GEOBLOCKING UND PORTABILITÄT– DIGITALE INHALTE OHNE GRENZEN Verbraucherinnen und Verbraucher können online in aller Welt einkaufen. Auch Filme, TV-Serien oder Sportsendungen sind im Netz immer und überall zugänglich – theoretisch jedenfalls. Wer Inhalte abrufen will, liest häufig: „Dieser Inhalt ist in Ihrem Land nicht verfügbar“. Gleiches erleben Reisende in Europa, wenn sie außerhalb ihres Heimatlandes auf ihre digitalen Fernseh- oder Musikabonnements zugreifen wollen. i Die EU-Kommission hat Ende 2015 im Rahmen ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt begonnen, die territorialen Regelungen des Urheberrechts zu modernisieren. Als ersten Schritt zu einer besseren Verfügbarkeit digitaler Inhalte hat die Kommission am 9. Dezember 2015 eine Verordnung zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Nutzbarkeit erworbener oder abonnierter Online-Inhalte in der gesamten EU vorgeschlagen (Portabilität). Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU sollen außerdem leichter auf digitale Inhalte aus anderen EU-Ländern zu- greifen können, das Blockieren von Inhalten (Geoblocking) soll eingedämmt werden. Zudem ließ die Kommission eine Erweiterung der EU-Satelliten- und Kabelrichtlinie (SatKabRL) für eine grenzüberschreitende Online-Verbreitung von digitalen Inhalten prüfen. Portabilität ist nur ein erster Schritt zur Reform des Urheberrechts. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert: Geoblocking sollte bei digitalen Inhalten abgeschafft werden. ! l DER VZBV FORDERT Kein Zeitlimit: Die Empfehlung der EU-Kommission sieht keine zeitliche Begrenzung für die Portabilität von Online-Diensten im Ausland vor. Das muss so bleiben, da sich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen auch für längere Zeit in anderen EU-Ländern aufhalten: zum Beispiel aufgrund einer Erwerbstätigkeit, eines Studiums oder einer Reise. Konsequent bleiben: Das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten dürfen nicht zulassen, dass der Verordnungsvorschlag verwässert wird. Portabilität muss auch für vermeintlich kostenlose Dienste gelten, bei denen Verbraucher mit ihren persönlichen Daten zahlen. Blockaden aufheben: Verbraucher aus einem EUStaat sollten Online-Inhalte aus allen anderen EU-Ländern beziehen können. Sie müssen Zugang zu vielfältigen digitalen Angeboten haben, die grenzüberschreitend, zu jeder Zeit, zu fairen Preisen und zu transparenten Bedingungen verfügbar sind. Passive Verkäufe erlauben: Auch wenn Anbieter digitale Inhalte nicht aktiv in andere EU-Mitgliedsstaaten vertreiben, sollten Verbraucher sie kaufen können, wenn sie wollen (Passive Verkäufe). Inhaber von Medienrechten dürfen Dienste-Anbietern nicht verbieten, digitale Inhalte an Verbraucher aus anderen EU-Staaten zu verkaufen. www.vzbv.de | www.twitter.com/vzbv | www.youtube.com/vzbv DATEN UND FAKTEN i 72 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Online-Medien-Abonnements für Musik, Filme oder Sportsendungen auch unterwegs in anderen EU-Mitgliedsstaaten nutzen können.1 Internet, wenn bezahlbare legale Angebote zur Verfügung steht. Die Angst, für die Nutzung illegaler Inhalte bestraft zu werden, hält deutlich weniger junge Verbraucher davon ab.3 Rund 68 Prozent der von der EU-Kommission untersuchten Firmen – Sendeanstalten und digitale Anbieter aus den Mitgliedsstaaten – nutzen Geoblocking, blockieren also Inhalte im Netz an den Landesgrenzen. 58 Prozent setzen Geoblocking nach eigenen Aussagen deshalb ein, weil sie vertraglich dazu verpflichtet sind.2 i i Das Jugendbarometer 2016 zeigt: Eine Mehrheit der Jugendlichen verzichtet auf illegale Quellen im i Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, für digitale Inhalte zu zahlen. Während beispielsweise im Jahr 2009 noch 80 Prozent der unter 30-jährigen Norweger illegal Musik heruntergeladen haben, waren es 2014 nur noch 4 Prozent. Der Grund für den nahezu vollständigen Wegfall der Piraterie: In Norwegen gibt es mittlerweile ein umfassendes legales Angebot für Musik im Internet.4 © 2016 Verbraucherzentrale Bundesverband, Stand: Juni 2016 l VERBRAUCHER GUCKEN IN DIE RÖHRE Michael freut sich: Die neue Staffel seiner Lieblingsserie läuft bereits im amerikanischen Fernsehen. Doch als er sich die Folgen für einen gemütlichen TV-Abend herunterladen will, ist die Freude schnell getrübt. Sein Heimatland ist für die Inhalte gesperrt. Aus dem Internet erfährt er, dass ein britischer Pay-TV-Sender die Serie bald in Großbritannien ausstrahlt. Selbst abonnieren kann er diese Angebote nicht – auch hier wirken die Ländergrenzen. Über die IPAdresse seines Computers wird erkannt, in welchem Land er sich befindet. Und der britische Sender darf auf Grund der Lizenzvereinbarungen mit dem Serienproduzenten die Inhalte über seinen Dienst nicht in andere EU-Mitgliedsstaaten verkaufen. Zugang zu digitalen Inhalten wird verwehrt Also nimmt Michael mit seinem Pay TV-Sender von zuhause vorlieb und wartet, bis die Serie auch in Deutschland gezeigt wird. Als er beruflich ins EU-Ausland geht, will er das Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) Markgrafenstraße 66, 10969 Berlin Tel. (030) 258 00-0 [email protected] abonnierte Angebot unterwegs nutzen. So kann er über die Geschehnisse in der Heimat auf dem Laufenden bleiben. Doch auch dieser Zugang wird ihm verwehrt. Da kommt ihm eine Idee: Über virtuelle private Netzwerke täuscht er vor, sich weiterhin in Deutschland aufzuhalten. Das Vorgehen ist ihm vertraglich bei seinem Abo untersagt. Mit dieser Ausweichtaktik verstößt er gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seines Anbieters. Michael hat deshalb permanent ein schlechtes Gewissen, zudem ist es umständlich. Er wünscht sich, dass Inhalte im Netz über Ländergrenzen hinweg genutzt werden können. Denn auch in Zukunft wird er innerhalb Europas viel unterwegs sein. Der vzbv fordert, dass digitale Inhalte innerhalb der EU für Verbraucherinnen und Verbraucher leichter zugänglich sind. Alle Verbraucher müssen von der Vielfalt digitaler Inhalte in der EU profitieren können – unabhängig von ihrer Nationalität oder ihres Wohnorts. 1 Ergebnis einer aktuellen Umfrage von TNS Emnid im Auftrag des vzbv, Februar 2016, http://www.vzbv.de/pressemitteilung/umfrage-verbraucher-wollen-digitale inhalte-grenzueberschreitend-nutzen 2 Ergebnisse einer im März 2016 veröffentlichten Wettbewerbsuntersuchung der EU-Kommission, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-16-882_en.htm 3 Ergebnisse aus dem Jugendbarometer 2016 zum Thema geistigen Eigentums, https://euipo.europa.eu/tunnel-web/secure/webdav/guest/document_library/ observatory/documents/IP_youth_scoreboard_study/executiveSummary/ executive_summary_de.pdf 4 http://www.musicbusinessworldwide.com/piracy-virtually-eliminated-norway/ Für den Inhalt verantwortlich: Klaus Müller, Vorstand des vzbv Text und Gestaltung: construktiv GmbH Infografik S. 1: vzbv/INFOGRAFIK PRO GmbH, Bild S. 2: PeopleImages/istockphoto.com
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