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BZB Mai 16
Wissenschaft und Fortbildung
Der Schmelz muss reifen
Risikobeurteilung, Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten bei MIH
Ein Beitrag von Dr. Richard Steffen, Assunta Villano, und Dr. Hubertus van Waes, Zürich/Schweiz
Kinder mit Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation
(MIH) müssen immer häufiger zahnärztlich behandelt werden. Solche Patienten sind für das Praxisteam eine besondere Herausforderung. Abgebrochene, hypersensible und zu früh kariöse Zähne
müssen so lange erhalten werden, bis bei diesen
der Schmelz ausgereift ist. Die Schmelzreifung unterstützende, remineralisierende und restaurative
Techniken müssen für MIH-Zähne optimiert und
angepasst werden. Besondere Bedeutung bekommen auch präventive Maßnahmen zur Vermeidung
von assoziierter Karies. Aufgrund der unklaren Ätiologie sind Risiko beurteilungen für das Auftreten
einer MIH schwierig. Kinderzahnmediziner können
jedoch mithilfe eines Risikofragebogens einen Beitrag zur Früherkennung dieser Erkrankung leisten.
Im Jahr 2001 wurde von der European Academy
of Paediatric Dentistry (EAPD) der Begriff „MolarenInzisiven-Hypomineralisation“ geprägt, um damit
das typische Krankheitsbild einer systemisch bedingten Hypomineralisation einzelner oder mehrerer Zähne beschreiben zu können [18]. Die MIH
ist ein qualitativer Defekt, der durch Störungen
während der Verkalkung und auch während der
anschließenden Schmelzreifung entsteht [15]. Klinisch imponiert hypomineralisierter Schmelz durch
seine veränderte Farbe, sein poröses Aussehen sowie seine verminderte Resistenz gegen chemische
und mechanische Einflüsse [20]. Das typische ursprünglich beschriebene Verteilungsmuster zeigt Defekte an den ersten bleibenden Molaren sowie an
den Inzisiven. In der Zwischenzeit wurden hypomineralisierte Defekte aber auch an allen anderen
bleibenden sowie auch den Milchzähnen beschrieben [16,20]. Durch dieses alle Zähne betreffende
Erscheinungsbild wird eine Abgrenzung zu einer
genetisch determinierten Amelogenesis imperfecta
oder einer generalisierten Schmelzmissbildung aufgrund von Stoffwechselbelastungen erschwert [16]
(Abb. 1 bis 3).
Beschreibung der MIH
Typisch für die MIH ist die Kombination von verschieden stark ausgeprägten Schmelzbildungs-
störungen mit einer typischen Verteilung auf bestimmte Zähne. Gemäß der Definition der EAPD
dürften bei einer MIH nur ein oder mehrere erste
bleibende Molaren und ein oder mehrere Inzisiven
von dieser Erkrankung befallen sein [1,20]. Der
Begriff MIH wurde in der jüngsten Vergangenheit
jedoch auf alle von typischen MIH-Defekten befallenen Zähne ausgeweitet. So sind Hypomineralisationen in der Zwischenzeit an allen Zähnen und
dabei besonders auch an den zweiten Molaren sowie den zweiten Milchmolaren beschrieben worden [16,17]. Das typische klinische Erscheinungsbild sind weiß-gelbe bis gelb-braune, deutlich umschriebene Schmelzopazitäten. Aufgrund der Hypomineralisation kann es bei allen betroffenen Zähnen auch zu Schmelzabbrüchen oder -einbrüchen
kommen. Aus diagnostischer Sicht wichtig sind die
Opazitäten an den befallenen Zähnen, die unterschiedliche Ausdehnungen und Ausprägungen
erreichen können [6,7]. Beim selben Patienten
können Zähne mit kleinen und gut demarkierten
Schmelzverfärbungen zusammen mit schweren,
von Frakturen begleiteten Defekten vorkommen.
Während Opazitäten – solange diese eine intakte
Schmelzoberfläche aufweisen – vor allem ein ästhetisches Problem darstellen, haben eingebrochene
Schmelzareale, insbesondere wenn diese früh auftreten, schwerere Konsequenzen [14,15] (Abb. 4).
Besondere Probleme bei MIH-Zähnen
MIH-Zähne weisen zusätzlich weitere krankheitstypische Probleme auf. So ist es schwierig vorauszusagen, ob ein Kind unter MIH-Zähnen leiden
wird oder nicht. Es können nur ein Zahn, einzelne
wenige oder viele Zähne eines Gebisses betroffen
sein. Die Schmelzdefekte können bereits im Milchgebiss und dann auch noch im bleibenden Gebiss
auftreten [5]. Ein Befall im Milchgebiss zieht aber
nicht unbedingt einen Befall im bleibenden Gebiss
nach sich und umgekehrt, und ein gesundes Milchgebiss bedeutet nicht automatisch ein gesundes
bleibendes Gebiss [2,5]. Die typischerweise wenig
resistente Schmelzqualität von MIH-Zähnen kann
bereits beim Zahndurchbruch unter Belastung zu
Oberflächendefekten führen.
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Abb. 1: Frontzähne eines Jugendlichen mit MIH
Abb. 2: Molar im Unterkiefer links mit
MIH-bedingten Verfärbungen und Schmelzabbrüchen
Abb. 3: Milchgebiss mit MIH-bedingten Verfärbungen und kleinen Schmelzabbrüchen
Abb. 4: Frisch durchgebrochener Zahn 36
mit schwerer MIH
Zudem kann der Ausprägungsgrad der Schmelzdefekte von leichten Verfärbungen bis hin zu starken, nicht belastbaren Opazitäten schwanken [3].
Für die betroffenen Kinder sind mögliche Hypersensibilitäten an einzelnen oder allen von MIH
betroffenen Molaren eine große Belastung. Die
Zähne weisen schon kurz nach dem Durchbruch
eine chronische Pulpitis auf und sind dadurch
oftmals schwieriger und nur unter Schmerzen zu
reinigen. Unterbleibt eine gute Mundhygiene, stel-
len sich sehr schnell zusätzliche kariöse Defekte
ein (Abb. 5 und 6).
Abb. 5: MIH-Zahn 26 mit Schmelzabbrüchen. Eine Reinigung ist
aufgrund der Hypersensibilität nur schwer möglich.
Abb. 6: Noch intakter MIH-Zahn 16. Eine Reinigung ist aufgrund
der Hypersensibilität ebenfalls nur schwer möglich.
Typische Probleme der MIH sind [3,4,15]:
· uneinheitliches Befallsmuster: Milchzähne und/
oder bleibende Zähne
· uneinheitliche Schweregrade: leichte Verfärbung
bis schwere Strukturstörung
· erhöhte Bruchgefahr: Spontanfrakturen bei normaler Kaubelastung
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· Hypersensibilitäten: leichte bis schwere Hypersensibilitäten an Molaren und Milchmolaren
· nachteilige Ästhetik: Opazitäten stören vor allem
· häufige Erkrankungen (bläschenbildende Erkrankungen, Entzündungen in Nase, Nebenhöhlen und
Ohr, Pneumonien, häufiges Fieber)
in der Front
· größere Anfälligkeit für Karies
· bei einzelnen Patienten ist der Befall an weiteren, bisher noch nicht durchgebrochenen Zähnen
schwer voraussagbar
Häufigkeit der MIH
Die meisten Veröffentlichungen zur Prävalenz
von MIH sprechen von einem vermehrten Auftreten. Die weltweit erhobenen Zahlen zeigen jedoch
ein sehr uneinheitliches Befallsmuster. Während
die MIH in Industrienationen sehr häufig auftritt
(Australien 37 bis 47 %, Brasilien 40 %, Schweden
37 bis 44 %, Deutschland und Dänemark 32 bis
40 %, Vereinigtes Königreich 17 %), sind die Prävalenzzahlen in Ländern der sogenannten Dritten
Welt eher gering (Irak 3 %, Libyen 3,5 %, Kenia
22 %). Einig sind sich die Studien über eine zunehmende Häufigkeit der MIH [8,12,14].
Ursachen der MIH
Das Krankheitsbild MIH wird immer wieder ausführlich in den Medien behandelt. Besonderes Interesse hat die Öffentlichkeit an den möglichen Ursachen für eine steigende Verbreitung dieser Zahnerkrankung. Diese Frage beschäftigt auch die zahnmedizinische Forschung. Als ätiologische Ursachen
werden verschiedene Faktoren diskutiert. Zum einen
sind dies endogene Störungen, zum anderen stehen
auch Umweltfaktoren im Verdacht. Eine schlüssige
Erklärung für die Entstehung des MIH-typischen
Krankheitsbilds gibt es bis heute noch nicht – eine
multifaktorielle Krankheitsursache gilt als die wahrscheinlichste Erklärung. Einig ist man sich darüber,
dass die diese Krankheit verursachenden Störungen
zwischen den letzten Schwangerschaftswochen bis
spätestens zum Ende des dritten Lebensjahres auftreten müssen. Verwirrend ist jedoch, dass gleichzeitig reifende Zähne zum Teil befallen und zum Teil
völlig gesund sein können [3,7,8,16].
Folgende Faktoren werden als mögliche Auslöser
der MIH diskutiert:
Endogene Faktoren
· Ernährungsmängel
· phasischer Sauerstoffmangel (Kinder mit SektioGeburten, respiratorische Infekte)
· allgemeine Infektionen (Mittelohrentzündungen,
virale Kinderkrankheiten, renale Infekte)
· Probleme in den letzten Schwangerschaftsmonaten
Umweltfaktoren
· Dioxin (in Nahrungsmitteln/Muttermilch)
· Antibiotika
· PCB (Weichmacher in Kunststoffgeschirr, Verpackungen)
· Bisphenol A
Prävention bei der MIH
Primär richtet sich die Prävention bei der MIH nach
den etablierten Präventionskonzepten zur Kariesvermeidung. Aufgrund der hohen Problemrate, der
häufigen Sekundärkaries, der auftretenden Hypersensibilisierung und der unberechenbaren Schmelzdefekte sind präventive Maßnahmen bei der MIH
besonders notwendig. Beachtet man jedoch die
strukturellen Besonderheiten hypomineralisierter
Zähne, so eignen sich kariesprotektive Maßnahmen nur bedingt für MIH-Zähne. Im von MIH betroffenen Schmelz und Dentin findet sich ein verminderter Mineralgehalt, der im Schmelz um circa
20 Prozent und im Dentin um 5 bis 10 Prozent reduziert ist. Vermehrt finden sich dort jedoch Proteine
und zudem ist der Karbonatgehalt im Schmelz erhöht. Dieser veränderte Schmelz ist leichter von Bakterien zu durchdringen, die sich dann vermehrt in
den Dentintubuli einlagern und dadurch chronische Entzündungszustände der Pulpa (Hypersensibilitäten) hervorrufen können. Die Schmelzprismen
sind untereinander ungenügend fest verbunden und
der Schmelz weist beim Zahndurchbruch sowie nach
der Reifung Spalten und Lücken auf.
Eine möglichst frühe Diagnose der MIH ist wesentlich zur Prävention beziehungsweise zur Vermeidung der MIH-typischen Folgeschäden. Durch die
Applikation von fluoridhaltigen Präparaten lässt
sich die Gefahr einer MIH-assoziierten Karies reduzieren. Ein engmaschiges Recall-System lässt Schmelzabbrüche und Strukturdefekte zeitnah erkennen.
MIH-befallene Schmelzareale haben nach dem
Durchbruch eine Chance zur Reifung und können
so eine annähernd normale Resistenz gegenüber
Belastungen erreichen. Entscheidend ist dabei der
möglichst vollständige Erhalt der Zahnsubstanz,
bis dieser Reifeprozess abgeschlossen ist. Die posteruptive Reifung von MIH-Zähnen erfolgt stark verlangsamt, kann aber im Alter von 18 bis 20 Jahren
so weit fortgeschritten sein, dass eine genügende
Resistenz wie bei gesunden Zähne möglich ist.
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Abb. 7: Ein oberer, von MIH betroffener Molar nach
einer Versiegelung
Abb. 8: Ein unterer MIH-Molar, Zustand vier Jahre
nach der Versieglung
Merke: Prävention bei MIH-Zähnen bedeutet, dass
nach einer möglichst frühen und korrekten Diagnose ein auf den Patienten abgestimmtes Vorsorgekonzept möglichst engmaschig angelegt wird, um
mögliche Schmelzdestruktionen, Karies oder Hypersensibilitäten ohne Zeitverlust erkennen und behandeln zu können.
Zahnärztliche Maßnahmen bei der MIH
Das Betreuungskonzept bei der MIH setzt sich aus
die Reifung unterstützenden und restaurativen
Maßnahmen sowie einer guten Nachsorge zusammen [10,11,19].
Maßnahmen, die eine Schmelzreifung unterstützen
Besser als jede Restauration ist die zahnerhaltende
Behandlung der MIH-Zähne, bevor ein irreversibler Schaden auftritt. Zum Konzept gehört das folgende Prozedere:
· Mineralisationsfördernde Materialien und Medizinprodukte können die Schmelzstruktur von hypomineralisierten Zähnen verbessern (Fluoridpräparate und Kasein-Phosphate; CCP-ACP).
· Durch Überschichten mit adhäsiven Füllungsmaterialien wird erhofft, dass Schmelz- und Dentinareale gezielt verstärkt und geschützt werden.
Sicher können dadurch bei Belastung Frakturen
und eine erhöhte Abrasion vermindert werden.
· Frisch durchgebrochene MIH-Molaren weisen oft
starke Porositäten auf, was möglicherweise die
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Abb. 9: Ein frisch durchgebrochener, hypersensibler
MIH-Molar, der mit einem Glasionomerzement überdeckt wurde
Hypersensibilitäten erklärt. Frühestmögliches Versiegeln oder Abdecken mit Glasionomerzement
(GIZ) kann womöglich dem Schmelz Gelegenheit
zur Reifung geben und helfen, Hypersensibilitäten
zu vermeiden [17,19] (Abb. 7 bis 9).
Restauration
· Versiegelungen und erweiterte Versiegelungen des
porösen und rissigen MIH-Schmelzes schützen vor
unkontrollierten Chipping-Frakturen und können
kleine Defekte decken.
· Kleine Defekte, die von gesunder Zahnhartsubstanz umgeben sind, können mit defektorientierten Restaurationen (Komposit oder GIZ) versorgt
und geschützt werden.
· Molaren mit großen Substanzdefekten können
provisorisch mit einem schützenden Metallband
(orthodontisches Band) in Kombination mit einer
Füllung aus GIZ oder Komposit provisorisch versorgt werden. Alternativ können die Zähne mit
vorgefertigten Stahlkronen überdeckt werden.
· Zähne mit über längere Zeit stabilen Defekten
können mittels Restaurationen (adhäsiven Komposit-Restaurationen) bis in den gesunden Schmelz
rekonstruiert werden. Dazu eignen sich auch laborgefertigte, eventuell mit Fasern verstärkte Komposit-Onlays [10,11,16].
· Bei stark befallenen Zähnen muss eine Extraktion mit anschließendem kieferorthopädischen
Lückenschluss in Erwägung gezogen werden. Mit
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auftretende Defekte sofort erkennen zu können.
Schmelzeinbrüche an Restaurationsrändern sind
häufig und können zu Sekundärkaries führen. Langfristig erfolgreiche Restaurationen sind ab einem
Alter von circa 18 Jahren zu erwarten [11,16].
Eine gute Dokumentation bei MIH-Patienten mit
Röntgenbildern und Fotografien ermöglicht eine
verbesserte Entscheidungsfindung bei der Nachsorge [9,10].
Abb. 10: Ein unterer Molar mit MIH während der Versorgung mit einer
Komposit-Füllung. Die Isolation des Arbeitsfelds erfolgt mit Isolite.
diesem Vorgehen können dem Patienten unter
Umständen lebenslang immer wieder notwendige Restaurationsmaßnahmen erspart werden
[9,13] (Abb. 10).
Nachsorge
Über den idealen Zeitpunkt zur endgültigen Restauration von MIH-Defekten oder der Deckung von
Opazitäten in der Front gibt es keine Untersuchungen. Vor einer aufwendigen Restauration scheint es
vorteilhaft zu sein, eine gewisse Wartezeit bis zur
Reifung der betroffenen Schmelzareale der MIHZähne einzuhalten. Diese Zeit überbrückt man mit
mineralisationsfördernden Maßnahmen und gegebenenfalls provisorischen Restaurationen. Provisorien und definitive Restaurationen sollten engmaschig nachkontrolliert werden, um eventuell neu
Frühzeitige Risikobeurteilung für MIH
Eine Risikobeurteilung für MIH kann möglicherweise trotz mangelnder Fakten bei der Ätiologie
der Erkrankung bei Kindern den zu erwartenden
Betreuungsaufwand prognostizieren. An dieser
Stelle soll trotz schwacher Faktenlage der Versuch
gemacht werden, den Behandlern mithilfe eines
Fragebogens für ihre Patienten Hinweise auf das
Risiko für MIH-Zähne zu geben.
Der Fragebogen sollte im Rahmen einer zahnärztlichen Kontrolle im Patientenalter von zwei bis vier
Jahren durch Fragen an die Eltern ergänzt und mit
Daten aus der Krankengeschichte ausgefüllt werden (Tab. 1). Dieser Fragebogen gibt möglicherweise einen Hinweis auf ein zu erwartendes MIHRisiko. Zusätzliche klinische und anamnestische
Befunde, wie bestehende kariöse Läsionen und bestehende Gingivitis aufgrund unzureichender Reinigung, sollten die Länge der Recall-Intervalle ebenso beeinflussen.
Risk-Assessment für das Auftreten von MIH
Biologische Faktoren
Eltern oder Geschwister haben bereits MIH
Sozioökonomischer Status des Elternhauses
1
-1
0
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Hoch
Mittel
Gering
Das Kind hatte häufig fiebrige Erkrankungen
Spezielle Erkrankungen:
· Bläschenbildende Infekte
· Magen-Darm-Erkrankungen
· Respiratorische Infekte
Schwierige Schwangerschaft
Lange Stillzeit > 6 Monate
Die Eltern verwenden viel industriell hergestellte Nahrungsmittel
Protektive Faktoren
Gute Mundhygiene/Eltern motiviert
Benützt Fluor-Zahnpasta
Die Eltern putzen nach jeder Mahlzeit nach
-1
-1
-1
Klinische Befunde
Das Kind hat bereits MIH im Milchgebiss
Erkrankungen aus dem allergologischen Formenkreis (Neurodermitis o.ä.)
Erhöhtes Risiko für MIH ab Endergebnis 6 – 8
2
1
Total
Tab. 1: Risikobewertung für das Auftreten von MIH. Die zutreffenden Punktwerte sind einzukreisen und zu addieren. Ein Ergebnis ab 6 bis
8 Punkten spricht für ein erhöhtes Risiko.
Wissenschaft und Fortbildung
Nach einer gewissen Zeit können die Befunde, die
mit diesem Fragebogen ermittelt wurden, mit den
tatsächlich aufgetretenen klinischen Befunden verglichen werden. Dadurch und durch zusätzliche
neue wissenschaftliche Erkenntnisse lässt sich der
Fragebogen sicherlich noch aktualisieren. Möglicherweise ergibt sich daraus eine realistische Option, bereits bei Kindern mit reinem Milchgebiss
die Möglichkeit eines Befalls von MIH an den bleibenden Zähnen als Risiko zu erkennen.
Schlussfolgerungen
Die MIH ist ein weit verbreitetes und zunehmendes
Problem. Leider lassen sich die Erfahrungen der
Kariestherapie nur bedingt bei der MIH-Therapie
anwenden. Wie bei jeder komplexen zahnärztlichen Problematik sollte eine Therapie nur in Angriff genommen werden, wenn alle Möglichkeiten
der Prophylaxe und Prävention ausreichend genutzt werden konnten. Eine gute Diagnostik und
gute Kenntnisse der Grundlagen der MIH sind unabdingbar für eine erfolgreiche Therapie von MIH-
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Defekten. Eine mögliche frühzeitige Erfassung von
Risikopatienten mit einem Suchraster würde es ermöglichen, viele MIH-Folgeschäden bereits in der
Entstehung zu stoppen und den Schmelzreifungsgrad zu verbessern. Letzteres wäre besonders wertvoll, da MIH-Erkrankungen, wenn sie bereits eingetreten sind, erhebliche nachteilige Konsequenzen
für die Patienten mit sich bringen. Die Diagnostik,
die Prävention sowie die Therapie sind aufgrund
der besonderen Anforderungen, die Patienten mit
MIH an die Zahnmedizin stellen, meist sehr anspruchsvoll. Die Kinderzahnmedizin kann und
muss aufgrund ihres spezialisierten Wissens hierbei eine besondere Rolle übernehmen.
Korrespondenzadresse:
Dr. Richard Steffen
Klinik für Kieferorthopädie und Kinderzahnmedizin
Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich
Plattenstraße 11
8032 Zürich/Schweiz
[email protected]
Literatur bei den Verfassern
Update Endo und Adhäsivtechnik beim TeamDay 2016
Der TeamDay des Zahnärztlichen Arbeitskreises Kempten
schaft des Referenten: Es gibt quasi keine „schlechten“ Ins-
befasste sich in diesem Jahr mit dem aktuellen Stand in der
trumente oder Materialien mehr. Der Erfolgsfaktor ist aber
Endodontie und Adhäsivtechnik. Rund 150 Zahnärzte und
der trainierte und erfahrene Anwender.
Zahntechniker waren mit 250 Praxismitarbeiterinnen der Ein-
Das Gleiche gilt für die Adhäsivtechnik. In seinem Vortrag
ladung nach Kempten gefolgt. Neben den genannten The-
verdeutlichte Prof. Dr. Claus-Peter Ernst, Mainz, dass der
men ging es auch um Neues aus der Praxisführung. Durch
Zahnarzt das System, das er verwendet, bis ins Detail ken-
das Programm führte Dr. Ralph Heel, Meitingen, der auch
nen muss, um damit die besten Ergebnisse zu erzielen. Die
die Expertenrunde zur Endodontie leitete, in der es um
rein lichthärtenden Systeme sind nach Aussage des Referen-
schwierige Fälle ging, die der Vorsitzende des Arbeitskreises,
ten gut miteinander kombinierbar. Bei den dualhärtenden
Dr. Josef Diemer, Meckenbeuren, aus seiner Praxis zur Begut-
Kompositen sei entscheidend, dass man bei Adhäsiv und
achtung zur Verfügung gestellt hatte. Am Ende der Veran-
Komposit im System bleibt und nicht kombiniert. Nach wie
staltung zog Heel ein positives Resümee: „Verbesserte Mate-
vor unterschätzt werde die Wichtigkeit der korrekten Licht-
rialien erleichtern zwar die Behandlung, doch nach wie vor
härtung in Bezug auf Zeit und Zielgenauigkeit. Zusätzliche
ist der erfahrende Anwender Erfolgsfaktor Nummer 1!“
Chemikalien wie Kavitätendesinfektionsmittel und blutstil-
Einen im wahrsten Sinne des Wortes in die Tiefe gehenden
lende lokale Medikamente sieht Ernst grundsätzlich kritisch,
Vortrag lieferte Dr. Bijan Vahedi, Augsburg. In seinem Up-
da sie das Adhäsiv oft behindern.
date über Techniken und Materialien in der Endodontie er-
Die Praxismitarbeiterinnen hatten wie jedes Jahr ihren eige-
läuterte er, dass es praktisch bei allen etablierten Feilensyste-
nen Fortbildungstag. Der Referent Praxisführung der BLZK,
men verbesserte Materialeigenschaften gibt. Dabei handelt
Dr. Michael Rottner, stellte den neuesten Stand bei der
es sich um die „Goldwire-Technik”. Der Trend: Die Feilen
Praxishygiene vor. Zur Begrüßung hatte BLZK-Präsident
werden flexibler und gleichzeitig weniger bruchanfällig. Bei
Christian Berger über das neue Anti-Korruptionsgesetz im
den Wurzelfüllmaterialien stellen die Bioceramics eine Neu-
Gesundheitswesen berichtet, das der Deutsche Bundes-
entwicklung dar. Die ersten Ergebnisse sind vielverspre-
tag tags zuvor verabschiedet hatte.
chend, Langzeitdaten fehlen jedoch noch. Die positive Bot-
Redaktion
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