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BERND SCHRÖDER
mit Carsten Bukowski
Wie Sie den Einfluss der Banken auf Ihr Leben reduzieren
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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elektronischen Systemen.
© 2015 | Bernd Schröder
Autor:
Bernd Schröder | www.kanada-enterprises.de
Co-Autor, Layout, Covergestaltung:
Carsten Bukowski | www.carstenbukowski.de
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand, Norderstedt
ISBN: 9783739218878
INHALT
Vorwort des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Kapitel 1 FUKUSHIMA UND DER 11. SEPTEMBER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Kapitel 2 DAS GRÖSSTE BANKGEHEIMNIS DER WELT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Kapitel 3 JURASSIC PARK ODER: ZEIT IST G€LD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Kapitel 4 ÜBER DIE MACHT DER BANKEN UND TOTE PRÄSIDENTEN . . . . . 25
Kapitel 5 DAS FINANZSYSTEM DER GEGENWART . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Kapitel 6 SILBER IST GOLD WERT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Kapitel 7 DIE NO-BANK-STRATEGIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Kapitel 8 AM ENDE IST ES IHR GELD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Dank für die gute Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
5
KAPITEL 1
FUKUSHIMA
UND DER
11. SEPTEMBER
When written in Chinese, the word crisis is
composed of two characters. One represents
danger and the other represents opportunity.
JOHN F. KENNEDY
9
Alle Jahre wieder präsentieren uns Günther Jauch, Johannes B. Kerner & Co. um die
Weihnachtszeit den obligatorischen Jahresrückblick. Mit Berichten und B
­ ildern
von Siegern und Verlierern rufen sie all das in unser Gedächtnis zurück, was wir
fast schon vergessen hatten, denn trotz aller Ereignisse gilt der Grundsatz: Das
Leben geht weiter. Sie erinnern aber auch an die unvergesslichen M
­ omente des
Jahres, an die Vorfälle, die die Welt von Millionen Menschen verändert haben:
Krisen, Konflikte und Katastrophen.
Ereignisse dieser Art gibt es jedes Jahr unzählige, und wer möchte, kann
sie gern klassifizieren. Die einen sind in den Köpfen von Menschen entstanden,
wie z.B. der 11. September, der Völkermord in Ruanda, das Massaker von ­Srebrenica
und die unfassbar menschenverachtenden Gräueltaten von IS und Boko Haram.
Die Mischung aus Fassungslosigkeit und Empörung, mit der wir die Ergebnisse
dieser Kategorie betrachten, kann kaum mit Worten beschrieben werden, denn
alles, was von Menschen verursacht wird, hätte – so glauben wir zumindest – ver­
mieden werden können.
Andere Krisen sind eher nicht vermeidbar: Tsunamis, Erdbeben und alles
andere, was in die Kategorie „Naturkatastrophen“ fällt, müssen wir hinnehmen.
Der Planet ist deutlich stärker als wir – und die Natur ebenfalls: Epidemien oder
Pandemien, ausgelöst durch HIV, Ebola, EHEC, SARS oder die Pest, lassen uns im­
mer wieder hoffen, dass rechtzeitig ein Gegenmittel gefunden wird, bevor der
Erreger unseren eigenen Körper zum Wirt degradiert.
Und dann gibt es noch die Kategorie „Unfälle“. Dazu zählen z.B. die Reak­
torkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima, die Ölkatastrophe im Golf von
Mexiko (Folge der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon), der Chemie­
unfall von Bhopal und der Dioxinskandal von Seveso. Atombombenabwürfe,
Flugzeugabstürze, Schiffsuntergänge, Gammelfleischskandale und Amokläufe
vervollständigen das Bild der Kriege, Krisen und Katastrophen.
Alle Katastrophen haben einen gemeinsamen Nenner: die Frage „Was be­
deutet das für mich und meine Familie, für unsere persönliche Zukunft?“ Nun, in
Bezug auf die meisten Ereignisse lässt sich diese Frage sofort beantworten: Ein
Erdbeben in Haiti oder ein Tsunami in Thailand löscht vor Ort viele Menschenle­
ben aus; für die meisten Deutschen verschwinden bis zur Beseitigung der Schäden
nur einige Traumstrände aus dem TUI-Katalog. Und von den Epidemien in Afrika
trennt uns Gott sei Dank noch das Mittelmeer. Wir können das Leid auf dieser Welt
nicht vermeiden, aber dank unseres Reichtums und unserer Empathie können wir
das Leid und die Folgeschäden durch Spenden immerhin ein wenig lindern.
Doch wie sieht es mit anderen Katastrophen aus? Katastrophen, die sich
nicht in der Dritten Welt, sondern bei uns ereignen? Wie wir bisher feststellen
konnten, können wir diesbezüglich eine ganze Menge wegstecken, denn in ­einer
Industrienation kann man sich der Solidarität der Staatengemeinschaft relativ
sicher sein. Der 11. September und Fukushima sind dafür wahre Musterbeispiele:
Die Hilfs- und Spendenbereitschaft erstaunte selbst die Hilfsorganisationen, die
Mühe hatten, die Spendenflut in die richtigen Kanäle zu leiten. Wer genauer hin­
schaut, wird feststellen, dass diese beiden Ereignisse unser privates Glück kaum
beeinträchtigt haben. Ereignisse, die sich tatsächlich auf unser Leben und un­
sere Brieftasche auswirken, bringen uns ungleich mehr zum Nachdenken über
­unsere persönliche Zukunft:
• DIE INSOLVENZ VON LEHMAN BROTHERS 2008
Wenn eine New Yorker Investmentbank mit 28.600 Mitarbeitern Insolvenz
anmeldet, sind die Folgen in jeder Hinsicht weitreichend: Anleger weltweit
wurden um ihr Vermögen gebracht; eine Flut von Schadensersatzklagen be­
schäftigte lange Zeit die Gerichte; in vielen Staaten mussten die Regierungen
regulierend in die Finanzmärkte eingreifen. Die Folgen wirken noch heute.
• MASSIVER STELLENABBAU BEI DER DEUTSCHEN BANK
Wenn ein Global Player heute dieselben Maßnahmen einleitet wie Lehman
Brothers im Jahr 2008, sollten bei jedem die Alarmglocken läuten – und zwar
im obersten Dezibelbereich.
• FLÜCHTLINGSSTRÖME AUS ASIEN, AFRIKA UND SÜDOSTEUROPA
Wenn Millionen von Flüchtlingen unsere Kapazitäten jedes Jahr auf eine Zer­
reißprobe stellen, sind die langfristigen Auswirkungen nicht abzusehen.
• VOLKSWAGEN ABGASSKANDAL
Milliardenstrafen in den USA und im freien Fall sinkende Aktienkurse lassen
sich irgendwann in schrumpfenden Umsatz- und Mitarbeiterzahlen belegen.
Doch der Schaden ist weitaus größer: Der Verlust des weltweiten Vertrauens
11
in die deutsche Ehrlichkeit ist langfristig für ganz Deutschland ein Desaster
– nicht nur für die Zulieferer, denn als Exportnation sind wir alle von inter­
nationalen Kunden abhängig, die unseren Geschäftspraktiken vertrauen und
unseren Werten und Unternehmensphilosophien Glauben schenken.
Was kommt noch auf uns zu? Seit einigen Jahrzehnten warten San Francisco
und der Rest von Kalifornien, Oregon und Washington gemeinsam mit Japan
auf „The Really Big One“, das Erdbeben, das mit einer Stärke von 9.2 auf der Rich­
terskala die des Bebens von 1906 übertreffen soll und finanziell selbst die mit
108 Milliarden US-Dollar teuerste Naturkatastrophe in den Vereinigten Staaten
– den Hurrikan „Katrina“ im Jahr 2005 – und die 220 Milliarden US-Dollar teure
Tsunamikata­strophe von Fukushima in den Schatten stellt. Wenn San Francis­
co bebt, wackelt aller Voraussicht nach auch das 40 km entfernte Silicon Valley.
Welche Folgen die Schäden für die weltweite Wirtschaft und die New Economy
haben werden, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal erahnen. Die
gute Nachricht: Andere Berechnungen sagen ein Erdbeben von maximal 8.2 auf
der Richterskala voraus. Damit läge der Schaden lediglich bei sechs Prozent des
Fukushima-Wertes. Hoffen wir, dass diese Berechnungen Recht behalten werden.
Aber verlassen wir uns lieber nicht darauf.
KAPITEL 2
DAS GRÖSSTE
BANKGEHEIMNIS
DER WELT
Recession is when your neighbor
loses his job. Depression is when you
lose yours.
RONALD REAGAN
13
Bei den meisten Krisen dieser Welt besetzen wir lediglich die passive Rolle des
Zuschauers. Und weil auch die größten Krisen dieser Welt bereits nach zwei Mo­
naten aus den Schlagzeilen verschwunden und nach einem Jahr nur noch ein Teil
der Weltgeschichte sind, haben wir gelernt, mit ihnen zu leben. In Sachen Kri­
senbewältigung ist der Nahe Osten für uns genauso weit entfernt wie der Zweite
Weltkrieg. Die deutsche Insel der Glückseligkeit basiert auf dem, was wir aus un­
serer Geschichte gelernt haben – und natürlich auf unserer geografischen Lage,
die uns vor Naturkatastrophen größeren Ausmaßes bewahrt. Wir waren diesbe­
züglich eigentlich schon immer gesegnet.
Bis heute. Denn heute sind wir eine reiche Industrie- und Exportnation
– und somit ein bedeutender Teil des globalen Wirtschafts- und Finanzsystems.
Wir sind sowohl High Potentials als auch Global Player, und im Gegenzug sind
wir verwundbar und müssen insbesondere finanzielle Krisen und ihre Folgen er­
tragen und meistern, wo und von wem auch immer sie auf diesem Planeten aus­
gelöst werden. Diese Krisen treffen nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch
jeden Einzelnen: Infla­tionen, Rezessionen, Entwertungen und Zinsschwankun­
gen bestimmen unseren persönlichen Kontostand, denn auch wenn dieser kon­
stant bleibt, so ändert sich eins doch immer: seine Kaufkraft. Denn was ist Ihre
500.000-Euro-Kapitallebensversicherung, Ihre persönliche Lebensleistung, tat­
sächlich wert, wenn sie in zwanzig Jahren ausgezahlt wird? Kann Ihr Aktiendepot
respektive Ihre Fondsbeteiligung einen Lebensabend im gewohnten Wohlstand
garantieren? Was ist Ihre Immobilie noch wert, wenn Ihr neuer Nachbar eine
Giftmülldeponie, ein Atomkraftwerk oder eine Schnellstraße ist? Oder wenn die
Zentralbank in einer Rezession ganz bewusst die Zinsen anhebt und parallel dazu
die Kreditvergabe einschränkt? Und wie sieht es mit Ihrer Schiffsbeteiligung aus,
wenn der Eisberg mal wieder stärker oder der Kapitän mal wieder inkompetenter
war?
Eine todsichere Sache mal zwei: Bundeswertpapiere, für die unsere Regie­
rung einsteht – und das Sparbuch, das risikofrei einen Hauch von Zinsen abwirft,
die nicht einmal die Steigerung der Lebenshaltungskosten auffangen. Glück
winkt hier dem, der mit weniger zufrieden ist. Doch wie sicher ist das Glück, das
Staaten und Banken anscheinend garantieren? Werfen wir einen analytischen
Blick in die Garantiebedingungen – und erweitern wir unseren Blickwinkel mit
einer kräftigen Prise Hintergrundwissen zum Thema Geld und Finanzen.
LEHMAN BROTHERS. KLEIN, ABER OHO. ––––––––––––––––––––––––––––––––
Bankgeschäfte basieren wie alle anderen Geschäfte auf gegenseitigem Vertrau­
en. Ihr persönlicher Berater am Bankschalter gehört schon zur Familie, denn im
Gegensatz zu Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen und den meisten Verwand­
ten kennt er Ihren persönlichen Kontostand. (Seien Sie ihm trotzdem nicht böse,
wenn er Ihnen viele Zusammenhänge, die Sie nach Zuklappen dieses Buchs ken­
nen, nicht vermittelt, denn er selbst hat dieses Wissen von seinem Arbeitgeber
niemals erhalten. Bald wissen Sie, warum das so ist.)
Doch zurück zum Vertrauen. Warum vertrauen wir Banken? Warum geben
wir ihnen unser Geld, wenn wir doch wissen, dass der Schalterbeamte, dem wir
unser Geld anvertrauen, es am Nachbarschalter kurz darauf einem völlig Frem­
den leiht, um damit für sich und seinen Arbeitgeber Geld zu verdienen? Nur zwei
Gründe sind dafür ausschlaggebend: Banken sind Experten in Sachen Geld und
– der Werbung sei Dank – gleichzeitig Experten in Sachen Geldvermehrung. Und
das Beste: Banken werden von Regierungen reguliert und kontrolliert.
Doch was ist, wenn Sie Ihr Geld wiederhaben möchten? Dann gehen Sie
zum Geldautomaten oder – bei größeren Beträgen – zur Bankfachkraft Ihres Ver­
trauens. Das klappt prima – bis zu dem Tag, an dem überdurchschnittlich viele
Kunden ihr Geld zurückfordern. In Griechenland haben wir einen solchen soge­
nannten „Bank Run“ erst 2015 erlebt: 60 € pro Tag durften die Griechen abheben,
selbst wenn das einzelne Guthaben 50.000 € oder 100.000 € betrug. Da stellt
sich die Frage: Wem gehört denn nun das „Vermögen“ – dem Kunden oder der
Bank? Das Geld gehört der Bank; der Kunde hat nur eine Forderung, die allerdings
auch einmal nicht erfüllt werden kann, denn leider haben die Banken dieser Welt
selten mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen Reserven im Tresor. Diese Min­
destreserve betrug in der Eurozone von 1999 bis 2012 lediglich 2 % der im Umlauf
befindlichen Geldsumme. Wenn Ihnen diese Zahl ein wenig Angst macht, wird es
Ihre Angst verdoppeln, wenn Sie erfahren, dass die Mindestreserve im Jahr 2012
um 50 % reduziert wurde und seitdem bei lediglich 1 % liegt.
Wir lassen uns von solchen Zahlen nicht beirren und bringen unser Geld
weiterhin zur Bank. Warum? Weil wir es dort sicherer wähnen als in unserem Spar­
strumpf; weil wir es sehr wahrscheinlich ausgeben, wenn wir es in unserer Brief­
tasche durch die Fußgängerzone tragen; weil Bank- und Postkutschenüberfalle
aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen und der daraus resultierenden Erfolgsaus­
sichten immer seltener werden; weil heute nichts einfacher ist, als eine vierstellige
15
TAN einzugeben oder den Bezahlen-Button auf irgendeiner Website zu drücken.
Schauen wir der Katastrophe ins Gesicht. Wie auch immer Duden und
­Wikipedia das Wort „Katastrophe“ definieren mögen: Wir persönlich definieren
es nicht nach dem Auslöser, sondern nach der eigenen Betroffenheit. Für Sie und
Ihre Familie ist Fuku­shima nicht so schlimm, wie es der Verlust des Arbeitsplat­
zes des Hauptverdieners wäre, der mit 45 Jahren heute schon zu alt für den Ar­
beitsmarkt ist. Wirklich verheerend ist für uns die Privatinsolvenz, auch wenn wir
an ihr nicht ganz unschuldig sind. Ihr persönlicher 11. September ist der Tag, an
dem Ihr Onkologe mit ernstem Blick seinen Untersuchungsbericht vorliest.
Die Insolvenz einer Bank wie Lehman Brothers wird nicht als Katastrophe
gewertet, denn schließlich sind hier keine Verletzten oder gar Todesopfer zu be­
klagen. Über Selbstmorde von Bankkunden, die ihr gesamtes Vermögen verloren
haben, führt niemand Buch. Außerdem ist in unseren Augen Lehman Brothers
keine Bank mit persönlichem Bezug, denn wer von uns betreibt schon ein Konto
bei einer US-amerikanischen Investmentbank?
Welche Auswirkungen Krisen und Katastrophen auf der anderen Seite
der Weltkugel auf uns persönlich haben können, zeigt die Immobilienkrise, die
2008 in den USA für Wirbel sorgte: Die beiden größten Hypothekenbanken der
USA, Fannie Mae und Freddie Mac, waren nahezu zeitgleich zahlungsunfähig.
Als staatsnahe Unternehmen galten sie als „too big to fail“, weshalb sie kurzer­
hand verstaatlicht und mit Krediten aus Washington in Höhe von 187 Milliarden
US-Dollar unterstützt wurden. Auch Lehman Brothers gehörte 2008 zu dieser
Kategorie, doch der politische Druck, Banken gleich welcher Größe nicht mehr
mit Steuergeldern künstlich am Leben zu erhalten, führte zum Statuieren eines
Exempels. Seitdem sind alle großen westlichen Banken mit der Fed „online“, und
die Insolvenz traf den „kleinen Mann“ mit voller Wucht: Schulden in Höhe von
über 200 Milliarden US-Dollar konnten an die Anleger nicht zurückgezahlt wer­
den, der Gesamtschaden lag bei unglaublichen 600 Milliarden US-Dollar. Wie
konnte es zu diesem Desaster kommen? Eigene Kurzsichtigkeit war dafür ebenso
verantwortlich wie der Glaube, dass Immobi­lienpreise immer weiter ansteigen
werden. Präsident George W. Bush hatte einst die „Ownership Society“ zur Chef­
sache erklärt: Jeder sollte sich ein eigenes Haus leisten können, ohne die bisher
notwendige Anzahlung leisten zu müssen. Ein Riesengeschäft für Banken wie
Lehman Brothers, die Immobilienkredite aufkauften und mit sattem Aufschlag
weiterverkauften. Ausländische Banken finanzierten am Ende die Immobilien­
träume der Farmer im mittleren Westen, die in den Kreditverträgen nicht einmal
ihr Einkommen angeben mussten. Und die Ratingagenturen – die mehrheitlich
von den Banken finanziert werden – überschlugen sich aus Dankbarkeit mit
immer höheren Bewertungen ihrer Geldgeber. Als die Blase platzte, weil immer
mehr Hausbesitzer ihre Raten nicht mehr zahlen konnten und die Zwangsver­
steigerung ihr letzter Ausweg war, waren die Kleinanleger weltweit einmal mehr
die Leidtragenden, denn sie glaubten den Bankberatern, die eine sichere Geld­
anlage versprachen. Schließlich waren es die Berater, die die hohen Provisionen
für die Vermittlung einstreichen konnten. Die Lehmanpleite war unausweichlich,
denn Lehman glaubte selbst an die unaufhörliche Steigerung der Immobilien­
werte – und investierte über Jahre einen Großteil des eigenen Vermögens und
des geliehenen Geldes in plötzlich wertlos gewordene Immobilien.
Werfen wir einen Blick auf die direkten Schäden dieser Pleite, aber auch
einen auf die unmittelbaren Folgen, denn das gesamte Ausmaß dieser Insolvenz­
welle ist einzigartig in der Geschichte des Bankenwesens:
30 BILLIONEN
US-DOLLAR
5 BILLIONEN
US-DOLLAR
600 MRD.
US-DOLLAR
DIREKTER
VERLUST
VERLUST BIP
WELTWEIT
VERLUST BÖRSENMARKT WELTWEIT
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Als die Folgen dieser Rezession abzusehen waren, gab die US-Regierung die neue
Strategie des Laissez-faire auf: Die AIG, damals größter Erstversicherer der Welt,
wurde mit unglaublichen 150 Milliarden US-Dollar vor dem Untergang bewahrt
– und damit das weltweite Finanzsystem vor dem sicheren Kollaps. Die Welt war
gerettet.
Vor diesen Hintergründen sei die Frage erlaubt: Who’s next? Welcher Glo­
bal Player aus der Finanzbranche wird als Nächstes die Börsen an den Rand eines
globalen Nervenzusammenbruchs und der finanziellen Kernschmelze führen?
Mein heißester Kandidat: die Deutsche Bank. Und das nicht nur, weil die Anzei­
chen dieselben wie bei der Lehman-Katastrophe sind: Verluste in Milliardenhöhe,
einhergehend mit intensivem Stellenabbau (bis zu 25 % der Arbeitsplätze wer­
den gestrichen), Filialschließungen und drohendem Dividendenausfall für die
Aktionäre. Das größte Manko: Lehman Brothers hatte 2008 eine deutlich höhere
Eigenkapitalquote als die Deutsche Bank heute.
Den Aktionären und Kunden werden diese Entschlackungsmaßnahmen
als notwendige Anpassung an die globale finanzielle Lage und als neue Kunden­
strukturen verkauft. Doch die wahren Gründe sind viel subtiler. Schauen wir in
das Innere einer Bank und wie sie funktioniert. Dann wissen wir, dass es für die
Banken niemals mehr so werden wird, wie es einmal war.
KAPITEL 3
JURASSIC PARK
ODER:
ZEIT IST G€LD
Banking is necessary.
Banks are not.
BILL GATES
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In einer Bank werden Kunden beraten, betreut und verwaltet. Diesbezüglich hat
sich in den letzten 200 Jahren nicht viel geändert; lediglich ein bisschen digitaler
ist es für beide Seiten des Bankschalters geworden. Das größte Versäumnis der
Banken: Die gesamte persönliche Kompetenz der Kunden liegt brach, denn kein
Banker hat neben dem eigenen Umsatz noch andere Ziele mit dem Kunden. Es
hat bisher kein Bankmanager verstanden, das Potenzial der eigenen Kundschaft
zu nutzen. Niemand führt Kunden in ihren Kompetenzbereichen zusammen;
niemand vernetzt Kunden untereinander; niemand entwickelt gemeinsam mit
Kunden neue Businessmöglichkeiten. Banker sind nun einmal Angestellte, keine
Unternehmer. Gelernte Beratungsmuster werden angewandt und zelebriert, und
hinter all dem stecken seit Jahrtausenden nur zwei Basisgeschäftsfelder: Geld­
anlage und Kreditgewährung.
Junge Unternehmen denken da weiter: Google, Apple und Co. reagieren
auf Kundenwünsche. Eine Umfrage unter Apple-Usern hat gezeigt, dass rund
50 % ihre Bankgeschäfte, wenn technisch möglich, komplett über das iPad abwi­
ckeln würden. Nachdem Apple den Computer, das Telefon, die Stereoanlage und
das Fernsehen neu erfunden hat, wird es auch dem Bankwesen eine neue Zu­
kunft bescheren. Apple hat schlicht und einfach die Art, wie wir Geräte benutzen,
verändert. Genauso wird der High-Tech-Gigant in Kürze den Dienstleistungssek­
tor der Banken umkrempeln. Der Kunde und seine neuen Bedürfnisse werden
auch dieses Mal gewinnen. Smartphone-Apps, mit denen die sogenannten Fintechs ihren Kunden modernes Banking anbieten, buhlen längst um die Digital
Natives, von denen die meisten noch nie eine Bank von innen gesehen haben.
Zugegeben: Traditionelle Banken haben es weitaus schwerer als Apps. Sie
müssen im Zeitalter niedriger Zinsen Filialen und Geldautomaten unterhalten
und finanzieren und für die ältere Generation Berater vor Ort anbieten, und das
selbst in 1000-Seelen-Gemeinden. Doch eins ist offensichtlich: Steigende Gebüh­
ren im Bereich Kontoführung, um diese Kosten aufzufangen, sind in erster Linie
ein Zeichen von mangelnder Innovationsfähigkeit, denn Innovationen steigern
den Gewinn und reduzieren im gleichen Atemzug die Kosten. Die traditionellen
Banken sind wahre Dinosaurier, selbstverliebte große Schiffe, die auf die Wellen
von Jahrzehnte währenden Erfolgen zurückblicken und dabei völlig vergessen,
den Blick in die Zukunft, Richtung Businesshorizont, zu richten.
Der Wandel kam nicht so plötzlich, wie viele Banker behaupten. Bereits
1998 wurde PayPal gegründet. Heute hat es den Anschein, als wären die digitalen
Zwerge schneller an den Urgesteinen der Finanzbranche vorbeigezogen, als de­
ren Vorstände „Internet“ sagen konnten. In Wahrheit haben die alteingesessenen
Kreditinstitute den Wandel schlicht und einfach verschlafen – oder sie hielten
den Boom des World Wide Web für eine bald platzende Blase, die irgendwann mit
großem Knall den gewohnten Status quo selbst wiederherstellen würde. Doch
aus dem Leuchtfeuer wurde ein Dauerbrenner, und die Folgen für die Banken
werden dieselben sein wie die, unter denen die Medienriesen, allen voran die
Tages- und Wochenzeitungen, schon länger leiden. PayPal hat eine neue Ära ein­
geläutet, doch nicht nur die Deutsche Bank hat sich in der Vergangenheit dem
Klang verschlossen. Werfen wir zur Veranschaulichung des Ausmaßes einen
Blick auf die Marktkapitalisierung (in Mio. €) führender Finanzunternehmen:
145.553
BANK OF AMERICA
134.366
CITIGROUP INC.
67.804
BANCO SANTANDER S.A.
PAYPAL HOLDINGS INC.
37.102
CREDIT SUISSE GROUP
35.807
DEUTSCHE BANK AG
33.909
BANK OF CHINA
32.613
SOCIÉTÉ GÉNÉRALE
31.732
Stand: 24. September 2015 | Quelle: Börse Frankfurt/statista.com
Betrachtet man gleichzeitig die Mitarbeiterzahlen, erscheinen diese Börsen­
werte in völlig neuem Licht: Während die Deutsche Bank diese Zahlen mit über
100.000 Mitarbeitern produzierte, benötigte die PayPal Holdings Inc. lediglich
einen Personalstamm von rund 8.000 Mitarbeitern. Auch andere aussagekräfti­
ge Zahlen sprechen für einen deutlichen Abwärtstrend bei der Deutschen Bank:
Betrug der Gewinn je Mitarbeiter im Jahr 2007 noch stolze 82.691,50 €, so lag er
2014 nur noch bei 16.945,33 €. John Cryan, der neue Chef im Vorstand, versucht
zu retten, was noch zu retten ist. Keiner weiß besser als er, dass Zeit Geld ist – und
dass die Zeit gegen ihn arbeitet.
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Dass sein Vorhaben langfristig gesehen zum Scheitern verurteilt ist, be­
weisen nicht nur die Zahlen, sondern auch ein Blick auf die Geschäftspraktiken.
Denn im Grunde ist jede Bank ein Handelsunternehmen wie jedes andere auch.
Der einzige Unterschied: Das Produkt, mit dem eine Bank handelt, ist das Geld
selbst. Die „Geld­experten“ machen mit dem Geld der Kunden Geschäfte, die
teils hochspekulativ sind. Der Kunde bekommt davon direkt nichts mit, denn
er erhält von seiner Bank keine Push-Benachrichtigung über die bankinternen
Aktivitäten. Ein Unterschied macht es deutlich: Geht ein Unternehmen pleite,
freut sich die Konkurrenz, denn sie profitiert unmittelbar vom weiterhin exis­
tierenden Kundenstamm, der sich nun auf die noch verbliebenen Anbieter auf­
teilt. Geht eine Bank pleite, erzeugt das nicht absehbare Folgeschäden in allen
volkswirtschaftlichen Bereichen – siehe Lehman Brothers. Aber es muss nicht
gleich eine Großbank sein, die mit drohender Insolvenz ein Inferno auslöst. Was
wäre passiert, wenn man die eher kleinen griechischen Banken ihrem Schicksal
– dem Grexit – überlassen hätte? Spielen wir es kurz durch: Griechenland wird
vom Geldstrom der internationalen Kapitalmärkte abgeklemmt und muss eine
eigene Währung einführen. Dem finanziellen Kollaps folgt der Inselstatus im
Wirtschaftsraum Europa, eine Inflation unabsehbaren Ausmasses ist die Konse­
quenz. Es folgen die Insolvenzen griechischer Unternehmen, die ihren Eurover­
bindlichkeiten früher oder später nicht mehr nachkommen können. Die Preise
lebensnotwendiger Importe (Energie, Lebensmittel, Medikamente) steigen um
mindestens 30 %, was für die ärmeren Schichten der Bevölkerung nicht mehr
zu stemmen ist. Deutschland muss sich von bisher gewährten Krediten in Höhe
von rund 80 Millarden Euro für immer verabschieden. Unsere Steuergelder ver­
sickern in der Inselwelt der Ägäis. Aber was sind solche Summen schon für die
solventesten Steuerzahler Europas? Lächeln wir lediglich über den Worst Case
oder schlucken wir mehrmals kräftig? Unterm Strich gilt: Jedes System hat eine
Grenze der Belastbarkeit. Auf Dauer möchte niemand die Korruption, die künst­
liche Bürokratie und die Schattenwirtschaft anderer Staaten finanzieren. Wenn
Staaten über Jahre und Jahrzehnte hinweg die eigenen Bilanzen frisieren, ist das
Maß voll. Hier geht es am Ende nicht nur um Grenzen der Belastbarkeit, sondern
um Grenzen des Anstands, des Vertrauens und der Redlichkeit.
Mit Grenzen ist das so eine Sache, denn es gibt gute und weniger gute. Das
zeigt sich gerade in der Flüchtlingsthematik: Die Berliner Mauer haben wir über
Jahrzehnte verdammt – die Insel Lampedusa im Mittelmeer hingegen war lan­
ge Zeit unser heißgeliebter Stacheldraht gegen den Flüchtlingsstrom aus Afrika.
Heute werden Millionen von Hilfesuchenden auf der Balkanroute einfach zu uns
durchgewunken. Europa antwortet mit der Errichtung neuer Grenzzäune. Denn
tief im Innern mögen wir Grenzen, wenn sie denn aus subjektiver Sicht einen
Zweck erfüllen. Niemand kommt schließlich auf die Idee, seine Haustür gegen
einen Duschvorhang auszutauschen. Wir schützen uns mit Zöllen auf der einen
Seite und fordern bedingungslos freie Marktwirtschaft auf der anderen. Im Grun­
de sucht jeder sein persönliches Glück, wenn auch auf Kosten der anderen: Die
Armen fordern die Reichensteuer, die Reichen die Erhöhung der Mehrwertsteuer,
die Raucher die Erhöhung der Alkoholsteuer und die Trinker die Erhöhung der
Tabaksteuer. Wer will eine Zeche schon allein bezahlen?
Bezogen auf Banken sind deutliche Parallelen zu erkennen: Wir wünschen
uns Sicherheit für unser Geld und gleichzeitig hohe Renditen, definieren aber
gleichzeitig eine niedrige Grenze, was die Risiken der Anlagen angeht. Eins galt
in diesem Zusammenhang jedoch schon immer: Solange die Kursverluste an den
Börsen die anderen treffen, hat unser Anlageberater alles richtig gemacht.
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