6.3 Wälder als Kohlenstoffspeicher

6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
6.3
Wälder als Kohlenstoffspeicher
Wälder sind die terrestrischen Ökosysteme mit dem höchsten Kohlenstoffspeichervermögen. Weltweit sind in der Biomasse von Wäldern 86 % des terrestrischen
oberirdischen C und ca. 40 % des unterirdischen C in Böden gespeichert (DIXON et al.
1994). Gegenüber dem Kohlenstoffspeicher im Boden, in dem Kohlenstoff vergleichsweise
stabil gespeichert wird, ist der Kohlenstoffspeicher im gesamten Ökosystem Wald durch die
Bewirtschaftung steuerbar (PISTORIUS 2008). Damit kann mit der Art der Waldbewirtschaftung die Kohlenstoffsequestrierung im Wald effektiv gesteuert werden. PISTORIUS (2008)
weist nach, dass in bewirtschafteten Wäldern die Speicherung von Kohlenstoff in Holzprodukten und vor allem die Substitution von auf fossilen Energieträgern basierenden Materialien durch Holz eine um ca. den Faktor 10 höhere Mitigationsleistung im globalen Treibhausgasbudget erbringt als die Kohlenstoffspeicherung in situ im Wald. Die Betrachtung in
diesem Kapitel wird jedoch auf die im Wald gemessenen Kohlenstoffpools beschränkt, da
hier die in der BZE gemessene Datenbasis beschrieben werden soll.
6.3.1
Ziele und Methodik der Aufnahme der oberirdischen
Holzbiomassen
Aus methodischen und organisatorischen Gründen werden die BZE und die Bundeswaldinventur (BWI) in Baden-Württemberg auf getrennten Stichprobennetzen durchgeführt. Daher
wurde im Vorlauf der dritten BWI-Aufnahme in Baden-Württemberg an jedem BZERasterpunkt ein Klon eines BWI-Traktes angelegt. Damit wird prinzipiell die Möglichkeit
geschaffen, Zusammenhänge zwischen Bodenzustandsgrößen und der Bestockung zu
modellieren. Dies eröffnet Optionen, Ergebnisse der BZE mit Hilfe der räumlich wesentlich
differenzierter vorliegenden Bundeswaldinventurdaten auf kleinere räumliche Befundeinheiten und waldbauliche Situationen zu übertragen. Es werden Grundlagen für die Modellierung der Waldentwicklung und ihrer Wechselwirkungen mit der Dynamik pedologischer
Prozesse im Wald geschaffen. Bei dieser Aufnahme sollten die wesentlichen Kenngrößen
der Waldbestände, in denen die BZE-Stichproben liegen, erfasst werden.
Für die Bestockungsinventur wird je BZE-Stichprobe ein Inventur-Trakt angelegt, der aus
bis zu 4 Stichproben besteht. Von diesen vier Stichproben wird nur eine permanent vermarkt, die übrigen drei sind temporäre Aufnahmen. Die Bestockungsinventur erfasst den
Bestand, in welchem die BZE-Profilgrube liegt. Daher muss der gesamte Trakt vollständig
im jeweiligen Bestand und der Traktmittelpunkt mit der permanenten Stichprobe im Bereich
der Profilgrube der BZE liegen. Im Zuge einer Vorklärung wurde GIS-gestützt im Anhalt an
aktuelle Luftbilder die Lage des Traktes bestimmt. Die temporären Aufnahmen wurden auf
einem Kreis um den Mittelpunkt der permanenten Stichprobe mit Radius 50 m in Form eines
dreistrahligen, gleichseitigen Sterntraktes angelegt. Geringfügige Abweichungen von diesem Schema wurden zur Anpassung an die individuellen Bestandesverhältnisse toleriert.
Bei der permanenten Stichprobe wurde der Mittelpunkt mit einem Eisenpflock dauerhaft
vermarkt.
An allen Stichproben wurde eine qualitative sowie biometrische Charakterisierung des
Baumbestandes, an der permanenten Stichprobe zusätzlich eine Totholzaufnahme durchgeführt. Die Erfassung der Bestockung basiert auf dem Kern-Aufnahmeverfahren der BWI,
162
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
-1
der Winkelzählprobe (WZP) mit Zählbreite 4 [m² ha ]. In der WZP wurden dieselben Baumattribute erfasst wie bei der BWI mit folgenden Ausnahmen: Stammgüte und Stammschäden, sowie Verjüngung, Naturnähe, Strauchschicht, Bodenvegetation und forstlich bedeutsame Arten wurden nicht angesprochen, da diese Parameter teilweise in der Bodenvegetationsaufnahme der BZE aufgenommen wurden oder bei der begrenzten Probepunktzahl der
BZE statistisch nicht sinnvoll sind.
Nur auf den temporären Stichproben wurde eine Zuwachsbeprobung mittels Bohrspänen
durchgeführt (je Stichprobe, wenn vorhanden, ein herrschender Probebaum der Hauptbaumarten Fichte, Tanne und Buche).
Die Aufnahme des stehenden Bestandes mit Brusthöhendurchmesser (BHD) > 7 cm wurde
als WZP mit Relaskop – Zählbreite 4 aufgenommen. Für alle lebenden Bäume wurde
Baumart, soziologische Baumklasse, geschätztes Alter, Stamm – Formigkeit, BHD, Baumhöhe (Unterstichprobe) geschätzt bzw. gemessen.
Bei der Totholzaufnahme an der permanenten Stichprobe wurde das stehende Totholz
(ganze Bäume oder Bruchstücke • 1.3 m Länge, BHD > 5 cm) in einem Probekreis mit 5 m
Radius, und das liegende Totholz mit Durchmesser > 5 cm nach der sog. „line intersect“
Methode (LIS) aufgenommen. Die LIS-Methode wurde entsprechend den Definitionen des
Schweizerischen Landesforstinventars (EIDGENÖSSISCHES INSTITUT FÜR W ALD SCHNEE UND
LANDSCHAFT (WSL) 2005) konkretisiert, indem an allen Schnittstellen zwischen drei 10 m
langen Taxationslinien und den liegenden Totholzstücken (> 5 cm) deren rechtwinklig zur
Hauptachse gemessene Durchmesser bestimmt wurden. Wenn die Taxationslinie Asthaufen geschnitten haben, wurde die Länge der Schnittebene als Ganzes bestimmt, da die
Einzelmessung der Astdurchmesser nicht praktikabel ist. Pro liegendem und stehendem
Totholzstück wurde der Zersetzungsgrad nach folgender Tabelle aufgenommen:
Zersetzungsgrad
Beschreibung
1: frisch abgestorben
Rinde noch am Stamm
2: beginnende Zersetzung
Rinde in Auflösung bis fehlend, Holz noch beilfest, bei Kernfäule <
1/3 des Durchmessers
3: fortgeschrittene Zersetzung
Splint weich, Kern nur noch teilweise beilfest, bei Kernfäule > 1/3
des Durchmessers
4: stark vermodert
Holz durchgehend weich, beim Betreten einbrechend, Umrisse
aufgelöst
In Bezug auf die in situ gespeicherte Kohlenstoffmenge wurde durch Modifikation der Aufnahmegrenzen und die gravimetrische Schätzung des C-Vorrats in den HumusGrobbestandteilen (> 2 und ” 5 cm) die Aufnahmelücke zwischen C-Vorrat in der Humusauflage und Totholz geschlossen. Bei den Aufnahmen der Bestockungsinventur wurden
die BWI-Standards weitestgehend beibehalten, so dass die Datenauswertung mit den eingeführten und qualitätsgesicherten Auswertungsroutinen der BWI erfolgen kann. Details der
BWI-Aufnahme im Rahmen der BZE finden sich in der eigens hierfür erstellten Aufnahmeanleitung (KÄNDLER & RIEMER 2006). Die Berechnung der Biomasseanteile erfolgt über speziell für die BWI3 entwickelte Funktionen (KÄNDLER & BÖSCH 2013).
163
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
6.3.2
Kohlenstoffvorräte im gesamten Ökosystem Wald
In der Zusammenschau der durchschnittlichen C-Vorräte in den einzelnen Ökosystemkomponenten und deren Variation (Tabelle 6-4) lässt sich deren relative Bedeutung für die CSequestrationsleistung der Waldökosysteme abschätzen. Die Darstellung wird neben dem
arithmetischen Mittelwert auf Mediane und Quantile gestützt, damit der Vergleich zwischen
den sehr unterschiedlichen Verteilungsformen der C-Pools in den Ökosystemkompartimenten möglich ist.
Der Kohlenstoffvorrat in der lebenden Bestandesbiomasse (ober- und unterirdisch) ist mit
durchschnittlich (arithmetisches Mittel) 132 t/ha und ca. 54 % des Ökosystempools das
bedeutendste Kompartiment. Der zweitgrößte C-Pool ist mit durchschnittlich etwa 104 t/ha
und etwas über 43 % des Gesamtpools der Bodenkohlenstoffvorrat (Mineralboden und
Humusauflage), wobei der C-Vorrat in der Humusauflage mit durchschnittlich nur 15.5 t/ha
und ca. 6 % des ökosystemaren C-Gesamtvorrats gering ist. Auch die Kohlenstoffvorräte im
Totholz (Grobbestandteile im Humus, liegendes und stehendes Totholz) sind mit ca. 6 t/ha
und einem Anteil von ca. 2.5 % am Gesamt-Kohlenstoffpool relativ niedrig. Das liegt daran,
dass die Zersetzungsgrade bei der Berechnung der Kohlenstoffgehalte berücksichtigt wurden und die Holzdichte im Laufe der Zersetzung auf ca. 1/3 der Dichte von frischem Totholz
zurückgeht. Die Habitateigenschaften des Totholzes werden jedoch von der Zersetzung
eher günstig als negativ beeinflusst. Die Abweichung des Median vom arithmetischen Mittelwert sind teilweise sehr groß; des Weiteren ist die Variation um den Median für die CVorräte in allen Ökosystemkomartimenten sehr hoch. In der lebenden Bestandesbiomasse
und dem Mineralbodenhumus beträgt die Schwankungsbreite um den Median etwas über
100 %, für Totholz ist sie etwa um den Faktor 3 höher und in der Humusauflage etwa um
den Faktor 10.
Die Häufigkeitsverteilungen sind mit Ausnahme des C-Vorrats in der lebenden Bestandesbiomasse mehr oder weniger stark rechtsschief mit zum Teil sehr hohen Extremwerten. Die
Summe aller C-Vorräte der einzelnen Ökosystemkompartimente zeigt eine Normalverteilung
um den Median mit einer extrem hohen Variationsbreite, die in den Extremen von Werten
knapp über 60 bis knapp 750 t/ha reicht (Abbildung 6-18). Die räumliche Verteilung zeigt im
Land die höchsten Werte im Mittleren und Südlichen Schwarzwald und im Südwestdeutschen Alpenvorland. Das sind Wuchsgebiete, die einerseits einen hohen Anteil an Hochlagen aufweisen, in denen durch das kühl-feuchte Regionalklima die Erhaltungsneigung für
Bodenkohlenstoff hoch ist.
Im Südwestdeutschen Alpenvorland liegt außerdem der Zuwachs der dort überwiegenden
Fichtenbestände deutlich über dem Landesdurchschnitt.
Die Höhe und relative Verteilung der Kohlenstoffpools auf die in der Bestandesbiomasse
und im Boden gespeicherten C-Mengen wird in Abbildung 6-19 gezeigt. Die Darstellung ist
nach Wuchsgebieten stratifiziert, wobei die regionalklimatisch, geo- und pedologisch sehr
ähnlichen Wuchsgebiete Schwarzwald und Baar-Wutach zusammengefasst wurden.
Da in zahlreichen bodenkundlichen Auswertungen (z. B. HAGEDORN et al. (2010)) und auch
in den Prädiktorenkollektiven der an der FVA identifizierten Regionalisierungsmodelle zur
räumlichen Verteilung der Kohlenstoffkonzentration im Boden (s. Kap. 6.1) Hinweise auf
eine Abhängigkeit der Höhe der Kohlenstoffpools von der Meereshöhe gefunden wurden,
164
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
werden in Abbildung 6-20 die einzelnen Kompartimente des Kohlenstoffvorrats über der
Meereshöhe dargestellt. Die Punktewolken der Kohlenstoffvorräte über der Meereshöhe
zeigen sowohl für die Vorräte in der Humusauflage als auch für das Totholz eine auffällige
Häufung von Werten nahe Null im Höhenbereich < 800 m ü. N. N. auf. Dies deutet auf aktuell ablaufende C-Verluste aus diesen Ökosystemkompartimenten durch verstärkte Mineralisierungsprozesse hin.
Abbildung 6-18: Räumliche Verteilung der Kohlenstoffvorräte im gesamten Ökosystem Wald
(Bestand + Totholz + Boden) jeweils an den BZE-Punkten.
Tabelle 6-4: Kohlenstoffvorräte in den einzelnen Kompartimenten und in der Summe des Waldökosystems (Baumbestand abgeleitet aus Derbholz-Menge in m³/ha der BWI-konformen Bestandesaufnahme; Totholz abgeleitet aus BWI-konformen Bestandesaufnahme: Holzdichten nach
Zersetzungsstufen 1-4: Laubholz: 0.43 – 0.33 – 0.23 – 0.13, Nadelholz: 0.38 – 0.34 – 0.27 – 0.15
nach HARMON et al. (2011)).
Kohlenstoffvorräte t/ha
Arithmetisches Mittel
Min
25%
Median
75%
Max
131.8
0
96.6
135.2
172.5
312
Totholz > 5 cm
5.8
0.1
0.8
2.2
6.2
48.2
Grobanteile Humusauflage ~ 2-5 cm
5.9
0.3
3.1
4.9
7.5
37.9
Humusauflage < 2 cm
9.6
0.2
1.7
3.5
13
102.7
Mineralboden 0-30 cm
58.9
10.4
42.8
55.6
69.4
223.1
Mineralboden 30-60 cm
20.4
1.4
11.4
16.8
24.3
172.8
Mineralboden 60-90 cm
9.6
0
3.7
7.2
12.4
259.2
Gesamtes Ökosystem
242.0
63.3
196.8
238.7
284.8
743
Baumbestand (inklusive Wurzeln)
165
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
Abbildung 6-19: In der Bestandesbiomasse und im Boden gespeicherte Kohlenstoffmengen
nach Wuchsgebieten. Darstellung arithmetische Mittelwerte ± einfache Standardabweichung.
Abbildung 6-20: Zusammenhang der Kohlenstoffvorräte in Bodenkompartimenten (links) und in
der Bestandesbiomasse bzw. dem Ökosystem (rechts) und der Höhe über dem Meer. Einzelwerte und lineare Trendfunktion.
166
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
Zumindest die „ausgedünnte“ Verteilung hoher C-Vorräte in der Humusform und deren
Zunahme mit der Meereshöhe deuten darauf hin, dass ohne diese Mineralisierungstendenz
die Höhenabhängigkeit der in der Auflage gespeicherten C-Vorräte noch deutlicher wäre als
derzeit. Dies entspräche auch der empirischen Erfahrung einer Zunahme abbaugehemmter
Humusformen mit der Höhe. Die Punktewolken der C-Vorräte aller anderen Ökosystemkompartimente und der Gesamt C-Vorräte sind relativ homogen um die Trendlinien verteilt.
Die Bodenkohlenstoffvorräte nehmen mit der Meereshöhe von Werten um 70 auf Werte um
130 t/ha zu. In den Punktewolken für beide Bestandesbiomassekompartimente ist kaum ein
Trend erkennbar. Damit weist der Gesamt C-Vorrat der Wälder Baden-Württembergs mit
steigender Meereshöhe den gleichen Zunahmetrend wie die Bodenkohlenstoffvorräte mit
einer Zunahme von ca. 250 auf 300 t/ha auf.
6.3.3
Regionalisierung der Veränderung des Kohlenstoffvorrats
zwischen BZE1 und BZE2
Die Regionalisierungsmodelle wurden getrennt für die Humusauflage und die Mineralbodentiefen 0-5 cm, 5-10 cm, 10-30 cm und 30-60 cm erstellt sowie für den gesamten Oberboden
(Humusauflage und Mineralboden bis 30 cm Bodentiefe) als Summe der Einzeltiefen berechnet.
Als Zielgröße der Regionalisierung dienten die jährlichen Kohlenstoffvorratsänderungen der
für den paarweisen Vergleich geeigneten Standorte der Trendanalyse (Kapitel 4.1), wobei
die Kriterien „unterschiedliche Horizontierung“, „Differenz Skelettgehalt“ und die „Differenz in
der Baumartenzusammensetzung“ als Ausschlusskriterien herangezogen wurden. Als Prädiktoren wurden die landesweit verfügbaren Parameter aus der Geländemodellanalyse
(Hangneigung, Exposition, TWI, TPI, Hangposition, Reliefform, Globalstrahlung), der flächenhaften Differenzierung von Wuchsgebieten, die Differenzierung nach geologischen
Ausgangssubstraten, Bodentypen und der Einfluss von Grund- und Stauwasser (aus der
BÜK200), sowie der Einfluss von Kalkungsmaßnahmen genutzt.
Die statistischen Kennzahlen der Regionalisierungen der einzelnen Bodentiefen sowie der
Einfluss der genutzten Modellvariablen sind in Tabelle 6-5 zusammengefasst. Die Veränderungen der Kohlenstoffvorräte konnten mit nur geringen Bestimmtheitsmaßen von 0.20 bis
0.34 auf die Fläche übertragen werden. Trotz der relativ hohen unerklärten Varianz zeigen
die Residuen eine gleichmäßige Verteilung im Residuenplot (Homoskedastizität) und die in
Kap. 6.1 gezeigten regionalen Unterschiede finden sich im Regionalisierungsmodell wieder.
Des Weiteren sind die im Modell identifizierten Prädiktoren im ökosystemaren Zusammenhang plausibel kausal mit der Kohlenstoffvorratsveränderung verbunden.
Die starke Abnahme der Vorräte in den Humusauflagen weist eine deutliche regionale Gliederung auf. So sind insbesondere die auflagehumusreichen Standorte im Hochschwarzwald, Odenwald und im Schwäbisch-Fränkischen Wald von den quantitiativ höchsten Abnahmen gekennzeichnet. Die Böden der nährstoffreichen und auflagehumusarmen Schwäbischen Alb und des Neckarlands weisen geringe absolute Abnahmen auf, und im Südwestdeutschen Alpenvorland sowie im Oberrheinischen Tiefland herrschen leichte Zunahmen vor (Abbildung 6-21). Als Erklärungsvariablen dominieren im Regionalisierungsmodell
für die Humusauflage der Einfluss der Kalkung, topografische Indizes sowie regionale Un-
167
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
terschiede der Wuchsgebiete, die das Nährstoffangebot und auch die klimatischen Rahmenbedingungen generalisieren. Gekalkte Standorte sind im Regionalisierungsmodell durch
höhere Abbauraten gekennzeichnet (vgl. Kap. 4.1, die absoluten Mengen sind an gekalkten
Standorten höher, die relativen Mengen jedoch nicht!), ebenso Standorte mit Stauwassereinfluss, mit erhöhter Exposition sowie auf nährstoffarmen Ausgangsgesteinen (Kristallin). Als signifikanter Prädiktor erwies sich auch die Veränderung des Bestandesalters. Kontinuierliche Zunahmen des Bestandesalters, also geringe Durchforstungen, bildeten sich in
einer Erhöhung der C-Vorräte ab.
Im mineralischen Oberboden (0-5 cm) sind die Veränderungsraten geringer als in der Humusauflage (Abbildung 6-21). Auffallend ist die Erhöhung der C-Vorräte insbesondere an
denjenigen Standorten, die durch hohe Humusabbauraten gekennzeichnet sind (Schwarzwald, Odenwald). Jedoch auch Böden im Südwestdeutschen Alpenvorland weisen eine
leichte Erhöhung auf. Als Erklärungsvariablen beeinflussen neben topografischen Parametern der Grund- und Stauwassereinfluss die Veränderungsrate. Auffällig ist, dass im Gegensatz zur Humusauflage Standorte mit erhöhter Exposition eine Erhöhung der C-Vorräte
aufweisen, und zwar in allen Mineralbodentiefen.
Im humusärmeren Oberboden (5-10 cm) sind ähnliche Tendenzen wie in der darüber liegenden Mineralbodentiefe zu erkennen, jedoch sind die regionalen Ausprägungen stärker.
So ist entlang des Oberrheinischen Tieflands eine deutlich höhere C-Anreicherung erkennbar, wohingegen die Böden der Schwäbischen Alb sowie Teile des Südwestdeutschen
Alpenvorlandes deutlich Reduzierungen aufweisen. Dabei spielen wiederum Exposition und
Hangneigung sowie weitere topographische Parameter eine wichtige Rolle.
In der Tiefe 10-30 cm und 30-60 cm ist bis auf das Oberrheinische Tiefland eine Abschwächung der Intensität der C-Vorratsveränderung zu erkennen. Insbesondere Reliefparameter
konnten hier die Veränderungsraten am besten abbilden.
Durch die Aufsummierung der Vorratsänderungen in der Humusauflage und in den Mineralbodentiefen 0 bis 30 cm wird eine Bilanzierung des Einflusses der in den einzelnen Regionalisierungsschritten entscheidenden Variablen vorgenommen. Im landesweiten Mittel
ergibt sich daraus eine Abnahme von 0.70 t/ha/a, was leicht über den Werten der rein auf
Messwerten beruhenden landesweiten mittleren Tendenz liegt (Abbildung 6-22 und Kap.
4.5.2).
Regional lassen sich dabei unterschiedliche Tendenzen unterscheiden:
Schwarzwald, Odenwald, Neckarland: An vielen Standorten hat in diesen Regionen eine
Umverteilung von organischem Kohlenstoff aus den Humusauflagen in den Mineralboden
stattgefunden. Insbesondere auf gekalkten Flächen erscheint ein erhöhter Abbau gegeben.
Jedoch weisen ungekalkte Flächen ebenso hohe Abbauraten auf, sodass für beide Straten
die Lage im Relief entscheidender ist. Dies wird verdeutlicht in Ausschnitt 2 in Abbildung 623. Im Schwarzwald sind trotz der vorherrschenden Abbautendenz, die meistens an Hängen und in Süd-Ost Exposition vorherrscht, auch Bereiche vorhanden, an denen auf
Verebnungsflächen, in Kammlagen und an Schattenhängen die Anreicherung von Kohlenstoff dominiert.
Oberrheinisches Tiefland: Hier wird eine flächige Zunahme der Kohlenstoffvorräte modelliert (Ausschnitt 1 in Abbildung 6-23), was den Messwerten weitestgehend entspricht. Dabei
sind neben dem Relief (überwiegend eben) für die Region charakteristische Rahmenbedin168
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
gungen im Modell generalisiert abgebildet (Variable Wuchsgebiet Oberrheinische Tiefland).
Als wahrscheinlich werden klimatische Rahmenbedingungen angesehen. Eine erhöhte
Anzahl und Dauer von sommerlichen Trockenperioden kann den Abbau organischer Substanz auf gut durchlässigen Standorten hemmen und somit für eine Anreicherung in der
Humusauflage und im Mineralboden sorgen.
Schwäbische Alb, partiell Neckarland (carbonatische Ausgangsgesteine wie Muschelkalk): Hier dominiert eine Abnahme der Kohlenstoffvorräte, wobei aus dem Modell nur
Reliefparameter als erklärende Variablen zum Zuge kommen.
Südwestdeutsches Alpenvorland: Hier dominiert die Zunahme der Kohlenstoffvorräte,
wobei vor allem die Altmoränenstandorte im Nordosten eine Erhöhung der Vorräte im Mineralboden erfuhren, die Jungmoränenstandorte im Südwesten wiesen dahingegen eine Zunahme im Auflagehumus auf (Variable Wuchsgebiet SW-deutsches Alpenvorland und SWdeutsches Alpenvorland_N in Abbildung 6-21).
fern
Statistische Kennzif-
Tabelle 6-5: Regionalisierung der Kohlenstoffvorratsänderung: Statistische Kennziffern und
Einfluss der Modellvariablen.
Humus
0-5cm
5-10cm
10-30cm
30-60cm
R-Square
0.26
0.19
0.20
0.21
0.34
Adj R-Sq
0.22
0.15
0.17
0.17
0.31
Root MSE
0.66
0.58
0.33
0.85
0.69
Dependent Mean
-0.37
-0.06
-0.06
0.01
-0.07
-178.77
-900.73
-564.81
-128.14
-997.64
Coeff Var
Bestandesalterdifferenz
Kalkung
Globalstrahlung
TPI
TOPEX
TWI
Prädiktoren
Rauigkeit
Exposition
Hangneigung
Verebnung auf Berg
Stauwasser
Grundwasser
Kristallingestein
Oberrheinisches Tiefland
SW-dtsch.Alpenvorland
SW-dtsch.Alpenvorland_N (Teil)
169
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
Abbildung 6-21: Regionalisierte Veränderung der Kohlenstoffvorräte zwischen BZE1 und BZE2
in der Humusauflage und im Mineralboden der Tiefen 0-5 cm, 5-10 cm und 10-30 cm.
6.3.4
Zusammenfassung und Fazit
Die im Wald durchschnittlich gespeicherte Kohlenstoffmenge liegt in Baden-Württemberg in
der gleichen Größenordnung wie in den Nachbarländern Schweiz (HAGEDORN et al. 2010),
Bayern (KLEIN & SCHULZ 2011) und Rheinland-Pfalz (BLOCK et al. 2012), wie Tabelle 6-6
zeigt. Auch die Verteilung des Gesamtkohlenstoff Vorrats auf die Ökosystemkompartimente
170
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
ist vergleichbar. Deutliche Unterschiede zeigen sich in der Verteilung des Kohlenstoffvorrats
zwischen Boden- und Biomassespeicher zu den Wäldern Schleswig-Holsteins (W ÖRDEHOFF
et al. 2012).
Der niedrigere Gesamtkohlenstoffvorrat in Rheinland-Pfalz erklärt sich aus der regionalklimatischen Situation, die im Vergleich zu den anderen Ländern durch einen höheren Anteil
Tieflagen mit einem höheren Anteil an Trockenstandorten gekennzeichnet ist. So ist ebenfalls der in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gegenüber den beiden anderen Ländern um ca. 30 % niedrigere Kohlenstoffvorrat im Mineralboden zu erklären. In BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz ist mit 63 % der höchste Anteil des Gesamtkohlenstoff
Vorrats in der lebenden Bestandesbiomasse, Humusauflage und Totholz gespeichert, während in den beiden anderen Ländern dieser Anteil mit Werten von 46 – 53 % deutlich niedriger liegt (allerdings sind aus der Schweiz keine Totholzdaten verfügbar). Das bedeutet
einerseits, dass in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz der in den Wäldern gespeicherte Kohlenstoffvorrat gegenüber Mobilisierung durch veränderte Klimabedingungen und
Katastrophen wie Sturm oder Insektenkalamitäten anfälliger ist, andererseits jedoch, dass
durch die Art der Waldbewirtschaftung stärker auf die Entwicklung der Kohlenstoffspeicherung im Wald Einfluss genommen werden kann. Ein deutlich abweichendes Verteilungsmuster der ökosystemaren Kohlenstoffvorräte weisen die Wälder Schleswig-Holsteins auf, die
mit 26 % des Gesamt Kohlenstoffvorrats einen sehr viel niedrigeren Anteil in der Bestandesbiomasse aufweisen und mit 73 % einen um 60-100 % höheren Anteil des Kohlenstoffvorrats im Boden speichern. Die Gründe hierfür sind sicherlich in dem von den übrigen
Bundesländern abweichenden Regionalklima zu suchen.
Eine wesentliche Aufgabe der BZE ist es durch periodisch wiederholte Aufnahmen die zeitliche Entwicklung der Bodenkohlenstoffvorräte zu erfassen. Dies ergibt nur dann eine verzerrungsfreie Schätzung für Bundesländer oder auf nationaler Ebene, wenn die Waldfläche
durch die Aufnahmepunkte der BZE verzerrungsfrei repräsentiert wird. Wenn daran Zweifel
bestehen, kann mit Regionalisierungsmodellen, d. h. Algorithmen zur PunktFlächenübertragung, die periodische C-Sequestierung der Waldböden der Bundesländer
bzw. auf Bundesebene verzerrungsfrei geschätzt werden. Dies ist für die Planung einer auf
Kohlenstoffspeicherung optimierten Waldbodenbewirtschaftung, aber auch für die nationale
Treibhausberichterstattung insofern relevant, als dafür verzerrungsfreie und flächenbezogene Schätzungen des Kohlenstoffvorrats benötigt werden. Da die Bundesregierung nach
Artikel 3.4 des Kyotoprotokolls seit 2006 für die Anrechnung der C-Senkenwirkung der
Waldbewirtschaftung auf die nationale Treibhausgasbilanz votiert hat (W ÖRDEHOFF et al.
2012), gewinnt die zutreffende Schätzung der ökosystemaren Kohlenstoffvorräte und insbesondere deren zeitliche Entwicklung besondere umweltpolitische Bedeutung. Auf Bundesund Landesebene wurden zwei unterschiedliche Regionalisierungsverfahren zur Punkt- /
Flächenübertragung der Kohlenstofftrends verwendet. In Baden-Württemberg wurde die
Regionalisierung mittels multivariater Regressionsmodelle durchgeführt, wie in Kapitel 6.1
beschrieben. Auf Bundesebene wurde die Regionalisierung auf dem Wege des GeoMatching durchgeführt. Das heißt, dass alle BZE-Punkte im Sinne einer Stratifizierung einem Bodentyp und dem für die Bodenbildung wichtigen Ausgangssubstrat der Bodenbildung zugeordnet wurden. Die geographische Grundlage dafür sind die 72 Legendeneinheiten der Bodenkundlichen Übersichtskarte (BÜK) Deutschlands (1:1.000.000). Den
171
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
Abbildung 6-22: Regionalisierte Veränderungsraten des Kohlenstoffvorrats zwischen BZE1 und
BZE2 für die Humusauflage + mineralischer Oberboden bis 30 cm. Ausschnitte 1 und 2 sind in
Abbildung 6-23 vergrößert dargestellt.
Abbildung 6-23: Vergrößerte Ausschnitte der regionalisierten Kohlenstoffvorratsveränderung
zwischen BZE1 und BZE2.
172
6. Strategieansätze und Entwicklung von Praxiskonzepten
Polygonen der Leitbodeneinheiten der BÜK wurden Mittelwerte und Variationsbreiten der CVorratstrends von den in diesen liegenden BZE-Profilen zugewiesen (W ELLBROCK &
GRÜNEBERG 2011). Ein Vergleich zwischen den beiden Regionalisierungansätzen zeigte für
Baden – Württemberg, dass die mittleren C-Vorratstrends auf Landesebene von beiden
Verfahren mit sehr geringen Abweichungen gleich ermittelt werden. Das muss auch so sein,
wenn die BZE-Stichprobe für das Land repräsentativ ist. Das auf Regressionsmodellen
basierende Verfahren hat jedoch den Vorteil, dass die räumliche Verteilung der Trendschätzungen sich flexibler und ergebnisoffener an die regionalen Gegebenheiten anpasst als es
durch die vorfestgelegten Strukturen der BÜK (1:1.000.000) möglich ist. Das heißt, dass
durch den Regressionsansatz eher kausalanalytische Interpretationsansätze für die räumlichen Muster der C-Vorratstrends gefunden werden können, wie z. B. die auffallende, räumlich auf den Oberrheingraben und Oberschwaben begrenzte Zunahme der Kohlenstoffvorräte. Dies wird auch von AERTSEN et al. (2012) bestätigt, die Geo-Matching nur als ultima ratio
empfehlen, wenn sachlogisch begründete Zusammenhänge zu quasi kontinuierlich in der
Fläche verfügbaren Prädiktoren fehlen bzw. nicht nachweisbar sind. Über Regressionsmodelle hergeleitete Regionalisierungskarten können ein wichtiges Instrument für die Identifikation von für die Kohlenstoffsequestrierung relevanten Landschaften und für die Steuerung
einer auf die Humuspflege in Waldböden ausgerichtete Waldbewirtschaftung sein, da sie
eine stochastische Zusammenhangsanalyse zwischen C-Vorratstrends und ökologischen
Einflussgrößen darstellen.
Tabelle 6-6: Durchschnittlicher Gesamtkohlenstoffvorrat in den Waldökosystemen der Schweiz
(nach Hagedorn et al. (2010)), Bayern (nach KLEIN & SCHULZE (2011)), Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz (nach BLOCK et al. (2012)) und Schleswig-Holstein (WÖRDEHOFF et al. (2012)),
sowie deren prozentuale Zusammensetzung nach Ökosystemkompartimenten (alle Werte ohne
Moore).
Kohlenstoffvorräte (Anteile in %, Summe in t/ha)
Schweiz
Bayern
BadenWürttemberg
RheinlandPfalz
SchleswigHolstein
44
48
55
52
26
Totholz
-
1
2
3
1
Humus (Grob + Fein)
2
5
6
8
16
Mineralboden
54
47
37
37
57
Summe (t/ha)
257
276
242
216
227
Ökosystemkompartiment
Lebende Biomasse
173