Es gilt das gesprochene Wort: Rede Alfons Hörmann - 10 Jahre DOSB Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, lieber Thomas Bach, dear Patrick Hickey and dear friends of our neighbouring NOCs, lieber Herr Minister Beuth, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Sportfreunde, der 20. Mai ist für den deutschen Sport in mehrfacher Hinsicht ein bedeutsames Datum: Exakt heute vor 20 Jahren starb mit Willi Daume eine der herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Sportfamilie und eigentlich DER personifizierte Vorreiter des DOSB. Denn er wirkte schon von 1961 bis 1970 als gemeinsamer Präsident unserer Vorgängerorganisationen NOK und DSB. 1 Vor genau zehn Jahren haben wir an gleicher Stelle, hier in der Frankfurter Paulskirche, die Gründung unseres DOSB gefeiert. Im Vorfeld der heutigen Veranstaltung wurde ja teilweise durchaus kritisch hinterfragt: Gibt es denn überhaupt einen Grund, dieses Jubiläum zu feiern? Nun, schon 2006 war der Sinn der Fusion nicht jedem gleich klar. Ich gebe freimütig zu, auch einer der damaligen Skeptiker gewesen zu sein.... Heute sage ich jedoch umso überzeugter: Die Fusion von NOK und DSB war zeitgemäß, notwendig und richtig. Und dies, meine Damen und Herren, obwohl zweifelsohne nicht alles gelungen ist. Manches Ziel haben wir nicht oder noch nicht 2 erreicht. Lassen Sie uns aber zunächst mit einem Dank an die Gründungsväter zurückblicken: Unser verstorbener DSB-Präsident Manfred von Richthofen und Klaus Steinbach als NOKPräsident haben mit all den anderen damaligen Verantwortlichen der deutschen Sportfamilie nach intensiven und kontroversen Diskussionen am Ende eine beeindruckende Einigkeit hergestellt. Danken möchte ich im Namen des heutigen Präsidiums und des Vorstandes aber ganz besonders auch denjenigen, die dann besondere Verantwortung übernommen haben. 3 Ihnen, lieber Thomas Bach als unser heutiger Ehrenpräsident und Ihren ehemaligen Präsidiumsmitgliedern aber vor allem auch Ihnen, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsverbände, liebe Partner aus den Bereichen der Politik, der Wirtschaft, der Medien und all unseren internationalen Freunden. Ihre Solidarität war, ist und bleibt elementar wichtig – ohne Ihr herausragendes Engagement wäre der DOSB nicht das was er heute ist. Herzlichen Dank an Sie alle! 4 Unsere gemeinsame Leistungsbilanz kann sich durchaus an vielen Stellen sehen lassen: - Die Bündelung der so vielschichtigen Interessen unterschiedlichster Mitgliedsorganisationen zur EINEN STIMME des Sports ist in vielen wichtigen Fragen gelungen. - Die Sportfamilie rund um den DOSB ist erkennbar näher zusammengerückt. - Wir haben die Strukturen und unsere Satzung zeitgemäß angepasst und die Aufgaben zwischen Haupt- und Ehrenamt neu geordnet. - Auch wenn in Bezug auf unsere finanzielle Ausstattung die Bäume nach wie vor nicht in den Himmel wachsen: Im Vergleich zur Situation 2006 haben wir lebenswichtige 5 Fortschritte gemacht. - Nicht zuletzt werden wir heute, nach nicht einmal zwei Jahren, unseren Neubau einweihen – zwei Monate schneller als geplant und im ursprünglichen Kostenbudget (auch das ist ja in Deutschland keine Selbstverständlichkeit...) Es gibt also sehr wohl etwas zu feiern! Insbesondere bedanke ich mich an dieser Stelle für Sportdeutschland bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DOSB, die unter der Leitung von Michael Vesper leidenschaftliches Engagement bewiesen haben – herzlichen Dank und weiter so! 6 Gemeinsam können wir zum 10. Geburtstag des DOSB auch auf eine einzigartige Vielfalt blicken: Mit unseren 90.000 Vereinen in 98 Mitgliedsorganisationen sind wir in einer Breite aktiv, um die uns weltweit viele beneiden. Den Spitzensport und seine Basis zusammenzuführen, das war EINE wichtige Aufgabe der Fusion. Denn, da werden Sie mir zustimmen: Das eine kann nicht ohne das andere existieren. Unsere Spitzensportler haben ihre Fähigkeiten an der Basis erlernt. Umgekehrt motiviert der Spitzensport ganz entscheidend schon die Kleinsten, sportlich aktiv zu sein und zu bleiben. 7 Vor zehn Jahren haben Sie, lieber Herr Bach, als Gründungspräsident Ihre Rede mit einem Zitat von Detlef Kuhlmann geschlossen: “Es wird uns im Sport … nicht gelingen, das Fenster des Perfekten ganz zu öffnen“. Diese Erkenntnis gilt nach wie vor – für den Sport aber auch für die Sportpolitik. Ich möchte gerade deshalb heute auch unsere Grenzen und unsere nach wie vor bestehenden Herausforderungen nicht verschweigen. Doch dabei halte ich es wie Konrad Adenauer, der einmal gesagt hat: „Der Blick in die Vergangenheit hat nur dann Sinn, wenn er der Zukunft dient“. Lassen Sie uns in zehn Kernpunkten also vor allem in die Zukunft blicken! 8 Punkt 1: „Wir wollen den Erfolg – aber nicht um jeden Preis“ Bei aller Freude über Medaillen und Erfolge – im Mittelpunkt muss auch im Spitzensport der Mensch stehen: Unsere Top-Athletinnen und -Athleten sind nicht nur im Wettkampf Weltklasse, sie sind auch herausragende Persönlichkeiten und Botschafter für unser Land. Wir haben dabei stets zu akzeptieren, dass zum Prinzip des sportlichen Wettbewerbes Siege UND Niederlagen gehören. Deshalb wünsche ich unseren Athleten für die Zukunft: „Weniger kurzfristige mediale Glorifizierung, dafür aber wieder mehr nachhaltigen Respekt!“ – Wir alle sollten einen aktiven Beitrag dazu leisten. 9 „Demut im Sieg – Teamgeist in der Niederlage“ Mein zweiter Punkt gilt auf dem Spielfeld, aber auch in der Sportpolitik. Wir alle erinnern uns an die außerordentliche Mitgliederversammlung im März vergangenen Jahres, als wir hier in der Paulskirche Hamburg mit 410 zu 0 Stimmen zu unserer Bewerberstadt um die Olympischen Spiele 2024 gemacht haben. Eigentlich ein großer Tag für Sportdeutschland, weil wir nach intensiven Diskussionen mit der vielzitierten EINEN Stimme gesprochen haben! Im November haben uns die Hamburger Bürgerinnen und Bürger dann eine schmerzvolle – wenn auch knappe – Absage erteilt. Diese, die jüngste von mehreren Niederlagen in Bezug auf unseren olympischen Traum tut vielen von uns noch immer weh. 10 Doch gerade auch diesen herben Rückschlag haben wir unter dem Dach von SPORTDEUTSCHLAND eindrucksvoll und mit Teamgeist bewältigt- das ermutigt für die gemeinsame Zukunft! 11 Drittens: “Werte verbinden, wenn sie verbindlich sind.“ Wohl noch nie stand die Öffentlichkeit dem organisierten Sport skeptischer gegenüber als heute. Die guten Seiten des Sports, seine Werte, sind in der öffentlichen Wahrnehmung leider in den Hintergrund gerückt. Dabei machen gerade sie den Sport aus. Wir unterstützen deshalb die Agenda 2020 des IOC, lieber Thomas Bach, und möchten mit Ihnen gemeinsam die Werte des Sports, Fairplay, Respekt, Leistung, Teilhabe, noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Das sind wir den Sportlerinnen und Sportlern und den vielen Ehrenamtlichen aber auch der zu Recht kritischen Öffentlichkeit schuldig! 12 Viertens: „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist notwendig!“ Getreu dem Motto der NADA „Alles geben - nichts nehmen“ wollen und müssen wir unsere Sportler im Kampf gegen Doping stärken. Wir dürfen sie nicht allein lassen – unsere Null-Toleranz-Politik gilt nicht nur für die Athleten, sondern vor allem auch für das Umfeld. Gerade die jüngsten schockierenden Erkenntnisse zeigen, dass das nur im engen Schulterschluss zwischen dem Sport, der Politik und der Justiz gelingen kann. 13 Zur Geschichte des Sports in Deutschland gehört auch das Staatsdoping. Wir spüren die moralische Mitverantwortung und haben schon vor zehn Jahren die Initiative ergriffen und mit Hilfe des Bundes und unter Einbeziehung des Herstellerunternehmens Jenapharm viele Dopingopfer entschädigen können. Jetzt sind wir froh, dass Bundesregierung und Bundestag eine weitere Entschädigungswelle durchführen wollen. Der DOSB hat diese Bemühungen auf politischer Ebene stets aktiv unterstützt. „Nichts nehmen“ gilt aber auch für Problembereiche über das Thema Doping hinaus – denn gerade auch die aktuellen Korruptionsskandale sind inakzeptabel und zerstörerisch für die Akzeptanz des Sports! 14 Damit bin ich gleich bei meinem fünften Punkt – dem Thema Good Governance: „Es bedarf nicht nur eines Struktur- sondern auch eines Kulturwandels“: Good Governance ist für uns kein plakatives Schlagwort, sondern wir haben wichtige Schritte zu diesem Thema umgesetzt. Aber Good Governance ist, wie der Sport selbst, nie fertig. Es muss in unsere Köpfe, und es muss täglich gelebt werden. Daran wollen und werden wir auch künftig arbeiten. 15 Punkt 6: „Der Sport baut Brücken, wo Grenzen trennen.“ Der Sport hat große Potenziale, um die gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen. Ein gelungenes Beispiel ist das Thema Integration: Seit mehr als 25 Jahren leben wir das Programm „Integration durch Sport“. Schnell, pragmatisch und konsequent haben wir deshalb mit den LSBs und mit Hilfe der Bundesregierung praxistaugliche Rahmenbedingungen schaffen können für unsere Vereine an der Basis. 16 Und gerade die Sportvereine haben bei der Integration der Flüchtlinge ohne großes Aufheben sensationelle gesellschaftspolitische Arbeit geleistet und sich vorbildlich solidarisch gezeigt mit den Menschen in Not – ganz selbstverständlich, obwohl es für sie nicht immer leicht war. Liebe Frau Bundeskanzlerin, nutzen wir doch gemeinsam die besonderen Vorteile unseres wertvollen „Netzwerks an sozialen Tankstellen“, Die 90.000 Vereine können und werden unserem Land auch in Zukunft gut tun!!! 17 „Es gibt nichts Gutes – außer man tut es“...: 300 Mio. Stunden ehrenamtliche Arbeit pro Jahr sind eine beeindruckende Zahl, die eine der ganz großen Stärken unseres Sportsystems dokumentiert. Zugleich aber auch eine der ganz großen Herausforderungen der Zukunft im Sport. Denn die Grenzen des im Ehrenamt Leistbaren werden uns allen immer wieder klar vor Augen geführt... Es gilt also Punkt 7 - eine zeitgemäße Kombination aus Ehren- und Hauptamt - zu organisieren, um die Stärken beider Säulen gekonnt zu nutzen. Wir wollen und müssen deshalb auch die Anerkennungskultur für Ehrenamtliche weiter stärken. 18 Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, unser großer Wunsch für das kommende Jahrzehnt ist, die an manchen Stellen nur noch schwer zu bewältigende Bürokratie für Vereine – wo immer möglich - nicht weiter aus-, sondern eher abzubauen! 19 Damit einher geht auch mein achter Punkt: „Lebensfreude statt Reglementierung“: Im Juni, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, steht in Ihrer Kabinettssitzung die SALVO (ein Wortungetüm: die Sportanlagenlärmschutzverordnung) auf der Tagesordnung. Nach sage und schreibe neun Jahren der Diskussion und Vorbereitung halten wir es dabei für unverzichtbar, dass sie sportfreundlich ausgestaltet wird. Gerade in einem Land wie unserem, mit großen demographischen Herausforderungen, sollten wir das fröhliche Lachen und Schreien von Sport treibenden Kindern nicht als Belästigung empfinden, sondern als den puren Genuss von Lebensfreude genießen! 20 Neuntens: Erkennen ist Pflicht – Selbstdisziplin ist notwendig: Den zehnten Geburtstag des DOSB wollen wir aber auch aktiv nutzen und uns selbst kritisch auf den Prüfstand stellen. Mit unserer Aufgaben- und Effizienzanalyse unter dem Titel „Anstoß 2016“ werden wir unsere Zukunftsfähigkeit in allen Bereichen sichern. Ich verspreche Ihnen, wir haben den Mut und die Kraft, selbstkritisch in den Spiegel zu schauen und sowohl strategische als auch operative Fragen schonungslos zu diskutieren. Freuen wir uns auf wertvolle und wichtige Erkenntnisse und die gemeinsamen Chancen zur Weiterentwicklung, die daraus entstehen! 21 Last but not least komme ich zu Punkt zehn: „Weniger verwalten – mehr gestalten“: Auf diese Weise wollen wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Sports aktiv und strategisch stärken. Gemeinsam mit unserem Innenminister Thomas de Maizière als wichtigem Partner des Sports befinden wir uns mitten in der intensiven Analyse und Diskussion zur Weiterentwicklung der Leistungssport - Strategie für die Zukunft. Unser gemeinsames Ziel ist klar: Wir wollen die Bedingungen für Trainer und Athleten verbessern und damit die Grundlagen für künftige Erfolge schaffen. Über das „Wie“ diskutieren wir teilweise auch sehr kontrovers. Doch das ist gut so, weil wir nur mit einem gemeinsam getragenen Konzept erfolgreich sein werden. 22 Denn wie rasant sich das Leistungsniveau in vielen Ländern weiterentwickelt, werden wir in wenigen Wochen bei den Olympischen und Paralympischen Spielen in Rio hautnah erleben. Wir sind voller Vorfreude, und unsere Athletinnen und Athleten werden sicher einmal mehr würdige Botschafter Deutschlands sein. Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, gibt es viel zu bewahren, aber auch viel zu verändern in Sportdeutschland. Die vor uns liegenden Aufgaben werden wir nur im engen Schulterschluss und mit Ihrer aller Unterstützung erfolgreich meistern können. 23 Lassen Sie mich deshalb schließen mit dem bekannten Zitat von Henry Ford: Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ein Erfolg. Ich rufe Sie auf: Lassen Sie uns auch in den kommenden Jahren durch eine aktive und teamorientierte Zusammenarbeit schöne Erfolge sichern. Ich freue mich darauf – packen wir`s an!! 24
© Copyright 2024 ExpyDoc