Lebensbild eines Sozialisten - Richard Zimmermann

Lebensbild eines Sozialisten
Richard Zimmermann
Lebensbild eines Sozialisten
Richard Zimmermann
Recherchiert und zusammengestellt
von Bernd Zimmermann
Berlin Mai 2016
Alle Rechte beim Autor
Für Jana
Dem Andenken meiner tapferen Großeltern
Richard und Elsa Zimmermann
gewidmet
Richard Zimmermann
Richard Zimmermann wurde am 31.12.1876 in Dresden als drittes von
5 Kindern einer Arbeiterfamilie geboren. Sein Vater, Emil Zimmermann, der
das Schusterhandwerk erlernt hatte, war, wie auch Richards Mutter Emma geb.
Heins, in der Dresdener Tabakindustrie tätig: Emil als „Zigarrensortierer“,
Emma als „Zigarettenarbeiterin“.
Ende des 19. Jahrhunderts war Dresden zum Hauptumschlagplatz für Tabak und
Zentrum der Tabakindustrie geworden. So wie Richards Eltern arbeiteten ca.
25% der berufstätigen Bevölkerung der Stadt in den zeitweise 60 Tabakfabriken
oder bei deren Zulieferern.
Frühzeitig wurde Richard mit Konflikten konfrontiert, die aus dem
gewerkschaftlichen Engagement des Vaters resultierten, der später auch der
sozialdemokratischen Bewegung angehörte und Repressionsmaßnahmen der
Bismarck-Ära zu spüren bekam.
Der Junge begleitete den Vater auf organisierten Sonntagsspaziergängen, die
auch der politischen Debatte dienten, da das von 1878 – 90 gültige
„Sozialistengesetz“ Versammlungen unter Strafe stellte.
Er erinnert sich später besonders der Demonstration am 1. Mai 1890 in Dresden,
auf der es zu Zusammenstößen mit der Polizei kam.
Im Auftrag des Vaters überbrachte er als Schuljunge die in dieser Zeit illegal
erscheinende Zeitung „ Der Sozialdemokrat“ an zuverlässige Abnehmer.
Richards Eltern
Emil und Emma
geb. Heins
-2Richard besuchte mit Erfolg die 8-klassige Volksschule. Da er sich kritisch mit
dem von den Lehrern vermittelten Weltbild auseinander setzte, das mit den
Ansichten des Elternhauses nicht übereinstimmte, galt er als „störrischer“
Schüler.
Nach dem Schulabschluss erlernte er in einem kleinen Maschinenbaubetrieb
den Beruf des Maschinenschlossers und kann die Gesellenprüfung nach 3 1/2
Jahren ½ Jahr vorfristig ablegen. In Abendkursen (von 20.00 – 22.00 Uhr)
absolviert er von 1891 - 94 eine Gewerbeschule.
Nach einer Tätigkeit in zwei Dresdener Betrieben (Maschinenbürstenfabrik,
Nähmaschinenfabrik Clemens Müller) trat er im März 1896 die damals übliche
„Wanderschaft“ der Handwerksburschen an. Richard ist 1,68 groß, schlank und
bei guter Gesundheit.
Noch in Dresden war er dem Deutschen Metallarbeiterverband beigetreten, die
Mitgliedschaft wurde nach Rückkehr von der Wanderschaft 1898 erneuert.
„Unterstützungswanderschein“ mit
bemerkenswerten Eintrag des
Kanton Aarau: „Jede weitere
Umschau nach Arbeit ist
abgeschafft und soll als Bettel
behandelt werden“
Zu Fuß von Dresden nach Süddeutschland gewandert, fand er eine erste
Beschäftigung in Säckingen am Rhein als Schlosser in der Reparaturwerkstatt
der Seidenwarenfabrik Edwin Nalf A.G.
Ein wichtiges Dokument war das „Arbeitsbuch“, das seinen Weg an Hand der
Arbeitsstellensuche und der angetretenen Stellen dokumentiert.
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Nunmehr im Besitz eines Reisepasses, den ihn sein Vater in Dresden beschafft
hatte, setzt er nach einigen Monaten die Wanderschaft fort, lernt die Schweiz
kennen und bekommt erneut Arbeit in der Schlosserei Wehner in Bulle im
Kanton Fribourg. Unterkunft findet er im gut eingerichteten Ledigenheim des
sogenannten „Gruetlivereins“
Die Losung des schweizerischen
Gruetlivereins „durch Bildung zur Freiheit“
begeisterte den jungen Mann. Dieser recht
„vaterländisch“ orientierte Arbeiterverein
(„Gruetli“ nimmt Bezug auf den legendären
Rütli-Schwur der zur Gründung der
Schweizerischen Eidgenossenschaft geführt
haben soll), spielte eine wichtige Rolle in der
Schweizerischen Arbeiterbewegung. Richard
trat in den Gruetliverein ein und profitierte
von dessen abendlichen politischen und
anderen weiterbildenden Veranstaltungen.
Dazu zählte auch ein Kursus der
französischen Sprache.
-4Im Gruetliverein wurde sein Interesse an philosophischen Schriften geweckt: in
seinem Bücherschrank fanden sich später Werke von Kant, Hegel, den
utopischen Sozialisten, Marx, Engels und Lenin.
In Bulle lernte er junge Menschen aus mehreren europäischen Ländern kennen
und bereitete mit ihnen im Jahre 1897 die örtliche Feier zum 1. Mai vor. Er
erinnerte sich, dass diese mit Reden in italienischer, französischer und deutscher
Sprache „fast internationalen Charakter“ trug.
Bereits 1896 war er Mitglied des schweizerischen Metallarbeiterverbandes
geworden.
Die Wanderschaft führte ihn dann Ende Mai 1887 über Südfrankreich nach
Lyon und Genf und auch nach Italien. Arbeit fand er erst wieder Mitte Juli des
gleichen Jahres in Fribourg in der Schlosserei Hertling Frères.
In eine Streikbewegung verwickelt, muss er die Ausweisung durch die
Schweizer Behörden als „lästiger Ausländer“ befürchten. Er gibt deshalb die
Arbeit auf und tritt im Oktober 1897 in das Werk von Brown & Boveri in Baden
bei Zürich ein.
Dort lernte er wohl erstmalig die moderne Arbeitsorganisation eines
kapitalistisch wirtschaftenden Unternehmens kennen, trat in den sozialistischen
deutschen Arbeiterverein ein und gehörte der Ortsleitung des Schweizerischen
Metallarbeiterverbandes an. Wichtig für sein späteres Engagement war auch der
Besuch von Abendkursen an der dortigen gewerblichen Fachschule. Richard war
aber kein „Stubenhocker“: seine abgeknickte Nase zeugte zeitlebens vom Streit
auf dem Tanzsaal mit schweizerischen Burschen um ein Mädchen.
Ende 1898 muss er nach Deutschland zurückkehren: sein Reisepass wird nicht
verlängert, da er im Rahmen der Militärdienstpflicht jederzeit erreichbar sein
muss. Er wird durch das Soldbuch ersetzt.
-5Er arbeitet dann im Sächsischen Maschinenbau, zunächst in einer
Zigarettenmaschinenfabrik, dann als Vorarbeiter in einem Eisenwerk bei
Coswig.
Von 1900 – 1908 ist er in der Präzisionswerkzeugmaschinenfabrik von
Auerbach & Co. in Dresden tätig.
Ein traumatisierendes Erlebnis war 1901 der Unfalltod seiner 28-jährigen
Schwester Frieda, die den Verbrennungen erlag, die sie sich zugezogen hatte, als
eine Petroleumlampe vom Schrank stürzte.
1899 wird er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und gehört
bald der Stadtteilleitung Dresden-Trachenberge an. Auch seine
gewerkschaftliche Tätigkeit findet im Deutschen Metallarbeiterverband ihre
Fortsetzung.
In dem Stadtteil Dresdens, in dem Richard wohnt, lebte auch Dr. Hermann
Duncker, der der gleichen SPD-Parteigruppe wie Richard angehörte. Duncker
war seit 1903 hauptamtlicher Parteifunktionär und ab 1906 der erste
„Wanderlehrer“ der SPD. In den wöchentlichen Gruppenversammlungen
vermittelte Duncker seinen Genossen Grundkenntnisse des wissenschaftlichen
Sozialismus und der Geschichte des Klassenkampfes des deutschen und
internationalen Proletariats. Richard war vom Auftreten des fast gleichaltrigen,
akademisch gebildeten Funktionärs fasziniert und blickte zeitlebens zu ihm auf.
Während seiner Abgeordnetentätigkeit im Weimarer Landtag, gehörte Dunckers
Ehefrau Käte zeitweilig seiner KPD-Fraktion an.
Richard war während der Dresdener Jahre auch gewerkschaftlicher
Vertrauensmann und gehörte der überbetrieblichen Körperschaft der
Vertrauensmänner an. Dort kam es zu Auseinandersetzungen über das
opportunistische Verhalten von Gewerkschaftsführern.
Auf Grund der von ihm eingenommenen Positionen wurde Richard bald dem
linken Flügel zugerechnet.
Durch die Teilnahme an verschiedenen Kursen, aber insbesondere auch im
Selbststudium, eignete sich Richard in jenen Jahren eine solide politische
Bildung als Rüstzeug für sein Wirken an.
Bereits in der Schweiz hatte er Erfahrungen mit der Notwendigkeit und dem
Nutzen der internationalen Solidarität gemacht. Diese Erfahrung prägte einen
seiner wichtigen Charakterzüge.
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1909 siedelte er nach Jena über und trat dort am 11. Januar 1909 eine Tätigkeit
als Dreher in der Firma Carl Zeiss an. Sein Wochenlohn beträgt 23.-Reichsmark.
Im Sommer des gleichen Jahres heiratet er die 14 Jahre jüngere Elsa, geb.
Biedermann, eine hübsche dunkelhaarige Frau –
nach seiner Ansicht mit
sorbischen Wurzeln.
Aus der Ehe, die bis
zum Tod von Richard
Bestand hatte, sollten 2
Kinder hervorgehen:
Sohn Fritz, geboren nur
2 Monate nach der
Eheschließung und
knapp zwei Jahre später
die Tochter Erna.
Richard gehört keiner Kirche an, in seinem Militärpass befindet sich deshalb die
Eintragung „Dissident“, die Kinder werden nicht getauft.
Auch Else – wie er sie nannte - entstammte einer Arbeiterfamilie, der Vater
hatte es bis zum Ofensetzermeister gebracht. Sie hatte nach dem Besuch der 8klassigen Grundschule zunächst als Verkäuferin im Konsum, später als
Porzellanmalerin bei Villeroy & Boch in Dresden in der Leipziger Strasse
gearbeitet, zeitweise das größte Industrieunternehmen der Stadt. 1911 wird auch
Else Mitglied der SPD.
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Richard mit Sohn Fritz
(ca. 1912)
Auch in Jena setzt Richard bald sein gesellschaftliches Engagement fort, wird
Mitglied des Arbeiterausschusses und des Betriebsrates. Mit anderen
Sportfreunden gründet er einen Arbeiterschwimmverein.
Die junge Familie wohnt zunächst in der Jenaer Talstraße, ab 1914 in der
Lutherstrasse 148 und zieht wenig später in die Nummer 154 um, wo Richard
und Else bis an ihr Lebensende verbleiben.
1910 erwirbt er für 10.-RM er auch den Bürgerschein der Universitätsstadt Jena,
mit dem er wahlberechtigt wird.
-8Dem linken Flügel der SPD angehörend, gerät er bald in Widerspruch zur
offiziellen Linie der Partei. Bei Ausbruch des I. Weltkrieges zählt er nicht zu
den „Hurrapatrioten“ bzw. den „Kaisersozialisten“.
Bürgerschein der Residenz- und
Universitätsstadt Jena
(1910)
Er kritisiert die „Burgfriedenspolitik“ der SPD und verurteilt die Zustimmung zu
den Kriegskrediten, die er als „beispiellosen Verrat“ empfindet.
Er ist in Jena am „Proletarischen Kampfbund gegen den Krieg“ beteiligt, der
unter Nutzung einer illegalen Druckerei Flugblätter mit dem Titel „Der
Hauptfeind steht im eigenen Land“ herstellt und in Umlauf bringt.
Wie Emil Höllein und Georg Schumann wird er Mitglied des oppositionellen
„Diskutierklubs“. Sein Weg führt ihn in die Liebknecht nahestehende Gruppe
„Internationale“ und später in den „Spartakusbund“.
Im Juni 1915 gehört er zu den 1 000 Partei- und Gewerkschaftsfunktionären, die
den „Offenen Briefes“ gegen den Kriegskurs der Parteiführung unterzeichnen,
den Liebknecht initiiert hatte und der an Parteivorstand und Reichstagsfraktion
der SPD gerichtet war.
-9Noch zögert er aber, den Bruch mit der Partei zu vollziehen. Hatte doch August
Bebel stets gerade vor einer Spaltung gewarnt.
Im Jahre 1916 ist Richard aktiv an der Vorbereitung einer illegalen
Reichskonferenz der Linken in der SPD beteiligt, die, als Veranstaltung eines
„Wander- und Abstinenzlervereins“ getarnt, am 23. April in Jena stattfindet und
als „Osterkonferenz“ in die Geschichte eingeht.
Innerhalb der Jenaer Sozialdemokratie kommt es zu einer weiteren Zuspitzung
der Auseinandersetzungen zwischen systemkonformen und linken Strömungen.
Im Juni 1916 wählt der „Sozialdemokratische Wahlverein“ Richard
Zimmermann zum Vorsitzenden der Ortsgruppe.
Die Kriegsjahre sind auch für die junge Familie schwer zu ertragen. In
Erinnerung bleibt die Sorge um das tägliche Brot, das besonders im
„Kohlrübenwinter“ 1916/17 knapp wird.
Im Januar 1917 ist er Delegierter der von der rechten Parteiführung abgelehnten
Reichskonferenz der SPD, die im Berliner Reichtagsgebäude stattfindet und
stimmt der dort verabschiedeten Resolution gegen die revisionistische Linie der
Parteiführung zu.
Das trägt ihm und der gesamten Jenaer Ortsgruppe scharfe Kritik der regionalen
SPD-Leitung ein, die die Teilnahme an der Konferenz als „statutenwidrig“
bewertet und eine weitere Mitgliedschaft der Teilnehmer in der Gesamtpartei in
Frage stellt.
Der Prozess der Spaltung der SPD beschleunigt sich, als die Fraktion der
„Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft“ im Reichstag eine
Oppositionskonferenz einberuft, die vom 06. bis 08. April 1917 in Gotha tagt.
Einer der Delegierten war der Vorsitzende der Jenaer Ortsgruppe der SPD,
Richard Zimmermann. Infolge dieser Konferenz entstand die USPD, der
Richard mit dem gesamten SPD-Ortsvorstand beitrat. Er übernahm
den Vorsitz der neuen Ortsgruppe der USPD. Auch die Spartakusgruppe wird
Mitglied der USPD, bewahrt jedoch einen eigenständigen Status (heute würde
man von einer innerparteilichen „Plattform“ sprechen). Mit Kautsky und
Bernstein sitzen im zentralen Parteivorstand jedoch auch revisionistische Kräfte.
Im gleichen Jahr gehört Richard in Jena zu den Organisatoren eines
Hungerstreiks gegen den Krieg.
Im Zeiss-Werk ist er auch in der gewerkschaftliche Arbeit aktiv. So wird er
Mitglied des „Unfallverhütungsausschusses“ und ist gleichfalls im Ausschuss
- 10 zur Einrichtung einer Volksküche im „Löwen“ vertreten. Diese soll mit der
Beköstigung von 1 200 Bedürftigen die Not lindern helfen (Preis eines
Mittagessens 60 Pfennig).
Ende Januar 1918 riefen Teile der USPD (Spartakusgruppe) zu einem
Massenstreik auf, der als „Munitionsarbeiterstreik“ bekannt wurde. Am
31.01.1918 tritt Richard auf der ersten Streikversammlung auf dem Jenaer
Marktplatz als Redner auf (neben Josef Klose/USPD und Wilhelm Faber/SPD).
Nur wenige Stunden später versammeln sich 7 000 Streikende auf dem
Bibliotheksplatz, wo er über den Streik im Reich und über die
Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk informiert. Die Versammlung
beschließt ein Schreiben an den Reichskanzler, in dem es heißt:
„Seine Exzellenz wird ersucht, davon Kenntnis zu nehmen, dass die
proletarische Friedensbewegung auf die Stadt J e n a übergegriffen hat. – 7000
in der Kriegsindustrie beschäftigte Arbeiter sind in den Ausstand getreten.
Einmütig unterstützen wir folgende von der Berliner Arbeiterschaft aufgestellte
Forderungen:.......“
Gefordert wird Frieden ohne Annexionen entsprechend der Ausführungsbestimmungen, die vom russischen Volksbeauftragten in Brest-Litowsk
formuliert wurden, Zuziehung von Arbeitervertretern aller Länder zu den
Friedensverhandlungen, ausgiebigere Nahrungsversorgung, Aufhebung des
Belagerungszustandes, Freilassung aller politischen Gefangenen und
Beendigung der Militarisierung der Betriebe sowie eine Demokratisierung des
Staates. Der Brief wird von Richard Zimmermann und Johann Engels
unterzeichnet.
Später musste sich die Streikleitung den Drohungen der Militärbehörden beugen
und mit einem Litfasssäulenanschlag, unterzeichnet von Richard Zimmermann
und Wilhelm Faber, die Wiederaufnahme der Arbeit empfehlen.
Nach Beendigung des Streiks wird gegen dessen Führer, unter ihnen Richard
Zimmermann, Max Bach und Josef Klose ein Verfahren wegen Hochverrats
eingeleitet. Um Unruhen zu vermeiden, wurde das Verfahren verzögert und die
Genannten – wie auch weitere 120 Streikteilnehmer – wurden zum Heeresdienst
einberufen. Dort wurden die „Aufwiegler“ in einer speziellen Einheit, der „6.
Ersatzkompanie“ zusammengefasst, die an die Westfront kommandiert wird. Im
Militärpass wird die Teilnahme an folgenden Gefechten bestätigt:
„28.08.-14.09.18 Stellungskämpfe zwischen Oise und Marne; 15.09.-10.10.18
Stellungskämpfe in der Woevre-Ebene u. westl. der Mosel; 11.10.-11.11.18
Stellungskämpfe in der Woevre-Ebeme; Rückmarsch durch Lothringen, die
Rheinprovinz u. die Pfalz während des Waffenstillstandes“
- 11 An der Einberufung des bis dto. freigestellten Richard Zimmermann waren
Zeiss-Führungskräfte maßgeblich beteiligt. Da Korrumpierungsversuche gegen
den „Kopf der revolutionären Bewegung“ im Werk fehlschlugen (Richard sollte
Vorarbeiter in der Dreherei werden), denunzierte man ihn beim zuständigen
„Stellvertretenden Generalkommando XI.A.K.“ in Kassel mit folgendem
Schreiben:
„Zimmermann, Richard, geb. 31.12.1876, Obere Heimstättenstraße 51(*),
Dreher in der Drehereiabteilung Seidemann, Militärverhältnis : a.v. – Er gehört
dem Vorstand unseres Arbeiter-Ausschusses an und ist auch Abteilungsvertreter
in seiner Abteilung . Z. gehört nach Urteil seiner vorgesetzten Werkstattbeamten
zu den unangenehmen Elementen unserer Firma, insbesondere als er viel
Unruhe in seine Abteilung hineinbringt, es dabei aber versteht, seine
Person im Hintergrund zu halten. Im Arbeiterausschuss hat er unseres Wissens
eine gewichtige Stimme.“ (*) Irrtum bzgl. Wohnanschrift!
Mit dem Waffenstillstand am 11.11.1918 wird Richard in den Soldatenrat
gewählt. Das führt zur Verzögerung seiner Rückkehr nach Jena bis Mitte
Dezember 1918. Dort wird er dann in den bereits bestehenden Arbeiter- und
Soldatenrat kooptiert, dem er bis zu dessen, der Politik der sozialdemokratischen
Volksbeauftragten (Rat der Volksbeauftragten unter Vorsitz von Friedrich
Ebert) geschuldeten Auflösung angehört.
Es zeigt sich immer deutlicher, dass linientreue SPD-Anhänger starke Positionen
in der USPD innehaben, so dass sich die Liebknecht-Linie nicht durchsetzen
kann. Auf Initiative des
Spartakusbundes entsteht die
Kommunistische Partei
Deutschlands (KPD) zum
Jahresende 1918, in Jena wird 1919
eine Ortsgruppe gebildet. 1920 tritt
Richard, von der Ermordung von
Liebknecht und Luxemburg
zumindest mit Billigung der SPDFührung tief betroffen, mit einem
Großteil der Jenaer USPDAnhänger zur KPD über.
In den Kriegsjahren
- 12 In der kommunistischen Bewegung gab es bekanntlich erhebliche
Meinungsverschiedenheiten über den historischen Platz von Rosa Luxemburg.
Wenn in jener Zeit, aber auch später nach 1945, solche Diskussionen geführt
wurden, bezeichnete Richard sie gern als einen Adler der
Revolution – in Anlehnung an die betreffende Äußerung Lenins: „Ein Adler
kann manchmal wohl tiefer hinabsteigen als ein Huhn, aber nie kann ein Huhn
in solche Höhen steigen wie ein Adler“.
Richard ist seit Januar 1919 wieder Betriebsanghöriger von Zeiss Jena
(Wochenlohn 30.-Mark). Bereits im Februar vermerkt die Personalabteilung,
dass er „angeblich“ in den Arbeiterrat gewählt wurde und deshalb gemäß § 82
des Statuts der Carl-Zeiss-Stiftung bis zum 30. März 1920 von der Arbeit
suspendiert wird. Bereits am 28. Februar kehrt er jedoch an seinen Arbeitsplatz
zurück, wie die Personalakte vermerkt.
Unter seiner Führung ist die revolutionäre Gewerkschaftsliste bei den
Betriebsrätewahlen erfolgreich. Im Zeisswerk ist der damals noch nicht 45jährige bereits als „der alte Richard“ bekannt – was nur in Bezug auf seine
Kampferfahrungen stimmt.
Zu Jahresbeginn 1919 ist Richard Zimmermann gemeinsam mit Emil Höllein
mit dem Aufbau einer sozialistischen Tageszeitung befasst, die den Namen
„Neue Zeitung“ tragen soll. Nach eigener Erinnerung von Richard war Höllein
von Anbeginn begeistert vom Gedanken einer eigenen Arbeiterzeitung. Richard
bewundert auch in den Folgejahren dessen „Tatkraft, Energie und felsenfestes
Selbstvertrauen“. Bis zu dessen Tod 1929 bleibt Richard dem späteren
Reichstagsabgeordneten, den er auch auf Grund seiner Intelligenz und seines
Wissens schätzt, freundschaftlich verbunden
Als schwierige Aufgabe erwies sich die Beschaffung des für die Zeitung
notwendigen Startkapitals. Richard und Max Bach firmieren als Treuhänder und
vertreiben Anteilscheine, die von Hunderten von Sympathisanten erworben
werden – vielfach mittels Verpfändung der eigenen Wohnungseinrichtung, wie
das auch bei Richard der Fall war. Redaktion und Druckerei werden in Jena am
Lutherplatz 1 eingerichtet und nach Überwindung mannigfacher Hemmnisse
erscheint am 01. August 1919 die erste Ausgabe. Kurze Zeit später trifft dann
auch die teure, hochmoderne, für 16-seitige Zeitungen ausgelegte
Rotationsdruckmaschine ein, die von der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg
geliefert wird. Zunächst noch Publikation der USPD, wird die Zeitung 1920
Organ der KPD. Richard ist gemeinsam mit Max Bach und zwei weiteren
Genossen Geschäftsführer von Druckerei und Verlag und Emil Höllein
verantwortlicher Redakteur.
- 13 Nach der Wahl von Höllein in den Reichstag übernimmt Richard 1921 die
Chefredaktion, die er bis 1923 inne hat und zeichnet als Editor verantwortlich.
Die Zeitung, das „Kampforgan der KPD“, die bis zum Verbot 1933 erscheint
(ab 1930 als „Rotes Echo“ in Erfurt), zählt in den Folgejahren bekannte
kommunistische Funktionäre als Redakteure und Volontäre unter ihren
Mitarbeitern (Alexander Abusch als Chefredakteur 1924-26, Fritz Gäbler, Willy
Gebhardt, Johannes König, Erich Kops....).
Die politisch unbequeme Zeitung erfährt zahllose Anfeindungen der
herrschenden politischen Kreise, wird wiederholt zeitweise verboten und steht
mehrfach vor dem finanziellen Aus. Ausdruck dessen ist die mehrfache
Pfändung von Teilen der Wohnungseinrichtung des Ehepaares Zimmermann.
Richard hat in dieser Periode und in den kommenden Jahren der
Abgeordnetentätigkeit kaum Zeit für die Familie: beruflich in der Woche (die
damals den Sonnabend einschloss) stark belastet, am Sonntag oft auf
Versammlungen, Wahlveranstaltungen oder im Gespräch mit seinen Wählern.
So obliegt die Kindererziehung im Wesentlichen seiner Frau. Politisch unter
dem Einfluss des Vaters, gehören Sohn und Tochter bald kommunistischen
Jugendorganisationen an.
Seine Frau Else sieht stets zu Richard auf und folgt ihm auch in
weltanschaulicher Hinsicht. Richard bezieht sie in die politische Arbeit ein: so
kandidiert sie z.B. 1932 in Jena auf der Liste der KPD für den Stadtrat.
Mitglied des Weimarer Landtags
(1920 – 1933)
Ende der Leseprobe von:
Lebensbild eines Sozialisten - Richard Zimmermann
Bernd Zimmermann
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