grüne bewertung der eeg-novelle

HINTERGRUND VOM 3. JUNI 2016
» GRÜNE BEWERTUNG DER EEG-NOVELLE
Wir müssen auch in Deutschland unsere Anstrengungen für den Klimaschutz erheblich verstärken, um
den weltweiten Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Das ist der glasklare
Handlungsauftrag des Pariser Klimaschutzabkommens.
Doch anstatt hochzuschalten, würgt die Bundesregierung mit der EEG-Novelle den Klimaschutzmotor
ab. Bis 2025 sollen die Erneuerbaren Energien auf maximal 45 Prozent des Stromverbrauchs
eingefroren werden. Ökostrom wird zur Schnecke, Klimaschutz bleibt auf der Strecke, und
zehntausende Arbeitsplätze in der Erneuerbaren-Branche werden gefährdet. Das alles ergibt
ökologisch und ökonomisch keinerlei Sinn.
Seit April kursiert ein Referentenentwurf des neuen EEG. Trotz zweier Treffen am 12. Und am 31. Mai
haben sich die Ministerpräsident*innen der Länder und die Bundesregierung nicht auf eine
gemeinsame Position einigen können. Jetzt droht die Unionsfraktion im Bundestag das Gesetz noch
weiter zu verschlechtern.
WESENTLICHE INHALTE DER NOVELLE
Der Ausbaukorridor von 40 bis 45 Prozent Anteil der erneuerbaren Energien am
Bruttostromverbrauch im Jahr 2025 wird beibehalten. Dieser, bereits 2014 eingeführte Deckel
birgt jede Menge Sprengstoff. Im letzten Jahr deckte Ökostrom bereits ein Drittel des
Stromverbrauchs ab. In den kommenden 10 Jahren dürfte der Ausbau folglich jährlich nur
maximal 1,2 Prozent mehr Ökostromanteile erbringen nach über 3 Prozentpunkten pro Jahr in
den letzten fünf Jahren. Gegenüber dem Zeitraum 2010-2015 wäre das ein Einbruch des
Ausbautempos von über 60 Prozent.
Für jede Ökostromtechnologie sollen verbindliche Obergrenzen für die jährliche
Ausschreibungsmenge eingeführt werden. In der Diskussion sind dabei die folgenden Werte:
Wind an Land: 2.800 MW brutto ab 2020 2.900 MW brutto (das heißt inklusive
Repowering)
Wind auf See: 730 MW
Solaranlagen (> 750 kW): 600 MW
Biomasse (>150 kW): 150 MW in 2017 bis 2019 und 200 MW in 2020 bis 2022
Die Mengen drohen im Zuge der politischen Beratungen von der Koalition noch weiter verringert
zu werden.
Erstmals sollen sogenannte Netzengpassgebiete festgelegt werden, in denen der jährliche Ausbau
von Windkraftanlagen noch zusätzlich eingeschränkt werden kann.
Die Vergütungshöhen sollen ab dem Jahr 2018 bei Windkraftanlagen, großen Solar- und
Biomasseanlagen über Ausschreibungen ermittelt werden. Der Bundestag wird dann nur noch
die Vergütungshöhen für kleine PV-Anlagen, Geothermie und Wasserkraftwerke festlegen.
Für Windprojekte an Land, die nach alten EEG vergütet werden und ab Juni 2017 ans Netz gehen
wird die Vergütung pauschal um 5 Prozent gekürzt.
Kleine Solaranlagen (unter 0,75 MW) sind von den Ausschreibungen ausgenommen. Für
Windkraftanlagen, die von lokal verankerten Genossenschaften geplant werden, gelten
besondere Ausschreibungsbedingungen. Sie müssen z. B. im Unterschied zu anderen Bietern
keine Genehmigung ihrer Anlage vorlegen, sondern können diese teure Vorleistung nachreichen,
wenn sie den Zuschlag erhalten haben.
Obwohl der Ausbau der Photovoltaik auf Dächern in den letzten drei Jahren massiv eingebrochen
ist, will die Bundesregierung an der 2014 eingeführten EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch von
Ökostrom festhalten anstatt neue Impulse für den Ausbau der Solarenergie zu setzen.
GRÜNE BEWERTUNG
Der EEG-Entwurf der Bundesregierung ist eine Absage an die selbstgesteckten Klimaschutzziele. Statt
den auf der Pariser Klimaschutzkonferenz eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen und
Ökostrom schneller auszubauen, vollzieht die Bundesregierung eine Vollbremsung beim
Ökostromausbau.
Der 45-Prozent-Ökostrom-Deckel bis 2025 ist de facto eine Bestandsgarantie für alte
Kohledreckschleudern. Merkel und Gabriel machen sich mit der Reform zu Handlangern der alten,
fossil-nuklearen Energiewirtschaft à la RWE. Das ist klimapolitisch inakzeptabel und wirtschaftlich
unsinnig.
Nachdem durch die letzten EEG-Novellen schon die Solarindustrie zerlegt und die Bioenergien
ausgebremst wurden, droht nun auch die Windkraftbranche auszubluten. Viele der heute rund
150.000 Arbeitsplätze in der Windbranche sind dadurch gefährdet.
Der strikte Ökostrom-Deckel verhindert zudem Investitionen in die dringend erforderliche
Sektorkopplung, sprich: die intelligente Vernetzung von Strom-, Wärme- und E-Mobilität. Denn es
wird schlichtweg nicht genug Ökostrom in Deutschland erzeugt werden, um auch Heizungen und
Fahrzeuge damit zu betreiben. Und das obwohl neue Windkraft- und Solaranlagen inzwischen Strom
günstiger liefern als neue und klimaschädliche Kohlekraftwerke oder Gaskraftwerke.
Allen Beteuerungen zum Trotz opfert die Bundesregierung auch die dezentrale Bürgerenergie, die die
"Energiewende von unten" ausmacht. Die EEG-Novelle ist ein Schlag gegen die Akteursvielfalt. Die für
Bürgerenergien gewährte Sonderbehandlung ist ein bürokratisches Monster, das die Menschen davon
abhalten soll, in Windparks zu investieren. Der Verweis auf angebliche EU-Vorgaben ist verlogen. Denn
die EU-Kommission selbst hat zugestanden, dass
Windkraftprojekte bis zu einer Leistung von 18 MW komplett von Ausschreibungen befreit werden
können. Doch das will Gabriel nicht.
Die Einschränkung des Windkraftzubaus in "Netzengpassgebieten" verschärft die Windkraftbremse. Es
ist Gabriels Energiewende-Bankrotterklärung, wenn er jetzt das Ausbremsen des Windenergieausbaus
mit seiner eigenen Unfähigkeit den Stromnetzausbau voranzubringen begründet. Der Netzausbau muss
sich am Ausbau der Erneuerbaren orientieren und nicht umgekehrt.
WAS WIR WOLLEN
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf der EEG-Novelle ist inakzeptabel, denn er fährt die
Energiewende vor die Wand. Substanzielle Nachbesserungen des Regierungsentwurfs sind
unverzichtbar: Der 45-Prozent-Deckel für Ökostrom bis 2025 muss weg. Zudem brauchen wir jährlich
mindestens 2.500 MW netto Windkraftzubau an Land, die Wiederbelebung des PV-Ausbaus auf
Dächern sowie eine Perspektive für die Bioenergien. Und nicht zuletzt müssen substanzielle
Verbesserungen (s. unten) für die Bürgerenergien her, damit aus dem verkorksten Gabriel-EEG, doch
noch ein akzeptables Gesetz werden kann.
06/2016 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | HINTERGRUND VOM 3. JUNI 2016
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Unsere Forderungen im Einzelnen:
1. Keine Deckelung - weiter Ausbau der kostengünstigen Windenergie an Land
Die Umstellung auf Ausschreibungen bei der Windenergie an Land halten wir für falsch. Wir wollen die
Einspeisevergütung und das Referenzertragsmodell unter Anpassung der dynamischen Degression
erhalten.
Windenergie an Land ist heute schon die günstigste Form der Erneuerbaren Energien und günstiger als
Strom aus neuen konventionellen Kraftwerken. Viele alte Windanlagen fallen ab 2020 aus der
Förderung und sollten durch moderne/günstigere ersetzt werden ("RePowering"). Deshalb ist ein
"netto" Ausbauziel wichtig.
2. Akteursvielfalt und Bürgerenergie sichern für Ausbau und Akzeptanz der
Energiewende
Die Umstellung auf Ausschreibungen wird das Aus für viele Bürgerenergieprojekte sein. Gerade für
diese Investoren werden die Risiken der Ausschreibung zu hohe Hürden sein. Die EU erlaubt in den
Beihilfeleitlinien Ausnahmen für kleine Projekte (bis 6x3 MW bei Wind und 1 MW bei PV). Diese müssen
mindestens garantiert sein. Doch die Regierung will die Bürgerenergie nicht schützen.
3. Langfristige Sicherung des Photovoltaik-Ausbaus
Wind- und Sonnenenergie sind das Rückgrat der zukünftigen sauberen Energieversorgung. Daher muss
das Ausbauziel bei PV auf 5.000 MW pro Jahr angehoben und der 52 GW-Deckel gestrichen werden.
Die "Sonnensteuer" (EEG-Umlage auf eigenverbrauchten Strom) auf EEErzeugung muss weg.
Eigenstrom aus schmutziger konventioneller Energieerzeugung dagegen muss mit der vollen EEGUmlage belastet werden.
4. Biomasseanlagen sinnvoll nutzen
Bioenergie ist flexibel einsetzbar. Ihr kommt im Energiemix der Zukunft aufgrund des von ihr
leistbaren Beitrages zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung von Sonnen- und Windenergie eine
besondere Bedeutung zu, vorausgesetzt, dass die Anlagen mit nachhaltigen Einsatzstoffen betrieben
werden und für den flexiblen Betrieb umgerüstet werden.
Das EEG 2016 muss Regelungen für bestehender Biomasseanlagen enthalten, welche eine
Anschlussfinanzierung erhalten, sofern sie auf einen effizienten, flexiblen und nachhaltigen Betrieb
umgerüstet werden und der Anbau von Energiepflanzen nachhaltig erfolgt. Die Regierung tut hier aber
nichts.
5. Regionale Vermarktung ermöglichen
Eine regionale Vermarktung von Grünstrom stärkt die Akteursvielfalt und erhöht die Akzeptanz vor Ort.
Doch trotz einer Verordnungsermächtigung (2014) und dem Druck aus dem Bundesrat tut die
Regierung hier nichts.
6. Die Energiewende deutschlandweit voranbringen
Wenn die Energiewende in Deutschland ein Erfolg werden soll, dann müssen alle Regionen davon
profitieren.
06/2016 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | HINTERGRUND VOM 3. JUNI 2016
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WIE GEHT ES WEITER?
8. Juni: Kabinettsbeschluss parallele Einbringung; d.h. Einbringen in den Bundesrat mit
Fristverkürzung sowie Fraktionsantrag der Koalitionsfraktionen im Bundestag
9./10. Juni: 1. Lesung Bundestag
22. Juni: Anhörung im Wirtschaftsausschuss Bundestag
17. Juni: Bundesrat, 1. Durchgang
7./8. Juli: 2./3. Lesung Bundestag
08. Juli: Bundesrat, 2. Durchgang
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