2. Überblick

Neue bislang unveröffentlichte Ergebnisse betreffen die Klonierungen und zelluläre Lokalisation der
Relaxine des Dromedars, der Halbaffen Galago crassicaudatus und Varecia variegata sowie der
RLF-Moleküle des Damwildes und von Galago crassicaudatus. Auch die Daten zur plazentaren
Lokalisation von RLF-Transkripten in menschlichen Plazenten sind bislang noch nicht veröffentlicht.
2. Überblick
2.1. Relaxin
2.1.1. Molekulare Struktur und genomische Organisation
Relaxin wird als Präprohormon synthetisiert und besteht aus einem Signalpeptid, einer B-, C- und
einer A-Domäne (vom N´- zum C´-Terminus). Bedingt durch sein wesentlich längeres C-Peptid ist
das Präprorelaxin etwa doppelt so groß wie das Präproinsulin (Gast, 1983). Die enzymatische
Abspaltung des Signalpeptids erfolgt, wie bei anderen Proteinen (Steiner et al., 1980), an einer
Aminosäure mit kurzer Seitenkette und überführt das Präprorelaxin in das Prorelaxin. Vor seiner
enzymatischen Entfernung aus dem Prorelaxin durch die Subtilisin-artige Serinprotease Prohormon
Convertase 1 (Marriott et al., 1992) und möglicherweise zusätzliche Chymotrypsin-artige Enzyme
(Haley et al., 1987) hat das C-Peptid vermutlich die Aufgabe, die korrekte Molekülkonformation zu
stabilisieren, um so die Ausbildung der Disulfidbrücken zwischen A- und B-Domäne (im H2-Relaxin:
CysB11-Cys A11 und CysB23-Cys A24) sowie der Disulfidbrücke innerhalb der A-Domäne (im H2Relaxin: CysA10-Cys A15) zu ermöglichen.
Strukturelle und funktionelle Befunde belegen die eigenständige Position des Relaxins innerhalb der
Familie der Insulin-artigen Moleküle. Trotz ähnlicher α-Helix- und β-Faltblatt-Sekundärstrukturen
(Eigenbrot et al., 1991; Du et al., 1982; Rawitch et al., 1980; Schwabe und Harmon, 1978)
projizieren die A- und B-Kette der ca. 6 kD großen Relaxin- und Insulin-Dimere unterschiedlich
aufeinander (Eigenbrot et al., 1991). Der Anteil identischer Aminosäuren zwischen Relaxin und
Insulin beträgt nur ca. 25% und umfaßt die Cysteine, die an der Bildung der bei beiden Hormonen
identischen Disulfidbrücken beteiligten sind. Die Oberfläche von Relaxin und Insulin präsentiert keine
gemeinsamen immunologischen Epitope und Relaxin interagiert sehr viel schwächer als Insulin mit
Insulin-degradierenden Enzymen (Ding et al., 1992; Pilistine et al., 1986). Relaxin bindet nicht an den
Insulin- oder IGF-I-Rezeptor (Ohleth und Bagnell, 1995; Hofig et al., 1991; Hernandez et al., 1988)
und dies erklärt die unterschiedlichen biologischen Aktivitäten von Relaxin und Insulin. Acht von zehn
8
der bei den Insulinen verschiedener Spezies konservierten und für die Funktion essentiellen
Aminosäuren sind, wie das AsnA21 im humanen Insulin, entweder nicht im Relaxin vorhanden oder
nicht konserviert (Sherwood, 1994; Dodson et al., 1983).
Die Anwesenheit der A- und B-Domäne des Relaxins sowie ihre korrekte Konformation sind
wesentlich für die Relaxin-Bioaktivität. Die Aminosäuren GlyB12, ArgB13 und ArgB17 in dem
hexameren konservierten Motiv -GRELVR- und GlyB24 in der Relaxin B-Domäne sowie GlyA14 in
der A-Domäne (Numerierung der Aminosäuren entsprechend dem H2-Relaxin) sind hoch
konserviert, trotz der für die Relaxine unterschiedlicher Spezies typischen hohen Heterogenität in
ihren Aminosäuresequenzen (Schwabe und Büllesbach, 1990). Drei dieser Aminosäuren sind
wesentlich für die Bioaktivität des Relaxins (Büllesbach et al., 1996). Die chemische Modifikation
der beiden Arginine in den Positionen B13 und B17 (Büllesbach und Schwabe, 1988) sowie die
chemische Synthese von Relaxinderivaten, bei denen ein Arginin oder beide Arginine durch das
isosterisch ähnliche, ungeladene Citrullin oder das positiv geladene, basische Lysin ersetzt wurden,
resultieren in einem kompletten Verlust der Rezeptorbindung (Büllesbach et al., 1992). Die wie
Zacken aus der Oberfläche der B-Domäne projizierenden Guanidino-Seitengruppen beider ArgB13
und ArgB17 interagieren direkt mit dem membranständigen Relaxinrezeptor. Diese als „two-prong“
bezeichnete Relaxin-Rezeptor-bindung stellt eine neue Form der Hormon-Rezeptor-Interaktion dar
(Büllesbach et al., 1992). Während ArgB13 und ArgB17 essentiell für den Rezeptorkontakt sind, ist die
in der A-Domäne aller Relaxine konservierte Aminosäure GlyA14 wichtig für die korrekte
Konformation des Gesamtrelaxins (Büllesbach und Schwabe, 1994). Ein Austauch von GlyA14 durch
das in vergleichbarer Position im Insulin vorkommende Isoleucin mit größerer Seitenkette vermindert
die Relaxinbioaktivität und die Rezeptorbindung 100-fach, während das kleinere Alanin an gleicher
Stelle nur zu einer 3-fach reduzierten Bioaktivität führt (Büllesbach und Schwabe, 1994). Die
schrittweise Verkürzung der N-terminalen α-Helix der A-Domäne führt ebenfalls zu
Konformationsänderungen und dem Verlust an Bioaktivität (Büllesbach und Schwabe, 1994). Der
Austausch dieser N-terminalen α-Helix des Relaxins durch das entsprechende Insulinsegment oder
eine Penta-Alaninsequenz stellt die Bioaktivität dieser Relaxinderivate wieder her (Büllesbach et al.,
1996). Unprozessiertes Prorelaxin ist das Hauptsekretions-produkt im Ovar der Ratte während der
späten Phase der Trächtigkeit (Soloff et al., 1992). Prorelaxin ist auch in endometrialen Drüsen bei
der Frau sowie im Serum des Schweines während der Lutealphase sowie im Corpus luteum
graviditatis nachweisbar (Layden et al., 1996; McLennan et al. 1991; Bryant-Greenwood et al.,
9
1980). Die Anwesenheit der C-Domäne hat keinen Einfluß auf die Rezeptorbindung. Relaxin und
Prorelaxin des Schweines binden mit gleicher Affinität an den Relaxinrezeptor (Tan et al., 1998).
Mit Ausnahme des Menschen und der Menschenaffen, kodiert das Genom aller bislang untersuchten
Spezies für ein Relaxingen, das aus zwei Exonen und einem ca. 4 kb großen Intron aufgebaut ist. Die
Position dieses Introns ist einem der beiden Introne des Insulins ähnlich (Bell et al., 1980). In den
humanen Relaxinen kodiert Exon 1 für das Signalpeptid, die B-Domäne und den Anfangsteil der CDomäne bis zur Aminosäure Glu46, während Exon 2 für den Rest der C- und die gesamte ADomäne kodiert (Crawford et al., 1989; Haley et al., 1987; Hudson et al., 1984). Der Mensch
besitzt, wie die Menschenaffen, zwei nichtallele Relaxingene H1 und H2, die auf dem kurzen Arm
des Chromosoms 9 lokalisiert sind (Crawford et al., 1984). Im Corpus luteum und der Placenta
gelang kürzlich der Nachweis von ca. 100 bp längeren Transkripten für beide humanen Relaxine (H1
und H2) sowie für das Relaxin-2 des Chimpansen (Gunnersen et al., 1996). Diese durch alternatives
Splicing erzeugten Transkripte beinhalten ein weiteres Exon und kodieren aufgrund eines vorzeitigen
Stopkodons für trunkierte Relaxinprodukte, über deren physiologische Rolle nichts bekannt ist.
2.1.2. Syntheseorte im Reproduktionstrakt
Höchste Konzentrationen an Relaxin werden im weiblichen Reproduktionstrakt während der
Gravidität nachgewiesen. Hauptsyntheseorte für Relaxin sind das Corpus luteum, die Placenta und
der Uterus (Tab. 1). Neben dem jeweiligen Hauptsyntheseort gibt es im weiblichen
Reproduktionstrakt sekundäre Syntheseorte für Relaxin. Die hier produzierten Relaxinmengen
scheinen vor allem lokale auto- und parakrine Funktionen zu erfüllen.
Im männlichen Reproduktionstrakt wird Relaxin im glandulären Epithel der Prostata verschiedener
Spezies, einschließlich des Menschen, sekretiert (Weiss, 1989; Ivell et al., 1989; De Cooman et al.,
1983; Cameron et al., 1982). Immunoreaktives Relaxin wird im Ejakulat (Essig et al., 1982;
Loumaye et al., 1980) sowie im Serum des Ebers (Juang et al., 1988), nicht jedoch im Serum des
Mannes (O´Byrne et al., 1978), nachgewiesen.
10
Tabelle 1. Syntheseorte für Relaxin im weiblichen Reproduktionstrakt von Säugetieren (modifiziert
nach Sherwood, 1994; * entsprechend der Numerierung im Literaturverzeichnis).
Spezies
Mensch (Homo sapiens)
Ovar essentiell für
die
Aufrechterhaltung
der Gravidität
nein
Hauptsyntheseort
für Relaxin
Sekundäre
Syntheseorte für
Relaxin
C. luteum (323)*
nein
nein
nein
Placenta (185; 320)
Placenta (1; 180)
Uterus (256)
Decidua, Placenta
(287)
C. luteum (281)
ja
ja
ja
ja
ja
C. luteum (9)
Placenta (181; 309)
C. luteum (105; 117)
C. luteum (8)
Placenta (93; 104)
ja
Placenta (277)
Pferd (Equus caballus)
Katze (Felis catus)
Meerschweinchen
(Cavia porcellus)
Schwein (Sus scrofa)
Hund (Canis familiaris)
Ratte (Rattus norvegicus)
Maus (Mus musculus)
Kaninchen
(Oryctolagus cuniculus)
Goldhamster
(Mesocricetus auratus)
Uterus (186)
Ovar (309)
Uterus (105)
Uterus (94)
2.1.3. Sekretion des Relaxins
Während der Gravidität in verschiedenen Spezies ist Relaxin ein frühes Sekretionsprodukt (Steinetz
et al., 1996; Stewart et al., 1992a; Stewart, 1986). In der schwangeren Frau sowie in trächtigen
Makaken fällt der Serumanstieg des Relaxins mit dem des Choriongonadotropins zusammen
(Stewart et al., 1993; Stewart et al., 1990). Im Verlauf der Schwangerschaft werden RelaxinSerumwerte von 1 ng/ml gemessen (Bell et al.,1987). Ein präpartaler Anstieg der Serumwerte, wie
er beim Schwein (Sherwood et al., 1981) und bei der Ratte (Sherwood et al., 1983) nachweisbar
ist, existiert weder bei der Frau noch bei den bisher untersuchten Affenspezies (Steinetz et al., 1995;
Castracane et al., 1985; Nixon et al., 1983; Weiss et al., 1981; Quagliarello et al., 1980b). Das im
Serum der Schwangeren nachweisbare Relaxin ist ein Sekretionsprodukt des Corpus luteum und ein
geeigneter Indikator für dessen Aktivität (Lucas et al., 1989). Im Unterschied zur Ratte, der Maus
und dem Schwein, bei denen Relaxin für die Zervix-Dilatation und den normalen Geburtsvorgang
wichtig ist (Sherwood, 1994), können Frauen, die durch die Einnistung einer in-vitro befruchteten
Eizelle schwanger werden, Progesteron-substitutiert werden und aufgrund des fehlenden Corpus
luteum keine meßbaren Relaxin-Serumspiegel haben, komplikationslos entbinden (Johnson et al.,
1991b; Eddie et al., 1990; Sauer et al., 1990). Natürliche oder stimulierte multiple Ovulationen sind
11
die häufigste Ursache für Mehrlingsschwangerschaften. Die erhöhte Zahl an Corpora lutea bedingt
eine Hyperrelaxinämie (Haning et al., 1985; Weiss et al., 1993). Hyperrelaxinämie im ersten
Trimenon ist ein geeigneter prognostischer Parameter zur Vorhersage einer möglichen Frühgeburt
(Weiss et al., 1993). Therapiebedürftige diabetische Schwangere zeigen ebenfalls bis zu 3-fach
erhöhte Relaxin-Serumspiegel im Vergleich zu gesunden Schwangeren (Tan et al., 1992; Steinetz et
al., 1992a). In beiden Fällen sind die Ursachen hierfür unbekannt.
Wenig ist bekannt über die Faktoren, die auf die Sekretion von Relaxin Einfluß nehmen. Humanes
Choriongonadotropin (hCG) stimuliert die Sekretion von Relaxin in Primaten. Die Applikation von
hCG während der Lutealphase des normalen Menstruationszyklus bei der Frau, dem Rhesusaffen
und dem Pavian bewirkt die Freisetzung von Relaxin aus dem Corpus luteum (Ottobre et al., 1991;
Castracane et al., 1983; Quagliarello et al., 1980a; Thomas et al., 1980). Die hCG-Gabe in der
späten Lutealphase ist hierbei besonders wirksam (Ottobre et al., 1984; Thomas et al., 1980).
Injektionen von hCG im Rahmen einer in-vitro Fertilisation am Tag des Embryotransfers und drei
Tage danach führen zu signifikant erhöhten Relaxin-Serumspiegeln am 22. Tag nach dem
Embryotransfer (Johnson et al., 1991a). Humane luteinisierte Granulosazellen, die im Rahmen einer
in-vitro Fertilisation nach kontrollierter hCG-Hyperstimulation gewonnen wurden, exprimieren
Relaxin in-vitro nach weiterer 10-tägiger Stimulation mit hCG (Gagliardi et al., 1992). Nach
operativer Entbindung gewonnene und kultivierte humane Lutealzellen sekretierten Relaxin ins
Medium 2 Tage nach hCG-Gabe (Goldsmith et al., 1981).
Das strukturell dem hCG sehr ähnliche Luteinisierende Hormon (LH), das ebenfalls luteotrope
Prolaktin sowie der Insulin-like Growth Factor I (IGF-I) fördern, alleine oder in Synergie mit LH,
die Sekretion von Relaxin in kultivierten Lutealzellen des Schweines (Huang et al., 1992; 1991;
Felder et al., 1988). Das luteolytisch wirkende Prostaglandin F2α induziert im trächtigen Schwein
eine Erhöhung der Relaxinserumspiegel (Sherwood et al., 1979). Die Gabe des CyclooxygenaseInhibitors Indomethacin in der späten Trächtigkeitsphase beim Schwein verzögert die Luteolyse, den
bei Schweinen typischen starken Relaxinanstieg kurz vor der Austreibungsphase sowie die Geburt
für 2-5 Tage nach Absetzen von Indomethacin (Nara und First, 1981; Sherwood et al., 1979;
Taverne et al., 1982). Bei der Frau scheinen Prostaglandine keine modulierende Funktion auf die
Relaxinsekretion zu besitzen. Das Peptidhormon Oxytocin bewirkt ebenfalls keine Stimulation der
Relaxinsekretion bei der Frau (Hochman et al., 1978).
12
Bei der Ratte besteht in der zweiten Hälfte der Trächtigkeit eine direkte Beziehung zwischen der
Anzahl der Feten und der Konzentration von immunoreaktivem Relaxin sowie der Menge an
Präprorelaxin mRNA im Ovar (Golos und Sherwood, 1982). Eine intakte Plazenta ist wesentlich für
die luteale Relaxinsynthese (Crish et al., 1986) und plazentar synthetisiertes luteotropes 17βÖstradiol scheint hierfür verantwortlich zu sein (Lao Guico-Lamm und Sherwood, 1985).
2.1.4. Biologische Funktionen des Relaxins im Reproduktionstrakt
Die modulierende Wirkung des Relaxins auf das Bindegewebe der Symphyse (Samuel et al., 1996)
und auf das kollagene Bindegewebe zahlreiche Strukturen des weiblichen Reproduktionstraktes
(Sherwood, 1994), einschließlich des Ovars, beinhaltet die Aktivierung eines die extrazelluläre
Matrix degradierenden enzymatischen Systems, die Matrix-Metalloproteinasen und Serin-Proteasen.
Hierdurch nimmt Relaxin Einfluß auf den Prozeß der Ovulation. In kultivierten Granulosa-Zellen des
Rattenovars stimuliert Relaxin die Sekretion der ovulationsfördernden Enzyme Collagenase Typ-I,
Plasminogen-Aktivator und Proteoglykanase (Too et al., 1984). Rattengranulosa- und Thekainterna-Zellkulturen zeigen eine differentielle Induktion unterschiedlicher Gelatinasen nach
Relaxingabe (Hwang et al., 1996). Humanes Relaxin (H2) induziert die Ovulationen in in-vitro
perfundierten Ovarien Östrogen-vorbehandelter Ratten (Brännström und McLennan, 1993). Im
Schwein vermittelt der Insulin-like Growth Factor-I (IGF-I) die proliferativen Effekte des Relaxins
auf die Granulosa- und Theca-interna-Zellen des Follikels (Ohleth und Bagnell, 1995). Ob IGF-I im
Rattenovar ebenfalls als parakriner Vermittler der Relaxinwirkung auf Zellen des Follikels wirkt ist
nicht bekannt.
Bei den Nagern und dem Schwein wirkt Relaxin wachstumsfördernd auf den Uterus (Hall et al.,
1992; 1990; Galvin et al., 1991; Bylander et al., 1987), den uterinen Zervix (Winn et al., 1994;
Hwang et al., 1989; O´Day et al., 1989; Vasilenko und Mead, 1987) und die Vagina (Min et al.,
1997; Burger und Sherwood, 1995). Im Schweineuterus induziert Relaxin die Sekretion von IGF-I
und IGF-II sowie der IGF-Bindungsproteine IGFBP-2 und IGFBP-3 (Ohleth et al., 1997). Diese
Mitglieder des IGF-Systems vermitteln im Uterus den proliferativen Effekt des Relaxins. Neben
seiner proteolytischen Funktion im Rahmen der extrazellulären Matrix-Degradation (Littlefield, 1991)
besitzt der nach Relaxingabe vermehrt in der Uterusflüssigkeit des Schweines nachweisbare
Urokinase-Plasminogen-Aktivator (Wang-Lee et al., 1999) eine Epidermale Wachstumsfaktor
13
(EGF)-artige Domäne, mit der diese Serinprotease an den EGF-Rezeptor bindet (Appella et al.,
1987) und mitogen wirken kann (Kirchheimer et al., 1987). Dies ist der erste Hinweis auf Relaxininduzierte Proliferationsprozesse, die, mit oder ohne Einschluß des IGF-Systems, über den EGFRezeptor vermittelt werden.
Seit über 35 Jahren ist die Bestimmung zweier für eine erfolgreiche Gravidität wichtige Funktionen
des Relaxins Grundlage von in-vivo-Bioassays: die Erweiterung des Symphysenspaltes sowie die
Relaxation der glatten Muskulatur des Uterus, (Steinetz et al., 1960; Wiqvist und Paul, 1958). Eine
präpartal erhöhte Elastizität und Dehnbarkeit des zervikalen Uterussegmentes ist eine wesentliche
Voraussetzung für eine unkomplizierte Geburt bei Nagern (Lao Guico-Lamm und Sherwood, 1988;
Downing und Sherwood, 1985; Kroc et al., 1959) und beim Schwein (Nara et al., 1982). In der
Ratte geht die Relaxin-vermittelte Erweichung der zervikalen Uterusmuskulatur einher mit einer
erhöhten Sekretion von Kollagenase und Proteoglykanase (Too et al., 1986). Die Relaxinvermittelten Zervix-veränderungen beim Schwein resultieren ebenfalls in einer Reduktion der
zervikalen Kollagenmenge (Hall und Anthony, 1993; O´Day et al., 1991). Im humanen Zervix führt
die Relaxingabe zur Reduktion der Kollagensynthese (Wiqvist et al., 1984). Eine verminderte
Kollegensynthese in Kombination mit der Induktion aktiver Kollagen-abbauender Enzyme ist auch in
Relaxin-stimulierten in-vitro kultivierten humanen dermalen Fibroblasten nachweisbar (Unemori et
al., 1996; 1992).
Relaxin wirkt direkt über spezifische Rezeptoren auf die glatte Uterusmuskulatur (Osheroff et al.,
1990; Mercado-Simmen et al., 1982b; Weiss und Bryant Greenwood, 1982) und reduziert die
Frequenz sowie in geringerem Maße auch die Amplitude spontaner und provozierter Kontraktionen
im Myometrium verschiedener Spezies (Downing und Hollingworth, 1993; Porter und Watts, 1986;
Porter et al., 1979; Porter, 1971). Demgegenüber haben H1- und H2-Relaxin in-vitro kaum eine
Wirkung auf das humane Myometrium (MacLennan et al., 1995; Petersen et al., 1991). Östrogen
induziert den myometrialen Relaxinrezeptor (Mercado-Simmen et al., 1982a+b) und seine
Expression wird bei langer Relaxinexposition in-vivo (Downing und Hollingsworth, 1992; Cheah
und Sherwood, 1981) und in-vitro (Chamley und Parkington, 1984; Wiqvist, 1959) im Sinne einer
Tachyphylaxie herunterreguliert.
Isolierte humane Fibroblasten aus dem unteren uterinen Segment besitzen eine einzige Klasse
hochaffiner, membranständiger Bindungsstellen von ca. 220 kD, an die H2-Relaxin mit einer
Dissoziationskonstanten von ca. 4 x 10-9 M bindet. Dieser bislang nicht klonierte Relaxinrezeptor hat
14
Kinaseaktivität (Palejwala et al., 1998). Die Signaltransduktionswege der Relaxinwirkung auf die
Uterusmuskulatur sind unklar (Hughes und Hollingsworth, 1996; 1995). In der Ratte wirkt Relaxin
über einen cAMP-unabhängigen Mechanismus auf die longitudinal verlaufende Myometriumfasern
(Hughes et al., 1997). Eine Adenylatzyklase-abhängige Relaxin-vermittelte Signalkaskade in den
zirkulären Myometriumfasern wird vermutet (Hughes et al., 1997). Weitere Mechanismen, über die
Relaxin Einfluß auf den Kontraktionszustand des Myometriums zu nehmen scheint, sind die
inhibitorische Beeinflußung des Aktionspotentials (Osa et al., 1991; Chamley und Parkington, 1984)
sowie eine Erniedrigung des intrazellulären Ca2+-Spiegels (Anwer et al., 1989) mit einer möglichen
Reduktion der Aktivität der Myosin-Leichtketten-Kinase (MLCK).
Als potentielle Erfolgsorgane für mögliche para- und autokrine Wirkungen sind das Endometrium
(Knox et al., 1994; Fields et al., 1992; Yki-Jarvinen et al., 1985) und die Decidua (Sakbun et al.,
1990; Castracane et al., 1985) sowohl lokale Produzenten als auch Zielgewebe für Relaxin. Beide
Gewebe besitzen Rezeptoren für Relaxin (Qin et al., 1997a; Garibay-Tupas et al., 1995; Weiss und
Bryant-Greenwood, 1982). In Synergie mit Progesteron induziert Relaxin in kultivierten humanen
endometrialen Stromazellen die Expression von IGFBP-1 (Gao et al., 1994; Tseng et al., 1992),
Prolaktin (Huang et al., 1987) sowie Aromatase (Tseng et al., 1987) und bewirkt eine intrazelluläre
Translokation der Proteinkinase C vom Cytosol zur Plasmamembran in endometrialen Zellen
während der Sekretionsphase (Kalbag et al., 1991). In kultivierten humanen Decidualzellen erhöht
Relaxin ebenfalls die Expression von IGFBP-1 (Thrailkill et al., 1990), Prolaktin (Handwerger et al.,
1991) und auch Prorenin (Poisner et al., 1990).
2.2. Relaxin-like Factor (RLF)
2.2.1. Molekulare Struktur und genomische Organisation
Der Relaxin-like Factor (RLF), auch als Leydig cell-insulin-like factor (Ley-I-L) oder Insulin-like
factor 3 (Insl3) bezeichnet (Adham et al., 1993), ist ein junges Mitglied der Insulin-IGF-RelaxinFamilie. Es wird jedoch nicht, wie früher angenommen, ausschließlich in Leydigzellen exprimiert
(Ivell, 1997a+b). In dieser Arbeit wird die Bezeichnung RLF verwendet, da dieses Molekül
strukturell sowie im Rezeptorbindungsverhalten dem Relaxin näher steht als dem Insulin. Wie das
Relaxingen, ist das RLF-Gen aus zwei Exonen und einem Intron aufgebaut (Koskimies et al., 1997;
15
Zimmermann et al., 1997; Burkhardt et al., 1994a). Das humane RLF-Gen liegt auf dem kurzen Arm
von Chromosom 19, 13.2-p12 (Burkhardt et al., 1994b).
Die RLF-Transkripte verschiedener Spezies (Mensch: Burghardt et al., 1994a; Schwein: Adham et
al., 1993; Maus: Pusch et al., 1996; Rind: Bathgate et al., 1996; Schaf: Roche et al., 1996;
Marmoset: Zarreh-Hoshyari-Khah et al., 1999) kodieren für ein ca. 14,5 kD großes Polypeptid mit
einem für alle Mitgieder der Relaxin-Familie einheitlichen molekularen Aufbau. Derzeit erfolgt die
Untergliederung des RLF-Moleküls in ein Signalpeptid und die B-, C- und A-Domäne (vom N´zum C´-Terminus) aufgrund analoger Daten zur enzymatischen Prozessierung des Relaxins sowie der
Lage der Cysteine und potentiellen Endopeptidase-Spaltstellen (Renegar et al., 1996) im RLFMolekül. Geeignete Antikörper zur Detektion von RLF stehen erst seit kurzem zur Verfügung
(Zarreh-Hoshyari-Khah et al., 1999; Ivell et al., 1997b) und erlauben derzeit keine Aussagen
darüber, ob RLF als A-B-Heterodimer oder als
N´
B-C-A- C´ -Prohormon sekretiert wird. Chemisch
synthetisierte A-B-Heterodimere des RLF binden sowohl an den Relaxinrezeptor als auch an einen
weiteren, noch nicht charakterisierten RLF-Rezeptor (Büllesbach und Schwabe, 1995). Analog der
Rezeptorbindungssequenz beim Relaxin besitzt RLF in der B-Domäne das stark konservierte
Peptidmotiv -x-R-x-x-x-R-x- (R=Arginin), welches im Unterschied zu Relaxin vier Aminosäuren
weiter C´-terminal lokalisiert ist (Büllesbach et al., 1992).
2.2.2. Expression von RLF
Bei der Suche nach gewebespezifischen, differentiell exprimierten cDNA-Molekülen wurde das RLF
im Hoden des Schweines (Adham et al., 1993) und der Maus (Pusch et al., 1996) kloniert. In allen
bislang untersuchten Spezies ist RLF ein spezifisches und häufiges Transkriptionsprodukt interstitieller
testikulärer Leydigzellen. Eine ca. 0.7 kb lange Gen-sequenz im 5´-untranslatierten Bereich oberhalb
der transkriptionellen Startposition ermöglicht eine spezifische Expression des RLF-Genes in
Leydigzellen (Koskimies et al., 1997).
Die Aktivität des RLF-Genes ist abhängig vom Entwicklungsgrad der Leydigzellen. Präpuberale
Leydigzellen zeigen nur eine schwache Expression des RLF-Genes, die erst während der Pubertät
stark ansteigt (Balvers et al., 1998; Zimmermann et al., 1997). Humanes Choriongonadotropin
(hCG), das fördernd auf die Sekretion von Relaxin wirkt, hat keinen Einfluß auf die RLF-Expression
in der murinen Leydigzellinie MA10 sowie in primären Leydigzellen der Maus (Pusch et al., 1996).
Bei der adulten hypogonadalen Maus (hpg), bei der die Gonaden aufgrund einer Deletion im Gen für
16
Gonadotropin Releasing Hormone (GnRH) in einem präpuberalen Zustand verharren, bewirkt eine
mehrtägiger hCG-Behandlung eine langsame Differenzierung des testikulären Leydigzellen mit
Induktion der RLF-Expression (Balvers et al., 1998).
RLF-Transkripte sind in Geweben des weiblichen Reproduktionstraktes mittels RT-PCR und
Northern Analysen nachgewiesen worden (Zarreh-Hoshyari-Khah et al., 1999; Bathgate et al.,
1996; Tashima et al., 1995). Northern Analysen verschiedener Rindergewebe ergaben außerdem
schwache Hybridisierungssignale im Herzen, in der Lunge und im Hypothalamus (Bathgate et al.,
1996).
2.2.3. Biologische Funktionen des RLF
Über mögliche Funktionen des RLF ist bislang sehr wenig bekannt. Geeignete Bioassays für RLF
existieren derzeit nicht. RLF kann sowohl an den Relaxinrezeptor als auch an einen ebenfalls nicht
charakterisierten RLF-Rezeptor binden (Büllesbach und Schwabe, 1995). Relaxinrezeptoren im
Uterus, dem Gehirn (Osheroff et al., 1991; 1990) und dem Herzen der Ratte (Osheroff et al., 1992)
sowie spezifische RLF-Rezeptoren im Uterus und dem Gehirn der Maus (Büllesbach und Schwabe,
1995) lassen komplexe, überlappende Funktion für beide Peptidhormone in unterschiedlichen
Organsystemen vermuten. Bei homozygoten RLF-knock-out-Mäusen mit einer gezielten
Inaktivierung des RLF-Genes sind nur die männlichen Tiere phänotypisch auffällig und zeigen einen
bilateralen Kryptorchismus (Zimmermann et al., 1999). Ursache hierfür ist die ausbleibende
Entwicklung eines funktionstüchtigen Gubernakulums während der Embryogenese, wodurch der
Hodendeszensus verhindert wird und die Testes im Bauchraum verbleiben (Zimmermann et al.,
1999). Über weitere autokrine/parakrine und systemische Funktionen des RLF ist derzeit nichts
bekannt.
17