PDF-Download - Katholische Kirche beim hr

Jugendpfarrer Thomas Renze, Fulda
hr1 Sonntagsgedanken - Pfingstsonntag 15. Mai 2016
Gottes Geist macht das Leben bunt.
Draußen, draußen in der freien Natur, in den Straßen der Städte, auf der Wiese im Park,
dort spielt sich jetzt wieder das Leben ab. Das Frühjahr weckt wirklich die Lebensgeister.
In diesen Tagen bietet sich ein farbenprächtiges Bild: Die blühenden Bäume, die bunten
Blumen, die saftigen Wiesen, das Leben quillt zurzeit aus jeder Pore der Natur. Das
überträgt sich auf mich und offensichtlich auf viele Menschen. Wie ich es genieße
hinauszugehen, gerade jetzt, wo die kalten Tage hoffentlich endgültig vorbei sind. Bei
herrlichem Sonnenschein auf einer Bank zu sitzen, im Garten oder auf der Straße. Die
Sonne scheint mir ins Gesicht und die Stimmung hebt sich von alleine. Mir und vielen
anderen Leuten tut das gut. Die Sonne lockt uns aus unserem „Schneckenhaus“ hervor
auf die Straße, wo das Leben pulsiert. Mit sommerlich-bunten Kleidern und einer
Sonnenbrille gehen viele auf die Straße, treffen sich mit Freunden im Biergarten oder im
Strassencafé. Die meisten Menschen lachen, manche flirten, andere beobachten
vorbeigehende Menschen und genießen das Leben. Das sind mitunter Augenblicke, in
denen ich gerne die Zeit anhalten würde. Das Leben scheint mir in solchen Situationen
bisweilen schwerelos und sorgenfrei - himmlisch.
Leider kommt genau dann eine Biene. Sie setzt sich auf das Stückchen Kuchen oder an
den Rand des Bierkrugs. Sie lässt sich partout nicht verscheuchen und ich hoffe inständig,
dass sie mich nicht sticht. Aber nicht nur Bienen stören die Idylle. Im Leben scheint halt
nicht jeden Tag die Sonne. Natürlich gehört zum Leben auch die alltägliche Arbeit die
nicht nur mich zeitlich so einschränkt, dass ich nicht immer nach Lust und Laune das
lebendige Treiben genießen kann. Aber gerade deshalb gilt für mich: Momente der
Unbeschwertheit sind seltene kostbare Augenblicke, die ich festhalten möchte.
Leider ist nicht das ganze Leben himmlisch, so scheint ja auch nicht jeden Tag die Sonne.
Zum Leben gehört bei mir vor allem die alltägliche Arbeit, die. nicht nur mich zeitlich so
einschränkt, dass ich nicht immer nach Lust und Laune, das lebendige Treiben genießen
kann. Aber gerade deshalb gilt für mich: Momente der Unbeschwertheit sind seltene
kostbare Augenblicke, die ich festhalten möchte.
Vor wenigen Tagen hatte ich wieder so einen Augenblick. Ich sitze an der Straße in einer
Eisdiele, die Sonne scheint, Leute schlendern vorbei, manche lachen, andere sehen
besorgt aus. Ein buntes Bild und dabei fällt mir auf, dass etliche Menschen vorbei gehen,
die eine andere Sprache sprechen, die anders angezogen sind. Der Schmuck, den sie
tragen, ist anders. Da läuft eine kleine Gruppe von Frauen aus einem afrikanischen Land
vorbei in ihren herrlich farbenfrohen Kleidern. Einige der vorbeigehenden Menschen sind
sicherlich Flüchtlinge, andere leben vermutlich schon viele Jahre in Deutschland und
dazwischen alle anderen Einheimischen, hier geboren oder zugezogen. In diesem
Augenblick geht mir durch den Kopf, dass unser Land, unsere Stadt bunter geworden sind
- abwechslungsreicher, vielfältiger und lebendiger. Das ist wirklich gut so.
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Ich bin alleine unterwegs, so kann ich mich also ganz und gar auf meine Umgebung
konzentrieren. Als die bunte Truppe von Frauen vorbei geht, huscht einigen meiner
Tischnachbarn ein Lächeln über die Lippen. Die fremde Kultur mit ihrer Kleidung verbreitet
nicht Angst und Schrecken, sondern Freude. Währenddessen denke ich an den nächsten
Weltjugendtag. Die Weltjugendtage sind Treffen, zu denen der Papst seit über 30 Jahren
alle zwei, drei Jahre die jungen Menschen der Welt in eine andere Stadt der großen
weiten Welt einlädt. Das letzte Treffen war in Brasilien in Rio de Janeiro, das nächste
findet in diesem Sommer in der polnischen Stadt Krakau statt. Ungefähr zwei Millionen
junge Menschen werden erwartet. Junge Menschen aus allen Kontinenten und allen
möglichen Ländern der Erde. Auch hier werde ich mit Abertausenden die Vielfalt der
Sprachen, der Kulturen erleben und fremde Bräuche und Sitten kennen lernen. Auf dem
Weltjugendtag werden sich auch Menschen begegnen, deren Länder Konflikte
miteinander austragen oder in deren Ländern Krieg und Terror herrschen. Junge Leute
aus Palästina oder Syrien, andere aus afrikanischen Ländern. Sie alle kommen
zusammen, unterhalten sich - teilweise mit Händen und Füßen, lernen sich kennen und
bilden einen friedlichen Teil der großen Menschheitsfamilie. Keiner nimmt dem anderen
etwas weg, jeder ist gleich viel wert und jeder respektiert den anderen. Die
Verschiedenheit ist keine trennende Wand, sondern eine Brücke um aufeinander zu
zugehen. „Wo kommst du her?“ „Ist das eure typische Landestracht?“ „Könnt ihr uns ein
Lied aus eurer Heimat vorsingen?“ „Lasst uns gemeinsam ein Spiel ausprobieren!“
Spannend, bereichernd, einfach großartig sind solche Begegnungen!
Solche wichtigen Erfahrungen lassen sich auch bei anderen Internationalen Begegnungen
und Austauschtreffen machen. Doch noch einmal zurück zu meiner Episode in der
Eisdiele: Während ich im Café sitze, gehen junge und alte, große und kleine, Deutsche
und Inder, Türken und Italiener, Kroaten und Japaner an mir vorüber. Jeder anders. Selbst
die
Deutschen
sind grundverschieden. Ich
höre es
an
den
unterschiedlichen
Sprachfärbungen. Unglaublich wie unterschiedlich wir alle sind. Allein die Mundart in der
Rhön unterscheidet sich schon von Dorf zu Dorf, in dem einen heißt es „a Muis“ in dem
anderen „a Muus“, gemeint ist jeweils eine Maus.
Unwillkürlich habe ich hier, im Café, Eindrücke vom Weltjugendtag in meinem Kopf. Und
ich merke: Andere, fremde Kulturen, Mentalitäten und Sprachen kann ich nicht nur auf
dem Weltjugendtag entdecken. Ich bekomme sie tatsächlich frei Haus geliefert. (Das
könnte uns als Reiseweltmeister noch mehr anspornen die Welt zu bereisen. Schließlich
lieben wir Deutsche es doch fremde Länder und andere Kulturen zu erleben.) Somit kann
ich die Anderen in meiner Umgebung kennen lernen und erfahre wirklich die weite Welt
vor meiner Haustüre.
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Möglicherweise haben Sie oder einer ihrer Freunde und Bekannten schon ähnliche
Erfahrungen gemacht. Die Begegnung mit fremden Menschen, welcher Nationalität auch
immer, die Erfahrung von fremdem Essen und Trinken. Von Pizza über Falafel bis Sushi.
Von Chianti über Raki bis hin zu Caipirinha. Manches davon kommt uns schon sehr
einheimisch vor. Die Pizza bestellen wir doch so selbst verständlich wie ein Schnitzel, den
Döner holen wir uns so selbstverständlich wie eine Currywurst und „Ciao“ sagen wir so
geläufig wie „Tschüss“.
All die Vielfalt, die ich mit großer Freude beschrieben habe, bereichert mich. Sie macht
mich neugierig auf andere Menschen und lässt mich über sogenannte „deutsche
Eigenheiten“
schmunzeln.
Das
bunte
Spektrum
der
Menschen
hilft
mir
mit
unterschiedlichen Positionen und Meinungen umzugehen und schenkt mir Respekt vor
anderen Menschen und deren Kulturen. So öffnen sich mir die Augen, dass jeder Mensch
einzigartig ist und dass es viele Möglichkeiten gibt ein gutes Leben zu führen.
Für mich persönlich kommt darin schließlich Gottes Wirken zum Vorschein. Gott ist keine
graue Maus, sondern er liebt die Vielfalt. Deshalb benutzt er in der biblischen
Überlieferung den kunterbunten Regenbogen als Zeichen der Zuneigung zu uns
Menschen. Damit wird für mich deutlich, dass Gott jeden einzelnen Menschen liebt,
gerade in seiner Einzigartigkeit, die ihn von allen anderen unterscheidet. Auf diese Art hilft
Gott uns dabei aufeinander zu zugehen. Schließlich ist auch sein Sohn Jesus Christus auf
die Menschen seiner Zeit zugegangen. Ob es einheimische Juden waren, heidnische
Griechen oder Menschen aus anderen Völkern, mit allen hat er gesprochen. Eine
besondere Form von Völkerverständigung haben auch seine Jünger an Pfingsten erlebt.
Petrus stand auf der Straße und hielt eine flammende Rede, die die Menschen aus allen
Herrenländern in ihrer Sprache hörten. Sie alle verstanden die Predigt des Petrus durch
die Kraft des Heiligen Geistes.
Deshalb gilt für mich: Wo Grenzen von Ländern oder Kulturen, die zerstörerische Macht
von Terror oder Konflikten zwischen Völkern und einzelnen Menschen überwunden
werden - da wirkt der Geist Gottes. Dieser Geist Gottes löst das Erstarrte und Ängstliche,
denn er schenkt Mut und Kraft. Der Heilige Geist hat schöpferische Kraft und macht
lebendig. Er wirkt überall, wo das Leben pulsiert, ob beim Erwachen der Natur im Frühjahr,
bei der Sehnsucht nach Leben in mir oder dem positiven Erfahren von menschlicher
Vielfalt in den vorübergehenden Menschen in einem Straßencafé oder in der weiten Welt.
Als Christ kann ich nicht anders, als jedem Mann und jeder Frau heute - an Pfingsten auf’s Neue den Heiligen Geist zu wünschen. Gott schenkt seinen Heiligen Geist, der
Vielfalt als Bereicherung wahrnehmen lässt, der Mauern mit einem kraftvollen Sprung
überwindet, der Mut schenkt Herausforderungen im eigenen Leben und der Gesellschaft
zuversichtlich anzunehmen und der Brücken der Verständigung zwischen Menschen und
Völkern baut. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen: „frohe Pfingsten“!
Schlagwörter: Leben, Vielfalt der Kulturen, Völkerverständigung, Heiliger Geist