Besatz mit Neobiota – 2. Teil

FISCHEN
Mai
Besatz mit Neobiota 
Gut gemeint, falsch gemacht! – Es gibt heute eine Vielzahl von nega­tiven Einflüssen,
die unsere Fisch­bestände dezimieren. Dabei sind nicht alle Faktoren so offensichtlich
wie die Zerstörung natürlicher Lebensräume durch Gewässerverbauungen, die große
Zahl an Prädatoren oder die fortschreitende Klima­erwärmung. – 2. und letzter Teil.
Text & Fotos Wolfgang Hauer
W
elche dramatischen Folgen die
Ausbreitung von Neobiota haben
kann, wird seit einigen Jahren am
Beispiel des Rotfeuerfisches deutlich.
Der ursprünglich im Pazifik, dem Indi­
schen Ozean und dem Roten Meer vor­
kommende Raubfisch wurde ohne böse
Absicht in die Karibik eingeschleppt.
Und obwohl nur wenige Exemplare in
den Atlantik gelangten, haben sie sich
dort invasionsartig ausgebreitet. Das
Problem dabei ist, dass sich die Fisch­
fauna in der ursprünglichen Heimat
der Rotfeuerfische auf die Jagdstrategie
dieser Raubfische seit Jahrtausenden
eingestellt hat. Im Atlantik hingegen
kennen die Fische diesen Räuber und
vor allem seine Jagdtechniken noch
nicht und haben deshalb keine Chance
gegen ihn. Wissenschafter haben fest­
gestellt, dass die Arten­gemeinschaften
vieler Riffe an der Ostküste der USA
vom Rotfeuerfisch mittlerweile schwer
gestört sind, manche Futterfischarten
sind dadurch bereits vom Aussterben
bedroht.
Auch bei uns in Österreich breiten
sich Neobiota längst aus, dabei gibt
es dieses Phänomen nicht nur bei
Fischen. An vielen unserer Gewässer
hat sich in den letzten Jahrzehnten das
aus Indien stammende Drüsige Spring­
kraut im wahrsten Sinne des Wortes
breitgemacht. Diese eingeschleppte
Pflanze über­
wuchert mancherorts
bereits ganze Gewässerufer, nicht
einmal unsere Brennnessel hat dagegen
eine Chance.
Auch der Riesenbärenklau breitet sich
immer mehr aus. Eine Berührung mit
dieser Pflanze zerstört den UV-Schutz
unserer Haut, und es kann in weiterer
Folge zu schweren Verbrennungen
durch UV-Licht (Sonne) kommen.
en.
Aber zurück zu den Fisch­
Sonnenbarsch und Zwergwels sind
ebenfalls Fremdfischarten, die unseren
heimischen Fischen das Leben zusätz­
lich schwer machen. Der Besatz mit
diesen beiden aus Amerika stammen­
den Arten ist aus guten Gründen
verboten, dennoch tauchen Sonnen­
barsche und Zwergwelse immer wieder
in neuen, abgeschlossenen Gewässern
auf. So manche vermeintliche „Tierlieb­
haber“ bringen diese Fischarten aus
ihren zu klein gewordenen Aquarien in
die „große Freiheit“ und übersehen
dabei völlig, dass sie dadurch eine öko­
logische Katastrophe auslösen können.
Sonnenbarsch
Ursprüngliches Vorkommen:
€€
Nordamerika
Lepomis gibbosus (Linnaeus, 1758)
€€
Familie: Centrarchidae, Sonnen­
€€
barsche, Sonnenfisch, Kürbiskern­
barsch
Maximalgröße: kaum über 25 cm
€€
Der aus Nordamerika stammende
Sonnenbarsch wurde eigentlich als
Zierfisch für Aquarien importiert.
Durch unüberlegtes Freisetzen ge­
langte er in viele heimische Gewässer
und vermehrte sich dort in Massen.
Dementsprechend finden wir etablierte
Bestände meist in der Nähe von
Ballungsräumen, wie etwa in der Alten
Donau in Wien. Oft aber auch in
kleinen strukturlosen und abgeschlos­
senen Gewässern, wie Schotter- oder
Gartenteichen, abseits großer Städte,
in denen er illegal ausgesetzt wurde.
Aufgrund seiner hohen Anpassungs­
fähigkeit gegenüber niedrigen Sauer­
stoffwerten, Gewässerverschmutzung
und hohen Wassertemperaturen be­
sitzt er das Potenzial, heimische
Fischarten (vor allem Kleinfischarten)
und Amphibien zu verdrängen. Beim
Sonnenbarsch kann man ein ausge­
prägtes Revierverhalten beobachten,
das sich bei dominanten Milchnern
nicht nur auf die Laichzeit beschränkt.
So werden die Reviere, oft in struktur­
armen Gewässern mit ins Wasser
ragenden Teilen, wie etwa Badeleitern,
vehement verteidigt.
Zur Laichzeit wird vom Milchner
eine Mulde am Gewässergrund vom
Schlamm befreit, und nachdem der
Rogner dort seine Eier abgelegt hat,
wird das Gelege vom Milchner bewacht.
Potenzielle Störenfriede wie beispiels­
weise andere Fischarten, aber auch
Badende werden attackiert bzw. ver­
trieben. Dass dabei manchmal Bade­
gäste in die Zehen „gezwickt“ werden,
ist eine Tatsache und hat dem
Sonnenbarsch mancherorts den Bei­
namen „Zehenbeißer“ eingebracht. Was
aus unserer Sicht zum Schmunzeln ist,
bedeutet für heimische Fischarten oder
Amphibien aber oft ernste Probleme.
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Den 1. Teil dieser
Serie finden Sie
auf unserer Website:
www.weidwerk.at
Zwergwels
Unterarten:
€€
– Schwarzer Zwergwels
(Ameiurus melas – Rafinesque, 1820)
– Brauner Zwergwels
(Ameiurus nebulosus – Lesueur, 1819)
Ursprüngliches Vorkommen: USA
€€
Familie: Ictaluridae, Zwergwelse,
€€
Katzenwels
Maximalgröße in Österreich: kaum
€€
mehr als 20 cm
Der aus den USA einge­
führte Zwergwels wurde
einerseits als Zierfisch für
Aquarien, aber auch in der
Hoffnung, ihn als Speise­
fisch verwenden zu kön­
nen, importiert. Allerdings
war er in beiden Fällen
nicht wirklich brauchbar,
einzelne Exemplare wur­
den dann sowohl absicht­
lich als auch unabsichtlich
freigesetzt. Die Fische er­
reichen bei uns meist
kaum mehr als 20 cm und
sind, trotz ihres schmack­
haften Fleisches, als Speise­
fische kaum interessant.
Das Problem dabei:
Zwergwelse vermehren sich
rasant und können in relativ kurzer
Zeit ganze Gewässer erobern. Dabei
fressen sie alles, was sie überwältigen
können, das können sowohl heimische
Kleinfische als auch Amphibien sein.
Im Extremfall kann ein dichter Zwerg­
welsbestand alle anderen Fischarten
verdrängen und so jede vernünftige
Bewirtschaftung bzw. Angelfischerei
unmöglich machen.
Als Beispiel für eine völlig unkontrol­
lierte Ausbreitung in einem ganzen
Gewässersystem sei hier der Po in
Italien angeführt.
SONNENBARSCH.
Der Sonnenbarsch ist ein Aquarienfisch,
besonders seine Brutpflege lässt sich hier
gut beobachten. Während der Laichzeit
fallen die roten „Ohren“ (Hautlappen) der
Milchner an den Kiemendeckeln auf.
ZWERGWELS.
Der Zwergwels lässt sich anhand seiner großen Fettflosse und seiner 10 Bartfäden leicht vom heimischen
Wels unterscheiden, der keine Fettflosse und nur
6 Bartfäden besitzt.
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