Lungenkrebs-Screening

Lungenkrebs-Screening:
Nutzen und Risiken der Früherkennung
Eine Expertengruppe von Pneumologen, Radiologen, Thoraxchirurgen und Epide­
miologen von Schweizer Universitäten setzt sich gemeinsam mit der Lungenliga
Schweiz und der Krebsliga Schweiz für die vorerst zeitlich befristete Einführung
eines Lungenkrebs-Screenings ein. Ziel des Screenings ist es, Lungenkrebs möglichst
frühzeitig zu diagnostizieren – und womöglich heilen zu können.
Lungenkrebs in der Schweiz
Der Lungenkrebs fordert in der
Schweiz einen hohen Tribut: ­
Man geht von jährlich 4 000 neu
diagnostizierten Fällen und 3 100
Todesfällen aus. Damit ist der
­Lungenkrebs die führende Krebstodesursache in der Schweiz.
Entscheidend: der Zeitpunkt
der Diagnose
Nur wenn der Krebs sehr frühzeitig
entdeckt wird, bestehen Chancen
auf eine Heilung durch Operation
oder Bestrahlung – eine Garantie
dafür gibt es jedoch nicht. Es gibt
zurzeit allerdings keine nationalen
Programme zur Früherkennung.
Die Diagnose eines Lungenkrebses
im Frühstadium ist daher oft ein
Zufallsbefund – zum Beispiel, wenn
sich die Patientin oder der Patient
wegen einer anderen Erkrankung
einer Computertomografie (CT)
unterzieht.
Meist wird Lungenkrebs erst
d­iagnostiziert, wenn Symptome
auftreten wie:
– über Monate bestehender ­Husten
– blutiger Auswurf
– anhaltende Heiserkeit
– Atemnot (schon bei leichten
­Tätigkeiten)
– Brustschmerzen
– häufige Lungenentzündungen
– Appetitlosigkeit und spontaner
Gewichtsverlust
In diesen Fällen ist die Erkrankung
meist fortgeschritten und eine
­Heilung seltener.
Ein kontrolliertes LungenkrebsScreening für die Schweiz
85% aller Lungenkrebserkrank­
ungen werden durch langjähriges
Rauchen oder Passiv­rauchen ver­
ursacht. Das Risiko steigt mit dem
Ausmass des Tabak­konsums: Wer
über 30 Jahre täglich 20 Zigaretten
raucht, hat ein mindestens 20-fach
höheres Lungenkrebsrisiko als ein
lebenslanger Nichtraucher.
Bei einem Lungenkrebs-Screening
werden Computertomografien ­mit
niedriger Strahlenbelastung (low dose
CT, LDCT) durchgeführt, die tumorverdächtige Veränderungen in der
Lunge aufzeigen sollen. Tatsächlich
belegt eine bedeutende amerikanische Studie den Nutzen des Screenings: Die Mortalität ­der Untersuchten konnte deutlich gesenkt werden
(siehe Kasten nächste Seite).
Die Expertengruppe (Pneumo­logen,
Radiologen, Thoraxchirurgen und
Epidemiologen von Schweizer Uni-
85% aller Lungenkrebs­
erkrankungen werden durch
lang­jähriges Rauchen oder
Passivrauchen verursacht.
versitäten) hält fest: Die Früh­
erkennung ist kein Allheilmittel.
Die wirksamste Prävention ist
und bleibt das Nichtrauchen. Trotzdem befürworten die Spezialisten
gemeinsam mit der Lungenliga
Schweiz und der Krebsliga Schweiz
eine kontrollierte und vorerst zeitlich
begrenzte Einführung des Lungenkrebs-Screenings nach dem Vorbild
der amerikanischen Studie. Unter
folgenden Voraussetzungen:
CT-Aufnahme von Lungenkrebs – entdeckt
bei einer 62-jährigen Raucherin während einer
Routineuntersuchung durch den Hausarzt.
Klar definierte Zielgruppe
Das Screening muss sich auf die
Risikogruppe «ehemalige und aktive
Raucherinnen und Raucher zwischen
55 und 74 Jahren» beschränken.
Wird die Zielgruppe erweitert, steigt
die Gefahr von sogenannten auffälligen (falsch-positiven) Befunden,
die Folgeabklärungen nach sich
ziehen: weitere CTs, Bronchoskopien
und chirurgische Gewebeentnahmen, welche die Betroffenen seelisch
und körperlich belasten und zudem
hohe Kosten für das Gesundheitswesen verur­sachen. Folgende Zahlen
machen dies deutlich: Im Schnitt
gibt es bei über 300 von 1000 untersuchten Personen Befunde, die sich
jedoch meist als relativ harmlos
erweisen. Nur bei durchschnittlich
etwa 14 Fällen handelt es sich
tatsächlich um Lungenkrebs.
Erfolgreiche Studie zum Lungenkrebs-Screening in den USA
Der amerikanische National Lung Screening Trial (NLST) mit über 50 000
Testpersonen zwischen 55 und 74 – allesamt starke Raucherinnen und
Raucher bzw. Exraucherinnen und Exraucher – untersuchte den Nutzen
eines Screenings mit der sogenannten Niedrigdosis-Computertomografie
(LDCT), bei der die Strahlenbelastung nur 10% der normalen Dosis
beträgt. Die Anzahl Todesfälle bei den untersuchten Personen, ­die sich
3 Jahre am Früherkennungsprogramm beteiligten, konnte dank dieser
Untersuchung um 20% gesenkt werden. In absoluten Zahlen bedeutet
dies, dass bei 1000 untersuchten Personen die Anzahl T
­ odesfälle mit einem
LDCT-Screening von 14 auf 11 Lungenkrebs-Todesfälle gesenkt wird.
Einheitliche schweizweite
­Qualitätsstandards
Für das Lungenkrebs-Screening
müssen schweizweit einheitliche
Standards sowie ein Monitoring
entwickelt werden. Nur so lässt
sich gewährleisten, dass die Teilnehmenden gezielt ausgesucht
werden, die Niedrigdosis-Computertomografie (LDCT) korrekt durch­
geführt und beurteilt wird und die
Qualität von Beratung, Abklärung,
Therapie und Nachsorge gesichert
ist. Ein Register muss B
­ eratung,
Tests und Behandlung systematisch
erfassen und aus­werten.
Zertifizierte Zentren
Nur qualifizierte Zentren mit Abteilungen für Pneumologie, Radiologie, Onkologie, Thoraxchirurgie
und Radioonkologie sollen das
Screening durchführen. Sie müssen
an einer wissenschaftlichen Auswertung des Programms teilnehmen
und sich am Register beteiligen. ­
Es kommen neben den 5 Schweizer
Universitätsspitälern vor allem
grosse Kantonsspitäler und grosse
Privatkliniken infrage.
Kostenübernahme durch die
Krankenpflegeversicherung
Kann die Qualität entsprechend
gesichert werden, befürwortet ­
die Expertengruppe die Kosten­
übernahme der Beratung und der
Computer­tomografie durch die
obligatorische Krankenpflegever­
sicherung, was bisher nicht der ­­
Fall ist. Es ist jedoch zu beachten,
­dass die Kosten für weitere Ab­
klärungen bei einem auffälligen
oder gar pathologischen Befund
in der Screening-Computertomografie sowie die allenfalls not­
wendige Therapie bereits jetzt von
der Krankenpflegeversicherung
übernommen werden.
Wer über 30 Jahre täglich
20 ­Zigaretten raucht, hat ein
mindestens 20-fach höheres
Lungenkrebs­risiko als ein
lebenslanger Nichtraucher.
Ein ausführliches Beratungsgespräch mit dem Lungenfacharzt ermöglicht den Risikopersonen,
sich für oder gegen ein Screening zu entscheiden.
Individuelle Beratung
Die Betroffenen müssen von ­den
Fachpersonen über den Nutzen und
die Risiken des Screenings umfassend aufgeklärt werden. Zwingend
erforderlich ist deswegen eine ausführliche Beratung über Vorteile
und mögliche Nachteile: zum Beispiel die Strahlenbelastung, Ängste
und emotionaler Stress sowie die
bei auffälligem Befund erforderlichen
weiteren Abklärungen.
Begleitende Studie
Eckdaten der am LungenkrebsScreening teilnehmenden Personen
sollen in einem schweizweiten
­Register gesammelt werden, um
den Erfolg der Umsetzung des
Screenings in der Schweiz wissenschaftlich zu überprüfen.
Was geschieht nach der ersten
­Untersuchung?
Bei unauffälligem Befund folgt
eine Einladung zur LDCT im
­folgenden Jahr. Ein auffälliger
Befund ist nicht gleichbedeutend
mit Lungenkrebs; dies trifft nur
bei einem kleinen Prozentsatz der
Untersuchten zu. Wurde tatsächlich ein Tumor entdeckt, diskutiert
ein interdisziplinäres Team aus
Radiologen, Lungenfachärzten,
Onkologen und Thorax­chirurgen
die nächsten Schritte. Nach einem
ausführlichen Gespräch zwischen
dem verantwortlichen Arzt und
dem Betroffenen wird gemeinsam
das weitere Vorgehen bestimmt.
Je nach Grösse und Ausbreitung
des Tumors kann ein weiteres
CT zur Kontrolle, eine Broncho­­s­kopie, eine chirurgische Gewebeentnahme oder eine Kombination
dieser Unter­suchungen nötig sein.
Begleitend: die Rauchstopp-­
Beratung
Im Rahmen des geplanten
kontrollierten LungenkrebsScreenings ist eine RauchstoppBeratung obligatorisch: Denn
die wirksamste Prävention ist
und bleibt das Nichtrauchen.
Bei Rauchern wirkt sich das
Einstellen des Rauchens – je
früher desto besser – günstig
aus: Bereits 10 Jahre nach
dem Rauchstopp hat sich das
Lungenkrebsrisiko halbiert,
nach 15 Jahren ist das Risiko
gar 90% niedriger. Wichtig
ist: Wird bei der NiedrigdosisComputer­tomografie (LDCT)
kein Befund festgestellt, heisst
das nicht, dass man sorglos
weiterrauchen kann.
Glossar
Screening: Ein systematisches
­Testverfahren innerhalb einer
­definierten Zielgruppe, zur Diagnose einer Krankheit, bevor ­
sie Symptome verursacht.
Pneumologe: Lungenfacharzt
Radiologe: Spezialist für Diagnostik
mit Röntgen- und anderen Spezial­
aufnahmegeräten wie dem CT
Thoraxchirurg: Spezialist für chirurgische Eingriffe im Brustkorbbereich
Epidemiologe: Spezialist, der sich
mit der Entdeckung, der Krankheits­
last und Ursachen von Krankheiten
­sowie deren Prävention in der
Bevölkerung oder bei definierten
Zielgruppen befasst.
LCDT: Die Niedrigdosis-Computertomografie, bei der die Strahlen­
belastung nur etwa 10% der normalen Dosis beträgt.
Bronchoskopie: Auch Lungen­
spiegelung genannt. Ein dünner
Schlauch mit einer winzigen Kamera wird durch Nase oder Mund
in die Atemwege geführt. Gleichzeitig lassen sich Gewebeproben
entnehmen.
Radioonkologie: Strahlentherapie
zur Behandlung von Krebserkrankungen
Mai 2016 / Auflage 1
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031 378 20 50 oder Lungen­
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Informationen zum Thema
Rauchstopp finden Sie auf
­unserer Internetseite oder
­direkt bei der Rauchstopplinie
Telefon 0845 000 181
­(Angebot der Krebsliga).
www.lungenliga.ch/
rauchstopp
www.rauchstopplinie.ch
Herausgegeben von der Lungenliga Schweiz
in Zusammenarbeit mit der Krebsliga Schweiz