SCHWERPUNKT AUSSENHANDELS- UND EXPORTRECHT unternehmensjurist UN-KAUFRECHT EIGENTLICH EINE GUTE BASIS Jahrelang war es in Deutschland unbeliebt: Das UN-Kaufrecht wurde in Verträgen häufig kategorisch ausgeschlossen. Ein Grund war seine Unvereinbarkeit mit dem deutschen Schuldrecht. Dies hat sich inzwischen internationalen Standards angeglichen. Die alte Abneigung bleibt, aber zu Unrecht. N atürlich fühlt man sich in der eigenen Rechtsordnung am wohlsten. Es ist daher nur verständlich, dass in Kaufverträgen zwischen internationalen Partnern bei deutschen Unternehmen das Bedürfnis besteht, die Anwendung deutschen Rechts so weit wie möglich durchzusetzen. Hier kennt man sich aus, hier dürfte es eigentlich keine Überraschungen geben. So ist es bis heute üblich, in entsprechenden Verträgen UN-Kaufrecht auszuschließen: „Oftmals soll der Ausschluss verhindern, dass die für reine Inlandssachverhalte bekannte Rechtsordnung beim internationalen Warenkauf partiell durch das UN-Kaufrecht überlagert wird“, sagt Dr. Christoph Hammerl, bei der Linde AG verantwortlich für die rechtliche Betreuung der Gases Division. Für ihn ist klar, dass der kategorische Ausschluss nicht zu befriedigenden Lösungen führt: „Damit wird Komplexität reduziert. Statt eines kategorischen Ausschlusses ist zu überlegen, ob nicht das UN-Kaufrecht eine sachgerechtere Regelung erlaubt.“ Im Einzelfall prüfe er, ob die Anwendung von UN-Kaufrecht günstig ist, etwa wegen der besseren Akzeptanz bei ausländischen Vertragspartnern. Das UN-Kaufrecht, das nach dem Vertragswerk „United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods“ auch CISG genannt wird, ist inzwischen über 30 Jahre alt. Das Recht wurde bislang von 83 Staaten übernommen. Seit dem 1. Januar 1991 gilt es auch in Deutschland und ist Bestandteil des deutschen Rechts. Die Idee hinter dem UN-Kaufrecht ist, das Recht für grenzüberschreitende Warenkäufe und -verkäufe international zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Unsicherheiten, die durch unterschiedliche Rechtssysteme einzelner Nationen bestehen, sollten beseitigt werden. Insbesondere aus deutscher Sicht ist diese Idee nachvollziehbar: Als Exportnation liefert Deutschland zu einem überwiegenden Teil in Länder, in denen das UN-Kaufrecht gilt. UN-Kaufrecht kann angewendet werden, sobald es sich um einen internationalen Kaufvertrag handelt. Das ist dann der Fall, wenn die Vertragsparteien in verschiedenen Staaten ansässig sind. Es geht dabei nicht um die Nationalität der Vertragsparteien, sondern darum, wo sie ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort oder ihre Niederlassung haben. Geregelt wird der Kauf von beweglichen Sachen. Nicht erfasst sind unter WANN GILT UN-KAUFRECHT? Einbeziehung: Bei der Geltung von UN-Kaufrecht (CISG) kommt es nicht darauf an, ob UN-Kaufrecht vereinbart wurde. Es gilt als Bestandteil des nationalen Rechts automatisch. Die Parteien können sich allerdings darauf einigen, dass das CISG ohne nationale Vorbehalte angewendet werden soll (zum Beispiel hinsichlich der SchriftformErfordernis für den Vertragsschluss). Ausschluss: Da das UN-Kaufrecht Bestandteil des deutschen Rechts ist, reicht es für einen Ausschluss nicht aus, die Anwendung von deutschem Recht zu vereinbaren. Notwendig ist eine klarstellende Klausel, mit der 40 Ausgabe 1/2016 ausdrücklich die Anwendbarkeit des CISG ausgeschlossen wird. Keine Rechtswahl: Es kann passieren, dass UN-Kaufrecht sogar dann gilt, wenn einer der Vertragspartner seinen Sitz nicht in einem Vertragsstaat des CISG hat. Dies ist zum Beispiel dann möglich, wenn sich die Vertragsparteien nicht darauf geeinigt haben, welches Recht anzuwenden ist. Nach ROM I gilt dann das Recht des Landes, in dem die Vertragspartei, die die charakteristische Leistung erbringt, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist dieses ein Vertragsstaat des CISG, gilt das UN-Kaufrecht als nationales Recht. unternehmensjurist SCHWERPUNKT AUSSENHANDELS- UND EXPORTRECHT anderem Kaufverträge über Grundstücke, über Wertpapiere und der Kauf von Luft- und Wasserfahrzeugen. Ausgeschlossen ist die Anwendung auch dann, wenn die gekaufte Sache dem privaten Gebrauch dient; Verbraucherverträge werden also nicht erfasst. Obwohl es das Ziel des UN-Kaufrechts ist, grenzüberschreitende Käufe besser zu regeln, stößt man noch heute flächendeckend auf Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), in denen die Anwendung des Rechts ausgeschlossen wird. Klassisch heißt es: „Für diese AGB und alle Rechtsbeziehungen zwischen uns und dem Kunden gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss aller internationalen und supranationalen (Vertrags-) Rechtsordnungen, insbesondere des UN-Kaufrechts.“ Ein Grund für die geringe Akzeptanz des CISG war seine Unvereinbarkeit mit dem deutschen Schuldrecht. Durch die Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 hat sich das deutsche Recht allerdings erheblich auf das UN-Kaufrecht zubewegt; das CISG sei, so Prof. Helmut Rüßmann, ehemaliger Richter am Saarländischen Oberlandesgerich, „ein wesentliches Vorbild für den Gesetzgeber der Schuldrechtsreform“ gewesen. Dr. Christine Heeg, Partnerin bei KPMG Law, fordert daher auch ein Umdenken, denn das UN-Kaufrecht biete je nach Konstellation sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer Vorteile, weshalb es durchaus sinnvoll sein kann, UN-Kaufrecht zuzulassen. Sowohl das CISG als auch das BGB-Kaufrecht bauen auf einem Zentralbegriff auf: der „Vertragsverletzung“ oder auch „Nichterfüllung“ im CISG, und der „Pflichtverletzung“ im BGB. Sie entsprechen sich insofern, als dass es bei beiden davon abhängig ist, was vertraglich vereinbart war. Wird ein Mangel festgestellt, gibt es wie im deutschen Recht auch im UN-Kaufrecht die Rechtsbehelfe des Rücktritts, der Minderung und der Nacherfüllung. Doch nicht alles ist gleich geregelt. Aus Käufersicht kann es sich etwa als vorteilhaft erweisen, dass der Verkäufer bei einem Sachmangel verschuldensunabhängig haftet. Die Haftung ist nur ausgeschlossen, wenn der Hinderungsgrund außerhalb seines Einflussbereichs liegt und von ihm vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, „den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden“ (Art. 79 Abs. 1 CISG). Vorteile mal für Käufer (hinsichtlich Rügen), mal für Verkäufer (hinsichtlich Haftung) Für den Verkäufer liegt einer der Vorteile darin, dass nach dem UN-Kaufrecht seine Haftung gegenüber dem deutschen BGB deutlich eingeschränkt ist. Er muss nur für den vorhersehbaren Schaden aufkommen, der durch eine Leistungsstörung entstanden ist. Für den Verkäufer ist das UN-Kaufrecht auch in Bezug auf Rücktrittsmöglichkeiten des Käufers vorteilhaft. Dieser darf nach erfolgter Lieferung nur zurücktreten, wenn die Vertragsverletzung des Verkäufers wesentlich ist und innerhalb einer angemessenen Frist erklärt wird. Unterschiede gibt es auch bei der Rügepflicht. Diese Pflicht des Käufers besteht sowohl nach HGB als nach dem CISG. Allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Während nach deutschem Recht die Rüge unverzüglich nach Ablieferung der Ware erfolgen muss, gilt nach UN-Kaufrecht ein Zeitraum innerhalb einer angemessenen Frist. Der Zeitraum, innerhalb Ausgabe 1/2016 41 SCHWERPUNKT AUSSENHANDELS- UND EXPORTRECHT unternehmensjurist dessen die Rüge erfolgen muss, zu AGB, und erweitere damit nicht die Vertragsgestaltungskann sich dadurch deutlich un- möglichkeiten. Als ein Risiko könnten sich auch nationale Vorterscheiden. Die Rechtssysteme behalte herausstellen, die das UN-Kaufrecht Mitgliedsländern gehen auch unterschiedlich da- einräumt. Diese können die Anwendung des CISG erschweren. mit um, wenn nicht rechtzeitig „Allerdings lässt sich dieses Risiko durch eine Klausel schnell gerügt wurde. Nach dem HGB ausräumen“, sagt Rechtsanwältin Dr. Heeg. Es könne die einverliert der Verkäufer den Ein- heitliche Anwendung von UN-Kaufrecht vereinbart werden, wand einer nicht rechtzeitigen ohne Rücksicht auf nationale Vorbehalte. Rüge, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nach Eine Stärke des UN-Kaufrechts: UN-Kaufrecht reicht es hinge- Es ist Teil der nationalen Rechtssysteme gen schon aus, dass die Vertragswidrigkeit auf Tatsachen beruht, „Ein wichtiger Vorteil des UN-Kaufrechts besteht darin, dass Dr. Christoph Hammerl, Head of Legal Regions & die der Verkäufer kannte oder es sich um einen international anerkannten und geübten über die er nicht im Unklaren Standard handelt“, sagt Dr. Heeg. Zwar können für die InOPD, Linde AG (Gases sein konnte. Nach ständiger terpretation der Rechtsnormen im Falle des UN-Kaufrechts Division) Rechtsprechung ist damit grobe keine Entscheidungen eines obersten internationalen Gerichts Fahrlässigkeit gemeint. In dieser zurate gezogen werden. Die Rechtsprechung setzt sich aus den Hinsicht ist das UN-Kaufrecht Entscheidungen der vielen nationalen Gerichte der Mitgliedsalso deutlich Käufer-freundlicher. staaten zusammen. Diese sind allerdings gut dokumentiert. Sollte es im Vertrag eine gewisse Schieflage geben, Rege- Eine wichtige Datenbank hierfür gibt es unter anderem an der lungen des UN-Kaufrechts nicht oder nicht so gewollt sein, Pace University in den USA. Dadurch wird eine Einheitlichkeit lässt das Recht den Vertragsparteien immer noch eine große der Rechtsprechung geschaffen. Als eine Stärke stellt es sich Vertragsfreiheit. Begünstigende zudem dar, dass das UNRegelungen können so wieder Links uns weitergehende Informationen auf: unternehmensjurist.net/161CISG Kaufrecht Teil der nationalen zurückgenommen werden. DieRechtssysteme ist. Ein Beise große Flexibilität ist einer der Vorteile. Doch Vorsicht ist gefragt: Denn nicht immer lassen spiel: Vereinbart ein deutsches Unternehmen mit einem chinesich alle Aspekte eines Kaufs über das UN-Kaufrecht abbilden. sischen Lieferanten in einem Vertrag die Geltung chinesischen Dort, wo sich Lücken auftun, greift wieder das nationale Recht. Rechts, kann bei einem Mangel selbst ein deutsches Gericht auf Das UN-Kaufrecht deckt nur die Kernbereiche des Warenkaufs Grundlage des Vertrags eine einstweilige Verfügung erlassen. ab. „Es enthält keine umfassende Regelung aller rechtlichen Möglich macht dies das UN-Kaufrecht, das genauso Teil des Themen, die bei einem internationalen Kaufvertrag über Wa- chinesischen Rechts wie des deutschen Rechts ist. ren relevant sein können, etwa zur materiellen Gültigkeit des Bei aller Abwägung handelt es sich beim CISG um ein Recht, Vertrages oder zu Eigentumsfragen“, stellt Syndikusanwalt Dr. das sich international durchgesetzt hat und akzeptiert wird. Und Christoph Hammerl fest. „Ein Risiko ist, dass durch die Verein- sollte es tatsächlich zu einem Streitfall kommen, ist es aus Sicht barung von UN-Kaufrecht nur Teilaspekte eines internationalen des ausländischen Vertragspartners sicherlich leichter, eine Warenkaufs geregelt werden und die nicht geregelten Fragen Lösung auf Grundlage des UN-Kaufrechts zu erzielen, als sich dann einer nationalen Regelung für Inlandssachverhalte, dem erst – in das für ihn meist unbekannte und unübersichtliche – ‚Einbettungsstatut‘, unterfallen.“ Zudem verdränge das UN- deutsche Recht einarbeiten zu müssen. Hier geht es auch um Kaufrecht nicht zwingende Regelungen nationalen Rechts, etwa Vertrauen und eine gute Arbeitsgrundlage. Henning Zander • Das UN-Kaufrecht (CISG) wurde in Deutschland lange wegen seiner Unvereinbarkeit mit dem deutschen chuldrecht nicht akzeptiert. S • Bei der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 war das CISG ein wesentliches Vorbild für den Gesetzgeber. • Einer der Vorteile für den Verkäufer: Seine Haftung ist im Vergleich zum BGB deutlich eingeschränkt. • Einer der Vorteile für den Käufer: CISG ermöglicht Mängelrüge innerhalb einer angemessenen Frist. • CISG lässt Vertragsparteien eine große Vertragsfreiheit. • UN-Kaufrecht ist international geübter und anerkannter Standard. • Rechtsprechung setzt sich aus den Entscheidungen der nationalen Gerichte der Mitgliedsstaaten zusammen. • Diese sind gut dokumentiert, unter anderem in der Datenbank der New Yorker Pace University. 42 Ausgabe 1/2016
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