Falltext A 978 16.05.2016 Ausgangsfall Klarissa Körner (K) besucht

Falltext
A 978
16.05.2016
Ausgangsfall
Klarissa Körner (K) besucht an einem sonnigen Sonntagmorgen ihre Bekannte Evelyn (E), die sich gerade
einen Mops angeschafft hat. Bereits auf den ersten Blick verliebt sich K in diese Hunderasse. Besonders
entzückend findet sie neben den kurzen Beinchen die leisen Schnorchelgeräusche, die der Hund von sich
gibt. Sie beschließt, auch einen Mops zu kaufen. Wieder zuhause angekommen, schaut sie sich im Internet auf www.mops-macht-gluecklich.de nach geeigneten Hundezüchtern um. Die professionelle Hundezüchterin Vera Vogel (V) hat ein Bild von einem einjährigen Mops eingestellt, der der K auf Anhieb gefällt.
Noch am selben Tag ruft K die V an und vereinbart mit ihr einen Besichtigungstermin für den 01.03.2015.
An dem vereinbarten Tag fährt K zu V und ist erschrocken, als sie die zuvor im Internet gesehene
Mopsdame Schischi sieht, da der Mops in Wahrheit um ein Vielfaches dicker ist als auf dem Foto im Internet. Darauf angesprochen entgegnet V, dass die Hundedame in letzter Zeit ein paar Hundekekse zu
viel hatte, das Figurproblem sich aber mit einer Diät schnell beheben lasse. K und V vereinbaren die Zusendung eines Kaufvertrages per E-mail in den nächsten Tagen. Die Übergabe soll nach Unterschriftsleistung erfolgen. Die V schickt der K drei Tage später, am 04.03.2015, die vereinbarte E-mail sowie zwei
noch nicht unterschriebene Exemplare des Kaufvertrages zu, in dem sich neben den wesentlichen Vertragsbestandteilen auch folgende Klausel befindet:
„§ 7: Im Falle des Rücktritts vom Kaufvertrag hat der Verkäufer die Pflicht zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug
um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache. Es gelten insoweit die gesetzlichen Bestimmungen.“
Die K öffnet die Datei und ändert § 7 in gleichem Schrifttyp wie folgt: „§ 7: Im Falle des Rücktritts vom
Kaufvertrag hat der Verkäufer die Pflicht zur Rückzahlung von 625 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Kaufsache.“
Die K unterschreibt schließlich am 20.03.2015 zwei neu ausgedruckte Exemplare des Kaufvertrages und
schickt sie mit der Bitte um Unterzeichnung eines Exemplars an V zurück. Ohne dass die V die Veränderung in § 7 bemerkt, unterschreibt sie am 25.03.2015 ein Exemplar und schickt es wieder an die K zurück.
Die Übergabe des Mopses erfolgt am 01.04.2015.
Um die Figurprobleme von Schischi in den Griff zu bekommen, unternimmt die K in der Folgezeit lange
Spaziergänge mit der Hundedame. Dabei geht sie immer durch den Stadtpark. Parallel zu diesem Stadtpark verläuft eine vielbefahrene Straße. Daher gilt laut einer Gemeindeverordnung absolute Leinenpflicht im Park. Dennoch lässt die K auf einem ihrer Spaziergänge den Mops frei laufen. Plötzlich nimmt
Schischi Witterung auf und rast in Windeseile in Richtung Straße. K ruft und läuft ihr hinterher, aber zu
spät: In dem Moment, als der Mops die Straße überquert, fährt ein Mann (M) mit seinem PKW auf der
Straße, der eine Vollbremsung vornehmen muss, um die Hundedame nicht zu überfahren. Hierbei
kommt der M mit seinem PKW ins Schlingern und fährt in den Graben. Der M und Schischi bleiben unbeschadet, jedoch entsteht an dem PKW ein beträchtlicher Blechschaden. Der M und die K tauschen ihre
Personalien aus und die K versichert, diesen Schaden ihrer Versicherung zu melden.
Zuhause angekommen ruft die K sofort bei ihrer Versicherung, der Allonz (A), an. Diese verweist darauf,
dass in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen in § 10 des Haftpflichtversicherungsvertrages steht,
dass die „Haftpflicht als Tierhalter und Tierhüter“ nicht versichert sei und sie deshalb den Schaden nicht
übernehmen werde. Die K erwidert, dass sie aufgrund der Missachtung der Leinenpflicht ja nicht nur als
Tierhalter hafte, sondern auch aus anderen Gründen. Hierauf dürfte die Klausel ja wohl nicht anwendbar
sein.
Trotz Diätfutter nimmt die Hundedame immer weiter zu. Als die K am 15.05.2015 den Mops von ihrer
Tierärztin untersuchen lässt, stellt diese fest, dass sich eine Zyste im Magen der Hundedame befindet, die
rasant wächst. Aufgrund der fortgeschrittenen Größe der Zyste gehe die Tierärztin davon aus, dass sich
die Zyste bereits über mehrere Monate im Magen des Mopses befinde. Diese Zyste müsste so schnell wie
möglich entfernt werden, damit keine bleibenden Schäden entstünden. Die K ruft noch an demselben
Tag die V an und erklärt ihr unter Hinweis auf den Krankheitszustand des Tieres, dass die V bitte bis zum
01.06.2015 schriftlich gegenüber der K erklären solle, dass die V für die operative Entfernung der Zyste
bei Schischi sorgen werde. Die V bestreitet das Vorhandensein einer Zyste. Die Gewichtszunahme bei
dem Mops sei einzig und allein auf die Hunderasse zurückzuführen, die nun einmal zu einem Dicksein
Fortsetzung des Falltextes A 978
neigen würde, wenn man bei der Fütterung nicht aufpasse. Die K solle den Mops doch erst einmal weiter
auf Diät setzen und beobachten, ob nicht dadurch schon eine Gewichtsabnahme erfolgt. Wenn das nicht
zum gewünschten Erfolg führe, könnten sie gerne noch einmal über die Notwendigkeit einer Operation
sprechen.
Die K erklärt gegenüber V mit Schreiben vom 05.06.2015 und unter Hinweis auf ein Attest der Tierärztin,
in dem diese das Vorhandensein der Zyste bei Schischi bestätigt, den Rücktritt vom Kaufvertrag und
verlangt Zahlung von 625 €. Zur Begründung gibt sie an, dass sie aufgrund der Aussage der V damit
rechnen müsse, dass es noch sehr lange dauern werde, bis V sich tatsächlich bereit erklärt, die Hundedame operieren zu lassen. Dies könne die K nicht zulassen, der Mops sei ihr schon viel zu sehr ans Herz
gewachsen. Zwar würde sie durch den Rücktritt den Mops verlieren. Ihr wäre jedoch lieber, der Mops sei
gesund und nicht bei ihr, als wenn es dem Mops nachher bei ihr aufgrund bleibender Schäden schlecht
ginge. Dies müsste doch auch im Sinne der V sein, um den Hund noch an einen anderen Mopsliebhaber
gewinnbringend veräußern zu können.
Die V fällt aus allen Wolken, als sie den geänderten Kaufvertrag sieht und erwidert sofort, dass ja wohl
nur der ursprüngliche, von ihr aufgesetzte Vertrag gelten könne und die K, wenn überhaupt, nur Rückzahlung der vereinbarten 500 € verlangen könne.
Frage 1: Hat die K gegen V einen Anspruch auf Zahlung von 625 € oder zumindest von 500 €?
Frage 2: Steht der K ein Anspruch auf Übernahme des Haftpflichtschadens durch ihre Versicherung zu?
Bearbeitervermerk: Gehen Sie davon aus, dass die Versicherungsbedingungen wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogene Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB sind und dass
sich aus den §§ 305 ff. BGB keine inhaltliche Unwirksamkeit der Versicherungsbedingungen ergibt. Die
§§ 336 – 345 BGB sind nicht zu prüfen.
Abwandlung 1
Anders als im Ausgangsfall war die K nicht bei der Tierärztin und kennt deshalb auch nicht die Ursache
für die Gewichtszunahme des Mopses. Aufgrund der Aussage ihrer Bekannten E geht sie allerdings von
dem Vorliegen einer Zyste als Ursache aus, das die V allerdings vehement bestreitet. Schischi geht es in
der Folgezeit immer schlechter. Die K sucht einen Anwalt auf, um Klage gegen die V zu erheben, hat aber
Sorge, dass der Hund verstirbt, bevor die ersten Schriftsätze zugestellt sind und das Gericht einen Sachverständigen beauftragt hat. Was wird der Anwalt der K prozessual raten?
Abwandlung 2
Neben dem Blechschaden an seinem PKW hat sich der M zusätzlich durch das abrupte Bremsen ein
Schleudertrauma zugezogen, wodurch ihm Heilbehandlungskosten in Höhe von 2.000 € entstanden
sind. Der M geht zu seinem Anwalt und sagt ihm, dass er die K anzeigen will. Auch möchte er gerne die
Heilbehandlungskosten ersetzt haben. Allerdings möchte er ungern beim Amtsgericht einen Mahnbescheid beantragen bzw. Klage erheben, da er mit dem Zivilgericht in der Vergangenheit aufgrund der
langen Verfahrensdauer bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat. Er fragt seinen Rechtsanwalt, ob es
nicht noch eine andere Möglichkeit gäbe, den Schadensersatzanspruch gerichtlich geltend zu machen.
Was wird der Anwalt dem M prozessual raten?