LSO Solothurn Das Burn-out bezeichnet allgemein einen Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung. Burn-out: Was gilt rechtlich? Gesundheit und Recht. Die ständige Erreichbarkeit und der Stress am Arbeitsplatz führen bei den Arbeitnehmenden vermehrt zu Burn-out. Was versteht man unter einem Burn-out? Was gilt es für den Arbeitnehmenden zu beachten? Was hat der Arbeitgeber für Pf lichten? Der Artikel soll einen Kurzabriss über die aktuelle rechtliche Situation geben, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. 1. Einleitung Schulblatt AG/SO · 17/2015 Stress, gefolgt vom Gefühl sich emotional verbraucht zu fühlen, sind in den meisten Fällen die Vorboten eines Burn-outs. Umso problematischer ist die Tatsache, dass im Jahr 2012 18 Prozent der Erwerbstätigen immer oder meistens Stress bei der Arbeit erlebten. Hinzu kommen 44 Prozent, die manchmal gestresst waren. So 26 Jonas Zimmerli, Autor des Berichts. Foto: zVg. verwundert es nicht, dass sich 18 Prozent emotional verbraucht fühlten und ebenso viele durch eine psychische Belastung beeinträchtigt waren. Aber nicht nur für die Erwerbstätigen, sondern auch für die Arbeitgebenden und die gesamte Volkswirtschaft stellen Stress am Arbeitsplatz und damit unter Umständen verbundene Burn-outs eine grosse Belastung dar. Eine Schätzung aus dem Jahr 2004 bemisst die Folgekosten im Zusammenhang mit arbeitsbedingtem Stress auf vier Milliarden Franken. Die Zahl dürfte in der Zwischenzeit deutlich grösser geworden sein, weil der Stress bei Erwerbstätigen in der Schweiz innerhalb der letzten zehn Jahre um 30 Prozent zugenommen hat. 2. Das Burn-out aus medizinischer Sicht Eine klare Definition des Burn-out-Syndroms fehlt. Das Burn-out bezeichnet allgemein einen Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung, der sich durch ein Gefühl der inneren Leere und durch stark reduzierte Leistungsfähigkeit äussert. Als Syndrom kommen drei besonders wichtige Symptome zusammen: − die emotionale Erschöpfung − die emotionale Verhärtung gegenüber sich und anderen − die verminderte Leistungsfähigkeit. Nach ICD-10, einem international anerkannten System zur Klassifikation von Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen (herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation), fällt das Burn-out, als Erschöpfungssyndrom in die Gruppe Z73. Diese Gruppe bezeichnet Probleme verbunden mit Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung. Durch die Einreihung in der Z-Gruppe wird das Burn-out aus medizinischer Sicht nicht als psychiatrische Diagnose mit Krankheitswert eingestuft. Vielmehr handelt es sich dabei um einen Prozess zunehmender Erschöpfung, an dessen Ende die eigentliche Erkrankung steht. In den meisten Fällen ist dies eine Depression. 3. Das Burn-out im Recht • 3.1. Allgemeines Psychische Erkrankungen, welche in der Regel in Kombination mit einem Burn-out auftreten, werden rechtlich wie physische Erkrankungen behandelt, sofern eine Differenzierung sachlich nicht geboten ist. Für das Verständnis nachfolgender Erläuterungen gilt es, zuerst gewisse Begriffe zu klären: − Unter einer Krankheit versteht man jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit, die nicht die Folge eines Unfalls ist und die eine medizini- LSO Solothurn • 3.2. Anwendbare Rechtsnormen Das Anstellungsverhältnis der Arbeitnehmer des Kantons Solothurn ist öffentlich-rechtlicher Natur. Es finden das Staatspersonalgesetz (StPG), die dazugehörige Verordnung (PRV) und der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Anwendung. Mittels Verweisnorm in § 10 Abs. 1 StPG und § 36 Abs. 2 GAV sind sinngemäss die Bestimmungen des Obligationenrecht (OR) anwendbar, wenn in den kantonalen Gesetzen entsprechende Regelungen fehlen. • 3.3. Arbeitsrecht 3.3.1. Vor dem Burn-out Aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hat dieser zu verhindern, dass es bei seinen Angestellten überhaupt erst zu einem Burn-out kommt. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers stellt das Gegenstück der Treuepflicht des Arbeitnehmers Eine Schätzung aus dem Jahr 2004 bemisst die Folgekosten im Zusammenhang mit arbeitsbedingtem Stress auf vier Milliarden Franken. Fotos: fotolia. dar. Sie ergibt sich aus dem öffentlichen Dienstrecht selbst und aus Art. 328 OR, welcher mittels Verweisnormen im StPG und im GAV zur Anwendung gelangt. Die Fürsorgepflicht des Gemeinwesens als Arbeitgeber geht aufgrund der Grundrechtsbindung des Staates sogar weiter, als die eines privaten Arbeitgebers. Von der Fürsorgepflicht wird der Schutz aller persönlichen Güter des Arbeitnehmers erfasst, die mit dessen geistiger, körperlicher und seelischer Individualität zusammenhängen. Der Arbeitnehmer hat von Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers abzusehen oder diesen vor solchen Eingriffen zu schützen. Er hat zudem zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmenden Massnahmen zu treffen, soweit ihm dies zumutbar ist. Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehört auch die Pflicht, die psychische Gesundheit des Arbeitnehmenden zu erhalten. Er hat eine nachhaltige Überlastung des Arbeitnehmenden und damit stressverursachende Arbeitsbedingungen zu vermeiden. Der Arbeitgeber hat jedoch nicht jede Art von Stress zu verhindern. Ergibt sich dieser nämlich unmittelbar aus der ausgeübten Tätigkeit, das heisst nicht aus der Ausgestaltung der betrieblichen Arbeitsbedingungen, so ist die entsprechende Belastung Teil des Arbeitsvertrags und kann vom Arbeitgeber nicht verhindert werden. Führt diese Tätigkeit allerdings bei einem einzelnen Arbeitnehmer zu einer Schädigung der physischen oder psychischen Gesundheit, trifft den Arbeitgeber eine konkrete Schutzpflicht für den Arbeitnehmenden. Der Arbeitgeber kann diesen Pflichten allerdings nur nachkommen, wenn er die Ursache einer Krankheit kennt oder zumindest kennen muss. Es besteht also eine Obliegenheit des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber über solche Ursachen oder das Bestehen einer Burn-out-Diagnose in Kenntnis zu setzen. Kommt der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht trotzdem nicht nach, kann dies zu einer sogenannten Stresshaftung des Arbeitgebers führen. Danach haftet der Arbeitgeber für materiellen und immateriellen Schaden des Arbeitnehmers infolge Stresses am Arbeitsplatz. Die Stresshaftung ist eine Vertragshaftung nach Art. 97 ff. OR. Gleichzeitig ist es eine deliktische Haftung nach Art. 41 ff. OR und Art. 28 ZGB. Rechtsfolge kann neben Schadenersatz auch Genugtuung für die erlittene seelische Unbill sein. Die Stresshaftung wird in der Lehre grundsätzlich bejaht, allerdings mit der Eingrenzung auf klar objektivierbare und nicht der tätigkeitsimmanente Überforderungen. 3.3.2. Nach Eintritt des Burn-outs Wie bereits aufgezeigt wurde, handelt es sich beim Burn-out an sich nicht um eine anerkannte Krankheit. Da die Diagnose aber in nahezu allen Fällen in Kombination mit einer anerkannten Krankheit (z.B. Schlafstörung, Persönlichkeitsstörung, Störung des Sozialverhaltens) auftritt, führt eben auch das Burn-out indirekt zu einer Krankschreibung. Ist eine solche (ganz oder teilweise) erfolgt, muss der Arbeitgeber für angemessene Massnahmen sorgen. Kehrt der Arbeitnehmende nach oder während der Behandlung an den Arbeitsplatz zurück, hat der Arbeitgeber seine Schutzpflichten Schulblatt AG/SO · 17/2015 sche Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Das bedeutet: Erst ab einer gewissen Schwere stellt eine Gesundheitsstörung eine Krankheit dar. Damit deckt sich die rechtswissenschaftliche Definition des Krankheitsbegriffs grundsätzlich mit der medizinischen. Im Unterschied zu dieser anerkennt sie aber nur eigentliche organische oder psychische Leiden als Ursachen für Behandlungen oder Arbeitsunfähigkeit, während die Medizin auch soziale Ursachen der Beeinträchtigung der Gesundheit anerkennt. − Invalidität ist die gesundheitsbedingte bleibende oder längere Zeit andauernde Erwerbsunfähigkeit. Erwerbsunfähigkeit wiederum ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt. − Berufsunfähigkeit bedeutet die bleibende Arbeitsunfähigkeit, die vorübergehende gesundheitsbedingte Unfähigkeit die bis anhin ausgeübte Tätigkeit ausführen zu können. 27 LSO Solothurn wahrzunehmen, indem er entsprechende Massnahmen trifft, um den Arbeitnehmenden zu entlasten. Auch hier trifft den Arbeitnehmenden wieder die Obliegenheit, den Arbeitgeber über die Burn-outDiagnose zu informieren. Sollte der Arbeitnehmende arbeitsunfähig sein, trifft den Arbeitgebenden nach § 47 StPG und § 174 GAV die Lohnfortzahlungspflicht. Befand sich der Arbeitnehmende zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit in der Probezeit, besteht die Lohnfortzahlungspflicht für sechs Monate, danach für zwölf Monate. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf den vollen Lohn. Nach Ablauf der Lohnfortzahlungspflicht kommt die Krankentaggeldversicherung des Arbeitnehmers – im Falle des Kantons Solothurn die Visana – zum Tragen. Diese stellt gemäss § 47 StPG und § 177 GAV während maximal zwölf Monaten 80 Prozent des im letzten Jahr der Anstellung ausgerichteten durchschnittlichen Bruttomonatslohn inklusive Anteil 13. Monatslohn ohne Leistungsbonus sicher. • 3.4. Sozialversicherungsrecht Schulblatt AG/SO · 17/2015 Für das Risiko Krankheit besteht ein ganzes Netz von zuständigen Sozialversicherungszweigen. Die Krankenversicherer kommen in erster Linie für die Krankheitskosten auf. Die Invalidenversicherung und die berufliche Vorsorge kommen dann zum Tragen, wenn ein Gesundheitsschaden zur Erwerbsunfähigkeit führt oder eine solche droht. 3.4.1. Krankenversicherung (KV) Das Risiko der Krankheit wird in erster Linie durch die KV gemäss Krankenversicherungsgesetz (KGV) abgedeckt. Sie kommt für die medizinische Prävention und die Krankheits- und Pflegekosten auf, wenn keine andere Versicherung für zuständig erklärt wird. Die KV leistet nur dann Taggelder, wenn sich der Versicherte freiwillig der Taggeldversicherung angeschlossen hat und mindestens zur Hälfte arbeitsunfähig ist. 28 3.4.2. Invalidenversicherung (IV) Soweit ein Gesundheitsschaden zu einer Erwerbsunfähigkeit führt oder zu führen droht, ist die IV gemäss Invalidenver- sicherungsgesetz (IVG) zuständig. Ist ein relevanter Gesundheitsschaden – ein Burn-out für sich allein genügt, wie bereits aufgezeigt, nicht – eingetreten, muss nachvollziehbar dargelegt werden, inwiefern dieser Gesundheitsschaden die Arbeitsfähigkeit tatsächlich derart berührt, dass eine leistungsbegründende Invalidität resultiert. Die IV zielt primär auf die Eingliederung der invaliden Person ab und sieht dazu verschiedene Eingliederungsmassnahmen vor. Erst wenn eine Eingliederung nicht möglich ist und ein Invaliditätsgrad von mindestens 40 Prozent gegeben ist, werden Renten zugesprochen. Taggelder sind bei der IV an die Eingliederung geknüpft. Sie werden nur dann entrichtet, wenn die IV eine Eingliederung (berufliche oder medizinische Massnahmen) zugesprochen hat und grundsätzlich auch nur dann, wenn die Person wegen dieser an wenigstes drei aufeinander folgenden Tagen keine Arbeit ausüben kann. Der Anspruch auf eine IV-Rente besteht erst, wenn eine Eingliederung nicht möglich ist, wenn die betroffene Person während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig gewesen ist und wenn nach Ablauf dieses Jahres eine Invalidität von mindestens 40 Prozent besteht. Zudem muss die Anmeldung zum Bezug von IV-Leistungen rechtzeitig erfolgen, weil der Rentenanspruch frühestens nach Ablauf von sechs Monaten seit der Geltendmachung des Leistungsanspruchs besteht. 3.4.3. Pensionskasse (PK) Auch die PK erbringt im Falle einer Invalidität gemäss Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) Leistungen. Dabei sind die Feststellungen der IV-Organe, insbesondere der Grad der Invalidität, für die Belange der beruflichen Vorsorge in der Regel verbindlich, weil die Invalidität nach 1. und 2. Säule prinzipiell gleich beurteilt werden soll. Darum beginnt der Invalidenrentenanspruch in der beruflichen Vorsorge auch zum selben Zeitpunkt wie in der Invalidenversicherung. 4. Fazit Das Burn-out für sich allein stellt keine Gesundheitsstörung mit Krankheitswert dar. Nur im Zusammenspiel mit anerkannten psychischen Krankheiten besteht ein Anspruch auf Taggelder oder Leistungen der Sozialversicherungen. Aufgrund der Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber verpflichtet, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um den Eintritt eines Burn-outs bei den Arbeitnehmenden zu vermeiden. Allerdings trifft den Arbeitnehmenden dabei eine Mitwirkungsobliegenheit. Trifft der Arbeitgebende keine entsprechenden Massnahmen, haftet er dem Arbeitnehmenden unter Umständen aus der sogenannten Stresshaftung auf Schadenersatz oder Genugtuung. MLaw Jonas Zimmerli, Bischof Stampfli Rechtsanwälte, Solothurn Weiterführende Literatur Gabriela Riemer-Kafka, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bern 2008; Ueli Kieser, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Zürich/St. Gallen 2008; Michael Merker/Bettina Lienhard, Das Burn-out – ein juristischer Dauerbrenner, in: ZV-Info 11/09; Basile Cardinaux, Psychische Erkrankungen in der beruflichen Vorsorge, in: Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft Band/Nr. 81. Tipps für Arbeitnehmende – Informieren Sie Ihren Arbeitgeber bereits bei ersten Anzeichen eines auftretenden Burn-outs über stressverursachende Arbeitsbedingungen. – Sollte ein Burn-out diagnostiziert worden sein, informieren Sie Ihren Arbeitgeber darüber und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen. – Sollte aufgrund eines Burn-outs eine längere Arbeitsunfähigkeit bestehen, nehmen Sie rechtzeitig eine Anmeldung bei der IV vor.
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