgesamt 217 Infante- ähnelt. Eine genaue Definition sah Jünger rieregimenter zu je drei Bataillonen sowie nicht vor, sondern lehnte sie ab: «Sie zu weitere 18 Jägerbataillone, die sich durch reglementieren würde ihrem Wesen wiedereine besondere Auswahl und intensivere sprechen». Er beschrieb jedoch sechs MögSchiessausbildung der Soldaten auszeich- lichkeiten zur Anwendung des Schützenneten. In diesen Verbänden wurde der Be- rudels: zur besseren Ausnutzung des Gegriff Jägerkette schon vor dem Ersten Welt- ländes, zur Abschwächung der Feindwirkrieg verwendet. Eine genaue Rückver- kung, bei Bewegungen in stark durchfolgung dieses Begriffs zeigt, dass bereits schnittenem Gelände, beim Vorbrechen im Jahr 1829 ein Offizier im königlichen bayerischen LinienInfanterie-Leib-Regiment seine Ideen zur leichten Infanterie niederschrieb und dabei die Einsatzformen der sogenannten Tirailleur- und Jägerkette darstellte: «Wir sehen […] eine Linie Streiter, aber nicht Arm in Arm, sondern zwischen einzelnen Streitern und den Kettengliedern ansehnliche Zwischenräume, die mehr oder weniger gross sind, je nachdem es das hinter ihnen Heeresdienstvorschrift 130, Heft 2a (1942), Bild 19, Gruppe in liegende Terrain, oder Schützenkette. die Breite der Fronte der hinter ihnen stehenden Truppen […]. aus Engen oder Drahthindernissen, zum Die in einer Linie nun aufgelösten Rotten, Folgen der Feuerwalze der Artillerie sooder diese Ausdehnung der sich selbst decken- wie im Vorgehen mit Kampfwagen. In der den Rotten nennt man eine Kette.» Fortschreibung der Dienstvorschriften So wird deutlich, dass der Begriff Ket- wurde das Schützenrudel ab 1936 dann te bereits im 19. Jahrhundert im militä- doch festgelegt. Im Heft 3 zur Maschirisch-taktischen Sprachgebrauch verwen- nengewehrkompanie sowie im Heft 2a «Am nächsten Abend bekam ich Befehl, die Feldwache wieder zu besetzen. Da sich der Gegner inzwischen dort eingenistet haben konnte, umfasste ich mit zwei Abteilungen zangenförmig das Gehölz […]. Ich wandte hier zum ersten Male eine besondere Art der Annäherung an einen gefährlichen Punkt an, die darin bestand, Mann hinter Mann in einem weiten Bogen darum herumzugehen. Stellte sich der Ort als besetzt heraus, so schaffte eine einfache Rechts- oder Linksdrehung eine flankierende Feuerfront. Ich habe diese Ordnung nach dem Kriege unter dem Namen der Schützenreihe in die InfanterieGefechtsvorschrift eingeführt.» In Stahlgewittern, Ein Kriegstagebuch von Ernst Jünger, Hamburg 1933, S.173 wurde das Schützenrudel als Entfaltungsform zum Überwinden von offenem Gelände sowie zum Vorbrechen aus Deckungen einer schweren Maschinengewehrbedienung von mehreren Soldaten beschrieben. Hierbei war die Form klar reglementiert: «Solange nichts anderes befohlen ist, […] werden beim Schützenrudel durchschnittlich 5 Schritt Abstand und Zwischenraum genommen. Die Gesamtbreite des Schützenrudels beträgt dann ohne besonderen Befehl nicht mehr als 15 Schritt.» Im Sinne des taktischen Grundgedankens bezog sich die Ausrichtung des Schützenrudels, im Gegensatz zu Schützenreihe und Schützenkette, auf den Richtschützen, der das Maschinengewehr 08 trug und das Zentrum der Formation bildete. Dies stellte sicher, dass alle Soldaten der Bedienung zügig beim Richtschützen sammeln konnten, um durch Zusammenführen der Baugruppen des Maschinengewehrs, der Munition und des Kühlwassers eine schnelle Feuerbereitschaft sicherzustellen. In der breiten Schützenkette oder der tiefen Schützenreihe wäre diese Feuerbereitschaft erheblich verzögert worden. Beim Schützenrudel handelt es sich somit um einen Kompromiss zwischen Auflockerung und Zusammenhalt der Maschinengewehrbedienung zur schnellen Feuereröffnung. Zusammenfassend kann belegt und festgehalten werden, dass im Jahr 1936 alle drei Formen der geöffneten Ordnung der Schützengruppe – Schützenreihe, Schützenkette und Schützenrudel – als Einsatzgrundsätze der Infanterie definiert. Sie hatten dabei bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ihre Gültigkeit und galten als Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 57 Wirtschaftsnotiz ASMZ auf Facebook Die ehemalige Facebookgruppe «ASMZ – Forum junge Offiziere» wurde überarbeitet und heisst nun «ASMZ – Sicherheit Schweiz». Um dem Puls der Leser näher zu sein, werden in dieser Gruppe Diskussionsanregungen, aktuelle Informationen, die wichtigsten Artikel usw. gepostet und zwar neu in allen Bereichen, die die Armee, die Landessicherheit und das Offizierskorps betreffen. Einerseits sollen Informationen schneller als mit der monatlichen Publikation an die Leser gelangen, andererseits sollen die Leser die Möglichkeit erhalten, Anregungen an die Zeitschrift (beispielsweise Fragen für Interviews, gewünschte Artikel) anzubringen oder Publiziertes zu kommentieren. Die Mitglieder der Gruppe können selber ebenfalls posten und weitere Mitglieder einladen. Die ersten Wochen haben sich als Teilerfolg erwiesen, den wir nun ausbauen wollen. Interessiert? Melden Sie sich bei der Gruppe an und diskutieren Sie mit! Das Redaktorenteam freut sich auf einen angeregten, kritischen und niveauvollen Meinungsaustausch! Notvorrat: Versicherung mit Realgütern! Wir Schweizer sind es gewohnt, für jede Eventualität versichert zu sein und geben dafür Jahr für Jahr gutes Geld aus. Ein Notvorrat an Lebensmitteln ist auch eine erstklassige Versicherung. Damit ist man bei negativen Ereignissen wie Stromausfall, Naturkatastrophen, IT-Absturz, Terror usw. unabhängig vom konventionellen Versorgungssystem. Die «Versicherungsleistung» ist bereits physisch z.B. im Keller vorhanden und jederzeit abrufbar. Zudem kann diese Leistung jederzeit auch ohne Not konsumiert beziehungsweise erneuert werden. Der persönliche Notvorrat ist eine sinnvolle Art der Investition: physisch vorhanden, vor Inflation geschützt und jederzeit unabhängig verfügbar. Die SicherSatt AG rüstet auch Truppenverbände mit Notrationen und Fertigmahlzeiten zu Übungszwecken aus. Rufen Sie uns unverbindlich an.Wir beraten Sie gerne! SicherSatt AG Neuwiesstrasse 6, CH-8636 Wald Tel. +41 (0)55 246 36 87 Fax +41 (0)55 246 36 88 [email protected] www.sichersatt.ch Wirtschaftsnotiz Der Gotthard-Basistunnel, ein Projekt der Superlative Versicherung von Bauprojekten – für Private und Unternehmen Im Juni wird der GotthardBasistunnel eröffnet. Er ist mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt und bildet zusammen mit dem 15,4 km langen Ceneri-Basistunnel das Herzstück der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Die NEAT zählt zu den imposantesten baulichen Projekten des 21. Jahrhunderts und ist damit auch eines der herausforderndsten Versicherungsprojekte dieser Zeit. Helvetia ist eine von zwei Versicherungsgesellschaften, die für die Bauplatzversicherungen der Bauherrin AlpTransit Gotthard AG verantwortlich sind, wobei die Vertragsführung Helvetia obliegt. Ähnliche Risiken Private und Unternehmen bewegen sich bei Bauprojekten in einer ganz anderen Grössenord- 58 nung. Trotzdem ist der GotthardBasistunnel ein gutes Beispiel dafür, worauf beim Bau und dessen Versicherung zu achten ist. So gibt es bei Bauprojekten vielfach ähnliche Risiken. Die Versicherungsverträge für die NEAT-Bauplätze decken Haftpflicht- sowie Bauund Montagerisiken. Die gleichen Risiken gibt es auch auf einer normalen Baustelle. Eine Haftpflichtdeckung übernimmt Schäden des Bauherrn, die durch die Bautätigkeit zum Beispiel auf dem Grundstück des Nachbarn entstehen. Für solche Schäden kann der Bauherr haftbar gemacht werden, selbst wenn ihn direkt keine Schuld trifft. Beim Bau des Gotthard-Basistunnels ging es in diesem Zusammenhang auch um die Frage, welchen Einfluss dieser zum Beispiel auf höher gelegene Bauwerke wie etwa Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Staumauern hat. Weiter ist jemand, der ein Bauwerk erstellt oder erstellen lässt, immer mit der Gefahr konfrontiert, dass die bereits erstellten Sachen beschädigt oder zerstört werden können, bevor die Nutzung beginnt. Hier bietet die Bauwesenversicherung Schutz vor den finanziellen Folgen. Der Bau des Gotthard-Basistunnels zeigt auch: Viele Risiken lassen sich durch ein qualifiziertes Risikomanagement minimieren, so dass auch die Anzahl der Schäden tief gehalten werden kann. Das Risiko von Bränden lässt sich zum Beispiel mit möglichst aufgeräumten und ordentlichen Baustellen reduzieren. Beim Bau des Gotthard-Basistunnels haben Experten von Helvetia mit regelmässigen Baustellenbegehungen die Umsetzung des Risikomanagements vor Ort beurteilt. Ein gutes Risikomanagement hilft auch auf kleineren Baustellen, Schäden zu vermeiden. Am Gotthard ist es bisher zu keinen bösen Überraschungen gekommen und der NEAT-Bau ist für die Bauherrin und auch Helvetia als Versicherer eine Erfolgsgeschichte. Umfassende Versicherungspolicen und ein gutes Risiko-Management haben hierzu einen Beitrag geleistet. Auch Private und Unternehmen sollten bei Bauprojekten diese beiden Aspekte nicht ausser Acht lassen. Weitere Informationen: helvetia.ch/alpentransit Geschichte bewährte Einsatzgrundsätze der Infanterie. Übernahme der Entfaltungsformen in die Dienstvorschriften Bundeswehr und Bundesheer Die Entfaltungsform Schützenreihe wurde in ihrer taktischen Grundidee vollkommen in die Gefechtsdienstvorschrift der Bundeswehr überführt. Teilweise wörtlich aus der Heeresdienstvorschrift übernommen, steht in der heutigen DienstA2-226/0-0-4710, Bild 97, Einnehmen des Schützenrudels aus der Schützenreihe. Dienstvorschrift Allgemeiner Gefechtsdienst, Bild 76, Einnehmen der Schützenkette aus der Schützenreihe. vorschrift für den Gefechtsdienst aller Truppen zu Lande A2-226/0-0-4710, geschrieben: «Die Schützenreihe ist die schmale und tiefe Form der Entfaltung. Sie erlaubt es der Gruppe, sich dem Gelände anzupassen und auch Deckungen in Bewegungsrichtung auszunutzen. Sie bietet von vorn nur ein schmales Ziel. Alle Soldaten können das Feuer in ihrer Beobachtungsrich- tung schnell eröffnen, vor allem gegen Feind, Bewegungsform, nirgends zu finden ist. der überraschend in der Flanke auftritt.» Der Dies resultiert womöglich aus Gründen Begriff Schützenreihe kann somit militär- der Vereinfachung oder gar Ablehnung geschichtlich als taktische Bewegungsform einer eigenständigen Gefechtsform für bis zu den Tagebuchaufzeichnungen von die Schwerpunktwaffen der Infanterie. Jünger zurückverfolgt werden. Neben der selbigen Schützenreihe findet sich in der österreichischen Dienstvorschrift, mit leicht geänderter Definition, auch die Schützenkette als breite Gefechtsform wieder: «Die Schützenkette ist die breite Gefechtsform, bei der Soldaten nebeneinander, jedoch unregelmässig höchstens so weit wie der Seitenabstand beträgt in die Tiefe ge- Panzergrenadiere im Vorgehen mit dem Schützenpanzer Marder. Grafiken/Bilder: Bundeswehr staffelt gehen, dass sie sich beim Feuerkampf nach vorne nicht gegenseitig behindern.» Dabei wäre das Schützenrudel, wie es das In der Gefechtsdienstvorschrift der Bun- Heft 3 der Heeresdienstvorschrift für die deswehr ist die Schützenkette jedoch nicht schweren Maschinengewehrkompanien wiederzufinden. Interessanterweise wird vorsah, eine taktisch logische Entfaltungshierbei zwar die taktische Grundidee der form, welche auch von heutigen SchwerSchützenkette von 1922 als breite Form punktwaffen der Infanterie zweckmässig der Entfaltung dargestellt und umschrie- genutzt werden könnte. Für Granatmaben, allerdings mit dem Begriff Schützen- schinenwaffen- und Panzerabwehrgruprudel betitelt. Mit Aufstellung der Bundes- pen, schwere Feldlafettentrupps oder leichwehr und dem damit verbundenen Studi- te Mörserbedienungen könnte mit der um der Wehrmachtsvorschriften sind wo- ursprünglichen Idee des Schützenrudels möglich die Begriffe vertauscht worden. unter Wahrung der Auflockerung eine Dies ist auch daran zu erkennen, dass schnelle Feuereröffnung hervorragend das Bild 97, Einnehmen des Schützenrudels umgesetzt werden. Gleichzeitig ist die aus der Schützenreihe dem Bild 19, Grup- von Jünger skizzierte Anwendungsmögpe in Schützenkette des Heftes 2a von 1942 lichkeit des Schützenrudels im Vorgehen sehr deutlich angelehnt ist. Gleichzeitig mit Kampfwagen bei der heutigen Trupbeschreibt die österreichische Dienstvor- penausbildung der Panzergrenadiere mit schrift zum allgemeinen Gefechtsdienst dem Schützenpanzer teilweise wiederzurichtigerweise in das Einnehmen der finden. Schützenkette aus der Schützenreihe. SoAufgrund der taktisch zweckmässigen mit verdichtet sich der Verdacht, dass Anwendung sollte der Verstoss erlaubt und der Begriff Schützenrudel schlicht falsch, gewagt werden, diese neue «alte» Entvon den Autoren der ersten Gefechtsvor- wicklungsform wieder in die Kampfweise schrift für die Bundeswehr, übernommen der Infanterie zu etablieren – die Vorteile der Wirkungsüberlegenheit sind unbewurde. stechlich und unbestreitbar. Kurzfristig ist dem versierten militärischen Führer die Eine neue «alte» EntwicklungsAnwendung bereits möglich, getreu dem form der heutigen Infanterie Grundsatz: Wer die Form kennt, kann sie Bei der Betrachtung der heutigen Ge- brechen! ■ fechtsdienstvorschriften der Bundeswehr und des Bundesheeres, fällt zusätzlich be*Major, Diplom-Kaufmann (Univ.), Lehrgang Gesonders auf, dass der Begriff Schützenneral-/Admiralstabsdienst National (LGAN) 2015, rudel in seiner ursprünglichen taktischen Führungsakademie der Bundeswehr, 22765 HamIdee, einer losen, tiefen und breiten burg. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 59 Vermischtes Echo aus der Leserschaft Armeereform rasch und konsequent umsetzen Die Diskussionen um die Weiterentwicklung der Armee WEA sind geführt, das Parlament hat nach einigem hin und her entschieden und den Rahmen abgesteckt. Für jeden verantwortungs- und pflichtbewussten Armeebefürworter heisst es nun «verstanden» und «Auftrag ausführen». Wie üblich, bewegen sich die für die Auftragserfüllung zur Verfügung stehenden Ressourcen am untersten Limit. Trotz der verschärften Sicherheitslage ist es jedoch eine Illusion zu glauben, im jetzigen politischen und finanziellen Umfeld mehr herausholen zu können. Deshalb gilt es auch in diesem Falle, die Probleme mit den vorhandenen Mitteln bestmöglich zu lösen und nicht zu bekämpfen. Hauptziel der WEA ist bekanntlich die Eliminierung der gravierendsten Fehler der vorangegangenen Reformen mit einer zwar verkleinerten, jedoch modernen, vollständig ausgerüsteten, gut ausgebildeten und rasch einsetzbaren Armee. Wer jetzt noch Fundamentalopposition betreibt, setzt die Sicherheit und die Glaubwürdigkeit des Landes grobfahrlässig aufs Spiel. Mit einem «Nein» zur WEA würde nur ein irreparabler Scherbenhaufen produziert, dringend notwendige Verbesserungen verhindert und den Armeeabschaffern in die Hände gespielt. Deshalb sind alle Armeebefürworter im Interesse der Sache zu Vernunft und Geschlossenheit aufgerufen! Willy Gerber, 9436 Balgach Div Philippe Rebord – Stellvertreter Chef der Armee Per 1. April hat der Bundesrat Divisionär Philippe Rebord zum Stellvertreter Chef der Armee ernannt. Er übernimmt diese Funktion zusätzlich zu seiner angestammten Funktion als Kommandant Höhere Kaderausbildung / Chef Stab Operative Schulung. Der 58-jährige Philippe Rebord hat an der Universität Lausanne Geschichte, Geographie und Französisch stu- diert und mit dem Licence ès lettres abgeschlossen. Am 1. Januar 1985 ist er in das Instruktionskorps der Infanterie eingetreten. Als Einheitsinstruktor war er in den Infanterieschulen Colombier und in den Panzerabwehrschulen Chamblon tätig. Zudem war er Klassenlehrer in der Infanterieoffiziersschule in Chamblon. 1995 und 1996 war Divisionär Rebord in der Instruktorene- quipe der Zentralschulen und Generalstabskursen eingesetzt. Nach einem Studienaufenthalt am Collège interarmées de défense in Paris wurde Rebord Stabschef der Generalstabsschulen und im Jahre 2000 Kommandant der Panzerabwehrschule in Chamblon. Nach dem Einsatz als Kommandant der Infanterieoffiziersschule in Chamblon im Jahre 2001 wurde er Projektleiter «Rekrutierung Armee XXI». Von 2004 bis 2008 war er Kommandant Rekrutierung innerhalb des Personellen der Armee. Auf den 1. Januar 2009 hat ihn der Bundesrat zum Kommandant der Infanteriebrigade 2 ernannt und zum Brigadier befördert. Per 1. Januar 2014 wurde er durch den Bundesrat unter gleichzeitiger Beförderung zum Divisionär zum Kommandant Höhere Kaderausbildung der Armee ernannt. Divisionär Rebord folgt auf den bisherigen Stellvertreter Chef der Armee, Korpskommandant Dominique Andrey, der per 1. April 2016 zum Militärischen Berater Chef VBS ernannt wurde. dk Im Gedenken an einen «Helden der Lüfte» Rund um den Pfäffikersee stehen vier Gedenksteine für abgestürzte Piloten unserer Luftwaffe während des Zweiten Weltkriegs. Der letzte wurde am Samstag, 5. März 2016, für Militärpilot Lt Francis Marious Pilloud aus Rossinière (VD) an der Absturzstelle in Mettlen in Anwesenheit seiner Angehörigen eingeweiht. Er stürzte 1941 nach einer Schiessübung bei Rutschberg, zwischen Pfäffikon und Seegräben, auf der Wiese Mettlen anlässlich einer versuchten Notlandung vom Himmel und 60 starb den Fliegertod. «Mir ist wichtig, dass die Piloten von damals niemals vergessen werden», sagte der mittlerweile 82jährige Paul Burri, ein Zeitzeuge von damals. Die Historikerin Esther Martinet verlas den Unfallbericht in deutscher und französischer Sprache. Dazu schrieb Malte Aeberli im Zürcher Oberländer «Immer wieder zitterte ihre Stimme. In den Gesichtern der Angehörigen der Familie Pilloud stand grimmiger Stolz, die Augen starr nach vorn gerichtet». «Endlich ha- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 ben wir erfahren, was mit unserem Vorfahren geschehen ist», sagte Olivier Pilloud, stellvertretend für die Angehörigen. Pilloud war ein «Held der Lüfte», meinte der ehemalige Kommandant der Luftwaffe Markus Gygax in seiner Rede. «Er war jung, dynamisch und er hatte kaum Aussicht auf Erfolg.» Die jungen Männer standen damals gewaltig unter Druck. Es herrschte Krieg. Der Erfolgsdruck sei immens gewesen. Hinzu kam, dass sich Misserfolge bei Schiessübungen nicht mit dem Selbstbild des Helden vereinbaren liessen. Genau dies sei dem damals 25-Jährigen wohl zum Verhängnis geworden, erzählte Gygax. Am Tag vor seinem Absturz soll Pilloud bei einer Schiessübung auf im See markierte Bodenziele versagt haben. Bei seinem verhängnisvollen Flug am 13. November 1941 wollte Pilloud wohl zu viel und bezahlte mit seinem Leben. Das Projekt wurde von Toni Hagnauer (selig) initiiert. Er war mit Herzblut ein engagierter Verfechter einer wehrhaften Schweiz und ein grosser Vermischtes Verehrer unseres damaligen «Landesvaters» General Henri Guisan. Der Erhalt des Militärflugplatzes Dübendorf lag ihm immer am Herzen. Der andauernde Abbau unserer Armee bereitete ihm grosse Sorgen. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt bei der Einweihung des Gedenksteines «Mettlen» noch selber dabei zu sein. Ein herzliches «Vergelt’s Gott» gebührt dem Initianten (vertreten durch Ursula Hagnauer und Eva Raths-Hagnauer) für die Projektidee und das Finanzierungskonzept des Gedenksteins, dem Bericht des Zeitzeugen Paul Burri, dem Fachbeitrag von Ester Martinet, dem Grusswort von Bruno Erni (Gemeindepräsident von Pfäffikon), der emotiona- Gruppenbild mit Angehörigen des 1941 verunglückten Piloten Francis Pilloud, dem Augenzeugen, den Projektbeteiligten und Vertretern von Politik und Luftwaffe. Bild: Christian Merz len Ansprache von Markus Gygax und der Fahnenwache des KUOV ZH+SH. Noch prägen lebendige und dankbare Volksverbundenheit und immerwährender Kameradschaftsgeist unsere geschichtsträchtige Luftwaffe. Bilanz des Sozialdienstes der Armee 2015 2015 hat der Sozialdienst der Armee (SDA) insgesamt 1,53 Millionen Franken an Angehörige der Armee in Rekrutenschulen und Wiederholungskursen sowie an Militärpatienten und Hinterbliebene ausbezahlt. Dies sind 130000 Franken mehr als 2014, wie dem Jahresbericht 2015 des SDA zu entnehmen ist. Zwar sind die Ausgaben 2015 wieder gestiegen, hingegen ist die Gesamtzahl der Ratsuchenden zurückgegangen. Die vier hauptamtlichen Sozialberater des SDA haben nebst vielen Auskünften insgesamt 1740 Dossiers (2014: 1767) bearbeitet. Dabei wurden sie von 25 Milizsozialberatern unterstützt. In 767 Fällen (2014: 741) wurde eine materielle Hilfe gewährt. In den anderen 973 Fällen (2014: 1026) hat allein die Beratung und Betreuung weitergeholfen. 1,176 Mio. Franken wurden zur finanziellen Unterstützung an Absolventen von Rekruten- schulen und Wiederholungskursen ausbezahlt. Die Unterstützungsmittel stammen aus Zuwendungen von Stiftungen (Zinsgelder aus Stiftungskapitalien). Im letzten Jahr gingen 4100 Anrufe (2014: 4300) auf die Telefonnummer des Sozialdienstes der Armee (0800 855 844) ein. Der SDA hilft Angehörigen der Armee, des Rotkreuzdienstes und des Zivilschutzes, die aufgrund ihrer besoldeten Dienstpflicht (zum Beispiel Rekrutenschule, Wiederholungskurs) in ihren persönlichen, beruflichen oder familiären Verhältnissen auf Schwierigkeiten stossen. Er hilft auch Personen, die Friedensförderungsdienst und Assistenzdienst im Ausland leisten und aufgrund dieser Dienstleistung in Not geraten sowie ergänzend zur Militärversicherung Militärpatienten, die infolge Unfalls oder Krankheit im Militär in Schwierigkeiten geraten. dk Ehrgeiz und hohe Motivation aller Beteiligten sind und bleiben die Grundpfeiler des Erfolgs. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, der Stolz auf die Truppengattung und die Verankerung in der Zivilbevölkerung sind das Fundament einer glaubwürdigen Wehrbereitschaft und Kampfkraft unserer Milizarmee. Sie schaffen gegenseitiges Vertrauen, geben uns Kraft, Mut, Zuversicht und Hoffnung auch in schwierigen Zeiten. Eine solide und einfache Struktur, eine klar ausgerichtete Strategie zur Auftragserfüllung als Truppe der ersten Stunde geht mit der WEA nun leider verloren und wird durch eine sogenannte «Luftkomponente» ersetzt. Julius Jeisy, 4148 Pfeffingen Quellen: - Gedenkschrift «Flugzeugabsturz Francis Marius Pilloud am 1. November 1941/Einweihung Gedenkstein 5. März 2016. - Bericht von Malte Aeberli im Zürcher Oberländer (Bezirk Hinwil). Echo aus der Leserschaft Ständeratsbeschluss März 2016 zur WEA Die Weiterentwicklung der Armee, mit dem teilweisen «weiterentwickelten» Zurück zu Bewährtem der TO61, ist politisch unter Dach und Fach. Nur, mit einem Sollbestand von 100 000 Mann habe ich meine Zweifel, ob die Armee in einer Krisensituation ihre breitgefächerten Aufgaben und insbesondere den Primärauftrag – die Verteidigung – tatsächlich wahrnehmen kann, wie stets beteuert wird. Was zudem im Krisenfall unter dem angedenkten Begriff «Kooperation» zu verstehen ist, zeigt uns die (solidarische) EU wiederholt drastisch auf. Der Bericht über den Zustand der Deutschen Bundeswehr (NATOPartner) in der ASMZ 03/16, fällt dahingehend nicht besser aus. Allein nach dem Charlie Hebdo-Anschlag in Paris anfangs 2015, brachte Frankreich vergleichsweise gegen 90 000 Sicherheitskräfte (Polizei, Gen- darmerie und Armee) zum Einsatz. Gegenwärtig sollen noch 6000 Armeeangehörige in der Pariser-Cité für Sicherheit sorgen. Einen nächsten, handstreichartigen Anschlag werden diese wohl kaum verhindern können (vergleiche Israel). Dazu braucht es mehr spezialisierte Mittel (Polizei, ND). Diese sind aber erst zu rekrutieren und auszubilden, braucht also Zeit und Geld. Da ist die Politik gefordert, sofern sie Willens ist. Trotz Parlamentsbeschluss: Wer garantiert nach der Zerreissprobe, dass später nicht erneut an der WEA-Finanzierung (beso. Ausrüstung) geschraubt wird? Mit dem Spatz in der Hand lässt sich nicht besser schlafen, denn gespart auf dem Buckel der Armee und der Sicherheit wurde schon zu oft. Oberstlt aD Ronald Weber, Bonstetten Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 61 Vermischtes Gründungsversammlung der Alumni Of@UniSG Am Mittwoch 23. März fand die Gründungsversammlung von Alumni Of@UniSG statt. Gleichzeitig stellte der Anlass den 5. Alumni-Event von Of@UniSG dar. Als diesjährigen Referenten durfte der Verein der Alumni Offiziere der Universität St.Gallen Dr. Christoph Blocher begrüssen. Als Altbundesrat, Unternehmer und Oberst a D legte er dar, weshalb das Milizsystem massgeblich für den Erfolg der Schweiz verantwortlich ist. Seit dem 23. März sind die Alumni der HSG Offiziere unter der Leitung von Patrick Vock, dem neu gewählten Vereinspräsidenten in einem eigenständigen Verein organisiert. Damit soll insbesondere die finanzielle Selbständigkeit des Vereins untermauert und eine nun auch rechtlich unabhängige Plattform für Offiziere, die ein Studium an der Universität St.Gallen ab- geschlossen haben, geschaffen werden. Dementsprechend trafen sich bei der Gründungs- Christoph Blocher als Referent an der Gründungsversammlung. Bild: Of@Uni SG generalversammlung Vertreter aus verschiedensten Branchen und Altersgruppen. Die noch studierenden Mitglieder von Of@UniSG nehmen, trotz des neuen Alumni Vereines, weiterhin am Event teil. Höhepunkt der Generalversammlung war das Referat von Dr. Christoph Blocher. Der erfolgreiche Unternehmer war sowohl als Offizier als auch als Politiker im Milizsystem sehr engagiert. Bei seinem Referat zum Thema «Das Milizprinzip – Basis des schweizerischen Erfolgs?» stellte er gleich zu Beginn klar, dass dies keine Frage, sondern eine Tatsache sei. Der Erfolg der Schweiz beruhe auf dem persönlichen Engagement der Bürger und Bürgerinnen und dem Willen, gemeinsam für die Gemeinschaft einzustehen. Natürlich seien solche Tätigkeiten eine Mehrbelastung, weshalb ein ausgeprägtes Zeitmanagement für Miliztätigkeiten zwingend ist. Dies wird vor allem in der Armee gelehrt. Weiter generiere das Milizsystem zusätzliches Wissen, welches im Zusammenspiel mit den technisch versierten Professionellen eine für die verschiedenen Institutionen einzigartige Kombination darstellt. Dank seiner parallelen Einbindung in der Wirtschaft, der Politik und der Armee, konnte Blocher in allen Bereichen Erfahrungen sammeln und diese wiederum in seine späteren Tätigkeiten einbringen. Genau dies mache das Schweizer Milizprinzip zu einem Erfolgsmodell. Zum Schluss stellte Blocher fest, dass insbesondere die zunehmende Professionalisierung in der Armeeführung und Verwaltung eine schlechte Entwicklung seien. Untergräbt doch eben jene Professionalisierung die Selbständigkeit des Bürgers und gefährdet damit den einmaligen Erfolgsfaktor der Schweiz. Of@UniSG Luzerner Offiziere feierlich verabschiedet Im Rahmen einer würdigen Feier wurden am 15. März 2016 im Luzerner Kantonsratssaal 39 Offiziere und Höhere Unteroffiziere offiziell aus ihrer militärischen Dienstpflicht entlassen. Gleichzeitig begrüsste Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Paul Winiker zahlreiche neu brevetierte Offiziere und Höhere Unteroffiziere. Unter den entlassenen Offizieren waren auch Regierungsrat Marcel Schwerzmann, Vorsteher des Finanzdepartementes, der in der Armee zuletzt den Grad des Majors bekleidet hatte sowie Marius Wiegandt, Präsident des Kantonsgerichts, der als Major der Militärjustiz angehörte. Winiker durfte zudem seinen engsten Mitarbeiter, Departementssekretär Vincenz Blaser, von den militärischen Pflichten entlassen. 62 Er war als Major Kommandant Stellverterter der Panzer Abteilung 8. Verabschiedet wurde auch ein General: Willy Siegenthaler, der zuletzt den Lehrverband Führungsunterstützung 30 leitete. Als Wertschätzung ihrer Dienstleistung erhielten die abtretenden Offiziere und Hö- Regierungsrat Paul Winiker entlässt seinen Amtskollegen Regierungsrat Marcel Schwerzmann offiziell aus der militärischen Dienstpflicht. Bild: pd Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 here Unteroffiziere ein kleines Präsent des Kantons Luzern. Im Rahmen der Feier begrüsste Winiker auch junge Offiziere und Höhere Unteroffiziere aus dem Kanton Luzern, welche im vergangenen Jahr brevetiert worden sind. Den jungen Kadermitglieder legte er ans Herzen, überlegt, ausgewogen, fair und verantwortungsvoll zu führen: «Begegnen Sie den Menschen immer auf gleicher Augenhöhe. Führen Sie vorbildlich – Sie sind das Vorbild – nicht nur im Militär, sondern auch als Zivilperson in unserer Gesellschaft.» An der Feier in Luzern nahmen unter anderem auch Divisionär Hans-Peter Walser, Kdt Ter Reg 2, und Brigadier Daniel Keller, Kdt ZS, teil. Peter Soland Vermischtes Echo aus der Leserschaft ASMZ 04/2016: Truppenkörperkommandant Ein wichtiges Element fehlt in der sonst sehr wertvollen Auslegeordnung von Maj i Gst Lorenz Amiet zur Rekrutierung von Miliz-Truppenkörperkommandanten: die finanzielle Abgeltung. Wenn die Armee bereit wäre, den Arbeitgebern die finanzielle Einbusse durch Abwesenheit des Kadermitglieds adäquat zu entgelten, würde das die Bereitschaft für den Einsatz als Kdt in manchem KMU und bei manchem Selbständigerwerbenden deutlich erhöhen bzw. erst möglich machen. Die heutigen finanziellen Abgeltungen sind meiner Meinung und Erfahrung nach ungenügend und nicht mehr zeitgemäss. Ein Minimum wäre der Ersatz des ganzen Salärs inkl. Sozialabgaben und Versicherungsbeiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ein guter Miliz-Truppenkörperkommandant muss in Zukunft diesen Preis wert sein. Zu überlegen wäre ferner, künftig einem Truppenkörperkommandanten pro Instruktionsdienst ein Kostenbudget zur Verfügung zu stellen, damit er einen Teil seines Zeitaufwands zu einem bescheidenen Stundensatz der Armee in Rechnung stellen kann. Major aD Harald Jenny Alt Präsident KOG Schaffhausen 8214 Gächlingen GMS in Interlaken Der Präsident der GMS – Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen – Div aD Eugen Hofmeister konnte an der Generalversammlung in Interlaken eine grosse Anzahl von Mitgliedern und Gästen begrüssen. Seitens des Gemeinderates überbrachte Hans Rudolf Burkhard, Vizegemeindepräsident, die Grussadresse. Er erinnerte an die Bedeutung Interlakens während des Zweiten Weltkrieges, als General Henri Guisan zwischen 1. April 1941 und 8. Oktober 1944 im Gemeindehaus das Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Im vergangenen Geschäftsjahr konnte die GMS 45 Neumitglieder begrüssen. An der Universität Zürich fanden zwei Tagungen mit je ca. 150 Teilnehmenden zu Morgarten (1315), Marignano (1515) und zum Wiener Kongress (1815) statt. Hauptzweck der Gesellschaft ist die Organisation und Durchführung von Reisen. Insgesamt 26 Reisen mit 661 Teilnehmenden wurden erfolgreich durchgeführt. Für 2017 sind 10 kürzere und 13 längere Reisen geplant. Die Generalversammlung wählte Peter Zbinden und Andreas Blank als neue Rechnungsrevisoren. Sie ersetzen die zurückgetretenen Revisoren Rudolf Wicki und Peter Engelhard. In seinem Tagesreferat verwies Brigadier Sergio Stoller, Projektleiter Weiterentwicklung der Armee (WEA), auf die Kernpunkte der WEA. Ziel sind eine höhere Bereitschaft der Armee, 18 Wochen Rekrutenschule, sechs Wiederholungskurse zu drei Wochen und wieder mehr praktische Führungserfahrung für die Kader. Künftig müssen die Grade wieder abverdient werden. Weitere Ziele sind vollständige Ausrüstung aller Truppen und eine regionale Verankerung der vier Territorialdivisionen. Die Umsetzung ist per 1. Januar 2018 geplant. dk www.gms-reisen.ch Berufskader der Armee unter Spardruck Der Präsident der Sektion militärische Berufskader der Vereinigung der Kader des Bundes (VKB), Div aD Daniel Roubaty, konnte an der Generalversammlung 2016 wiederum zahlreiche Gäste und Mitglieder begrüssen. Er erwähnte, dass das vergangene Jahr für das militärische Berufskader stark unter dem Zeichen der Weiterentwicklung der Armee (WEA) stand, welche sich zum Zeitpunkt der GV kurz vor der Schlussabstimmung im Parlament befinde. Diese sei darum auch Hauptthema der Präsentationen der aktuellen GV. Er betonte, dass das kommende Jahr im Zeichen der Sparanstrengungen des Bundes stehen werde und auch die militärischen Berufskader der Armee, beispielsweise mit der Festsetzung der individuellen Lohnentwicklung auf das Minimum (1% bei Beurteilung 3) wiederum Opfer bringen müsse. Damit sei der Attraktivität des Berufsbildes sicher nicht gedient. Der Zentralvizepräsident der VKB, M. Bolliger, knüpfte mit seiner Grussbotschaft nahtlos an das Thema Sparen an. Die Finanzpolitik der nächsten Jahre werde im Zeichen des Sparens stehen, die Bundesverwaltung müsse sich auf eine Diät gefasst machen. Ein Stellenabbau von einigen hundert Stellen beim Bundespersonal werde auch im Bereich Verteidigung Spuren hinterlassen, zusätzlicher Stellenbedarf müsse mit interner Umverteilung abgedeckt werden. Nach der zügigen Abwicklung des statutarischen Teils stellte der Leiter Kommunikation und Ausbildung bei der Militärversicherung (MV), Marc Heimann, die geplante Revision des Militärversicherungsgesetzes (MVG) vor, welche eine Prämienerhöhung von 14% und Kürzungen der In- tegritätsleistungen beinhalten solle. Dies lehne die MV in ihrer Stellungnahme klar als unnötig ab, da sie kostendeckend arbeite und er bitte die betroffenen Personalverbände um Unterstützung. Anschliessend vermochten zwei hochkarätige Redner mit interessanten Vorträgen die Versammelten in den Bann zu ziehen. Zuerst referierte der Zugeteilte Höhere Stabsoffizier/WEA Ausbildung und designierte Kdt Heer, Div Daniel Baum- Div aD Roubaty führt durch die Generalversammlung. Bild: Beat Schild, VKB gartner, über die zukünftige Ausbildung in der WEA. Ausgehend von den aktuellen Gefahren und Risiken erläuterte er die Ausbildungsgrundsätze der WEA, welche nicht zuletzt auch die Attraktivität der Miliz- und Profikader steigern werde. Zum Schluss präsentierte der Direktor der Militärakademie an der ETH Zürich (MILAK) seine Akademie und stellte dabei Ausbildungsziele, Leitprinzipien und Herausforderungen der Ausbildung der Berufsoffiziere heute und mit der WEA vor. Jürg Studer Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 63 Bücher 100 Schlachten Kriege, die unsere Welt verändert haben Köln: Parragon, o. J., ISBN 978-1-4454-8735-9 Die hundert Schlachten werden in drei Kapitel unterteilt, beginnend mit der Antike und 2008 in Georgien endend. Dabei werden die reich bebilderten Fakten pro Schlacht auf ein bis vier Seiten dargestellt, so dass in jedem Fall eine schnelle Übersicht gewährleistet ist. Zusätzlich wird jede Schlacht in einem separaten Kasten mit den wichtigsten Daten und Fakten und einem Kartenausschnitt zusammengefasst. Oftmals wird eine Schlachtordnung mit der entsprechenden Kriegstaktik farbig eingefügt und eine Beson- derheit der Schlacht in einem weiteren, andersfarbigen Kasten hervorgehoben. So werden verschiedene Geschütze, Ritter wie Soldaten, Ausrüstungen, Kampfflugzeuge oder Flugzeugträger kurz beschrieben oder Kurzbiografien zu Feldherren eingefügt. Die so gewonnenen Informationen erlauben keine detaillierten Erkenntnisse, liefern aber eine gute Übersicht und ermöglichen schnelle Vergleiche. Andrea Grichting Leonhard Neidhart Politik und Parlament der Schweiz Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2013, ISBN 978-3-03823-786-0 Leonhard Neidhart nimmt uns mit auf eine Zeitreise ins 20. Jahrhundert. Mit einer chronologischen Darstellung durchstreift er dabei die Debatten der eidgenössischen Räte anhand des Stenographischen Bulletins (Protokolle der Ratsdebatten). Es entsteht so ein monumentales Bild des politischen Lebens unter der Bundeskuppel. Der Autor schätzt die beiden Eidg. Räte, den Stände- und den Nationalrat, ähnlich wie den Bundesrat, als «hochstabile institutionelle Kerne der ‹Willensnation Schweiz›» ein. Das System funktioniert denn auch wirklich seit 1849 und sein Ende ist nicht abzusehen. Die Beständigkeit entbehrt jedoch nicht des Wandels: die direkte Demokratie wird zwar im Laufe ihrer Geschichte temporär und teilweise ausser Kraft gesetzt, erweist sich aber mittels Volksabstimmungen, Volksinitiativen und Gesetzesreferenden als dauerhaft stabile Plattform, um viele Reformen zwar nicht unbedingt zeitgerecht, dafür aber über gesicherte Mehrheiten bei Volk und Ständen durchzuführen. Ein Beispiel. Im Herbst 1918, nach Kriegsende, als Not und Entbehrung der Arbeiterschaft zu Forderungen nach Versammlungsfreiheit, besserer Vertei- 64 lung von Kohle und Lebensmitteln, höheren Löhnen bei reduzierten Arbeitszeiten und Förderung des kommunalen Wohnungsbaus führten, die der Bundesrat mit dem Aufgebot von Militär beantwortete, kam es zum grossen Streik. Es war «dieses gewaltigste Ereignis in der bisherigen Geschichte der schweizerischen Arbeiterschaft» (Friedrich Heeb), welches auch und gerade im Parlament zu dramatischen Szenen führte, wie man nun bei Neidhart nachlesen kann. Als der Generalstreik am 10. November ausbrach, traten die eidgenössischen Räte am 12. November zu einer ausserordentlichen Session zusammen, in welcher die vom Bundesrat erlassenen notrechtlichen «Massnahmen gegen Angriffe auf die innere Sicherheit der Eidgenossenschaft» genehmigt werden sollten. In Zürich und in weiteren Orten war aber bereits scharf geschossen worden. Unter den vierzig Rednern befand sich auch Nationalrat Herman Greulich. Er berichtete unter anderem, wie er selbst den Übergriff des Militärs auf eine Demonstration von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern auf dem Zürcher Fraumünsterplatz erlebt hatte: «Der junge Leutnant … verliert den Kopf und kommandiert Feuer. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 05/2016 Ich war, als jene Schüsse fielen, höchstens 200 Meter davon entfernt. … Die zweite Abteilung ist offenbar, so wurde mir gesagt, mit gefälltem Bajonett gegen die Masse zugelaufen. Dann sei wieder geschossen worden.» Greulich erklärte sich solidarisch mit den Streikenden: «Wenn die ins Loch kommen, dann soll man mich auch hineinstecken», schloss der 76-jährige Zürcher Sozialdemokrat sein Votum unter starkem Beifall «bei den Sozialdemokraten und auf der Tribüne». Für Bundespräsident Felix Calonder (GR, FDP) hatten die gefährlichen Umtriebe nicht mit friedlichen Sozialisten zu tun, sondern waren das Werk von «skrupellosen Hetzern … Vertretern des bolschewistischen Terrors» und es waren in seinen Augen «aufrührerische Bewegungen, … revolutionäre, anarchistische Wühlereien». Diese «frechen» Aktivitäten hätten die Zürcher Bevölkerung «nach und nach … in hochgradige Aufregung» versetzt und der Kanton habe deshalb den Bundesrat um den Einsatz der Armee gebeten. Am 14. November um 08.30 Uhr konnte der Bundesrat dem Parlament den bedingungslosen Abbruch des Generalstreiks feierlich und siegesbewusst bekannt geben: «Der Alpdruck ist gewichen. Frei und stolz erhebt die schweizerische Demokratie ihr Haupt. … Dank und Gruss dem Schweizervolk, das in seiner erdrückenden Mehrheit treu zum Bundesrat gestanden ist.» Viele Forderungen der Streikenden wurden jedoch allzu spät erfüllt: so etwa die AHV 30 Jahre und die politische Gleichstellung der Frau sogar erst 55 Jahre danach. Das Fenster, in dem die parlamentarische Behandlung der Diskussion über den Landesgeneralstreik, eines die moderne Schweiz prägenden Ereignisses, ersichtlich wird und das sich zusammen mit unzähligen anderen Fenstern und Lukarnen im Parlamentsgebäude durch Neidharts neuestes Werk öffnet, ist nur eines von vielen Beispielen einer faszinierenden episodischen Illustration der politischen Geschichte der Schweiz. Das Substrat sind die stenographischen Aufzeichnungen unermüdlicher Bundesbeamter. Zugleich aber ist «Politik und Parlament der Schweiz» eine würdige, wenn auch nicht direkte und systematische Fortsetzung der hagiographischen Darstellung «Die Schweizerische Bundesversammlung 1848 –1920» von Erich Gruner aus dem Jahr 1966. Oswald Sigg Bücher Ulrich Pfister Konfessionskirchen Glaubenspraxis und Konflikt in Graubünden, 16. –18. Jahrhundert Nr. 05 – Mai 2016 Wer sich im Rahmen einer historisch fundierten Abhandlung mit den konfessionellen Rahmenbedingungen im Freistaat der Drei Bünde und mit den Verhältnissen in den südlichen Untertanenländern auseinandersetzen will, greift mit Gewinn zum oben genannten Werk, das klar strukturiert ist und einen guten Überblick über die schier undurchsichti- gen Verhältnisse liefert. Der Autor, eine Autorität auf dem Gebiet der Konfessionalisierungsgeschichte und Dozent an der Universität in Münster, bestätigt im Abschnitt «Kirchliche Geographie» klar die Beschränkung auf Graubünden. Anlässlich eines Konflikts um die Zulässigkeit des protestantischen Bekenntnisses im Veltlin stemmte sich die erboste reformierte Geistlichkeit Berns gegen jegliche Hilfeleistung an Graubünden. Der bernische Rat erwog, dass es auf alle Fälle ein Vorteil sei, dass das Veltlin, gleichviel unter welchem Glauben, den Habsburgern entrissen werde und an Bünden zurückkehre. Felix Bendel Schweizer Armee Militärische Ehren Bern: ZEM, 2014, Dokumentation 51.341 d (keine ISBN) Die Welt, wie sie sein sollte, ist nicht immer die Welt, wie sie ist. Ob es in unseren postmodernen Zeiten wirklich «unverhandelbare» Dinge gibt, wie der EDA-Protokollchef Lorenzo Schnyder von Wartensee in seinem Vorwort zur neuen Dokumentation «Militärische Ehren» schreibt, wagt dieser Rezensent aufgrund einiger Erfahrung zu bezweifeln. Um- so willkommener ist es, dass Schnyder von Wartensee und sein Amtskollege, der Chef des Militärprotokolls Reto P. Senn, hier kraftvoll dazu beitragen, dass die Usanzen im internationalen Verkehr auch im heutigen Helvetien beachtet werden. Die zweckmässig illustrierte willkommene Dokumentation macht sichtbar, was selbst unser nüchternes 182. Jahrgang Impressum Würzburg: Ergon Verlag, 2013, ISBN 978-3-89913-838-2 und bescheidenes Vaterland heute wem an militärischen Ehren bietet. Das zivile wie das militärische Protokoll tragen dazu bei, die Souveränität der Heimat in würdiger Weise sichtbar zu machen und die Stellung der Schweiz unter den unabhängigen Nationen deutlich zu behaupten. Jürg Stüssi-Lauterburg Präsident Kommission ASMZ Christoph Grossmann, Oberst i Gst a D, Dr. oec. HSG Chefredaktor Divisionär Andreas Bölsterli (BOA) Redaktionssekretariat ASMZ c/o Verlag Equi-Media AG Postfach 732, CH-8604 Volketswil Telefon +41 44 908 45 60 Fax +41 44 908 45 40 E-Mail: [email protected] Stellvertreter des Chefredaktors Oberst i Gst Michael Arnold, lic. phil. II (AM) Redaktion Oberst i Gst Andreas Cantoni (ac) Andrea Grichting Zelenka, lic. phil. (ga) Oberst Dieter Kläy, Dr. phil. I (dk) Oberstlt Pascal Kohler (pk) Hptm Christoph Meier (cm) Major Peter Müller, Dr. rer. pol. (pm) Hptm Daniel Ritschard, lic.oec.HSG (DR) Henrique Schneider, Prof. Dr. (Sc) Major Markus Schuler (M.S.) Oberstlt Jürg Studer (St) Oberstlt Eugen Thomann, lic. iur. 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Es ist das Verdienst des Autors, welcher sich in verschiedenen beruflichen Funktionen seit Jahren mit strategischen Fragen befasst, Ordnung und Verständnis in die Herausforderung der Strategie zu schaffen. Das umfassende Buch (über 600 Seiten) bietet einerseits eine Einführung in die Werke der wichtigsten Denker der Strategie und fokussiert auf die wich- tigsten strategischen Prinzipien. Diese werden theoretisch behandelt, aber mit praktischen Beispielen verdeutlicht. Der Hauptteil des Werkes widmet sich dann einem umfassenden Katalog der strategischen Prinzipien, welche einheitlich präsentiert werden. Jedes Prinzip wird nach den Stichworten Ziele, Potentielle Gegenprinzipien, ähnliches Prinzip und Kategorien stichwortartig beschrieben. Eine Sammlung der Quellen rundet jede Beschreibung ab. So kommt das Buch als sehr nützliche Hilfe beim Studium von strategischen Fragen und Literatur daher. Es erleichtert die meist mühevolle Befassung mit den Klassikern der Strategie, aber auch mit der Fülle von strategischer «Ratgeberliteratur» aus Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Militär. So schafft das Werk, was es zum Ziel hat: es reduziert die Komplexität des Themas und lernt, wie man strategisch denkt und einen strategischen «Mindset» entwickeln kann. Igor Perrig Bezugspreis inkl. 2,5 % MwSt Kollektivabonnement SOG ermässigt Jahresabo Inland Fr. 78.– / Ausland Fr. 98.– Probeabo Schweiz (3 Ausgaben) Fr. 20.– Auflage: Druckauflage 19500 Druck: galledia ag, 9230 Flawil © Copyright Nachdruck nur mit Bewilligung der Redaktion und Quellenangabe www.asmz.ch Nächste Ausgabe: 1. Juni 2016 Schwergewicht: • Ausbildung FIS HE an der HKA • Rüstungsprogramm 2016 • Bodenseekonferenz • Swiss Mission to NATO «Spitzenleistungen mit Präzision und Ausdauer.» Infos: helvetia.ch/alpentransit Dario Cologna | Olympiasieger Langlauf Gotthard-Basistunnel: ein Bauprojekt der Superlative. 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