Broschüre zum 100jährigen Jubiläum

Vergesst nicht, Gastfreundschaft zu üben,
denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.
Vorgeschichte – „Haus Wartburg“ entsteht
Hebr.13,2
vor 1905
Im Jahr 1844 wurde die Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden, eine der ältesten diakonischen
Einrichtungen Deutschlands, gegründet. In einer Zeit der sich zuspitzenden sozialen Probleme
sahen Christen in dieser Form der „organisierten Nächstenliebe“ eine Alternative zum
Kommunistischen Manifest und zur Revolution, um die Nöte kranker, behinderter, arbeitsloser
und armer Menschen in der Bevölkerung zu lindern. Vier von ihnen - adelige Damen aus
Dresden und Umgebung – sorgten mit Hilfe von Pfarrer Fliedner aus Kaiserswerth für die
Gründung einer ersten Pflegeeinrichtung mit sechs Betten und zwei Krankenschwestern in der
Dresdner Neustadt.
Die kleine Anstalt stand unter Gottes Segen: viele junge Frauen meldeten sich zur Ausbildung
für den Schwesternberuf. Freunde und Förderer unterstützten das Projekt finanziell. Neben der
Krankenpflege konnten neue Arbeitsgebiete begonnen werden, z. B. Kindergarten,
Haushaltschule, Behindertenhilfe und Altenpflege. Bald arbeiteten die Schwestern auch in
öffentlichen Krankenhäusern und in Gemeindediakoniestationen. Da sie ihren Dienst für
hilfsbedürftige Menschen als Auftrag Jesu verstanden und sich von ihm gerufen wussten,
wurden sie Diakonissen genannt.
Das Mutterhaus war für sie das Zentrum des Lebens und aller Aktivitäten. Hier gestalteten sie
ihre Glaubens-, Lebens- und Dienstgemeinschaft. Von hier gingen Impulse für die Entwicklung
der Aufgabengebiete aus. Die Schwesternschaft bestimmte Maß und Inhalt der Arbeit.
Die Diakonissen arbeiten, wenn Menschen in Not sind, bis an den Rand der Erschöpfung und
brauchen zwischenzeitlich erholsame Pausen, um neue Kräfte zu sammeln. Ende des 19.
Jahrhunderts standen den Schwestern zwei kleine Erholungshäuser in Dresden - Loschwitz zur
Verfügung.
Auf ärztlichen Rat erlebten einige Diakonissen ihren Erholungsurlaub an der Ostsee. Im
Fischerdorf Graal bezogen sie Pensionen oder Privatquartiere. Der Ort gefiel ihnen. Gut erholt
kehrten sie zurück und schwärmten von der gesunden Luft, dem wohltuenden Klima und dem
herrlichen Strand. Für die Saison 1898 mietete die Diakonissenanstalt eine Wohnung, allerdings
nicht in Graal, sondern in Borby bei Eckernförde an der Kieler Bucht. In drei aufeinander
folgenden Gruppen erlebten - unter der Fürsorge einer die Einrichtung leitenden Diakonisse 24 Schwestern einen erholsamen Sommerurlaub. Leider sind uns keine Nachrichten aus dieser
Zeit überliefert. Es ist zu vermuten, dass die Erlebnisberichte aus diesen Jahren zu der
Überlegung führten, in Zukunft sich doch lieber in Graal nach Ferienplätzen umzusehen. So
mietete die Diakonissenanstalt hier für die Sommermonate 1899 ein ganzes Haus: die Villa
„Graalsburg“, Kurstraße 33 und eröffnete am 5. Mai die Urlaubssaison. Schwester Marie
Kretzschmar übernahm die Leitung. „Hausmutter“ wird sie genannt, um auszudrücken, dass
eine Mitschwester in mütterlicher Fürsorge die Urlaubstage gestaltet. Der Mietvertrag wurde
am 30. September 1901 aufgehoben, ein neuer Vertrag mit den Besitzern der Villa „Margarete“
auf der Parkstraße für das folgende Jahr geschlossen. Die Saison begann am 26. Mai 1902. Bis
Anfang Oktober erlebten 71 Schwestern einen schönen erholsamen Urlaub, unter ihnen die
Oberin Mathilde Faber. Für das nächste Jahr stand das Haus leider nicht zur Verfügung. Das
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Angebot des Besitzers, Bauunternehmer Welken, sein Haus „Villa Hedwig“ in der
Alexandrastraße 7, zu beziehen, wurde angenommen. Nun aber regte sich der Wunsch, in Graal
ein eigenes Erholungshaus zu errichten. Er ging in Erfüllung. Die Oberin im Ruhestand, Julie
Gräfin Vitzthum und Schwester Bertha Kind erwarben am Rande des Waldes - auf der
Alexandrastraße - ein Baugrundstück und schenkten es der Diakonissenanstalt. Oberin Mathilde
Faber entwarf die Baupläne für ein Sommerhaus, das von Anfang Mai bis Mitte Oktober
bewirtschaftet werden sollte. Die Überarbeitung der Pläne und die Bauausführung übernahm
Maurermeister Thiel in Ribnitz.
Im Juli 1904 begannen die Vorbereitungen für den Bau, am 24. August wurde der Grundstein
gelegt. Die Rede hielt Pastor Klingender aus Paderborn der - zusammen mit seiner Frau - in
Graal seinen Urlaub erlebte. Die Anwesenden erfuhren, warum die zukünftige Stätte der
Erholung „Haus Wartburg“ genannt werden sollte: der Name erinnert an die heilige Elisabeth,
die von der Wartburg bei Eisenach aus den Menschen im umliegenden Land viel Gutes tat, und
an Martin Luther, der dort als „Asylant“ die Bibel übersetzte.
1904 konnten nur acht Schwestern einen Urlaub in Graal erleben. Sie wohnten bei Familie
Bülow in der Villa „Victoria“ auf der Kurstraße. Von hier aus beobachteten sie den Neubau. Im
Mai 1905 sollte das Haus bezugsfertig übergeben werden. Als die Oberin - zusammen mit
Schwester Minna Hebig - eintraf, um das Haus einzurichten, waren Treppen und Haustüre noch
nicht eingebaut. In fast allen Räumen arbeiteten die Handwerker. Die beiden Schwestern fuhren
nicht nach Dresden zurück. Man kann annehmen, dass sie durch ihre Anwesenheit einen
sanften Druck auf die Baufirma ausübten. So konnte, wie geplant, Haus „Wartburg“ am 18.
Juni 1905 eingeweiht werden. Die anwesenden Schwestern schmückten das Haus, grüßten und
bewirteten die Gäste. Rektor Mollwitz gestaltete einen Hausgottesdienst zur Einweihung.
Zunächst dankte er allen, die den Bau des Hauses ausgeführt und durch Spenden ermöglicht
hatten. In der Predigt legte er das Wort Ps. 138,2 aus: „Du hast deinen Namen und dein Wort
herrlich gemacht über alles.“ Im ersten Teil machte er auf die Schönheit der Natur aufmerksam:
„Der herrliche tiefe Wald und die See, in der sich die untergehende Sonne in goldener Pracht
und der Mond im Silberglanz spiegeln, künden die Herrlichkeit Gottes.“ Im zweiten Teil der
Predigt sprach er von der größeren Offenbarung dieser Herrlichkeit durch das Wort, das Gottes
befreiende Gnade und die Schönheit seines kommenden Reiches bezeugt. Der Heilige Geist
würde die im Urlaub weilenden Schwestern anleiten, die Schönheit der Schöpfung und das
Evangelium von der Gnade Gottes und seinem zukünftigen Reich in sich aufzunehmen und den
Herrn zu loben und zu rühmen. So könnten sie sich am besten erholen und neue Kraft für den
Dienst schöpfen. Es wurde gesungen und gebetet. Man nahm Geschenke entgegen. Ein
erfrischender Regen war das Geschenk des Himmels für den neu angelegten Garten. Rektor
Mollwitz verlas schriftliche Grüße, u. a. von S. K. H. dem Großherzog von Schwerin. Mit
einem Abendspaziergang durch den Wald an den Strand und einer Andacht wurde der festliche
Tag beschlossen. Die erste Urlaubssaison im eigenen Haus hatte begonnen. Den Dienst der
Hausmutter übernahm Schwester Anna Rascher.
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Gastfreundschaft –
von Schwestern für Schwestern
1905 – 1943
Jahr um Jahr war das Haus voll belegt. Die Schwestern meldeten ihre Urlaubswünsche an. Das
Mutterhaus in Dresden erstellte den Belegungsplan. Alle, die eine Zusage bekommen hatten,
trafen sich hier und fuhren gemeinsam per Eisenbahn nach Rövershagen. Mit einem
Pferdegespann ging es dann nach Graal. Seit im Jahr 1924 eine Kleinbahnstrecke eingerichtet
worden war, fuhren die Schwestern bis zur Station Schwaneberg. Auf einem Waldweg
erreichten sie in 20 Minuten Fußweg „Haus Wartburg“.
Geplant waren vier Wochen Erholungszeit. Der Tag begann mit der Morgenandacht. Bei
gemeinsamen Wanderungen, Ausflügen und Spielen lernten sich die Schwestern, die aus den
verschiedensten Dienstbereichen angereist waren, untereinander kennen. Die meiste Zeit waren
sie am Strand. Sich in die Stille zurück zu ziehen, um über der Bibel mit sich selbst und mit
Jesus Christus Zwiesprache zu halten, war immer möglich. Für die Schwestern, die in den
Gemeindediakoniestationen arbeiteten und sich oft nach Gemeinschaft gesehnt hatten, waren
die gemeinsamen Mahlzeiten ein schönes Erlebnis.
Die Probemeisterinnen, die alle jungen Schwestern vom Tag ihres Eintrittes in die
Schwesternschaft bis zur Einsegnung begleiteten, achteten darauf, dass Sport getrieben wurde.
In Graal hieß es: Schwimmen lernen. Schwester Marie Deubner widmete sich besonders
intensiv und gern dieser Aufgabe. Noch im hohen Alter schwamm sie hinaus auf die
Sandbänke. Am Strand war eine Liegehalle errichtet worden, in der die Schwestern - geschützt
vor neugierigen Blicken - sich umziehen oder auch eine verordnete Liegekur absolvieren
konnten. Der Tag schloss mit der Abendandacht.
Am 14. August 1907 besuchte die Großherzogin Alexandra von Schwerin „Haus Wartburg“.
Aus der mündlichen Überlieferung wissen wir, dass die Schwestern tags zuvor unter lautem
Gelächter den Hofknicks übten. Die Großherzogin legte darauf wenig Wert, ließ sich aber das
Zeremoniell zur Begrüßung gern gefallen und zeigte dann lebhaftes Interesse für das Haus,
seine Einrichtung und die Urlaubsgestaltung. Zur Verabschiedung wurde ein Choral gesungen.
Die Schwesternschaft in Dresden war größer geworden, die Plätze in den verschiedenen
Erholungshäusern reichten nicht aus. So wurde nach dem Ende der Inflationszeit über einen
Erweiterungsbau in Graal-Müritz nachgedacht. 1927 war es dann soweit: der Vorstand der
Diakonissenanstalt Dresden genehmigte einen Anbau. Die Ausführung übernahm Baumeister
Thiel, der 1904/05 das Haus erbaut hatte. Die Einweihung fand am 10. Mai 1928 statt. Rektor,
Oberin und eine Gruppe Schwestern reisten aus Dresden an. Handwerker und Freunde des
Hauses erschienen zur Feier. Für alle war es ein festlicher Tag. Verfügte „Haus Wartburg“
bisher über 21 Plätze, so waren es jetzt 40.
Während des zweiten Weltkrieges baten Personen, die nicht der Schwesternschaft angehörten,
um einen Urlaubsplatz. Hin und wieder machte Oberin Luise Denneberg eine Ausnahme und
erteilte eine Zusage. Wiederholt wies sie aber in Rundbriefen die Schwestern darauf hin, dass
das Haus ein Erholungsheim der Schwesternschaft sei. Sie sollten niemanden werben oder auch
nur Hoffnung machen, einen Ferienplatz zu erhalten.
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Gastfreundschaft –
für Verwundete, Flüchtlinge und alte Menschen
1944 – 1959
1944-1959
Durch den 2. Weltkrieg ergaben sich auch im „Haus Wartburg“ Veränderungen. Ab1944 diente
es als Lazarett. Ärzte aus Graal-Müritz und Diakonissen versorgten die leicht verwundeten
Soldaten. Ab 1945 wurden Flüchtlinge aufgenommen. Um das Haus in den Nachkriegswirren
zu erhalten, richtete man 1946 eine Krankenstation für 15 - 20 Patienten und ein
Entbindungszimmer ein. Sehr kritische Situationen wurden gemeistert, als an Typhus oder Tbc
erkrankte Patienten in das Haus kamen. Unvergessen bleibt Schwester Elisabeth Seifert, die jede Situation beherrschend - freundlich und schnellen Schrittes die Kranken rund um die Uhr
versorgte. Nur noch wenige Plätze standen den Schwestern für die Erholung zur Verfügung.
Längst war das Haus ganzjährig geöffnet. Nur einzelne Räume waren für die Übergangszeit im
Frühjahr und Herbst mit einer kleinen Zentralheizung ausgestattet. So wurden in den anderen
Zimmern die damals gern genutzten eisernen „Kanonen“ installiert. Junge Schwestern kamen
aus Dresden, um für eine begrenzte Zeit zu helfen und unter schwierigen Bedingungen erste
Erfahrungen in der Krankenpflege zu machen.
Nach der Zerstörung der Diakonissenanstalt am 13. Februar 1945 nahmen die Beräumung des
Geländes und Reparatur- bzw. Aufbauarbeiten dort alle Kräfte und finanziellen Mittel in
Anspruch. Erneuerungen oder gar Investitionen in Graal waren ausgeschlossen. Umsichtig,
besonnen und tatkräftig hielten Hausmeister Bieneck und seine Frau das Grundstück in
Ordnung, führten Reparaturen aus und gewannen Handwerker, die zur Erhaltung des Hauses
notwendigen Arbeiten auszuführen.
Von den Schwestern kaum bemerkt, aber vom damaligen Bürgermeister wahrgenommen, geriet
das Haus 1948/49 in eine Krise. Er teilte seine Beobachtungen und Sorgen der Dresdener
Diakonissenanstalt mit. Die Hausleitung beauftragte die Leiterin der Finanzbuchhaltung,
Schwester Therese Wenk, die Angelegenheit zu prüfen und zu ordnen. Dies gelang ihr in
wenigen Tagen. Die Gefahr, das Haus zu verlieren, war beseitigt. Die Arbeit ging - nunmehr
unter der Leitung von Schwester Anna Frankenstein - ohne Unterbrechung weiter.
Die Schwestern nahmen Kontakt zum „Haus Ursula“ - einer Einrichtung der katholischen
Kirche - auf, in dem Ursulinerinnen arbeiten. Der Priester kam in „Haus Wartburg“, die
Patienten zu besuchen. Nie war er in Eile, immer hatte er auch etwas Zeit für die Schwestern.
Den Gottesdienst zu feiern, gingen sie in die evangelische Kirche; hin und wieder auch zur
Messe nach „St. Ursula“.
Die ältere Generation erinnert sich: es war schwere Zeit. Wenn wir aber Fotografien anschauen,
sehen wir bei der Arbeit und in der Freizeit fröhliche Schwestern. Ohne selbst daran zu denken,
bezeugen sie: „Die Freude am Herrn und die Liebe zu Jesus Christus ist unsere Stärke.“ Diese
Freude leuchtete in alle Lebensbereiche und spiegelte sich wider in Frohsinn und Heiterkeit.
Viele Erlebnisse und Anekdoten sind mündlich überliefert.
Einmal monatlich mussten die Lebensmittelkarten in Rostock geholt werden. Nur Weniges
wurde zugeteilt. Wie fast alle Leute machten sich auch die Schwestern auf den Weg, um zu
„hamstern“, was auf den Höfen auch immer zu haben war. Die Bauern wussten oder ahnten,
dass die Schwestern nicht nur für sich selbst, sondern für kranke und hilfsbedürftige Leute
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unterwegs waren. Sie gaben ohne viele Worte, feilschten auch nicht, waren aber froh, dass die
Schwestern Bezugsscheine für Textilien übrig hatten. Die Tauschgeschäfte waren fair und
anständig. „Ob es nicht einmal möglich wäre, ein Ferkel zu bekommen, das man in „Haus
Wartburg“ groß ziehen könnte?“, fragte eine Schwester. Nein, das war nicht möglich, beim
besten Willen nicht. Schließlich wusste die Hausmutter, Schwester Sophie Köhne, Rat.
Wiederholt war sie zu ihren Eltern und Geschwistern nach Westfalen gereist. Die russischen
Grenzposten waren freundlich gewesen, hatten ohne weiteres den Schlagbaum gehoben und
rüber gewinkt. Beim nächsten Besuch wollte sie ein Ferkel mitbringen. Die Schwestern sollten
sie in Rostock abholen, wenn sie durchs Telefon sagen würde, sie müssten eine Portion
Haferflocken kochen. Tatsächlich - Schwester Sophie brachte ein kleines Schwein mit. Die
zubereiteten Haferflocken gab es zur ersten Mahlzeit. Man kann sich denken, dass die
Schwestern das Tier liebten und verwöhnten. Sie haben es sogar gebadet - und zwar im
Wäschebottich. Alle lachten, nur die für die Wäsche in den Patientenzimmern verantwortliche
Schwester Elisabeth nicht. Sie verbot „solche Kindereien“ mit Nachdruck. Alle wunderten sich
über den strengen Ton, den sie nicht für möglich gehalten hätten. Damit war die Sache erledigt,
nachgetragen wurde nichts. Küchenabfälle gab es genug. Die Hühner, die im Gelände herum
liefen, würden nichts vermissen. Nur der Nachbar hatte das Nachsehen. Für seinen Stall blieb
nichts übrig. Als das Schwein geschlachtet wurde, sind die Schwestern traurig an den Strand
gegangen. Herr Bieneck nahm ihnen die Arbeit ab und half dem Metzger, der ins Haus
gekommen war. „Haben die Würste und der Braten geschmeckt?“ „Ja und nein. Wehmut
verdarb den Appetit“.
Die jungen Schwestern, die nach Dresden zurückkehrten, jubelten und erzählten Stunden lang
von ihren Erlebnissen. In Graal sei es herrlich, das Leben in „Haus Wartburg“ schön. Harte
Arbeit und erholsame Ausflüge blieben in guter Erinnerung.
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Gastfreundschaft –
als Alternative zum FDGB - Urlaub in der DDR
1960 – 1982
1959 übernahm Superintendent Hans Kircheis das Amt des Rektors in der Diakonissenanstalt
Dresden. Die Tradition des Hauses und der Schwesternschaft aufnehmend, leitete er energisch
den Wiederaufbau der zerstörten Gebäude in Dresden ein. Obwohl diese Aufgabe alle zur
Verfügung stehenden Kräfte in Anspruch nehmen musste, lenkte er das Interesse auch auf die
Erhaltung und den Ausbau der Erholungshäuser. 1954 hatte er selbst - zusammen mit seiner
Familie - den Sommerurlaub in „Haus Wartburg“ erlebt. 1960 kündigte er den Vertrag über
Altenheimplätze mit der Gemeinde Graal-Müritz. Den im Haus wohnenden pflegebedürftigen
Leuten ersparte man einen Umzug. Sie konnten im Hause bleiben und wurden weiterhin
versorgt.
Ab 1972 standen dann alle Plätze Erholung suchenden Menschen zur Verfügung. Für Pfarrer
und kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen war es in jener Zeit kaum noch möglich, später
ganz ausgeschlossen, einen Ferienplatz in einem der Erholungshäuser der staatlich gelenkten
Gewerkschaft (FDGB) zu bekommen. Auch private Unterkünfte waren nicht zu haben. Die
Eigentümer von Ferienwohnungen und Einzelzimmern hatten mit dem FDGB Verträge über die
Belegung geschlossen und waren damit aller Mühe enthoben, privat zu vermieten. Die
Einkünfte blieben selbst dann gesichert, wenn die Räume zeitweise nicht belegt wurden. Die
Plätze in den wenigen kirchlichen Erholungshäusern reichten bei weitem nicht aus. So begann
auch die Diakonissenanstalt, ihr „Haus Wartburg“ zu erneuern und auszubauen. Handwerker
aus der Diakonissenanstalt transportierten Baumaterial aus Dresden nach Graal-Müritz und
bauten zunächst den Dachboden aus. Jahr um Jahr entstanden - ehe die Saison im Mai begann einfache, aber sehr schöne und freundlich eingerichtete zusätzliche Zimmer. Inzwischen hatten
die Männer Kontakte zu Baubetrieben am Ort und in der Umgebung aufgenommen, die ihnen
nach Möglichkeit Zement, Bausand und Holz zur Verfügung stellten. Der Zaun um das große
Gelände wurde neu errichtet, Schäden am Haus beseitigt, die Küche modernisiert.
Im Jahr 1960 hatte die Diakonisse Hilda Vollprecht, eine energische und umsichtige Schwester,
die Leitung des Hauses übernommen. Ihr zur Seite standen Schwester Ilse Berger, die für die
Küche verantwortlich war, und Schwester Elisabeth Seifert, die nach der Aufgabe der
Krankenstation den Gästen zur Verfügung stand. Die Arbeit des Hausmeisters übernahm das
Ehepaar Wobad. In der Saison halfen Schwestern und Helferinnen - junge Mädchen, die sich
im praktischen Einsatz für die Ausbildung in der Krankenpflege vorbereiteten - aus Dresden.
Kontakte zum evangelischen Pfarramt wurden aufgenommen und gepflegt. Wöchentlich traf
sich ein Gebetskreis, in den Wintermonaten feierte die Gemeinde Gottesdienste und gestaltete
Bibelstunden im Haus.
Diakonissen, Diakonische Schwestern und Brüder und kirchliche Mitarbeiter mit ihren
Familien erlebten ihren Urlaub in „Haus Wartburg“. Ein Abkommen zwischen dem
Konsistorium der Kirche von Berlin-Brandenburg, dem „Richard-Assmann-Sanatorium“ und
dem „Haus Wartburg“ ermöglichte zusätzliche Kuraufenthalte, vor allem in den Monaten
Oktober bis März.
Der Tag begann - wie es schon immer üblich war - mit der Morgenandacht, gehalten von einem
der im Urlaub weilenden Pfarrer. An Regentagen wurden Bibelstunden angeboten, einige
Abende gemeinsam gestaltet. Um 20.00 Uhr saßen die Schwestern und Gäste im
Gemeinschaftsraum, um Nachrichten zu sehen und hören. Eingeschaltet wurde ARD, besonders
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wichtig und interessant für die Leute aus dem Dresdener Bereich, dem sogenannten „Tal der
Ahnungslosen“, weil dort ARD und ZDF nicht empfangen werden konnten. Manchmal schloss
sich eine Diskussion an über das, was man gesehen und gehört hatte. Horizonterweiterung und
politische Bildung gab so nebenbei während der Urlaubstage. Nie kam jemand auf den
Gedanken, ein Spitzel der Staatssicherheit könnte sich eingeschlichen haben. Hin und wieder
lud die Hausmutter ihre Mitschwestern am Abend zum Gespräch bei einem Glas Wein in ihr
Dienstzimmer ein; waren Rektor oder Oberin im Haus, wurde daraus eine Dienstbesprechung
in lockerer Art. Die Urlaubstage gingen zu Ende mit einem bunten Abend, den die Gäste
vorbereiteten und zusammen mit den Schwestern des Hauses gestalteten.
So ging es Jahr um Jahr. Später kamen biblische Rüstzeiten für Schwestern und für die Schüler
und Schülerinnen der Krankenpflegeschule hinzu. In den Gruppen wurden biblische Texte
besprochen, theologische und ethische Themen behandelt und politische Probleme diskutiert.
Für Stunden der Erholung am Strand und für Ausflüge war genügend Zeit. Diese Tage hatten
mit ihrer starken emotionalen Kraft große Bedeutung für die Gemeinschaftsbildung.
Die Bitten um Ferienplätze nahmen zu. An eine Erweiterung des Hauses war nicht zu denken.
Die staatlichen Behörden verweigerten die Genehmigung, ein sogenannter „Schwarzbau“ wäre
zu riskant gewesen. Der Gedanke, die Stallgebäude umzubauen, wurde nicht realisiert.
Vielleicht aber war es möglich, Baracken zu errichten? In Dresden beschaffte man die Bauteile.
Zur Ausführung kam dieses Vorhaben jedoch nicht. Die Diakonissenanstalt benötigte
kurzfristig Bauunterkünfte, denn durch eine Initiative der Kathedrale von Coventry war der
Wiederaufbau eines ersten Teiles der Krankenhausruine genehmigt worden. Jetzt mussten alle
Kräfte hier eingesetzt werden. Erst in den Jahren 1976-1980 war es wieder möglich, in „Haus
Wartburg“ Erneuerungsarbeiten in größerem Umfang aufzunehmen. In Abstimmung mit der
Oberin S.Gertraud Göckeritz übernahmen Dipl.-Ing. Peter Forstmann, leitender Techniker in
der Diakonissenanstalt, und Dipl.-Ing. Menzer die Planung und baufachliche Begleitung.
Gespräche beim Rat des Kreises Rostock, Baugenehmigungen und Bilanzen für die
Auftragsvergabe an einheimische Firmen zu erhalten, blieben erfolglos. So beschaffte
Schwester Erna Walther - die „Bauschwester“ und „Mutter der Handwerker“ in der
Diakonissenanstalt - das Baumaterial. Die Dresdner Firmen Dubrau, Sandner und Kloss waren
bereit, es nach Graal-Müritz zu transportieren, das Dach neu zu decken und die
Dachklempnerarbeiten auszuführen. Mitarbeiter einer „Maler-Produktions-Genossenschaft des
Handwerks“ (PGH) aus Heiligendamm erstellten in Feierabendarbeit das Gerüst. So bekam
„Haus Wartburg“ ohne staatliche Genehmigung und Bilanzen 1981 ein neues Dach. Leider
mussten Preolithschindeln aufgelegt werden, weil Dachziegeln beim besten Willen nicht
aufzutreiben waren.
Mitten im Winter rief der Leiter eines Baubetriebes in Graal-Müritz an: „Wir kommen wegen
des Frostes auf keiner Baustelle weiter und hätten jetzt die Möglichkeit, Arbeiten in Ihrem Haus
zu übernehmen, gleich nächste Woche kann es losgehen. Sanitärkeramik, Fliesen und
Armaturen müssen Sie zur Verfügung stellen. Wir haben nichts.“ Schwester Erna aber hatte
vorgesorgt. Unter erschwerten Bedingungen - die Autobahn Berlin-Rostock war wegen
Schneeverwehungen gesperrt - transportieren Kraftfahrer, die Oberin S. Anneliese Dietrich und
Handwerker der Diakonissenanstalt das benötigte Material gen Norden. „Auf gut Glück“ (so
sagten die einen) bzw. „mit Vertrauen auf Gottes Hilfe“ (sagten die anderen) fuhren sie los und
gehören zu den ersten Fahrzeugen, die zwischen meterhohen Schneewänden die Autobahn
passieren konnten.
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Die Arbeiten gingen zügig voran. Es wurden neue Fenster eingesetzt, der Abwasserkanal in
Ordnung gebracht, eine Zentralheizung installiert, Kalt- und Warmwasserleitungen in alle
Zimmer verlegt und die Hausmeisterwohnung im Dachgeschoss ausgebaut. Zu Beginn der
Saison waren alle Pläne realisiert. Ein Fest wurde gefeiert.
Für die kommende Zeit waren kleinere Vorhaben geplant: der Bau eines Kohlebunkers direkt
neben der Heizungsanlage und der Ausbau der Veranda. Eine Feierabendbrigade aus Rostock
übernahm die Arbeiten. Um den Transport der Brikett und der Braunkohle zu erleichtern,
konstruierte der Schlossermeister in der Diakonissenanstalt Gerhard Rößler eine sogenannte
„Rutsche“, die es ermöglichte, die Kohlen vom Lastwagen über ein Sieb direkt in den Bunker
zu befördern. Zur Montage fuhr er selbst, zusammen mit einigen Handwerkern bei
Schneegestöber nach Graal-Müritz. Dort angekommen, gönnten sie sich an einem reich
gedeckten Tisch nur eine kurze Pause, denn die Hausmutter teilte mit, dass schon am nächsten
Morgen der erste Kohlenkipper zur Probe angemeldet sei. Die Männer arbeiteten bis in die
Nacht hinein - und schafften es.
1982 fragte der Leiter der „PGH Bauhütte“ Bischofswerda in der Diakonissenanstalt nach, ob er
in „Haus Wartburg“ Ferienplätze für seine Mitarbeiter bekommen könnte.
Rektor Fink bot ihm zwei große ausbaufähige Räume im Kellergeschoss an. Das Angebot
wurde akzeptiert. Im Gegenzug erklärte sich die Firma bereit, das provisorische Dach über dem
Mittelbau des Diakonissenkrankenhauses in Dresden aus dem Jahr 1945 neu zu errichten. Aus
dieser Aktion ergab sich eine langjährige Zusammenarbeit zwischen der „PGH Bauhütte“ und
der Diakonissenanstalt.
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Gastfreundschaft –
vom Schwesternerholungsheim zur Familienferienstätte
1983 - 1995
Ein denkwürdiger Tag in der Geschichte des „Hauses Wartburg“ war der 23. Oktober 1983.
Schwester Hilda Vollprecht beendete ihren Dienst als Hausmutter und trat in den Ruhestand.
Die Schwesternschaft war in den vergangenen Jahren kleiner geworden. Eine Diakonisse stand
für dieses Amt nicht mehr zur Verfügung. Die Hausleitung in Dresden hatte seit Monaten eine
Mitarbeiterin oder ein Ehepaar gesucht, die in der Lage wären, die Leitung des Hauses zu
übernehmen und seine geistliche Tradition weiterzuführen. Der Hinweis eines Krankenpflegers
im Diakonissenkrankenhaus, Bruder Rolf Strobelt brachte sie auf die richtige Spur. Ein im
Diakonissenhaus Borsdorf angestelltes Ehepaar wünschte, die Leitung eines Heimes im
Diakonischen Werk der Landeskirche Sachsens zu übernehmen. So kam Familie Triebler in den
Dienst der Diakonissenanstalt Dresden, und Schwester Hilda übergab – im Beisein der Oberin
– Haus, Inventar, Grundstück und Akten in ihre Verantwortung.
Die Schwestern, die über zwei Jahrzehnte „Haus Wartburg“ verwaltet und vielen Schwestern
und Gästen den Urlaub zu einem unvergessenen Erlebnis gestaltet hatten, kehrten nach Dresden
zurück. Der Abschied war schwer, weil ihr Herz an „Haus Wartburg“ hing; er war leicht, weil
sie überzeugt waren, dass das Wohl des Hauses und der Dienst weiterhin in guten Händen
lagen.
In den kommenden Jahren nahm die Zahl der Diakonissen, die in Graal Erholung suchten,
weiter ab, die der Diakonischen Schwestern und Brüder, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Diakonissenanstalt und der Kirche zu. Sie brachten ihre Familien mit. So wandelte sich das
Schwesternerholungsheim mehr und mehr zu einer Familienerholungsstätte. Die wohltuende
geistliche Atmosphäre blieb erhalten.
Jahr um Jahr baten mehr Menschen um einen Erholungsplatz als aufgenommen werden
konnten, obwohl in den Monaten Juli und August nicht nur alle Betten, sondern auch die
Zustellbetten und Luftmatratzenplätze belegt waren. 70 bis 80 Personen wurden gleichzeitig
aufgenommen. Niemand klagte, dass es zu eng sei. Alle waren froh, an der Ostsee sein zu
können und zu den Mahlzeiten nicht in der Schlange vor einer Gaststätte stehen zu müssen,
denn: „Haus Wartburg“ bot Vollpension an.
In der Sommerzeit war jede angebotene Hilfe recht. So halfen Studenten der Theologie in Haus
und Küche, bekamen dafür Kost und Logis und hatten außerdem noch ein paar sonnige Stunden
Freizeit am Strand. Verwandte, Bekannte und Freunde der „Hauseltern“, wie man das
Heimleiterehepaar gern nannte, erlebten ihren Urlaub in Graal und halfen bei der Versorgung
und Betreuung der Gäste. In der Abwaschküche - es gab damals keine Spülmaschinen - halfen
die Urlauber beim Abtrocknen des Geschirrs. Dabei wurden Lieder gesungen und Geschichten
erzählt, viel und herzlich gelacht.
Der große Obst- und Gemüsegarten mit dem angrenzenden Kinderspielplatz war damals schon
ein kleines Paradies. Er wurde im Laufe der Jahre erweitert und mit Spiel- und Sportgeräten
ausgestattet. Für jedes Alter bieten sich bis heute Möglichkeiten zum gemeinsamen Spiel für
die Stunden, die man nicht am Strand oder im Wald erleben möchte: die kleineren Kinder
rutschen, wippen, klettern und spielen im Sand, die größeren spielen mit ihren Eltern oder mit
Freunden Tischtennis, Volleyball oder Fußball. Stille Ecken sind eingerichtet, in denen man
ruhen, ein Buch lesen oder meditieren kann. Langeweile kann nicht aufkommen. Die Gäste
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werden angeleitet zu Seidenmalerei, Filzen und zur Bastelarbeit. An manchen Abenden wird im
Garten gegrillt oder am Strand ein Lagerfeuer entzündet, in dem man Kartoffeln garen,
Stockbrot backen oder Würstchen braten kann. Außerdem werden Moorwanderungen und
Fahrradtouren angeboten. Hin und wieder sind Kinder am Tag der Anreise enttäuscht, dass in
den Zimmern keine Fernsehgeräte stehen. Haben sie aber Freunde gefunden, Garten und
Hobbykeller erkundet, den herrlichen Strand in Graal-Müritz besucht und eine Radwanderung
mitgemacht, fehlt ihnen die Lust, in die Röhre zu gucken.
Ständig wurde an der baulichen Erhaltung des Grundstückes weiter gearbeitet, die
Innenausstattung der Zimmer verbessert, der Zaun um das Grundstück in einer Länge von ca.
600 Metern repariert bzw. erneuert und das gesamte Haus neu verputzt. Die gute
Zusammenarbeit der Handwerker in der Dresdner Diakonissenanstalt, der „Bauhütte“
Bischofswerda und Betrieben in der Nachbarschaft machte es möglich. So sehr sich alle an
„Haus Wartburg“ interessierten Leute über diese Erneuerungen freuten, gab es auch Ärger: in
einer Nacht - als der Zaun nur provisorisch festgeklemmt war - brachen Wildschweine ins
Gelände ein, fraßen die Salatstauden ab und verwüsteten die Arbeit des Hausmeisters im
Gemüsegarten.
Die Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990 forderte die Leitung der Dresdner
Diakonissenanstalt und die Heimleitung in Graal-Müritz zu neuen Überlegungen und
Entscheidungen heraus. Es war abzusehen, dass die meisten der bisherigen Urlauber in den
kommenden Jahren ihre Ferien im Ausland oder in den alten Bundesländern planen würden.
Wer könnte zukünftig in den Sommermonaten nach Graal-Müritz kommen? Welche Angebote
sollten im Frühjahr und Herbst gemacht werden? Rektor Fink, Oberin Dietrich und das
Ehepaar Triebler setzten sich zusammen, um gemeinsam Gedanken zusammen zu tragen und
Pläne zu entwerfen. Zunächst dachte man daran, die Einrichtung zu einem kleinen Hotel
umzuwandeln und bei Gelegenheit zu erweitern. Um den Ansprüchen der Zeit zu genügen, war
eine grundlegende Sanierung der Einrichtung nötig. Bisher gab es auf jeder Etage nur zwei WC
und für das ganze Haus ein Bad im Keller. Die Möblierung der Zimmer war sehr einfach und
bescheiden. Architekt Günther Fischer aus Dresden, der dort den Wiederaufbau und die
Erneuerung der Häuser in der Diakonissenanstalt plante und überwachte, war bereit, auch die
Umgestaltung des „Hauses Wartburg“ zu projektieren. Im August 1991 wurde der
Architektenvertrag unterschrieben.
Während der Projektierungsphase ergab sich die Möglichkeit, das Haus in Zukunft als
Familienferienstätte zu nutzen. Dafür standen Fördermittel des Bundesministeriums für Familie
und Senioren zur Verfügung, falls genügend Eigenmittel vorhanden wären und der Freistaat
Sachsen ebenfalls eine Förderung zusagte. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales,
Gesundheit und Familie teilte der Diakonissenanstalt 1991 zunächst mit, dass für das laufende
Jahr keine Fördergelder zur Verfügung stünden und im übrigen kein Interesse bestünde, eine
Einrichtung in Mecklenburg-Vorpommern zu unterstützen. Langwierige Verhandlungen
führten dann doch zu einem positiven Ergebnis. Nun mussten kurzfristig Änderungen am
Projekt vorgenommen werden. Die Zeit drängte, aber Architekt Fischer und alle in der
Diakonissenanstalt Verantwortlichen bewahrten Ruhe und handelten zielstrebig und
entschlossen. Es begann eine anstrengende Bauphase, die Familie Triebler mit aller zur
Verfügung stehenden Kraft und Ausdauer meisterte. So war es möglich, das erneuerte Haus am
8. Mai 1992 als gemeinnützige Familienferienstätte in Trägerschaft des Ev.- Luth.
Diakonissenanstalt Dresden e.V. einzuweihen. Am 1. Juni zogen die ersten Gäste im modernen
Haus ein.
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„Haus Wartburg“ verfügt nun über 9 Appartements mit 2 Zimmern, 9 Doppelzimmer und
2 Ferienwohnungen. Der Anbau von 1927 wurde verändert. Drei Erker geben der Fassade einen
interessanten Akzent und dem Speisesaal eine angenehme Weite. Der erweiterte und neu
eingerichtete Spielplatz ist ein Musterbeispiel für kinderfreundliche Urlaubsgestaltung. Die an
der Gartenfront des Hauses neu erstellten Balkone erweitern das Angebot, die Urlaubszeit zu
genießen.
In den Jahren 1992 bis 1996 war das Haus auch in den Wintermonaten belegt: die „AKG Reha
Klinik“ führte - in Zusammenarbeit mit der Hausleitung - „Mutter-Kind-Kuren“ in „Haus
Wartburg“ durch.
Der Gedanke des damaligen Verwaltungsdirektors, das Grundstück aufgrund eines von ihm
bestellten Gutachtens zu verkaufen, wurde mit guter Begründung verworfen. So verblieb die
Einrichtung zur Zufriedenheit aller Beteiligten in der Trägerschaft des Ev.-Luth.
Diakonissenanstalt Dresden e.V.
1993 legte der Rat der Gemeinde Graal-Müritz ein Sanierungsgebiet fest, in dem die Straßen
und Wege - einem Seeheilbad angemessen - neu gestaltet werden sollten. Dafür standen
Städtebaufördermittel zur Verfügung. Obwohl das Grundstück „Haus Wartburg“ im
festgelegten Bereich liegt, wurde es aus dem Sanierungsplan heraus gelöst. Aufgrund einer
Nachfrage war zu erfahren, dass nach geltendem Landesrecht in Mecklenburg-Vorpommern
keine Städtebaufördermittel an kirchliche Einrichtungen weitergereicht werden. Die Kosten
der Sanierung müsse der Eigentümer tragen. Erinnerungen an die praktische Kirchenpolitik der
ehemaligen DDR-Regierung wurden wach und irritierten alle an „Haus Wartburg“
interessierten Leute.
Inzwischen überlegten die Leitungen der Diakonissenanstalt und der Familienferienstätte
„Haus Wartburg“, ob ein Erweiterungsbau, der zusätzliche Erholungsplätze schafft, finanziell
möglich und wirtschaftlich rentabel sei. Mit dieser Investition könnte der Bau eines Fahrstuhles
und der einer Sauna verbunden werden. 1995 wurde eine Bauvoranfrage von der staatlichen
Behörde positiv beantwortet. Zur Ausführung kam der Erweiterungsbau jedoch nicht, weil der
Diakonissenanstalt in Dresden die Eigenmittel fehlten, die nötig sind, um staatliche
Fördermittel beantragen zu können.
„Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren...“ und „Nun danket all und bringet Ehr, ihr
Menschen in der Welt ...“, sangen Chor und Gemeinde am Sonntag, 18. Juni 1995 zum
90. Jubiläum des Hauses. Wir dankten Gott für Bewahrung und Segen in guten und schweren
Zeiten. Wir dankten Schwestern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Dienst. Ihre
Freundlichkeit, die souveräne Gestaltung der gemeinsamen Mahlzeiten und die vom Geist
Christi inspirierte Atmosphäre des Hauses machten den Urlaub für die vielen Gäste Erwachsene und Kinder - zu einem schönen Erlebnis.
Rektor und Oberin waren zum Festtag nicht anwesend – fast nicht zu glauben! Welche
Veranstaltung konnte wichtiger sein, als das Jubiläum in Graal-Müritz? Die Antwort ist
einfach: sie waren verpflichtet, an der „Kaiserswerther Generalkonferenz“ teilzunehmen, die
zur gleichen Zeit in Gallneukirchen die Vertreter der Diakonissenhäuser und Diakoniewerke in
Europa und Übersee versammelte.
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Gastfreundschaft –
ein Projekt von Gästen für Kinder aus Tschernobyl
1996 - 2005
In den folgenden 10 Jahren nutzten Familien und Einzelgäste „Haus Wartburg“ an ca. 110 000
Aufenthaltstagen als Feriendomizil, was eine Auslastung von 75 % ausmacht. Die Nähe der
Ostsee, die neu gestalteten Räume, die gemeinsamen Mahlzeiten und Andachten und die
familiäre, vom Geist Christi geprägte Atmosphäre des Hauses blieben interessant und
einladend für Erholung suchende Urlauber.
Viele von ihnen unterstützen bis heute ein vom Ehepaar Triebler begonnenes Projekt: Erholung
und medizinische Hilfe für durch die Atomkatastrophe in Tschernobyl geschädigte Kinder. Seit
1996 werden jedes Jahr 1 - 2 Kinder mit ihren Eltern in „Haus Wartburg“ aufgenommen, ihr
Aufenthalt durch Spenden finanziert. Für sie - wie für alle Gäste - verwirklichen die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses den alten biblischen Auftrag, den die
Diakonissenschwesternschaft seit ihrer Gründung in ihre Lebensregel aufgenommen hat:
„Vergesst nicht, Gastfreundschaft zu üben.“ (Hebräer 13,2)
In den Ferienmonaten - Mitte Juni bis Mitte September - ermöglicht „Haus Wartburg“ Erholung
für Familien mit schulpflichtigen Kindern zu feststehenden Terminen. Die Bundesländer
unterstützen diese Urlaubswochen finanziell, wenn ein begründeter Antrag vorliegt. In den
übrigen Monaten sind Einzelpersonen, Kinder-, Jugend- und Seniorengruppen, Menschen mit
Behinderungen und Seminargemeinschaften herzlich willkommen. Termine werden mit der
Leitung des Hauses vereinbart.
Nach wie vor bietet das Haus den Rahmen für individuelle Feriengestaltung. Angeboten werden
Morgenandachten für Erwachsene und Kinder, gemeinsame Mahlzeiten und kleine Feste, die
vorwiegend die Gäste gestalten, Grill-Abende, Wanderungen und Radtouren. Zur Gestaltung
der Mahlzeiten hat sich im Lauf der Zeit eine Form herausgebildet, die von den Gästen gern
angenommen wird: zum Frühstück und zum Abendbrot ist jeweils ein „Kaltes Büffet“
vorbereitet, das Mittagessen wird serviert.
Die Ferienstätte bietet Voll- und Halbpension oder Übernachtung mit Frühstück an. Die Gäste
in den beiden Ferienwohnungen können sich selbst verpflegen oder nehmen an den
gemeinsamen Mahlzeiten im schön hergerichteten Speisesaal teil. Der Aufenthalt in der
Einrichtung soll einer der Höhepunkte im Leben einer Familie, einer Gruppe und für Singles
sein.
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Ausblick – „Haus Wartburg“ lädt ein ...
100 Jahre Haus Wartburg - 100 Jahre Gastfreundschaft; so könnte rückblickend das Fazit
lauten.
Wir danken Gott, der den Dienst an erschöpften Schwestern, an Flüchtlingen und Verwundeten,
an pflegebedürftigen alten Menschen und erholungssuchenden Eltern und Kindern in diesem
Haus seit 1905 ermöglicht und gesegnet hat.
Wir danken allen Diakonissen, Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern, die
dafür sorgten, dass Menschen in diesem Haus Erholung für Körper, Seele und Geist finden und
dadurch gestärkt und beschenkt wieder in den Alltag zurückkehren konnten.
Wir danken allen Gästen, die sich den Schwestern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
„Haus Wartburg“ anvertraut haben.
Die Ferienstätte im Seeheilbad Graal-Müritz will auch im 2. Jahrhundert ihres Bestehens ein
gastfreundliches Haus sein. Sie lädt ein,
-
von hier aus die Schönheit der Ostsee zu genießen
das Land Mecklenburg-Vorpommern zu erkunden
im Haus die Möglichkeiten zum Ausruhen und zur Begegnung zu nutzen
sich mit leckeren Mahlzeiten verwöhnen zu lassen und
sich in den Andachten an Gottes Wort zu erinnern.
Wir freuen uns auf alle Gäste und heißen sie herzlich willkommen - frei nach Wilhelm Busch:
„Es ist doch immer wieder schön, wenn wir die Gäste kommen seh’n,
schön ist es, wenn die Gäste bleiben und sich mit uns die Zeit vertreiben,
und wenn sie schließlich wieder geh’n –
ist’s auch ganz schön.“
100 Jahre
1905 - 2005
EVANGELISCHE FAMILIENFERIENSTÄTTE
HAUS WARTBURG
Eine Einrichtung des Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden e.V.
Alexandrastraße 1 • 18181 Ostseeheilbad Graal-Müritz
Telefon: 038206 708-0 • Telefax: 038206 708-77
e-mail: [email protected]
www.haus-wartburg.de
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Impressum
Herausgeber:
Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden e.V.
Diakonissenschwesternschaft Dresden e.V.
Kontakt:
Holzhofgasse 29, 01099 Dresden
Telefon:
0351 810-1011
Telefax:
0351 810-1100
[email protected]
e-mail:
Internet:
www.diako-dresden.de
Text: Rektor i. R. Werner Fink, Oberin S. Esther Selle
Fotos: Diakonissenanstalt Dresden, Haus Wartburg, Archiv und privat
Auflagenhöhe: 1.500 Exemplare
Herstellung: saxoprint GmbH, Digital- & Offsetdruckerei, Enderstraße 94, 01277 Dresden
Spendenkonto: Ev. Familienferienstätte Graal-Müritz
Ostseesparkasse Rostock, BLZ: 130 500 00, Konto-Nr.: 275001016
bitte Verwendungszweck und Absender angeben
- Zuwendungsbestätigungen werden ausgestellt Vielen Dank!
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