Schwingerkönig Matthias Sempach: «Was mir Heimat bedeutet? Wurzeln. Geborgenheit. Liebe.» Seite 30 Finanzratgeber E-Trading ist die ideale Plattform für alle, die selbstständig mit Wertschriften handeln wollen. So einfach und schnell sind Sie an der Börse. Seite 18 Die Schweiz funktioniert seltive t ä r t s o P nen Sie attrak Gewin ! Seite 29 Preise Warum die «Pro Service public»-Initiative die Grundversorgung schwächt, statt sie zu stärken. Seite 8 Ausgabe Mai 2016 8 Schwerpunkt «Die typisch schweizerische Grundversorgung wird ausgehöhlt» Die Bahn fährt, der Strom fliesst, die Post kommt an – ein zuverlässiger Service public ist das Markenzeichen der Schweiz. Die Volksinitiative «Pro Service public» stellt dieses Erfolgsmodell in Frage und gefährdet die Grund versorgung, sagen Reto Lindegger und Thomas Egger, die Co-Präsidenten des Nein-Komitees. Interview: Michael Krobath Schwerpunkt 9 Herr Lindegger, wieso engagieren sich gerade die Schweizerische Arbeits gemeinschaft für die Berggebiete (SAB) und der Schweizerische Gemeinde verband (SGV ) an der Spitze des Nein- Komitees? Reto Lindegger: Die SAB und der SGV setzen sich seit vielen Jahren vehement für eine Aufrechterhaltung und laufende Weiter entwicklung der hohen Standards in der Grundversorgung ein. Die Initiative würde entgegen ihrem verführerischen Titel genau diese Grundversorgung gefährden und das Rad zurückdrehen. SAB und SGV bezeichnen den Titel der «Pro Service public»-Initiative gar als irreführend. Warum? R.L.: Diese Initiative ist eine Mogelpackung. Es handelt sich eigentlich um eine Kon tra-Service-public-Initiative. Wird die Ini tiative angenommen, droht ein massiver Abbau von Grundversorgungsleistungen. Swisscom wird nicht mehr in den Ausbau der Breitbandnetze investieren können, die Post wird das Poststellennetz massiv abbauen, und auch beim Regionalverkehr muss eine Ausdünnung befürchtet werden. Herr Egger, als Oberwalliser sind Sie ein typischer Vertreter einer Rand region. Wie gut ist aus Ihrer Sicht der heutige Service public? Thomas Egger: Kein anderes Land in Europa hat eine so hohe Dichte an Zugangspunkten zum Poststellennetz, ein so ausgeprägtes «Diese Initiative ist eine Mogelpackung.» Reto Lindegger Netz im öffentlichen Regionalverkehr mit einer durchgehenden Mobilitätskette und eine so hohe Grundversorgungsverpflich tung mit Breitbanddiensten. Diesen ausge zeichneten Standard verdanken wir einer guten Gesetzgebung, die Ausdruck des poli tischen Willens ist, den inneren Zusammen halt im Land zu stärken. Gerade die Post hat sich in den letzten Jahren verändert und sich den neuen Kundenbedürfnissen angepasst. Zu schnell? T.E.: Die Post muss sich wie alle anderen Grundversorgungsbereiche laufend an die Kundenbedürfnisse und technischen Mög lichkeiten anpassen. Heute würde wohl n iemand mehr einen Fax als Grundver sorgungsleistung bezeichnen. Wir Kunden steuern mit unserem Verhalten die Grund versorgung selbst mit. Wenn wir alle Ein käufe im Einkaufszentrum erledigen, ver schwinden leider die Dorfläden. Wichtig erscheint mir, dass die Kantone, Regionen und Gemeinden diesen Prozess aktiv be einflussen und mit den Grundversorgungs erbringern nach optimalen Lösungen su chen. Dies erfordert umgekehrt eine Bereit schaft dieser Grundversorgungserbringer zum Dialog mit den Behörden. Dann können gute Lösungen resultieren wie das Dienst leistungszentrum in Obergesteln im Goms oder das flächendeckende Glasfasernetz im Kanton Freiburg. Ein oft gehörter Vorwurf: Profit maximierung gehe bei den bundes nahen Unternehmen vor Kunden zufriedenheit und Qualität. Die Post und auch die anderen bundesnahen Unternehmen widersprechen dem vehement. Wie nehmen Sie dies wahr? T.E.: Die Post ist gesetzlich verpflichtet, die Grundversorgung zu gewährleisten. Diese Grundversorgungsleistungen werden jähr lich wie in anderen europäischen Staaten durch die Regulationsbehörde PostCom überprüft. Falls die Versorgung nicht gut funktioniert, muss der gesetzliche Auftrag angepasst werden. So konnte die SAB etwa in der neuen Postverordnung erwirken, dass die Öffnungszeiten der Poststellen an die Kundenbedürfnisse angepasst werden müssen. Welche Auswirkungen hätte eine Annahme der Initiative auf das Budget der Gemeinden, Kantone und des Bundes? R.L.: Bund, Kantone und Gemeinden müss ten mit Ausfällen von rund 1,3 Milliarden Franken rechnen. Diese Gelder müssten ent weder durch Steuererhöhungen oder Spar programme kompensiert werden. Leidtra gende wären auf jeden Fall die Steuerzahler. Weshalb sind Gewinne Ihrer Ansicht nach wichtig für die bundesnahen Unternehmen? R.L.: Ein Gewinnverbot für die bundes nahen Unternehmen führt dazu, dass Inno vationen und Investitionen blockiert wer den und dadurch längerfristig eine Ver schlechterung des Service public und ein Personalabbau erfolgt. Zudem wären Post, SBB und Swisscom mit ihren insgesamt rund 100 000 Arbeitsplätzen und rund 4300 Lehr stellen weniger attraktiv als Arbeitgeber. Im Initiativtext steht nichts von einem Gewinnverbot. Weshalb halten Sie trotzdem an dieser F ormulierung fest? T.E.: Es ist doch klar: Wer keinen Gewinn anstreben darf, wird auch keinen Gewinn erzielen. Es handelt sich also faktisch um ein Gewinnverbot. Gemäss Initianten stärkt die Initia tive die Bundesbetriebe: Gewinne der Post bleiben bei der Post, Gewinne der SBB bei der SBB . Was ist schlecht daran? T.E.: Davon, dass die Gewinne bei den Unternehmen bleiben sollen, steht rein gar nichts im Initiativtext. Das ist eine Behaup Reto Lindegger (44), ist Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbandes (SGV ), der Gemeinden auf Bundes ebene politisch vertritt. Für die Gemeinden ist ein hochstehender Service public ein entscheidender Faktor im Standortwettbewerb und für die Gewährleistung einer gutenLebensqualität. Das Ziel des SGV ist es, den Abbau von Dienstleistungen zu verhindern, weshalb er sich gegen die Initiative «Pro Service public» einsetzt. Thomas Egger (49), ist Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB). Die SAB setzt sich für die Interessen der Berggebiete und ländlichen Räume ein. Zu ihren Mitgliedern gehören unter anderem 22 Kantone und rund 600 Gemeinden. Eineflächendeckende und qualitativ hochstehende G rundversorgung ist für die SAB ein zentrales Thema, weshalb sie die Volksinitiative «Pro Service public» ablehnt. SAB und Gemeindeverband vertreten im Nein-Komitee die Interessen zahlreicher Verbände und Initiativgegner. Œ servicepublic.ch Was die Initiative will Die Volksinitiative «Pro Service public» wurde von den Konsumentenzeitschriften «K-Tipp», «Saldo», «Bon à savoir» und «Spendere meglio» lanciert und fordert einen guten und bezahlbaren Service public in der Schweiz. Die Initianten kritisieren die Gewinne der Bundesbetriebe und den ihrer Ansicht nach gleichzeitigen Abbau des Service public. Mit einem neuen Verfassungs artikel wollen sie die Grundversorgung stärken und die jeweiligen Leistungen preiswert der Bevölkerung zur Verfügung stellen. Namentlich sollen der Bund und die bundesnahen Betriebe im Bereich der Grundversorgung nicht nach Gewinn streben und keine anderen Verwaltungsbereiche quersubventionieren dürfen. Die Löhne der Mitarbeitenden der bundesnahen Unter nehmen sollen jene der Bundesverwaltung nicht übersteigen. Die Abstimmung findet am 5. Juni 2016 statt. Œ proservicepublic.ch Fotos: Die Schweizerische Post AG magazin Mai 2016 10 Schwerpunkt tung der Initianten. Das ist eines der vielen Beispiele, die zeigen, dass sich die Initianten laufend widersprechen und somit nicht glaubwürdig sind. Was würde ein Querfinanzierungs verbot bewirken, insbesondere in den ländlichen Gebieten? T.E.: Wird die Querfinanzierung in Frage gestellt, so wird damit gleichzeitig der Grund gedanke einer flächendeckenden Grundversorgung als wichtiges Element zur Stärkung des inneren Zusammenhalts in Frage gestellt. Die typisch schweizerische, flächendeckende Grundversorgung wird ausgehöhlt. Nach Aussage der Initianten sind zu hohe Preise bei Post, SBB und Swisscom eine verdeckte Steuer. Die Umsetzung der Initiative hätte nur minime Auswirkungen auf das Budget der Eidgenossenschaft. T.E.: Diese Behauptung ist aus der Luft ge griffen. Die Preise in der Grundversorgung sind reguliert. Die Post muss beispielsweise die Preise für Briefmarken dem Bundesrat zur Genehmigung vorlegen, und auch der Preisüberwacher kann noch einschreiten, so wie er es in der Vergangenheit mehrfach getan hat. Fakt ist, wie bereits erwähnt: Die Initiative würde den Steuerzahler 1,3 Mil liarden Franken kosten. «Wer keinen G ewinn anstreben darf, wird auch keinen erzielen.» Thomas Egger Die Initiative verlangt eine Anglei chung der Löhne in bundesnahen Unternehmen an jene in der Bundes ver waltung. Verdienen die Pöstle rinnen und Pöstler zu viel? R.L.: Das ist nicht die Frage. Für eine grosse Mehrheit der Belegschaften wurden Ge samtarbeitsverträge abgeschlossen. Die dort ausgehandelten Arbeitsbedingungen wären bei einer Annahme der Initiative in Gefahr. Dies ist ein Rückschritt. Zudem widerspre chen sich die Initianten laufend selbst. Ihren Aussagen zufolge geht es ihnen vor allem um überrissene Managerlöhne. Der Initiativ text ist aber so formuliert, dass das gesamte Lohngefüge der Unternehmen betroffen wäre. Dies ist mit ein Grund, warum alle Gewerkschaften die Initiative ablehnen. Gemäss Postgesetz überprüft ein unabhängiges Revisionsunternehmen die Berechnung der Kosten der Grundversorgung, die korrekte Buchführung und die Einhaltung des Quersubventionierungsverbotes. Die Prüfungsresultate werden im jährlichen PostCom-Bericht aus gewiesen und kommentiert. Braucht es noch mehr Transparenz? T.E.: Die Transparenz ist tatsächlich bereits heute sehr hoch. Weitergehende Vorschrif ten würden zu völlig unverhältnismässigem Aufwand führen und dem politischen Ziel widersprechen, die administrativen Verfah ren zu vereinfachen. Inzwischen besteht eine breite Front gegen die Initiative. Warum ist die Post trotzdem gut beraten, die Initia tive ernst zu nehmen? R.L.: Die Initiative hat einen verführeri schen, aber irreführenden Titel. Wer sich nur mit der Verpackung der Initiative, nicht aber mit deren Inhalt auseinandersetzt, könnte fatalerweise zu einer Zustimmung verleitet werden. n Service public in der Schweiz – weit mehr als nur Grundversorgung Die drei bundesnahen Betriebe, die von der Initiative am stärksten betroffen sind, haben vom Staat individuelle Grund versorgungsaufträge zu erfüllen. Post, SBB und Swisscom bieten jedoch weit mehr, als ihnen von Gesetzes wegen vor gegeben wird. Ihre Dienstleistungen sind wichtig für den nationalen Zusam menhalt, den Wirtschaftsstandort und nicht zuletzt für die hohe Lebensqualität in der Schweiz. sie rund 450 Millionen Franken in Infra struktur und innovative neue Dienst leistungen investiert. So entwickelt die Post beispielsweise ihr Netz konsequent weiter und bietet weitere Zugangspunkte wie My-Post-24-Automaten, PickPost- Stellen oder zusätzliche Leistungen an der Haustür, wie etwa pick@home. Die Post erreicht im europäischen Ver gleich Spitzenwerte für die Qualität und Pünktlichkeit ihrer Leistungen. Post – Spitzenwerte in Sachen Qualität Die Schweizerische Post gewährleistet die Grundversorgung im Zahlungs verkehr sowie im Transport von Briefen, Paketen und Zeitungen. Im Sinne des Grundversorgungsauftrags transportiert die Post beispielsweise ein Paket ins Val Müstair oder in den Jura gleich schnell und zum gleichen Preis wie ein Paket nach Zürich. Heute hat die Post nur noch ein Monopol auf Briefen bis 50 g. Den Rest, das heisst 86 Prozent des Umsatzes, erwirtschaftet sie im freien Markt. Die Post finanziert damit auch die Grundversorgung und bezieht keine Subventionen. Allein letztes Jahr hat SBB – pünktlichste Bahn Europas Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB haben den Auftrag, die angemessene Erschliessung aller Landesteile und Regionen mit öffentlichem Verkehr sicher zustellen. Auch sie tragen dazu bei, dass die Schweiz mit einer hochstehenden Infrastruktur ausgestattet ist und von einer flächendeckenden Grundversorgung profitiert. Die Schweiz verfügt europaweit über die pünktlichste Bahn – auf dem weltweit am intensivsten genutzten Netz. Letzteres bauen die SBB stetig aus. Zur prominentesten Erneuerung gehört zur zeit sicherlich der Gotthard-Basistunnel. Voraussichtlich werden im Dezember 2016 die ersten Züge durch den längsten Eisenbahntunnel der Welt fahren können. Die SBB wird ihren Kundinnen und Kun den so kürzere Reisezeiten bieten können. Swisscom – höchste garantierte Internetgeschwindigkeit Wie die Post und die SBB ist auch Swiss com eine spezialgesetzliche Aktien gesellschaft im Besitz des Bundes, die jedoch schrittweise teilprivatisiert wurde. Swisscom hat im liberalisierten Telekom markt den Auftrag, flächendeckende Anschlüsse für Telefon, Telefax und Datenübertragung (Breitbandinternetzu gang) sicherzustellen. Das Unternehmen bietet in der Schweiz die europaweit höchste garantierte Internetgeschwindig keit. Letztes Jahr investierte Swisscom 1,8 Milliarden Franken in den Ausbau der Netz- und IT-Infrastruktur, den Grossteil davon in den Ausbau des Mobilfunknet zes. Obwohl nicht im Grundversorgungs auftrag vorgegeben, finanziert Swisscom beispielsweise seit 2001 den Internet zugang für alle Schulen in der Schweiz oder bietet Roaming, die Mobilfunkverbin dung mit ausländischen Netzen, an. Schwerpunkt 11 magazin Mai 2016 Breite Ablehnung der Initiative Die Initiative wird auf breiter Front abgelehnt: vom ganzen Parlament, von vielen Verbänden, der Wirtschaft und den Gewerkschaften. Ihre Vertreter sagen warum. Martin Candinas Nationalrat CVP/GR, Vorstandsmitglied SAB «Der Service public hält Stadt und Land zusammen. Die Initiative setzt dies mutwillig aufs Spiel!» Susanne Ruoff Konzernleiterin Post «Nur eine wirtschaftlich gesunde Post kann ihren Kundinnen und Kunden attraktive Leistungen bieten. Die Initiative gefährdet dies.» Pro und Kontra Von links bis rechts – die Initiative wird von sämtlichen grossen Parteien abgelehnt. Monika Rühl Direktorin economiesuisse Dore Heim Geschäftsführende Sekretärin Schweizerischer Gewerkschaftsbund PRO Ja Ja K-Tipp, Saldo, Bon à savoir, Spendere meglio EDU KONTRA «Die Initiative ist ein Eigentor: Anstatt die Grundversorgung zu stärken, würden Innovationen behindert.» Babette Sigg Frank Präsidentin Konsumentenforum kf «Das Gewinnverbot wird zu einer Aufspaltung der Konzerne führen. Verloren geht damit der starke GAV-Schutz. Deshalb lehnen wir die Initiative ab.» Philippe Leuba Volkswirtschaftsdirektor Kanton Waadt Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein «Die Initiative schadet den Konsumentinnen und Konsumenten – höhere Preise und Serviceabbau wären die Folge!» «Mit dem Verbot, einen beliebigen Gewinn zu erzielen, bedroht die Initiative die Unternehmen des Bundes und den Service public.» Bundesrat National- und Ständerat SVP, FDP, BDP, CVP, glp, SP, Grüne Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete Gemeindeverband Städteverband economiesuisse Gewerbeverband Gewerkschaftsbund syndicom, transfair, Travail.Suisse Verband öffentlicher Verkehr Schweizer Bauernverband Konferenz der Volkswirtschaftsdirektoren Konferenz der Verkehrsdirektoren Stiftung für Konsumentenschutz, Schweizerisches Konsumentenforum, Fédération romande des consommateurs, associazione consumatrici e consumatori della Svizzera italiana Post, SBB, Swisscom Position der Post Die Post lehnt die Initiative ab, da diese den Service public schwächt statt stärkt. Die Post will sich auch weiterhin für einen starken Service public einsetzen können.
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