CD 04-08

Heghmanns
Strafrecht für alle Semester
Besonderer Teil
CD-Text zum 4. Kapitel, Rn. 282
Die Patientenverfügung
(CD 04 – 08)
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Die inzwischen in § 1901a BGB geregelten Patientenverfügungen (oder Patiententestamente) stellen
schriftliche, ansonsten aber formfreie Erklärungen über die Ausgestaltung künftiger ärztlicher Behandlung dar. Dazu zählen nicht nur Anweisungen zur Unterlassung oder Vornahme intensivmedizinischer
Versorgung, sondern auch für risikoreiche Operationen oder die künstliche Ernährung. Sie regeln den
Fall, dass der – volljährige – Erklärende zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr in der Lage ist, einen
aktuellen Willen zu bilden oder zu artikulieren. Dennoch bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Dabei
ist u.a. zu erwägen, ob der Patient sich tatsächlich in einer Situation befindet, die er im Patiententestament beschrieben hat (vgl. § 1901a I 1 BGB).
Die Patientenverfügung ist nach § 1901a I 2 BGB für einen (ggf. nach § 1896 BGB zu bestellenden)
Betreuer beachtlich, sofern sich keine konkreten Hinweise darauf ergeben, dass ihr Inhalt nicht mehr
dem wirklichen Willen entspricht (was vor allem bei längeren Zeiträumen zwischen Abfassung und
Entscheidungssituation besonders sorgfältig zu prüfen ist). Nur, wenn er in späterer Zeit erkennbar
von der Patientenverfügung abgerückt ist, die Ernsthaftigkeit der Erklärung oder seine Handlungsfähigkeit bei der Abfassung zweifelhaft sind, entfaltet sie keine die Nichtbehandlung rechtfertigende
Wirkung.
Eine Bindungswirkung gegenüber dem behandelnden Arzt ist zwar nicht explizit in den §§ 1901a ff.
BGB festgelegt. Angesichts der Bindungswirkung gegenüber dem Betreuer sowie des Umstandes, dass
auch sonst selbst der unvernünftigste Patientenwille den Arzt verpflichtet, 1 wird man dies indes für
eine nach den o.g. Kriterien beachtliches Patientenverfügung ebenso postulieren müssen.
Im umgekehrten Fall einer Anweisung der Patientenverfügung zur Vornahme bestimmter aufwändiger
Behandlungsmethoden kann sich der Arzt verweigern, falls dies mit anderen Pflichten kollidiert (z.B.
mit der Pflicht, noch weitere Patienten zu versorgen). Er darf dann notfalls die weitere Behandlung
ablehnen, solange die indizierte ärztliche (Grund-)Versorgung sichergestellt ist.
Vgl. zur Problematik der Patientenverfügungen die eingehende Darstellung bei MüKo-SCHNEIDER.2
Ein Muster einer Patientenverfügung ist abgedruckt in NJW 2000, 855. Darüber hinaus findet man im
Internet zahlreiche aktuellere Beispiele.
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Vgl. BGHSt 11, 111 (113 f.).
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MüKo-SCHNEIDER vor § 211 Rn. 123-126 mit zahlreichen weiteren Literaturhinweisen.
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