Predigt zum TV-Gottesdienst am 15. Mai 2016

TV-Gottesdienst zu Pfingsten am 15. Mai 2016
Paulus-Kirche in Hannover
Predigt von Pastorin Anke Merscher-Schüler
Liebe Gemeinde hier in der Kirche und Zuhause,
"Strahlen brechen viele aus einem Licht ...", haben wir eben gesungen. Wenn das Sonnenlicht
durch unsere Kirchenfenster mit dem Regenbogen fällt und bunte Tupfen auf den Boden
zaubert, dann ist es als sänge die Kirche mit: Unser Licht ist Christus. In allen Farben des
Lebens. Hier predigen nicht allein diejenigen, die lange und viel reden. Dieser ganze Raum
predigt mit. Alles, was zu sehen ist, erzählt eigene Geschichten von Gott und der Welt. Eine
Zeichensprache hat unser Glaube. Wer einmal Berührendes erlebt hat - so wie die Jünger Jesu
beim Pfingstwunder -, wird mit Worten Bilder malen und sprechende Zeichen erfinden. Alles
daran setzen, solche Erinnerung wach zu halten. So sind wir. So reden wir auch in den Bildern
unserer Sprache. Wir sagen: Die Glücklichen strahlen. Den Verstehenden geht ein Licht auf.
Und wer einmal erlebt, wie ein Neugeborenes das Licht der Welt erblickt, wird dieses Gefühl
festhalten und bewahren. Den Zauber des Anfangs: forschende tiefblaue Augen, die noch
nichts unterscheiden als Dunkel und Licht. Darum: die Dichter der Bibel haben sich den Anfang
unserer Welt nicht anders vorstellen können, als dass es Gott Licht werden lässt. Gesagt, und
so war´s. Licht und Leben. Das gehört seither zusammen. Tief spürbar.
Wir taufen heute in diesem Pfingstgottesdienst Felix Meyer. Ein Licht bekommt jeder Getaufte
mit auf den Weg. Und ein gutes Wort zum Geleit. Wie Martin Luther sagt: keine Leseworte,
sondern Lebensworte. Felix, Du hast Dir diesen Taufspruch ausgesucht: "Bei Dir, Gott, ist die
Quelle des Lebens und in Deinem Licht sehen wir das Licht". Ein alter Psalm. Gott als Quelle
des Lebens und des Lichts. Uralte Worte, die Bilder malen, und schon so lange mit Menschen
leben, dass sie uns tragen können. Geliehene Worte, oft größer als unser Herz, die ihre Kraft
dann entfalten, wenn wir uns solche Worte nicht selber sagen können. Aber sie sind gesagt. Es
gibt sie schon. Und Gott ist nur ein Gebet weit von uns entfernt. Das verändert nicht sofort die
Welt. Aber es verändert den Menschen, der betet und damit in der Dunkelheit Funken schlägt.
Wir haben für alles, was mit der Taufe geschieht allein Worte, die Bilder malen und darum zu
Zeichen werden. "Bei Dir ist die Quelle des Lebens", heißt es in deinem Taufspruch, Felix.
Lebendiges, frisches Wasser - das muss es schon sein. Keine abgestandene Brühe in einem
Tümpel. Getauft wurde in Zeiten der ersten Christen nur in fließendem Wasser, das meint
"lebendiges" Wasser. Und nicht nur ein paar Tropfen aus der hohlen Hand wie heute, sondern
ganz untergetaucht wurden die Täuflinge. Ich kann mir vorstellen: so recht wohl ist niemandem
dabei. Untergetaucht werden und den Atem anhalten müssen. Dann dieser Moment unter
Wasser.
Evangelische Kirche im NDR – www.ndr.de/kirche
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Gurgeln und Rauschen, Wieder Auftauchen und Luft holen. Und gleich nochmal. Nicht nur
einmal. Sondern ein zweites und ein drittes Mal. Alles nicht gefährlich, aber trotzdem spürbar
die Erleichterung, wenn einer prustend und triefend nach dem dritten Mal auftaucht und wieder
Luft kriegt: "aus der Taufe gehoben" wird, wie es heißt. Bis heute ein geflügeltes Wort, wenn
etwas neu beginnt. "Neu geboren durch das Wasser und Gottes Geist". Die Taufe ist ein
Zeichen: Was uns von Gott trennt geht unter. Was uns mit ihm verbindet, strömt in uns ein wie
die Luft zum Atmen. Gottes Geist, der uns leben lässt. Eine Zeichensprache für den Glauben.
Fühlbar, damit wir uns erinnern können - ob unter der Dusche oder im Regen, dass wir getauft
sind. Darum vielleicht doch mehr als ein Zeichen. "Steter Tropfen höhlt den Stein", heißt es
sprichwörtlich. Und wer weiß, womöglich dringt durch die stete Erinnerung an diese drei Hände
voll Wasser noch in unsere manchmal steinernen Herzen durch, dass wir als Getaufte dieses
Wasserzeichen mit uns tragen. Kein magisches Zeichen aber Erinnerung daran, dass es keine
Untiefe gibt, aus der wir nicht von Gott gerettet werden. Was das bringt? Es ist keine
Lebensversicherung. Aber Gottes Liebesversicherung.
"Wer getauft ist, zieht Christus an wie ein neues Gewand", schreibt der Apostel Paulus, von
dem unsere Paulus-Kirche ihren Namen hat. Paulus. Der war auch so einer, der mit Worten
Bilder malte und keine Scheu hatte, in anderen Religionen und den Kulten seiner Zeit nach
Gottes Lebenszeichen zu suchen. "Prüft alles, das Gute behaltet", schrieb er seinen
Gemeinden damals ins Stammbuch - und damit uns Christen bis heute. Christus anziehen, wie
ein Gewand. So sind wir Christen zum Taufkleid gekommen. Ein guter alter Brauch: Dieses alte
Taufkleid hier ist ein ganz besonderes. Auch wenn der feine Stoff schon ein bisschen brüchig
und die zarte Spitze vergilbt ist. Es ist eben bereits über Generationen weitergereicht worden.
Alle Namen der Kinder, die darin getauft wurden, sind sorgsam hinein gestickt in das Unterkleid.
Das erinnert uns daran: Wir sind bei der Taufe nie die ersten, die glauben und werden nicht die
letzten sein. Eingereiht werden wir in eine lange Kette von Namen, die alle bei Gott aufgehoben
sind. Jeder einzelne in Gottes Handflächen und ins Buch des Lebens geschrieben. Eine Wolke
von Zeugen. Der kleine Halsausschnitt und die schmale Schulterpasse des Taufkleides lassen
ahnen, wie klein die Säuglinge im Taufalter gewesen sind: kein halbes Jahr wohl. Eigentümlich,
dass solche Taufkleider immer viel zu lang sind und weit über die Beinchen der Kinder hinab
hängen. Genauso wie unser Glauben an den dreieinigen Gott immer wieder zu groß für unser
Verstehen ist. Aber wir haben ja ein Leben lang Zeit in ihn hineinzuwachsen. Um uns daran zu
erinnern, ist das Taufkleid zu lang. Das gilt übrigens auch für die Alben, die unter den
Messgewändern der katholischen Priester hervorlugen. Selbst für "Glaubensprofis" und
studierte Theologen sind die Gewänder immer zu groß - wie der Glauben! Ein gutes Symbol,
das wir Christen mit der Taufe gemeinsam haben und das uns verbindet - gleich welche
Konfession. Das wichtigste aber: Selbst wenn wir noch nichts oder nicht alles verstehen.
Evangelische Kirche im NDR – www.ndr.de/kirche
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Wir werden bekleidet mit Gottes Schutz und Segen, mehr noch: eingehüllt und aufgehoben in
Christus selbst. Das heißt eigentlich "Kirche"; von "Kyriake". Wir sind Menschen, die unserm
Herrn Jesus gehören. Eine Zeichensprache hat unser Glauben entwickelt, gewachsen über
Jahrhunderte. Manche anschaulich wie Kerze, Wasser und Taufkleid. Andere verstaubt wie ein
altes Erbstück, das man ab und an aus der Vitrine nehmen muss, um es genauer zu betrachten
und die Feinheiten zu sehen. Mich bewegen solche alten Symbole und Geschichten. Denn sie
halten uns vor Augen, wer wir für Gott sind und stoßen uns an: Wenn es wahr ist, dass wir als
Getaufte in seinem Licht leben, dann werden wir achtsamer und manchmal auch dankbarer:
denn dieses Licht scheint ja da auf, wo wir Glück empfinden und Liebe. Und dann werden wir
auch so leben, dass wir das Licht nicht scheuen, sondern in dieser Wahrheit bleiben. Wenn es
wahr ist, dass wir als Getaufte an der Quelle des Lebens sitzen und daraus schöpfen können,
dann werden wir andere nicht dursten lassen. Wenn es wahr ist, dass wir als Getaufte
eingehüllt sind in Segen und keiner unserer Namen verloren geht, dann werden wir auch
andere Menschen - ganz gleich welcher Herkunft - in Schutz nehmen so gut wir können, weil
sie - genau wie wir - einen Namen haben. Wenn es wahr ist, was mit diesen Zeichen erzählt
wird, dann wirkt das in unser Leben hinein. Die Menschen der Bibel nennen das Gottes Geist,
der so unsichtbar ist wie der Wind. Die richtigen Fragen dazu stellen meistens die Kinder. Wie
in einer Geschichte von einem Jungen - ungefähr so alt wie du, Felix -, der nicht locker lässt
und immer wieder fragt: Kannst du mir mal den Wind zeigen? Zuerst zu Hause: Und die Eltern
versuchen zu erklären: "Der Wind, das ist einfach nur bewegte Luft, da gibt es nichts zu sehen."
"Aber warum ist das so, kannst du mir das zeigen?" Es lässt ihm keine Ruhe. In der Schule
fragt er den Geographielehrer. Der breitet eine Isobarenkarte mit Linien und Pfeilen vor den
Kindern aus und erklärt wortreich die Luftdruckunterschiede. Aber das stellt den Knirps immer
noch nicht zufrieden und er fragt seine Großmutter: "Kannst du mir den Wind zeigen?" Die freut
sich über die Frage und lächelt: "Ganz einfach. Willst du den Wind sehen, dann musst du nur
darauf achten, was er in Bewegung setzt. Ein warmer Frühlingshauch und das Eis des ganzen
Winters schmilzt. Ein Herbststurm und die Bäume werden kahl. Ein leises Lüftchen und die
Fallschirmchen der Pusteblume gehen auf Reisen."
So ist das auch mit Gottes Geist: Wo der in unserm wirkt, da kommt etwas in Bewegung.
Manchmal wird auch durcheinandergewirbelt, was uns vertraut war. Manches gefällt uns auch
nicht. "Ich werde dich führen, wohin du nicht willst", wissen die Menschen der Bibel zu erzählen.
Aber genau das ist es, was wir vom Geburtstag der Kirche damals bis heute zu fassen
bekommen: Gottes Geist - diese unsichtbare Kraft - bewegt Menschen. Sie rührt zu Tränen,
reißt zu Freudentänzen vom Hocker, ermöglicht Verstehen, vertreibt die Furcht. Die Jünger
haben in Kauf genommen, dass man sie für besoffen hielt und gleichzeitig für Verständigung
gesorgt und Versöhnung gelebt. Zeigen wir darum auch heute, was uns bewegt. Zeigen wir,
wes Geistes Kind wir sind. Zeigen wir den Menschen diesen Wind!
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