Protokoll Thema Ort 6. Sichtungs-Konsensus-Konferenz; Arbeitsgruppe Vorsichtung Ahrweiler Besprechungsleitung Teilnehmende Datum 23.+24.11.15 Dr. R.-D. Erbe S. Lase, S. Osche, Prof. Dr. T. Wurmb, M. K. König, Prof. Dr. L. Latasch, Dr. H. Buggenhagen, Dr. F. Marx, J. Bickelmayer, Dr. B. Kowalzik Beginn Protokollführung Ende 15:20 10:00 R. Dinkelbach Verteiler Arbeitsauftrag waren die Diskussion und Konsensfindung in folgenden Punkten: • Einbindung der lebensrettenden Handgriffe in die Sichtung/Vorsichtung • Anpassung der Beschreibung der Sichtungskategorien • (Vor-) Sichtungssystem muss auch nicht-chirurgische rote Patienten sicher erfassen • Vereinbarkeit eines Vorsichtungssystems mit internationalen Versorgungskonzepten Einbindung der lebensrettenden Handgriffe in die Sichtung/Vorsichtung Zunächst wird sich auf die Beibehaltung der beiden Begriffe „Sichtung“ und „Vorsichtung“ geeinigt. Aus Sicht der meisten Anwesenden ist es jedoch wünschenswert, den Ausdruck Vorsichtung zukünftig nicht mehr zu nutzen. Es findet allgemeine Zustimmung, dass zunächst die hinter den Begriffen stehenden Handlungen und Maßnahmen konsentiert werden müssen, unabhängig von dem dafür gewählten Begriff. Die Gruppe begründet dies mit der Realisierbarkeit und Akzeptanz der konsentierten Ergebnisse hinsichtlich der bisher verwendeten Begrifflichkeiten. Es wird angeregt, in einem Rechtsgutachten klären zu lassen, ob die Sichtung als rein ärztliche Aufgabe verstanden werden muss. Es herrscht in der Arbeitsgruppe Konsens darüber, dass die Sichtung eine ärztliche Aufgabe ist und die Vorsichtung durch nicht-ärztliches Personal durchgeführt werden kann. Dabei ist die Vorsichtung für medizinisches Fachpersonal gedacht. Eine ausschließlich ärztliche präklinische Sichtung wird aufgrund stark begrenzter Personalressourcen als nicht praktikabel angesehen. Dass im Gesamtprozess eine ärztliche Sichtung stattfinden muss, steht für die Diskussionsteilnehmer außer Frage. Diese ärztliche Sichtung kann aber im Zweifelsfall auch erst im Krankenhaus erfolgen. Die Sichtung wird dabei als kontinuierlicher, dynamischer Prozess gesehen. BBK. Gemeinsam handeln. Sicher leben. Seite 1 Die Anwesenden sind der Meinung, dass die Qualität der Vorsichtung von der Intensität des Trainings und der Ausbildung der eingesetzten Kräfte maßgeblich abhängt. Von einigen Teilnehmern werden Ergebnisse von Studien eingebracht, welche belegen, dass Personal mit einem geringeren medizinischen Hintergrund bei der Sichtung anhand fester Algorithmen bessere Ergebnisse erzielen, als medizinisches Fachpersonal, da medizinisch weniger qualifiziertes Personal nicht auf eigenes Wissen zurückgreifen kann und daher gezielt den Algorithmus nutzt. Die Gruppe ist sich einig, dass die Vorsichtung anhand eines Algorithmus geschehen soll. Um die Treffsicherheit bei der Vorsichtung zu steigern soll sich zwingend an den verwendeten Algorithmus gehalten werden. Es herrscht Konsens darüber, dass lebensrettende Handgriffe im Rahmen der Vorsichtung beim Patienten angewendet werden müssen. Die Beschreibung dieser Handgriffe soll möglichst kurz und einfach gehalten werden. Die Arbeitsgruppe konsentiert die folgenden Maßnahmen während der Vorsichtung: 1. Freihalten der Atemwege 2. Stillen lebensbedrohlicher Blutungen 3. Lagerungsmaßnahmen Ebenfalls zur Diskussion steht die Thoraxpunktion , zumal diese in der Notfallsanitäterausbildung gelehrt wird. Der Zeit-/Nutzenaufwand dieser Maßnahme ist in der Gruppe umstritten. Die Erfahrungen der taktischen Notfallmedizin, in welcher auch nicht-ärztliches Personal in der Entlastungspunktion geschult wird, haben gezeigt, dass das komplette Maßnahmenpaket innerhalb von 90 Sekunden durchführbar ist. Das spricht für die Durchführung der Thoraxpunktion. Der Gruppe ist es wichtig, einen für alle anwendbaren Algorithmus zu finden. Anpassung der Beschreibung der Sichtungskategorien Die Arbeitsgruppe konsentiert die bei der Konsensus-Konferenz 2012 niedergeschriebene, verkürzte Beschreibung der Sichtungskategorien. Es wird angeregt, eine Empfehlung auszusprechen, die Sichtungskategorien in Zukunft nur noch mit den Farben zu bezeichnen. Es herrscht Einigkeit darüber, dass sich die Vorsichtung in drei Kategorien unterscheidet: rot, gelb und grün. Die Kennzeichnung von unverletzten Betroffenen wird in der Gruppe kontrovers diskutiert. Da dies Arbeitsauftrag der Arbeitsgruppe „Kennzeichnung“ ist, wird die Diskussion an dieser Stelle abgebrochen. Kategorie I (rot) 2012 Beschreibung Vital bedroht Konsequenz Sofortbehandlung II (gelb) Schwer verletzt / erkrankt Dringliche Behandlung III (grün) Leicht verletzt / erkrankt Nicht-dringliche Behandlung IV (blau) Ohne Überlebenschance Palliative Versorgung EX (schwarz) Tote Die vorgelegte Definition der Sichtungskategorien für die Krankenhäuser wird in diesem Umfang mehrheitlich weder als notwendig noch als brauchbar betrachtet. Die Anwesenden sind der Meinung, dass Seite 2 die Klink selber, anhand der zuvor konsentierten Beschreibung der Sichtungskategorien, über die notwendige Behandlung entscheiden können muss. Sollte dies bei der Planung von Behandlungskapazitäten zu Problemen führen, ist dies bilateral zu lösen. Ein Kritikpunkt an der vorliegenden Beschreibung ist die fehlende Berücksichtigung internistischer Patienten und dass ein roter Patient nicht zwangsläufig eine OP-Indikation darstellen muss. Die Gruppe konsentiert, dass keine weitere Definition der Sichtungskategorien für die Krankenhäuser notwendig ist: „ROT (SK I, akute vitale Bedrohung) GELB (SK II, schwer verletzt / erkrankt) GRÜN (SK III, leicht verletzt / erkrankt)“ Vorsichtungssystem muss auch nicht-chirurgische rote Patienten sicher erfassen Es wird diskutiert ob der Algorithmus auch im Alltagsbetrieb hinsichtlich der daraus entstehenden Routine des anwendenden Personals eingesetzt werden soll. Es herrscht hinsichtlich internistischer MANV-Lagen, Konsens darüber, dass ein Vorsichtungssystem auch nicht chirurgische Patienten sicher erfassen muss. Das Erreichen einer Trefferquote von 100 % mit einem Algorithmus wird jedoch unter Berücksichtigung von Zeit und Aufwand gegenüber dem Nutzen zurückgestellt. Eine Trefferquote von 100 % in der Sichtungskategorie I – rot - ist mit keinem Algorithmus erreichbar. Eine Erhöhung der Trefferquote würde einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten und wird deshalb nicht als notwendig erachtet. Vereinbarkeit eines Vorsichtungssystems mit internationalen Versorgungskonzepten Bei der Diskussion um die Kopplung des ABCDE-Schema mit einem Sichtungsalgorithmus wird klar, dass bestehende Algorithmen zwar den Bezug versuchen herzustellen, jedoch an verschiedenen Punkten vom eigentlichen ABCDE-Schema abweichen. Sowohl der von S. Lase vorgestellte Algorithmus aus München (s. Anlage), als auch der von DGKM, Schutzkommission und BBK entwickelte PRIOR®-Vorsichtungsalgorithmus (s. Anlage) wird von den Teilnehmern nach eingehender Prüfung als nicht Schemakonform angesehen. Auch wenn das ABCDE-Schema weit verbreitet ist, ist nach Ansicht einiger Teilnehmer eine erzwungene Kopplung zu einem Sichtungsalgorithmus kritisch zu sehen. Die Gruppe einigt sich auf folgende wichtige Punkte: Ein Algorithmus muss medizinisch korrekt sein und es darf keine Verwechslungsgefahr zwischen verschiedenen Abkürzungen (wie z.B. ABCDE) bestehen. Werden Begriffe aus anderen Behandlungssystemen verwendet, sollen diese einheitlich und gleichbedeutend benutzt werden. Es wird als Vorteil angesehen, dass das ABCDE-Schema im täglichen Gebrauch ist und zur Routine gewordene Abläufe in Stresssituationen leichter abgerufen werden können. Die nicht konsequente gleiche Bedeutung einzelner Buchstaben bei der Alphabetisierung von Sichtungsalgorithmen wird sehr kritisch gesehen. Es herrscht Konsens darüber, dass verwendete Buchstaben mit dem Internationalen System übereinstimmen sollen. Seite 3 Algorithmen Des Weiteren ergibt sich im Gesprächsverlauf Sichtungsalgorithmen und Ausbildung. eine allgemeine Diskussion zum Thema Nach Auffassung der Arbeitsgruppe sollen die Prinzipien der Vorsichtung Inhalt der Notfallsanitäterausbildung sein. Diese beinhaltet nicht pauschal die Schulung auf einen bestimmten Algorithmus, da keine evidenzbasierten Erkenntnisse existieren, welche eine Empfehlung rechtfertigen. Von allen Teilnehmern wird ein Forschungsbedarf hinsichtlich der Algorithmen gesehen. Über die Notfallsanitäter hinaus soll das Rettungsdienstpersonal in einem Sichtungsalgorithmus aus- und fortgebildet werden. Konsens der Gruppe ist, dass der „Vorsichter“ lokal verwendete Algorithmen sicher beherrschen muss, was durch Aus- und Fortbildung sicherzustellen ist. Im Hinblick auf Empfehlungen für nutzbare Algorithmen spricht sich die Gruppe für die Aufnahme des Punktes „Eigenschutz“ in den Algorithmus aus. Dies soll die Abfrage nach einer CBRN-Lage sowie auch terroristische Aktivitäten oder andere Gefahrenlagen abdecken, ohne mit einer Abkürzung zu arbeiten. Seite 4
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