Gespaltene Lohnwelt (April 2016)

Wirtschaftspolitik
Michael Schlecht, MdB
wirtschaftspolitischer Sprecher
Bundestagsfraktion – April 2016
www.michael-schlecht-mdb.de
Gespaltene
Lohnwelt
Die Löhne steigen. Dank Einführung des Mindestlohns sogar bei den untersten Einkommen.
Bei der derzeit niedrigen Inflation kann von den
Erhöhungen sogar mehr konsumiert werden.
Doch das Lohndumping, das in Deutschland in
Folge der Agenda 2010 unter Kanzler Schröder
durchgedrückt und später unter Merkel fortgeführt wurde, wirkt immer noch:
Anfang der 2000er Jahre betrug die Lohnquote
noch 72 Prozent, also der Anteil der Löhne und
Gehälter am Volkseinkommen. Mit der Agenda2010-Politik brach die Lohnquote deutlich ein
auf 68 Prozent und verharrt dort.
Hinter dem Rückgang der Lohnquote um vier
Prozentpunkte seit 2000 steckt richtig viel Geld.
Mehr als 80 Milliarden Euro hätten die Beschäf-
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tigten 2015 bekommen, wäre die Lohnquote
noch so hoch wie im Jahr 2000.
Gewinne sprudeln, Löhne abgekoppelt
Bei Unternehmern und Kapitaleignern knallen
jedoch schon seit vielen Jahren die Champagnerkorken. Seit 2000 sind deutlich mehr als eine
Billion Euro in ihre Taschen geflossen. Das ist
faktisch eine kalte Enteignung der Beschäftigten! Trotz Finanzkrise sind die Gewinn- und
Unternehmenseinkommen seit 2000 um traumhafte 64 Prozent gestiegen.
Die Löhne konnten da nicht mithalten. Die
Summe aller Nettoverdienste, also die Nettolöhne und -gehälter der Beschäftigten, stieg im
gleichen Zeitraum gerade einmal um 40 Prozent. Ähnlich entwickelten sich die Bruttolöhne
und -gehälter, also die Nettoverdienste plus
abzuführender Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen der Beschäftigten.
Nettolöhne und -gehälter
+ Sozialversicherungsbeiträge der
Arbeitnehmer und Steuern
= Bruttolöhne und -gehälter
+ Sozialversicherungsbeiträge der
Arbeitgeber
= Arbeitnehmerentgelte
Noch etwas weniger – um 38 Prozent – stieg
die Summe der Arbeitnehmerentgelte aller Beschäftigten, also alle Bruttoverdienste plus Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber. Da
die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber
von den Beschäftigten erwirtschaftet werden
und den Beschäftigten zu Gute kommen, ist es
richtig die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber auch als Bestandteile der Entlohnung
der Beschäftigten zu rechnen.
2005 wurde die jeweils hälftige Finanzierung
der Krankenversicherung durch Arbeitnehmer
und Arbeitgeber gekippt. Seitdem zahlen die
Arbeitgeber weniger als die Arbeitnehmer in die
Krankenversicherung ein. Daher steigen die
Arbeitnehmerentgelte auch geringer an als die
Bruttolöhne und -gehälter. Mit der Einführung
und Ausweitung diverser Zuzahlungen im Gesundheitswesen bezahlen die Beschäftigten die
Entlastung der Arbeitgeber bei der Krankenversicherung aus den Nettolöhnen und -gehältern,
so kann Lohnsenkung auch aussehen.
Preisbereinigt, im Durchschnitt: Lohnflaute
Viele kennen es: Zwar steigen die Löhne, aber
im Supermarkt wird auch mehr beim Einkauf
fällig, die Mieten steigen und Lebensmittel kosten immer mehr. Die Entwicklung der Löhne an
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sich sagt nicht viel darüber aus, was tatsächlich
im Einkaufskorb landen kann.
Den 38 Prozent Steigerung bei der Summe aller
Arbeitnehmerentgelte steht eine Preissteigerung von rund 26 Prozent gegenüber. Die
preisbereinigte Summe der Entgelte, die alle
Arbeitnehmer bekommen haben, ist um neun
Prozent seit 2000 gestiegen. Dies entspricht
einem jährlichen Plus von nur 0,6 Prozent.
In der Öffentlichkeit werden auch andere
Zahlen für die Reallöhne verwendet. Das
liegt an der unterschiedlichen Berücksichtigung von Preisentwicklungen. Wir
verwenden für die Preisbereinigung den
sogenannten „harmonisierten Verbraucherpreisindex“. Dieser gibt am besten
die für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen entscheidende Preisentwicklung wieder. Auch für internationale Vergleiche eignet er sich gut.
Ausführlich zur Frage der Preisbereinigung: http://www.michael-schlechtmdb.de/?attachment_id=5684
Schaut man sich die preisbereinigten Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigten an, also die
durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelte, dann
ist die Entwicklung noch ernüchternder. 1,2
Prozent verdiente ein Beschäftigter im Durchschnitt 2015 gerade einmal mehr als 2000. Die
38 Prozent Anstieg erweisen sich bei genauerem Hinsehen als Lohnflaute.
Wie werden aus einem Lohnanstieg für alle von
neun Prozent, für den Einzelnen nur 1,2 Prozent? Die Anzahl der Beschäftigten ist seit 2000
um 2,4 Millionen gestiegen! Das ist ein Plus von
knapp acht Prozent. Jetzt teilen sich mittlerweile
38,7 Millionen Beschäftigte eine nur mäßig gestiegene Lohnsumme.
Die Arbeitnehmerentgelte je Stunde liegen 2015
preisbereinigt bei rund sechs Prozent mehr gegenüber dem Jahr 2000. Davon profitieren jedoch nicht alle.
In den letzten 15 Jahren ist der Anteil der Überstunden, die weder bezahlt noch durch Freizeit
ausgeglichen oder auf Arbeitszeitkonten gutgeschrieben wurde, an allen geleisteten Überstunden stetig gestiegen. Wer Überstunden
leisten muss, leistet sie zunehmend als unbezahlte Überstunden. Statt eines höheren Stundenlohns bekommen viele für einen höheren
Anteil an Überstunden gleich gar keinen Lohn
mehr. 2015 wurden rund eine Milliarde unbezahlte Überstunden geleistet, dies entspricht
rund 600.000 Vollzeitstellen.
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Gespaltene Lohnwelt
Die preisbereinigten Arbeitnehmerentgelte je
Beschäftigten sind von 2000 bis 2015 gerade
einmal um 1,2 Prozent gestiegen. Berücksichtigt man die arbeitgeberseitigen Beiträge zur
Sozialversicherung nicht, dann hat man die
Bruttoverdienste je Beschäftigten, die um drei
Prozent gestiegen sind.
Hinter diesen Durchschnittswerten zu den Löhnen verbergen sich sehr unterschiedliche Entwicklungen. Wir haben eine gespaltene Lohnwelt! Diese Spaltung läuft entlang der Löhne mit
Tarifschutz und ohne.
Die Tariflöhne sind preisbereinigt in den Jahren
2000 bis 2015 um 12 Prozent angestiegen. Von
2004 bis 2008 sanken sie leicht und 2000 bis
2012 stiegen sie gerade einmal um fünf Prozent. Erst in den letzten Jahren gab es wieder
deutlichere reale Tariferhöhungen, die zu dem
Gesamtergebnis führten.
So positiv die Plus 12 Prozent sind, wurde damit der verteilungsneutrale Spielraum der letzten 15 Jahre nicht ausgeschöpft. Die Verteilungslücke liegt bei vier Prozentpunkten. Auch
im Bereich der Tariflöhne gab es eine weitere
Umverteilung zugunsten des Kapitals.
Verteilungsneutraler Spielraum
In der gewerkschaftlichen Tarifpolitik
werden Lohnerhöhungen angestrebt, die
zumindest zur gleichen Aufteilung des
Volkseinkommens zwischen Lohnarbeit
und Kapital wie im Vorjahr führen. Wenn
dies erreicht wird findet keine Umverteilung von unten nach oben, aber auch
nicht umgekehrt statt.
Der verteilungsneutrale Spielraum wird
bestimmt durch die Preissteigerungsrate
und dem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktivität.
In früheren Jahrzehnten war diese Formel auch von Unternehmerseite akzeptiert. Dies auch deshalb um den Versuch
der Gewerkschaften abzuwehren mit einer dritten Komponente, der Umverteilungskomponente eine Umverteilung
von oben nach unten durchzusetzen.
Dies ist schon lange Geschichte. Heute
wird es zum Teil bereits als Erfolg betrachtet, wenn die Lohnerhöhung der
Preissteigerungsrate entspricht.
Auch wenn für Beschäftigte, die unter dem
Schutz eines Branchentarifvertrages arbeiten
die Lohnentwicklung insgesamt noch mit einem
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deutlichen realen Plus versehen war, ist problematisch, dass dieser Personenkreis immer
kleiner wurde. Im Jahr 2014 hatten nur noch 50
Prozent der Beschäftigten einen Branchentarifvertrag. Zu Beginn der 1990er Jahre arbeiteten
noch 70 Prozent der Beschäftigten unter einem
tarifvertraglichen Dach.
Zu den Branchentarifverträgen kommen noch
acht Prozent der Beschäftigten hinzu, für die ein
Firmentarifvertrag galt. Jedoch orientieren diese
sich häufig an dem Niveau des Branchentarifvertrages.
Für letztere gibt es auch am ehesten kämpferische Tarifrunden, in denen Fortschritte durchgesetzt werden können. Arbeitskämpfe isoliert
für einzelne Betriebe kreisen meist – wenn sie
denn überhaupt geführt werden – um das Ziel
der Ankoppelung des Firmentarifvertrages an
einen Branchenvertrag oder sie dienen der Abwehr von Verschlechterungen.
Besonders dramatisch stellt sich die Lage für
Beschäftigte ohne Tarifschutz dar. Der preisbereinigte Bruttolohn je Beschäftigten ist gegenüber 2000 um 17 Prozent abgestürzt. Selbst
ohne Berücksichtigung der Inflation wurden den
Beschäftigten bis 2010 Einbußen aufgedrückt.
So sieht in Zahlen ausgedrückt der „Niedriglohnsektor“ aus, auf den Ex-Kanzler Schröder
so stolz ist.
Nicht-tarifgebundene Löhne
Es gibt bislang so gut wie kein statistisches Material über die Entwicklung der
nicht-tarifgebundenen Löhne. Als eine
Näherung haben wir mit ökonometrischen Modellrechnungen die Entwicklung
der nicht-tarifgebundenen Löhne ermittelt. Wir gehen davon aus, dass Ergebnis
einer detaillierten Datenerhebung zu einem noch dramatischeren Befund führen
würde.
Skandalös ist, dass die schwache Lohnentwicklung besonders Menschen hart getroffen hat,
die ohnehin nicht besonders viel verdienten. Die
Beschäftigten, die 2000 zu den 40 Prozent der
unteren Einkommensbezieher gehörten, liegen
immer noch preisbereinigt deutlich unter den
Löhnen von 2000. Bis 2010 lagen ihre Löhne
noch in der Spitze um 20 Prozent im Minus gegenüber 2000. Die obersten zehn Prozent der
Arbeitnehmer schafften es hingegen auf ein
reales Plus von 15 Prozent von 2000 bis 2012,
seitdem ist die Entwicklung ungebrochen. Die
Einkommen der mittleren Einkommensschichten stagnierten bis 2012. Mit der etwas stärkeren Reallohnentwicklung der letzten Jahre sollten sie bei einem prozentualen Plus im oberen
einstelligen Bereich gegenüber dem Jahr 2000
liegen.
Tariflandschaft: auch keine heile Welt
Auch bei den Tariflöhnen selbst gibt es wiederum erheblich unterschiedliche Entwicklungen.
Sie hängen eng mit den Kampfbedingungen
und dem gewerkschaftlichen Organisationsgrad
in den verschiedenen Tarifbereichen zusammen.
Am besten ist die tarifpolitische Lage in der
Chemie- sowie der Metall- und Elektroindustrie.
Hier wurde der Verteilungsspielraum ausgeschöpft und sogar im Zeitraum 2000 bis 2015
um 1,6 bzw. 2,1 Prozentpunkte übertroffen.
Aber auch die Tarifbereiche von IG-BCE und
IG-Metall stehen unter Druck. Gerade noch
rund 30 Prozent der Betriebe im verarbeitenden
Gewerbe sind an einen Flächentarif, weitere
drei Prozent zumindest an einen Firmentarif
gebunden. Da oft Betriebe mit vielen Beschäftigten einem Tarifvertrag unterliegen, fallen im
verarbeitenden Gewerbe zumindest etwas mehr
als die Hälfte der Beschäftigten in der Branche
unter einen Flächentarif und weitere zehn Prozent unter einen Firmentarif. Das heißt aber
auch, rund 40 Prozent sind eben nicht mehr
tariflich beschäftigt. Und der Anteil der nichttarifgebunden Beschäftigten hat in den letzten
Jahren eher zugenommen.
Zudem ist die Einhaltung von Tarifverträgen
heute schlechter als in früheren Jahrzehnten.
Der Druck ist im letzten Jahrzehnt so stark geworden, dass zum Beispiel die IG Metall sich im
„Pforzheimer Abkommen“ von 2004 gezwungen
sah, betriebliche Abweichungen vom Branchentarifvertrag explizit zu regeln. 2011 nutzten rund
20 Prozent der Betriebe solche Öffnungsklauseln, in denen abweichende, also zumeist
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schlechtere Lohnregeln als Tarif, vereinbart
sind.
Leiharbeit und 70 Prozent in Werkverträge“, so
die IG Metall.
Betriebliche Schlechterstellungen finden vor
allem durch Kürzung der Jahressonderzahlung
und/oder des zusätzlichen Urlaubsgeldes statt.
Dieser Effekt ist in den vorstehenden Zahlen zu
den Tariflöhnen nicht enthalten, da diese sich
immer auf Monatslöhne und nicht auf Jahressummen beziehen.
Diese Beschäftigten werden in der Regel
schlechter bezahlt als im Leihbetrieb üblich. In
unseren Zahlen sind diese Beschäftigten zudem
gar nicht abgebildet, da sie statistisch gar nicht
der Chemie- oder Metallbranche angehören.
Hinzu kommt die Tendenz, betriebliche Einheiten wie Kantine, Werkschutz, aber auch Entwicklungsabteilungen und andere aus dem
Stammbetrieb auszugliedern. Diese Tätigkeiten
werden in eigenen Unternehmen verselbstständigt oder an fremde vergeben. In der Regel gelten dann andere, schlechtere Tarifverträge oder
es gibt gar keinen Tarifschutz mehr.
Und trotz teilweise sogar höherer Lohnerhöhungen im Osten, liegt das tarifliche Lohnniveau
beispielsweise in der Metallindustrie in den
neuen Bundesländern bei teilweise nur 70 Prozent des Niveaus der alten Bundesländer- ein
tariflicher Niedriglohnsektor.
Schließlich kommt die Wirkung von Leiharbeit
oder Werkverträgen hinzu, die gerade in Metallund Elektroindustrie verbreitet sind. „In der Autoindustrie und auf den Werften sind bereits ein
Drittel der Beschäftigten in Randbelegschaften
abgedrängt worden, davon rund 30 Prozent in
In den binnenmarktbasierten Wirtschaftsbereichen, also vorrangig den Dienstleistungsbranchen ist die tarifpolitische Entwicklung seit 2000
sehr schwierig.
Im öffentlichen Dienst wurde der Verteilungsspielraum um 6,7 Prozentpunkte unterschritten,
wenngleich in den letzten Abschlüssen die Kluft
verkleinert werden konnte. Die Schwierigkeit
besteht vor allem darin, dass der öffentliche
Dienst im Wesentlichen aus Steuereinnahmen
bezahlt wird. Wenn mit politisch motivierten
Steuergeschenken an Reiche und Vermögende
in Höhe von mehr als 600 Milliarden Euro seit
2000 die öffentlichen Kassen geplündert wurden, dann verschlechtern sich die Durchsetzungschancen gewerkschaftlicher Tarifauseinandersetzungen.
Dies zeigte sich auch beim Streik im Sozial- und
Erziehungsbereich. Trotz einer erstaunlichen
Mobilisierung und Kampfbereitschaft der Kolleginnen, die vielerorts selbst eingefleischte Optimisten überrascht hat, sind die Beschäftigten
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auf massiven Widerstand der Arbeitgeber gestoßen. Immer wieder lautete das Argument:
„Die Kassen sind leer.“ So wurde in der Schlichtung dann auch nur eine Aufwertung von durchschnittlich rund drei Prozent geboten.
Dieses Schlichtungsergebnis wurde von der
Mitgliedschaft abgelehnt. Leider konnte der
Druck nicht genügend aufrechterhalten werden.
Das nur wenig nachgebesserte zweite Angebot
wurde zähneknirschend hingenommen.
Trotz gewerkschaftlich guter Organisierung,
Zunahme der Streikaktivitäten und kämpferischen Tarifrunden schafft es ver.di in vielen
seiner Tarifbereiche nicht den verteilungsneutralen Spielraum durchzusetzen.
Da ist es kein Wunder, dass dies in schlechter
organisierten und besonders durch prekäre Arbeit gekennzeichneten Branchen noch schlechter gelingt. Insbesondere im Einzelhandel wurde
seit 2000 im Wesentlichen nur die Preissteigerungsrate mit den Lohnerhöhungen ausgeglichen.
Selbst wo es Tarifverträge gibt, werden sie immer seltener eingehalten als früher. Hier spielen
Betriebsräte eine wichtige Rolle – sie achten auf
die Einhaltung von Tarifverträgen. Doch ihr Einfluss schwindet: 1996 hatten 40 Prozent der
Beschäftigten einen Branchentarifvertrag, 26
Prozent hatten zwar einen Branchentarifvertrag
aber keinen Betriebsrat. Bis 2014 gab es eine
deutliche Verschiebung: Gerade noch 26 Prozent hatten noch den Branchentarifschutz und
auch einen Betriebsrat, 20 Prozent hatten zwar
noch Tarifschutz aber keinen Betriebsrat.
Diese Bilanz ist ernüchternd. Nicht nur, dass die
Gewerkschaften in ihrem ureigenstem Bereich
der Tarifpolitik die Umverteilung von unten nach
oben nicht überall verhindern konnten.
Mit dem Rückgang der Tarifbindung und dem
vielfältigen Druck in den Betrieben, mit der
Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes verlieren Tarifabschlüsse zunehmend an Kraft. Anders als noch vor 20 und mehr Jahren haben
sie heute kaum noch eine Ausstrahlung auf die
Lohnentwicklung in tarifungebundene Bereiche.
Die Gewerkschaften haben längst die allgemeine gesellschaftliche Lohnsetzungsmacht verlo-
ren. Früher, zu Zeiten einer Tarifbindung von
60, ja 70 Prozent, strahlten die Tariflöhne auch
auf andere, nicht tarifgebundene Bereiche aus.
Insofern hatten die Gewerkschaften eine zentrale Rolle nicht nur bei der Tariflohnentwicklung,
sondern bei der effektiven Einkommensentwicklung im ganzen Land. Heute „strahlen“ die nicht
tarifgebundenen Bereiche, in denen häufig prekäre Arbeitsverhältnisse und schärfstes Lohndumping wie im Frühkapitalismus herrschen,
auf die Handlungsmacht der Gewerkschaften
aus. Dies ist u.a. der Grund für den unbefriedigenden Abschluss bei der Post. An den Rändern der Tariflandschaft bröckelt es immer
mehr. Auch in starken Tarifbereichen wird die
Lage immer brisanter.
Ursachen gewerkschaftlicher Defensive
Generell sind die Handlungsmöglichkeiten gewerkschaftlicher Lohnpolitik in den letzten zehn
bis 15 Jahren deutlich schwieriger geworden.
Die prekäre Beschäftigung hat sich – nachdem
Rot-Grün die Schutzzäune niedergerissen hatte
– immer mehr in die betriebliche Realität hineingefressen. Leiharbeit, Werkverträge und
auch Befristungen sind Instrumente, um die
Löhne unmittelbar zu drücken. Mittelbar wird
der Stammbelegschaft verdeutlicht, dass auch
andere, billigere Arbeitskräfte ihre Arbeit übernehmen können. Dies führt zur Disziplinierung
und zur Entsolidarisierung. Rückwirkend wird so
die Wahrnehmung von Interessen erschwert.
Die Tarifbindung und die Durchsetzungsbedingungen für erfolgreiche Tarifabschlüsse wurden
deutlich verschlechtert. Die Tarifautonomie ist in
Deutschland durch das Grundgesetz geschützt.
Mit der Agendapolitik wurde sie jedoch indirekt
massiv beschädigt.
Der viel bejubelte Anstieg der Beschäftigung bei
Rückgang der Arbeitslosigkeit ist positiv, hat
jedoch eine dramatische Kehrseite. Die rund 2,8
Millionen zusätzlichen Beschäftigten von 2000
bis 2015 teilen sich eine um gerade einmal etwas mehr als drei Prozent gestiegene bezahlte
Gesamtarbeitszeit. Wesentlich mehr Arbeit gibt
es nicht. Dafür hat ein dramatischer Umbau am
Arbeitsmarkt stattgefunden. Fünf Millionen
schlechte Arbeitsplätze – „Bad Jobs“ – sind
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entstanden. Dazu gehört die Ausweitung der
Leiharbeit, von Mini-Jobs und unfreiwilliger Teilzeitarbeit.
Alles Jobs, die in der Regel miserabel bezahlt
werden. Und die Beschäftigten trauen sich in
der Regel aufgrund des unsicheren Arbeitsverhältnisses nicht, für ihre Interessen zu kämpfen.
Häufig sind sie isoliert und haben nicht einmal
Kontakt zur Gewerkschaft. Viel zu viele Menschen müssen in diesen Jobs dann auch noch
befristet arbeiten.
Hinzu kommt noch ein Anstieg der SoloSelbstständigen um mehr als 300.000, also
Selbstständige ohne weitere Mitarbeiter. Darunter sind nicht wenige, die sich aus Angst vor
Arbeitslosigkeit selbstständig gemacht haben,
und immer mehr, die sich ihr klägliches Einkommen vom Amt aufstocken lassen müssen,
um über die Runden zu kommen.
Gleichzeitig sind seit 2000 rund 1,9 Millionen
reguläre Vollzeitarbeitsplätze vernichtet worden.
Unter dem Strich bleibt ein Plus von 3,1 Millionen zusätzlichen Jobs bei den Beschäftigten
und den Solo-Selbstständigen. Zum größten
Teil sind es prekäre Jobs mit unsicherer Lebenslage, schlechter Bezahlung und einer viel
zu kurzen bezahlten Arbeitszeit.
Zudem wirkt schon immer die Angst vor Arbeitslosigkeit, vor allem wenn Millionen trotz vermeintlichen Jobwunder in Deutschland keinen
Job haben und es schwer ist, einen neuen zu
finden. Diese Angst ist mit Hartz IV massiv verschärft worden. Die Furcht vor dem Absturz ist
als Gefühl in der Magengegend bei Millionen
Beschäftigten vorhanden. Jeder Vierte fällt bei
Arbeitslosigkeit sofort in Hartz IV wegen mangelnden Anwartschaftszeiten. Die Drohung, bei
Arbeitslosigkeit spätestens nach einem Jahr tief
abzustürzen, hat zu Angst und Schrecken bei
den Beschäftigten geführt. Durch Strafen des
Jobcenters wurden 2015 grundgesetzwidrig
über eine Million Hartz-IV-Empfängerinnen und
Empfänger unter das Existenzminimum gedrückt. Durch die Sorge, bei einem Arbeitsplatzverlust genauso menschenunwürdig behandelt zu werden, wirkt Hartz IV weit über den
Kreis der unmittelbar betroffenen Erwerbslosen
hinaus!
Wenn die Jobagentur jede bzw. jeden zum Kloputzen für 3,50 Euro und zum Hofkehren für
2,95 Euro in der Stunde verdonnern kann, ohne
Rücksicht auf vorherige Tätigkeit und Qualifikation, dann wirkt Hartz IV wie eine brutale disziplinarische Peitsche. Auch nach Einführung des
Mindestlohns ist das nicht ausgeschlossen,
denn Langzeitarbeitslose sind vom Mindestlohn
in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung ausgenommen. Zwar zeichnet sich ab,
dass von dieser Ausnahmeregelung wenig Gebrauch gemacht wird, doch auch die Perspektive dauerhaft in einen Job nur mit Mindestlohn
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gedrückt zu werden, wirkt disziplinierend. Dann
überlegen sich viele, ob sie ihre Rechte im Betrieb konsequent wahrnehmen. Das wirkt sich
auch auf die Kampfbereitschaft in Tarifrunden
aus. Wer Angst um den Job oder vor Hartz IV
hat, überlegt sich dreimal, ob er für den Erhalt
von Tarifverträgen eintritt oder für höhere Löhne
streikt.
Das deutsche Lohndumping setzt andere
Länder massiv unter Druck
Die wirkliche Ursache der Eurokrise liegt in einer deutschen Wirtschaftspolitik, die imperiale
Züge trägt. Von 2000 bis 2009 sanken die
preisbereinigten Löhne in Deutschland um rund
fünf Prozent. Die anderen Länder der Eurozone
hatten hingegen Reallohnerhöhungen von um
die zehn Prozent – so Frankreich, Italien und
Portugal – oder höher zu verzeichnen.
Mit dem Sonderweg Deutschlands in Gestalt
des Lohndumpings wurden die Euroländer
massiv unter Druck gesetzt. Sie wurden einerseits von der Exportmaschine Deutschland
überrollt. Andererseits wurde mit dem Lohndumping die Binnennachfrage in Deutschland
beschnitten und damit auch die Importe aus
anderen Ländern.
So stiegen die Außenhandelsüberschüsse
Deutschlands beständig an und summieren sich
von 2000 bis 2015 auf mehr als zwei Billionen
Euro. Die Kehrseite dieser Überschüsse waren
massive Außenhandelsdefizite in vielen Euroländern. Und diese Defizite waren die Grundlage für die massive Verschuldung und damit die
Eurokrise.
Diesen Zusammenhang machte die Bundesregierung jedoch nicht verantwortlich für die Krise,
sondern die „mangelnde Wettbewerbsfähigkeit“
der Krisenländer. Gemäß der Devise „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ bzw. „Europa redet deutsch“ (Fraktionsvorsitzender der
CDU Kauder) wurde den anderen Ländern das
deutsche Lohndumping und Sozialkürzungen
aufgeherrscht. Vor allem in den südlichen Ländern wurde eine brutale Austeritätspolitik
durchgesetzt. Gleichzeitig wurde mit den Lohn-,
aber auch Sozialkürzungen die Nachfrage, die
Kaufkraft massiv beschnitten.
Ausführlicheres hierzu in „Merkel gefährdet Europa“ unter www.michael-schlecht-mdb.de.
Trippel- und Nichtschritte der GroKo
In den letzten Jahren wurde die Kritik an der
ungenügenden (Tarif-)Lohnentwicklung von den
mit der Linken konkurrierenden Kräften immer
abgewehrt mit dem Argument, dass man damit
nichts zu tun habe. Es gelte ja die Tarifautonomie! Bestritten wurde damit, dass auch politi-
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sche Rahmensetzungen auf Tarifpolitik Einfluss
nehmen und damit die Tarifautonomie beschädigen. Die LINKE hat dies stets kritisiert und
auch deshalb auf Rückabwicklung der Agenda
2010 gedrungen, damit die Gewerkschaften
wieder bessere Durchsetzungschancen haben.
Auf Druck von Linken und Gewerkschaften hat
die GroKo endlich reagiert. Sie verabschiedete
ein Gesetz zur „Stärkung der Tarifautonomie“,
damit wird der Arbeitsmarkt wieder ein bisschen
rereguliert. Wörtlich heißt es in der Begründung
zu dem Gesetz:
„Die Ordnung des Arbeitslebens durch Tarifverträge ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. … Dies hat den Tarifvertragsparteien die ihnen durch Artikel 9 Absatz 3 des
Grundgesetzes überantwortete Ordnung des
Arbeitslebens strukturell erschwert.“
Damit hat die Regierung zum ersten Mal eingestanden, dass die politisch verschlechterte
„Ordnung des Arbeitslebens“ – gegenwärtig
muss man eher von einer Unordnung sprechen
– zentral dafür verantwortlich ist, dass gewerkschaftliches Handeln erschwert wurde.
Das beschlossene Gesetz zur „Stärkung der
Tarifautonomie“ beinhaltet Verbesserungen,
eine Wiederherstellung der „Ordnung am Arbeitsmarkt“ wird damit aber nicht gewährleistet.
Allgemeinverbindlichkeit: Der Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit ist nicht mehr davon abhängig, dass in der jeweiligen Branche mindestens 50 Prozent der Beschäftigten unter den
bestehenden Tarifvertrag fallen. Vielmehr ist die
Allgemeinverbindlichkeit möglich, wenn sie „im
öffentlichen Interesse geboten erscheint“.
Allerdings ist weiterhin ein gemeinsamer Antrag
der „Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und
der Arbeitnehmer“ erforderlich. Damit hat die
Spitzenorganisation der Arbeitgeber, die BDA,
ein Vetorecht. Die Allgemeinverbindlichkeit
kann von der Gewerkschaftsseite nicht gegen
die Arbeitgeber erzwungen werden.
Die Hoffnung mit der neuen Regelung in mehr
Branchen allgemeinverbindliche Tarifverträge
zu bekommen hat sich bisher nicht bewahrheitet und in den Gewerkschaften ziehen zunehmend Zweifel auf, ob sich daran etwas ändert.
Der BDA scheint seine Position weidlich auszunutzen und das zuständige Ministerium legt das
Kriterium „öffentliches Interesse“ sehr eng aus.
Notwendig wäre, dass der Antrag einer Tarifvertragspartei, also in der Regel einer Gewerkschaft, hinreichend ist, um die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages zu erreichen.
Mindestlohn: Auch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes ist Teil des Gesetzes zur
„Stärkung der Tarifautonomie“. Union und SPD
haben ihn ab 2015 eingeführt. Im Grundsatz ein
begrüßenswerter sozialpolitischer Fortschritt.
Für rund fünf Millionen Beschäftigte, die zu
Hunger- und Niedriglöhnen arbeiten mussten,
sind 8,50 Euro eine Verbesserung.
Das Lohndumping, die Kluft von 13 Prozent seit
2000 zwischen verteilungsneutralem Spielraum
und realer, effektiver Lohnerhöhung wird nur
marginal gemildert, denn die Erhöhung beträgt
nur bis zu ein Prozent. Gesamtwirtschaftlich
leistet der in Aussicht gestellte Mindestlohn nur
einen geringen Beitrag zur Stärkung der Binnennachfrage.
Die Bundesregierung hat für Jugendliche unter
18 und für Langzeitarbeitslose in den ersten
sechs Monaten der Beschäftigung, für Zeitungszusteller usw. Ausnahmen vom Mindestlohn zugelassen. Da 8,50 Euro ohnehin schon
die unterste Schwelle ist, ist diese Regelung
grotesk. DIE LINKE wird sich dafür einsetzen,
dass die Regierung diese Ausnahmen im Gesetz streicht.
Junge Menschen werden nicht auf eine Ausbildung verzichten, weil es einen Mindestlohn gibt.
Es gibt bereits heute deutlich unterschiedliche
Verdienstmöglichkeiten zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem Ausbildungsverhältnis. Dennoch wissen junge Menschen nur zu
gut, dass eine gute Ausbildung eine gute Berufs- und Einkommensperspektive eröffnet.
Damit junge Menschen die Chancen auf eine
Ausbildung haben, bedarf es eines ausreichenden Angebotes an guten Ausbildungsplätzen.
Ausbildung sollte aus gesellschaftlicher Sicht
immer Vorrang haben, und die Arbeitgeber
müssen hier mehr in die Pflicht genommen
werden.
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Hungerlöhne weit unter 8,50 Euro haben trotz
guter Arbeitsmarktlage in den letzten Jahren
nicht zu besseren Arbeitsmarktchancen für
Langzeitarbeitslose geführt. Zukünftig könnten
Arbeitgeber vermehrt Langzeitarbeitslose in
einem rollierenden System für höchstens sechs
Monate befristet einstellen, um den Mindestlohn
dauerhaft zu umgehen. Ein solcher Drehtüreffekt bedeutet heuern und feuern und belässt die
Beschäftigten in Armut trotz Arbeit.
Die Hauptkritik: Der Mindestlohn kommt viel zu
spät, und der Betrag ist zu niedrig. Der DGB hat
die Forderung von 8,50 Euro im Jahre 2010
aufgestellt. Diese Forderung hätte eigentlich
jedes Jahr gemäß Preis- und Produktivitätssteigerung angepasst werden müssen. Dann läge
2015 der Mindestlohn bei 9,50 Euro.
Eine Erhöhung des Betrages von 8,50 Euro soll
frühestens ab 2017 (!) erfolgen. Faktisch werden also zwei Jahre lang „Nullrunden“ verordnet. Kein Tarifpolitiker würde es wagen, seinen
Mitgliedern so etwas zuzumuten.
Aus Sicht der Linken ist die Forderung von 8,50
Euro ohnehin viel zu niedrig. 10 Euro ist das
Mindeste. Für die heute Beschäftigten müsste
der gesetzliche Mindestlohn sogar 11,50 Euro,
um später nicht die sogenannte ‚Grundsicherung im Alter‘ beantragen zu müssen.
Für die Gewerkschaften war und ist die Forderung nach dem Mindestlohn schwierig, da damit
eingestanden wird, dass für immer größere Bereiche die Tarifmacht weggebrochen ist.
Mit den Hartz-Gesetzen im März 2003 war absehbar, dass durch Fortfall des Zumutbarkeitsschutzes beim Arbeitslosengeld der freie Fall
der Löhne eingeleitet wurde. Die seit Jahren
schon laufende Zerbröselung von Tarifen drohte
durch Rot-Grün verschärft zu werden. In dieser
Situation wurde ver.di, später dem DGB die
Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn faktisch aufgezwungen. Denn in vielen
Organisationsbereichen von ver.di, insbesondere bei den privaten Dienstleistungen, war die
Tariflandschaft schon weitgehend zerfallen.
Insofern ist der gesetzliche Mindestlohn eher
eine Notwehrmaßnahme als eine fortschrittliche
Forderung. Es ist gut, wenn er jetzt kommt, je-
doch viel notwendiger ist die Stärkung der gewerkschaftlichen, tarifpolitischen Handlungsmöglichkeiten. Um das deutsche Lohndumping
zu überwinden, brauchen wir nicht nur einen
Mindestlohn von zehn, perspektivisch zwölf bis
13 Euro. Vielmehr müssen über mehrere Jahre
Tariflohnerhöhungen von mindestens sechs
Prozent für alle Beschäftigten möglich werden.
Hierzu muss die prekäre Beschäftigung beendet
werden. Wir brauchen eine neue Ordnung in
der Arbeitswelt. Sie muss wieder auf die Füße
gestellt werden.
Das muss drin sein: Prekarisierung und
Lohndumping stoppen
Leiharbeit verbieten: Die GroKo hat im Koalitionsvertrag Korrekturen bei der Leiharbeit in
Aussicht gestellt. Notwendig wäre dies. Auch
mit Leiharbeitern sind Arbeitskämpfe und ordentliche Lohnerhöhungen kaum möglich. Allerdings liegen die Pläne mittlerweile vollständig
auf Eis. Arbeitgeber in Tateinheit mit der Union
haben sich durchgesetzt.
Ohnehin griffen die vorgeschlagenen Regelungen der GroKo zu kurz: Jedes zweite Leiharbeitsverhältnis endet nach drei Monaten. Was
nützt da die Begrenzung der Leiharbeit auf 18
Monate? Was nützt da die Durchsetzung von
gleicher Bezahlung nach neun Monaten? Bei
Leiharbeit muss der Grundsatz gleicher Bezahlung zuzüglich einer Flexibilitätsprämie durchgesetzt werden, sowie weitere Regulierungen.
Perspektivisch ist Leiharbeit zu verbieten.
Befristung: Befristungen sind nicht nur eine
unzumutbare Unsicherheit für die Betroffenen.
Eine Planung des persönlichen Lebens ist kaum
möglich. Aufgrund dieser Unsicherheit scheuen
befristet Beschäftigte in der Regel davor zurück,
sich konsequent für ihre Interessen einzusetzen
oder gar zu streiken. Befristete Arbeitsverhältnisse dürfen nur in eng begrenzten, sachgrundbezogenen Ausnahmefällen zulässig sein.
Ver.di will in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen
tariflich die sachgrundlose Befristung zurückdrängen. Das ist ein ehrendes Ziel, kann aber
nicht eine gesetzliche Regelung ersetzen.
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könnten Gewerkschaften die
Einhaltung von Tarifverträgen gerichtlich durchsetzen.
Bislang muss dazu ein betroffener Arbeitnehmer selbst
aktiv werden. Dies scheitert
aber häufig an Unkenntnis
über die eigenen Rechte und
an der Angst vor Sanktionen
des Arbeitgebers.
Stopp der Tarifflucht bei
Betriebsverkauf: Auch der
Schutz von Beschäftigten bei
einem Betriebsübergang ist
zu gewährleisten. Bei Wechsel des Inhabers eines Betriebs sollten die alten Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung unbefristet geschützt bleiben.
Hartz IV: Das Sanktionsregime von Hartz IV bzw. der
Zwang zur Aufnahme jedes
noch so mies bezahlten Jobs
muss beseitigt werden. Er ist
nicht nur unsozial, sondern
führt auch zu Einschüchterung der Beschäftigten. Mit
Angst vor Arbeitsplatzabbau
sind diese erpressbar.
Werkverträge: Der Missbrauch von Werkverträgen zum Lohndumping muss unterbunden
werden. Entscheidend ist dabei, dass die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte ausgeweitet werden. Werkverträge, die die Unternehmensleitung vergeben will, müssen von ihren
Betriebsräten genehmigt werden.
Minijobs müssen von der ersten Stunde an in
voll sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze
umgewandelt werden. Ziel muss sein, dass
Teilzeitarbeit nicht unter 18 Stunden in der Woche geleistet wird.
Verbandsklagerecht: Die gewerkschaftlichen
Handlungsmöglichkeiten müssen zusätzlich
gesetzlich gestärkt werden. Hierzu gehört die
Einführung eines Verbandsklagerechtes. Dann
DIE LINKE fordert als Sofortmaßnahmen eine bedarfsorientierte repressionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 500
Euro zuzüglich Kosten der Unterkunft. Dies
würde die Lebenslage der Betroffenen deutlich
verbessern.
Mit ihrer Kampagne „Das muss drin sein“ sorgt
DIE LINKE mit dafür, dass die Schieflage auf
dem Arbeitsmarkt auf der politischen Agenda
bleibt. Und macht Druck, dass sich hier etwas
verbessert.
Weiteres zu wirtschaftspolitischen
Alternativen unter
www.michael-schlecht-mdb.de,
insbesondere unter der Rubrik
„Positionen“.