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Oh My God Yes: „Erst mal geht es nur um Frauen“
Lydia Daniller und Rob Perkins über ihre innovative Website mit detaillierten Sextipps ▶ Seite 13
AUSGABE BERLIN | NR. 11028 | 21. WOCHE | 38. JAHRGANG
H EUTE I N DER TAZ
KLIMASCHUTZ Positive
Überraschung bei der
Konferenz in Bonn: die
neue Leiterin Sarah
Baashan aus SaudiArabien ▶ SEITE 3
FREITAG, 27. MAI 2016 | WWW.TAZ.DE
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Angst um
Tausende
Flüchtlinge
Grüne
in der
CetaFalle
Berichte über
neue Schiffstragödien.
Todeszahlen unklar
MITTELMEER
BERLIN/ROM taz | Vor der liby-
schen Mittelmeerküste haben
sich offenbar erneut mehrere
Flüchtlingstragödien von noch
unbekanntem Ausmaß ereignet. Die deutsche Organisation
Seawatch, die mit einem eigenen Boot zur Rettung Schiffbrüchiger unterwegs ist, sprach gestern von „Tausenden Toten“ und
erklärte auf Facebook: „Am heutigen Tage findet womöglich die
schlimmste Tragödie im Mittelmeer statt, die je erlebt wurde.“
Nach Angaben von SeawatchSprecherin Ruby Hartbrich
gegenüber der taz ist ein Schiff,
dessen Passagiere ihre eigene
Anzahl mit über 500 angegeben
hätten, komplett gesunken. Insgesamt seien 3 von 16 Schiffen,
die an diesem Tag von Libyen
Richtung Europa aufgebrochen
wären, havariert.
Die italienische Küstenwache erklärte auf Anfrage, die
Seawatch-Zahl von 500 sei
ebenso zu hoch wie eine in italienischen Medien genannte Zahl
von 85 Toten. Ein Sprecher bestätigte der taz am späten Nachmittag, es habe an diesem Tag über
20 Rettungseinsätze im Meer gegeben, von denen 12 abgeschlossen sein. Dabei seien über 2.000
Menschen gerettet worden.
Von einem havarierten Boot
seien 88 Menschen geborgen
worden, 24 davon von der italie­
nischen Küstenwache und 64
von der EU-Marinemission Eunavfor. Das Unglück habe sich
rund 50 Kilometer vor der libyschen Küste ereignet. Über die
Zahl möglicher Ertrunkener
gebe es keine genauen Angaben.
Laut Seawatch stellt der ges­
trige Tag einen Rekord bei der
Anzahl der aus Libyen nach Europa aufbrechenden Flüchtlinge dar. Es sei nun klar, dass
die Fluchtrouten aus Syrien und
Irak sich tatsächlich nach Nordafrika verschoben hätten, so die
Sprecherin. D.J., MB
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LINKE Wagenknecht &
Bartsch in Israel ▶ SEITE 4
NEUKÖLLN Miethaie im
Reuterkiez ▶ SEITE 21
Fotos: Archiv, getty images (oben)
VERBOTEN
Guten Tag und vielen Dank
für diese nette Zuschrift!
Oh taz, oh taz, wo bleibst du
nur?
Schon wieder heute keine Spur
Von dir, von dir!
Du bist nicht hier,
Oh nein, oh nein:
Wird‘s wieder die Verspätung
sein?
Oder ist der Redakteur zu
lahm?
Und nicht zur Zeit zu Potte
kam?
Am nächsten Tag bist du schon
alt!
Nur noch für den Papierkorb
halt!
In diesem Sinne frohes Schaffen
Und geht nach draußen, eine
paffen!
Halli, hallo! …
Hallo und sorry! verboten
weiß auch nicht, was da los
war. Nur gestern gab es einen
Grund: In faulen Bundesländern war Fronleichnam!
FREIHANDEL Eigentlich wollte
Baden-Württembergs
Ministerpräsident
Kretschmann dem umstrittenen
EU-Abkommen mit Kanada im
Bundesrat zustimmen. Doch jetzt
zerpflückt ein Gutachten Ceta.
In Auftrag gegeben hat es:
Kretschmann selbst
BERLIN taz | Wenn Baden-Würt-
temberg seine eigenen Kriterien für die Zustimmung zu
Freihandelsabkommen ernst
nimmt, muss das Land das
Ceta-Abkommen zwischen der
EU und Kanada im Bundesrat
ablehnen. Ein Gutachten, das
das Staatsministerium des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann beim Europarechtler Martin Nettesheim in Auftrag gegeben hatte,
kommt zum Schluss, dass Ceta
den Gestaltungsspielraum von
Ländern und Kommunen einschränkt. Zudem sei die öffentliche Daseinsvorsorge nicht
ausreichend geschützt und
das Recht zur künftigen staatlichen Regulierung nicht uneingeschränkt gewährleistet.
Alle diese Punkte hatte die
baden-württembergische Landesregierung 2015 als Bedingungen für das mit den USA
geplante TTIP-Abkommen formuliert. Der neue Koalitionsvertrag zwischen Grünen und
CDU bestätigte diese Kriterien
und dehnte sie auf Ceta aus.
Kretschmann hat sich bisher nicht festgelegt, wie Baden-Württemberg im Bundesrat votieren wird. Für den Grünen-Europaabgeordneten Sven
Giegold, der für eine klare Haltung gegen Ceta kämpft, hat
das Gutachten eine große Bedeutung. „Es zeigt, dass die
kommunale Daseinsvorsorge
erschwert wird“, sagte er der
taz. „Deshalb sollten alle Bundesländer unabhängig von der
parteipolitischen Regierungskonstellation Ceta im
Bundesrat ablehnen.“ Wegen
des Feiertags in Baden-Württemberg äußerte sich die Landesregierung am Donnerstag
nicht inhaltlich zu dem Gutachten.
Die brisante Studie wurde
bereits im Januar fertiggestellt. Veröffentlicht hat
Kretschmanns Staatsministerium sie aber erst in dieser
Woche – nachdem der Verein
„Mehr Demokratie“ durch
Zufall von der Existenz erfahren und mit einem Antrag nach dem Informa­
tionsfreiheitsgesetz die
Herausgabe
gefordert
MKR
hatte. ▶ Der Tag SEITE 2
Schwor, Schaden von Baden-Württemberg abzuwenden: Kretschmann beim Amtseid Foto: reuters
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KOMMENTAR VON BERNHARD PÖTTER ZUR DEUTSCHEN HALTUNG AUF DEM BONNER KLIMAGIPFEL
K
limaschutz? Machen wir doch!
Das ist die Reaktion, wenn man in
Deutschland das Thema anspricht.
Vom Umweltministerium bis zu den Lobbys für Umwelt oder Industrie ist sich
eine ganz große Koalition sicher, dass
Deutschland auf dem richtigen Weg ist.
Und es stimmt ja auch: Wir geben viel
Geld aus für den Klimaschutz zu Hause
und in der ganzen Welt, wir arbeiten an
der Zukunft ohne Kohlenstoff. Wenn wir
Glück haben, sinken sogar manchmal
unsere CO2-Emissionen.
Aber „alles gut, wir machen doch Energiewende“ ist die falsche Einstellung. Die
Lektion von der aktuellen Klimakonferenz in Bonn heißt: Auch Deutsch-
Geht das denn nicht schneller?
land muss schneller und energischer
Treib­
haus­
gase reduzieren. Bisher will
Deutschland 2050 noch 15 Prozent der
CO2-Menge im Vergleich zum Jahr 1990
ausstoßen. Um diese Restmenge balgen
sich derzeit Zementindustrie, Landwirtschaft und Braunkohle. Alle wollen verschont werden.
Die schlechte Nachricht von der Konferenz lautet: Diese 15 Prozent gibt es nicht.
Für echten Klimaschutz, der uns bei 1,5
bis 2 Grad Erderwärmung landen lässt,
müssen die weltweiten Emissionen etwa
um 2050 bei null liegen. Reiche Indus­trie­
län­der wie Deutschland müssen schneller sein. Das geht nur, wenn die Bundesregierung jetzt mutig den Wandel orga-
nisiert und finanziert: schneller Ausstieg
aus der Braunkohle, Durchbruch beim
Energiesparen in der Industrie und bei
Gebäuden, mehr Erneuerbare und Netze
– und auch noch eine Energiewende in
der EU. Das wird viel Ärger geben.
Auch auf die Umweltverbände kommt
eine unangenehme Debatte zu: Für die
„negativen Emissionen“, bei denen Kohlendioxid aus der Luft gesaugt wird, müs-
Alles gut, wir machen doch
Energiewende – das ist die
falsche Einstellung
sen Lagerstätten unter der Erde geschaffen werden. Das verteufelte CCS wird
möglicherweise das geringste Übel. Und
die Ökos müssen für sich klären, wie sie
Wälder und Ozeane als Lebensräume
und gleichzeitig als CO2-Speicher organisiert sehen wollen. Konflikte sind unausweichlich.
Auf Klimakonferenzen wird viel darüber geredet, was getan werden muss, um
das Schlimmste zu verhindern. Trotzdem
halten viele Menschen diese Konferenzen für Zeitverschwendung. Das ist ein
Irrtum. Zeit wird da verschwendet, wo
nicht gehandelt wird. Auch im Energiewendeland Deutschland.
▶ Schwerpunkt SEITE 3