Empfehlungen zur Rechtsformwahl bei komplexen / größeren land

Empfehlungen zur Rechtsformwahl bei komplexen / größeren landwirtschaftlichen Betriebsstrukturen
RA Dr. Peter Fiedler, Hildesheim
Der Anteil der Kooperationen an den landwirtschaftlichen Betrieben insgesamt liegt heute bei
nahezu 10 % und wächst stetig. In den 25 Jahren seit der Wiedervereinigung sind große und
äußerst werthaltige Unternehmen entstanden, die mehreren Inhabern gehören. Neben der reinen Größe zeichnen sich die Unternehmen in den Neuen Bundesländern durch eine Reihe weiterer Besonderheiten aus, wie etwa eine große Anzahl von Gesellschaftern, die Nutzung von
Kapitalgesellschaften und die Bildung von Konzernstrukturen; alles das gibt es zwar auch in
den Alten Bundesländern, jedoch in einem weitaus geringeren Umfang.
Typisch für größere Betriebsstrukturen ist eine stärkere Position der Gesellschaft gegenüber
ihren Mitgliedern. Dies kommt zum Ausdruck in der großen Zahl von Gesellschaftern, der Ansiedlung des Bodeneigentums im Gesellschaftsvermögen und nicht zuletzt auch in der Wahl der
Kapitalgesellschaft, also einer GmbH, eG oder AG. Bei der Rechtsformwahl sind die Vor- und
Nachteile gerade dieser Rechtsformen also besonders zu berücksichtigen.
Von großer Bedeutung sind zunächst die Bewertungsfragen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Gesellschaftern. Nicht selten haben besonders gut geführte Betriebe landwirtschaftliche Eigentumsflächen von 1.000 ha oder mehr erwerben können. Sind in diesen Fällen
bereits die Anschaffungskosten beträchtlich gewesen, werden diese von dem heutigen Vermögenswert in der Regel um ein Mehrfaches übertroffen. Wird bei Ausscheiden eines Gesellschafters der volle Wert des Gesellschaftsvermögens zugrunde gelegt, kann das den Fortbestand
der Gesellschaft in Frage stellen. Kritisch ist vor allem die Finanzierung einer Abfindung in Fällen, in denen sich der landwirtschaftliche Grundbesitz im Vermögen der Gesellschaft selbst befindet. Für eine Abmilderung des Finanzierungsproblems können landwirtschaftliche Kooperationen nicht auf Sondervorschriften zurückgreifen, wie sie im Erb- und Familienrecht gelten. Regelungen im Gesellschaftsvertrag, die Abfindungsansprüche reduzieren sollen, müssen sich am
allgemeinen Gesellschaftsrecht messen lassen. Danach gelten – mit Ausnahme der eG – erhebliche Einschränkungen der Vertragsfreiheit: Eine hinter dem vollen, „objektiven“ Unterneh-
menswert zurückbleibende Abfindung wird nicht selten von den Gerichten nachträglich nach
oben korrigiert.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen bei der Vertragsgestaltung aber auch weitere Punkte: So
müssen bei einer Vielzahl von Gesellschaftern Regelungen zur Vererbung und zur Anteilsübertragung genau überlegt sein, da es sonst zu einer problematischen Vermehrung von Gesellschaftern, auch von Erbengemeinschaften als Gesellschafter kommen kann. Große Bedeutung
hat die Anteilsvinkulierung auch bei der einvernehmlichen Veräußerung des Gesamtbetriebes
oder einer Anteilsmehrheit sowie bei den auch in der Landwirtschaft vorkommenden „feindlichen Übernahmen“.
Schließlich sind in den letzten 25 Jahren oftmals durchaus komplexe Konzernstrukturen entstanden: Neben der ursprünglichen Agrargesellschaft sind Tochtergesellschaften hinzugekommen, man hat Beteiligungen an EEG-Gesellschaften, betreibt eine gewerbliche ServiceGesellschaft oder hat eine Holding-Struktur geschaffen. Die vorhandenen Gesellschaften erwerben verbreitet eigene Anteile und sind oft wechselseitig aneinander beteiligt. Bei vielen Gesellschaften sind diese Strukturen mehr oder weniger zufällig entstanden, die jeweiligen Gesellschaftsverträge sind nicht konsistent, so dass das Gesamtgebilde in sich nicht konsequent gegliedert ist. Das ist unproblematisch, solange sich an der Inhaberstruktur nichts ändert; spätestens bei Wechseln im Gesellschafterbestand durch Übertragung oder Verkauf können sich aber
erhebliche Probleme ergeben.
Die überall in Deutschland häufiger werdenden komplexen Betriebsstrukturen sollten deshalb
als ein eigenes Beratungsthema wahrgenommen werden, für das zunächst steuerlich, ebenso
aber auch betriebswirtschaftlich und juristisch geeignete Lösungen gesucht werden müssen.
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